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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des F R, geboren am 15. Juni 1975, vertreten durch Dr. Günter Schmid, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 5. Juli 2001, Zl. St 018/00, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 5. Juli 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer befinde sich seit 7. Jänner 1990 in Österreich. Am 25. April 1996 sei ihm eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung erteilt worden.
Am 21. November 1997 sei er wegen versuchten Diebstahls rechtskräftig zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt worden. Die bedingte Strafnachsicht sei am 26. Mai 1999 widerrufen worden.
Am 19. Oktober 1998 sei er wegen des Verbrechens gemäß § 28 Abs. 2 Suchtmittelgesetz iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten, davon 12 Monate unter bedingter Strafnachsicht, verurteilt worden. Dieses Urteil sei am 22. April 1999 in Rechtskraft erwachsen. Anlässlich einer kriminalpolizeilichen Einvernahme in der Justizanstalt Steyr am 2. August 1999 habe der Beschwerdeführer angegeben, sich dort in Untersuchungshaft zu befinden, weil ihm der Handel mit Suchtgift vorgehalten würde. Dies sei von der Erstbehörde auch verifiziert worden.
Auf Grund der gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt.
Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass durch das Aufenthaltsverbot in beträchtlicher Weise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen werde. Der Beschwerdeführer habe bei seiner Einvernahme am 2. August 1999 angegeben, derzeit ohne Beschäftigung zu sein und Arbeitslosenunterstützung zu beziehen. In der Berufung habe er vorgebracht, die meiste Zeit seines Aufenthaltes gearbeitet zu haben. Dem Beschwerdeführer sei seine teilweise Erwerbstätigkeit zu Gute zu halten. Überdies sei ihm eine der Dauer seines Aufenthaltes entsprechende Integration - nicht nur in beruflicher Hinsicht - zuzubilligen. Im sozialen Bereich sei dem Beschwerdeführer eine Integration jedoch noch nicht gelungen, was seine strafbaren Handlungen verdeutlichten.
Der Verurteilung des Beschwerdeführers vom 19. Oktober 1998 liege zu Grunde, dass er im Zusammenwirken mit anderen Personen etwa 400 Gramm Kokain durch Verkauf an eine weitere Person in Verkehr zu setzen versucht habe. Hinsichtlich einer Menge von 100 Gramm Kokain sei die Übergabe tatsächlich erfolgt. Aus der deswegen verhängten teilbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten sei zu ersehen, dass das Gericht den Unwert der Straftat besonders hoch eingeschätzt habe. Zu beachten sei auch, dass der Beschwerdeführer sich durch eine gerichtliche Verurteilung nicht von weiteren Straftaten habe abhalten lassen und er sein strafbares Verhalten sogar noch gesteigert habe. Ein rigoroses Vorgehen gegen Suchtgiftdelikte sei schon deshalb dringend geboten, weil der immer größer werdende Konsum von Suchtgiften zu verheerenden Schäden, insbesondere bei Jugendlichen, führe. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten voller sozialer Integration eines Fremden dringend geboten.
Aus all diesen Umständen sei nicht nur die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 leg. cit. zulässig. Unter Abwägung aller oben angeführten Tatsachen und im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers zu stellende negative Prognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, wegen des von der belangten Behörde festgestellten Suchtgiftdelikts zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt worden zu sein. Im Hinblick darauf und auf die große Sozialschädlichkeit von Suchtgiftdelikten besteht gegen die (nicht bekämpfte) Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt und die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, kein Einwand.
2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 7. Jänner 1990 sowie den inländischen Aufenthalt der Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers berücksichtigt. Bezüglich der Berufstätigkeit hat sie die Aussage des Beschwerdeführers vom 2. August 1999, derzeit arbeitslos zu sein, und das Berufungsvorbringen, die meiste Zeit gearbeitet zu haben, wiedergegeben und dem Beschwerdeführer demgemäß zu Gute gehalten, teilweise einer Erwerbstätigkeit nachgegangen zu sein. Mit seinem Vorbringen, die belangte Behörde habe nicht erhoben und festgestellt, welcher Beschäftigung er nachgegangen sei, zeigt er schon deshalb keinen relevanten Verfahrensmangel auf, weil er nicht vorbringt, inwiefern die belangte Behörde bei Feststellung der Art seiner Beschäftigung zu einem für ihn günstigen Ergebnis gelangt wäre.
Auf Grund der Aufenthaltsdauer, der Berufstätigkeit und des inländischen Aufenthalts der Familienangehörigen wiegen die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet schwer.
Dem steht die Gefährdung öffentlicher Interessen durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers gegenüber. Der Beschwerdeführer hat im Zusammenwirken mit anderen Personen etwa 400 Gramm des gefährlichen Suchtmittels Kokain zu verkaufen versucht. Aus der Verurteilung wegen § 28 Abs. 2 Suchtmittelgesetz ergibt sich, dass der Beschwerdeführer das Suchtgiftdelikt in Bezug auf eine Menge begangen hat, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen (vgl. § 28 Abs. 6 Suchtmittelgesetz). Die belangte Behörde hat zu Recht auf die bei Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß große Wiederholungsgefahr (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 98/18/0250) hingewiesen. Das Verhalten des Beschwerdeführers - der sich unstrittig bereits am 2. August 1999 wegen des Verdachtes der Begehung eines weiteren Suchtgiftdelikts in Untersuchungshaft befand - stellt eine massive Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität dar. Die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), kann selbst dann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn man den in der Beschwerde vorgebrachten und von der belangten Behörde nicht (ausdrücklich) festgestellten Umstand, dass der Beschwerdeführer mit seinen Eltern und Geschwistern in Haushaltsgemeinschaft lebt, zusätzlich zu Gunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt.
3. Der Beschwerdehinweis auf § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG ist schon deshalb nicht zielführend, weil der Beschwerdeführer erst im Jänner 1990, somit im Alter von 14 Jahren, nach Österreich eingereist ist und daher nicht als "von klein auf" im Inland aufgewachsen zu betrachten ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. März 1999, Zl. 98/18/0244). Es kann somit dahinstehen, ob der Beschwerdeführer das in § 38 Abs. 2 FrG definierte, kumulativ zu erfüllende Tatbestandselement des § 38 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. "langjährig rechtmäßig niedergelassen" erfüllt. Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge geht daher ins Leere.
4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 6. November 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001180177.X00Im RIS seit
06.02.2002