TE UVS Wien 2007/09/19 07/A/36/3187/2007

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.09.2007
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag. Fritz über die Berufung des Herrn Dipl.-Ing. Mag. Michael N., Rechtsanwalt in Wien, E-gasse, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 2. Bezirk, vom 14.3.2007, Zl. MBA 2 - S 6843/06, betreffend Übertretung des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, nach am 11.6.2007 durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Gemäß § 65 VStG wird dem Berufungswerber kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Text

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 6.7.2006, 2 S 113/06i wurde über das Vermögen der ?I.? Personalleasing GmbH (in der Folge kurz: I-GmbH) der Konkurs eröffnet und Herr Dipl.-Ing. Mag. Michael N. (der nunmehrige Berufungswerber ? Bw) zum Masseverwalter bestellt.

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 2. Bezirk, vom 14.3.2007 wurde der Bw schuldig erkannt, er habe als Masseverwalter und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der I-GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft, welche zur Ausübung des Gewerbes: Überlassung von Arbeitskräften in Wien, L-straße berechtigt sei, von 31.8.2006 bis 8.11.2006 entgegen § 13 Abs 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988 i. d.g.F. (AÜG) ihrer Verpflichtung zur Übermittlung der statistischen Daten insofern nicht nachgekommen sei, als diese Gesellschaft die zum Stichtag Ende Juli 2006 zu ermittelnden Daten nicht bis zum 31.8.2006 dem Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 63, vorgelegt habe. Der Bw habe dadurch § 22 Abs 1 Z 2 lit d iVm § 13 Abs 4 AÜG iVm § 9 VStG verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Bw gemäß § 22 Abs 1 AÜG eine Geldstrafe von 175,-- Euro, falls diese uneinbringlich sei, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag und 6 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurden die vom Bw zu ersetzenden Verfahrenskosten mit 17,50 Euro bestimmt. Die Erstbehörde hielt dann auch noch fest, dass die I-GmbH für die verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand hafte. In seiner gegen dieses Straferkenntnis innerhalb offener Frist erhobenen Berufung brachte der Bw vor, er verfüge im gegenständlichen Insolvenzverfahren auch nicht annähernd über diejenigen Unterlagen, welche es ihm erlauben würden, eine statistische Auswertung vorzunehmen und die entsprechenden Daten an die zuständigen Behörden weiterzuleiten. Er verfüge weder über Saldenlisten, noch über Dienstnehmerkonten etc.; es sei ihm nicht einmal nachvollziehbar, wann das gemeinschuldnerische Unternehmen tatsächlich seinen Betrieb eingestellt habe. Er habe das Unternehmen bereits in geschlossenem Zustand übernommen. An der Geschäftsadresse sei kein Hinweis mehr auf das gemeinschuldnerische Unternehmen zu finden gewesen. Von den zuletzt noch aufrecht gemeldeten Dienstnehmern habe er lediglich (auf Anfrage) über eine Mitteilung seitens der Wiener Gebietskrankenkasse erfahren und sämtliche verbleibenden Dienstverhältnisse aus Gründen der rechtlichen Vorsicht nach § 25 KO beendet. Keiner der gekündigten Dienstnehmer habe, obwohl er in den Kündigungsschreiben ausdrücklich auf ein entsprechendes Erfordernis hingewiesen habe, mit ihm als Masseverwalter Kontakt aufgenommen. Es sei ihm daher objektiv nicht möglich gewesen, entsprechenden Verpflichtungen nachzukommen; es liege aufgrund des Sachverhaltes keinerlei schuldhaftes Verhalten seinerseits vor (der Berufung waren drei Berichte des Masseverwalters vom 12.7.2006, 31.8.2006 und vom 27.2.2007 an das Handelsgericht Wien angeschlossen).

Über h.a. Ersuchen übermittelte das Handelsgericht Wien den dortigen Konkursakt zur Zl. 2 S 113/06i (betreffend die I-GmbH).

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 11.6.2007 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Bw bei seiner Einvernahme als Beschuldigter Folgendes angab:

?Ich bin im Laufe eines Jahres in mehreren Konkursfällen als Masseverwalter tätig. Ich bin mit Beschluss des HG Wien vom 6.7. zum Masseverwalter bestellt worden. Ich bin zur Geschäftsadresse gefahren und habe wahrgenommen, dass das Geschäft bereits zwangsweise geräumt war. Ich habe dort niemanden angetroffen. Ich habe die Geschäftsleitung mit einem Belehrungsschreiben angeschrieben. Es gab dann irgendwann einmal eine Kontaktaufnahme durch die Geschäftsführerin Frau F.. Diese ist zu mir in die Kanzlei zu einer Besprechung gekommen. Es ist dann ein Kontakt hergestellt worden. Es wird dies im Laufe des ersten Monats gewesen sein.

Sie teilte mir mit, dass das Unternehmen seit Ende 2005 nicht mehr operativ tätig ist. Ich forderte sie auf, mir die Geschäftsunterlagen vorzulegen. Ich habe überhaupt nichts erhalten und wurde mir mitgeteilt, dass die Unterlagen im Zuge der Räumung alle verschwunden seien. Die Geschäftsführerin wurde nach Dienstverhältnissen gefragt und verweise ich auf AS 39 aus dem ersten Bericht des Masseverwalters. Ich habe die Dienstverhältnisse gemäß § 25 KO aufgekündigt, es hat sich trotz Aufforderung kein Dienstnehmer bei mir gemeldet. Wenn ich im ersten Bericht erwähnt habe, dass das Unternehmen das Arbeitskräfteüberlassungsgewerbe betrieben hat, so habe ich diese Informationen von der Geschäftsführerin, aus eigener Wahrnehmung kann ich das nicht bestätigen.

Sämtliche relevanten Informationen über das Unternehmen habe ich durch Poststücke erfahren, die über die Postsperre zu mir gekommen sind. Es waren dies nur punktuelle Informationen. Über Vorhalt des Rückscheines auf AS 4 gebe ich an, die Sendung wird wohl eine Frau H. übernommen haben, in meinen Unterlagen habe ich dazu aber nichts gefunden.

Um die Dienstnehmer begünstigt kündigen zu können, wurde ein Beschluss über die Schließung des Unternehmens bei Gericht bewirkt. Wenn die Beitragsprüfung der Krankenkasse abgeschlossen ist (dies kann auch zwei Jahre dauern), dann sollte das Verfahren abgeschlossen werden können. Ohne Informationen und ohne entsprechende Unterlagen kann ich keinen behördlichen Aufträgen entsprechen. Ab Konkurseröffnung hat es unter meiner Aufsicht keine Aktivitäten der Firma gegeben. Das Unternehmen hatte keine Unternehmens-Mindestinfrastruktur, um in irgendeiner Form operativ tätig zu sein. Ich kann dies aber nur für die Zeit nach der Konkurseröffnung beurteilen. Es war mir auch nicht möglich, einen Jahresabschluss bei Gericht einzureichen oder Steuererklärungen abzugeben.

Ich konnte auch keine Leermeldung abgeben, weil ich über die gesetzlich vorgesehenen Parameter keine Informationen hatte.?

Im Anschluss daran verzichtete der Bw auf die Abgabe eines Schlusswortes und auf die mündliche Verkündung des Berufungsbescheides.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Der mit ?Aufzeichnungen? umschriebene § 13 AÜG lautet wie

folgt:

?Aufzeichnungen

§ 13.

(1) Der Überlasser hat ab Aufnahme der Überlassungstätigkeit laufend Aufzeichnungen über die Überlassung von Arbeitskräften zu führen.

(2) Die Aufzeichnungen haben zu enthalten:

1. Namen, Geburtsdaten, Geschlecht und Staatsbürgerschaft der überlassenen Arbeitskräfte, gegliedert nach Arbeitern und Angestellten,

2. Namen der Beschäftiger und deren gesetzliche Interessenvertretung, bei Zugehörigkeit zur Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft auch deren zuständige Fachgruppe,

3. Beginn und Ende der Überlassungen für jede überlassene Arbeitskraft.

(3) Der Überlasser hat die Aufzeichnungen gemäß Abs 2 sowie die Ausfertigungen der Dienstzettel gemäß § 11 Abs 4 und der Mitteilungen gemäß § 12 bis zum Ablauf von drei Jahren nach der letzten Eintragung aufzubewahren.

(4) Der Überlasser hat der zuständigen Gewerbebehörde einmal jährlich zum Stichtag Ende Juli folgende Daten, geordnet nach den gesetzlichen Interessenvertretungen und Fachgruppen der Beschäftiger, zu übermitteln:

1. Anzahl der überlassenen Arbeitskräfte, gegliedert nach Geschlecht, Staatsbürgerschaft, Arbeitern und Angestellten,

2.

Anzahl der Beschäftiger,

3.

Anzahl der laufenden Überlassungen, gegliedert nach ihrer bisherigen Dauer in solche bis einen Monat, bis drei Monate, bis sechs Monate, bis ein Jahr und über ein Jahr.

(5) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit kann geeignete Unternehmen und Einrichtungen mit der Überprüfung und Auswertung der Ergebnisse der Stichtagserhebung gemäß Abs 4 beauftragen.

(6) Der Beschäftiger von aus dem Europäischen Wirtschaftsraum überlassenen Arbeitskräften hat Aufzeichnungen gemäß Abs 2 Z 1 und 3 zu führen, diese Aufzeichnungen sowie Ausfertigungen der schriftlichen Bestätigungen gemäß § 12 Abs 1 bis zum Ablauf von drei Jahren nach der letzten Eintragung aufzubewahren und die Verpflichtungen gemäß Abs 4 Z 1 und 3, geordnet nach Staaten, zu erfüllen.?

Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht gemäß § 22 Abs 1 Z 2 lit d AÜG eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 726,-- Euro, im Wiederholungsfall von 360,-- Euro bis zu 1.140,-- Euro zu bestrafen, wer die gemäß § 13 zu führenden Aufzeichnungen oder die zu übermittelnden statistischen Daten nicht oder mangelhaft vorlegt.

Gemäß § 9 Abs 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Über das Vermögen der I-GmbH wurde vom Handelsgericht Wien mit Beschluss vom 6.7.2006 der Konkurs eröffnet und der Bw zum Masseverwalter bestellt. Nach dem im Akt einliegenden Firmenbuchauszug war zunächst (nach der Firmengründung) Herr Mohamed F. (geb. 24.3.1969) handelsrechtlicher Geschäftsführer der I-GmbH (bis Juni 2005). Zuletzt scheint als handelsrechtliche Geschäftsführerin der I-GmbH Frau Sara F. (geb. 2.3.1980) auf. In seinem ersten Bericht an das Handelsgericht Wien vom 12.7.2006 wies der Bw darauf hin, dass das Unternehmen ein Arbeitskräfteüberlassungsgewerbe betrieben habe. Im Zuge der Erstbesprechung sei durch die gemeinschuldnerische Geschäftsführerin (Frau F.) mitgeteilt worden, dass das Unternehmen bereits seit Ende 2005 nicht mehr operativ tätig sei; durch die Wiener Gebietskrankenkasse seien noch insgesamt 12 Dienstnehmer als aufrecht gemeldet bekannt gegeben worden. Die Geschäftsführerin habe keine zweckdienlichen Angaben dahingehend machen können, ob diese Dienstverhältnisse aufgelöst worden seien oder ob bzw. wann die Dienstnehmer, welche seit Ende 2005 keine Entgelte mehr erhalten haben, aus den Unternehmen ausgetreten seien. Es gebe keinerlei Bank- oder Kassaguthaben. Das Unternehmen sei vor wenigen Wochen von der bisherigen Geschäftsanschrift in Wien, L-straße geräumt worden. Seit Ende 2005 würden auch keine Aufträge mehr ausgeführt. Unter Vorlage einer durch Frau F. persönlich unterfertigte Zustimmungserklärung stellte der Bw den Antrag auf Anordnung der umgehenden Unternehmensschließung. Die sofortige Unternehmensschließung sei erforderlich, um offensichtliche weitere Ausfälle für die Konkursgläubiger, insbesondere durch allfällige Lohn- und Lohnnebenkosten, zu verhindern. Der Bw gab ferner bekannt, dass die Konkursmasse voraussichtlich nicht ausreiche, um sämtliche Masseverbindlichkeiten ordnungsgemäß zu erfüllen; dies im Hinblick auf die ungeklärte Rechtslage hinsichtlich der als aufrecht gemeldeten Dienstverhältnisse.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 13.7.2006 wurde der vom Bw gestellte Antrag auf Schließung des gemeinschuldnerischen Unternehmens gemäß §§ 115ff KO bewilligt. In seinem zweiten Bericht vom 31.8.2006 merkte der Bw an, dass nach Auskunft der Wiener Gebietskrankenkasse zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung insgesamt 12 Dienstnehmer aufrecht gemeldet gewesen seien; er habe die Dienstverhältnisse aus Gründen der rechtlichen Vorsicht unverzüglich gemäß § 25 KO aufgekündigt. Die Dienstverhältnisse dürften nach den Schilderungen der gemeinschuldnerischen Geschäftsleitung jedoch bereits seit Ende 2005 aufgelöst sein; eine Geschäftstätigkeit sei nicht mehr feststellbar gewesen. An der Geschäftsadresse habe bei Konkurseröffnung kein Hinweis mehr auf das gemeinschuldnerische Unternehmen festgestellt werden können; nach Auskunft der zuständigen Hausverwaltung sei das Objekt bereits seit 27.2.2006 geräumt. Es hätten keinerlei Geschäftsunterlagen des gemeinschuldnerischen Unternehmens aufgefunden werden können. Frau Sara F. könne/wolle diesbezüglich ebenfalls keine zweckdienlichen Auskünfte erteilen.

In seinem dritten Bericht vom 27.2.2007 führte der Bw aus, mangels verfügbarer Geschäftsunterlagen und mangels Verfügbarkeit der gemeinschuldnerischen Geschäftsführung hätten lediglich im Zuge der Postsperre Informationen über aushaftende Forderungen gegenüber der P-GmbH festgestellt werden können. Die Leistungen des Monats April 2006 seien von ihm namens der Masse mit einem Betrag von 2.119,87 fakturiert und durch den Schuldner beglichen worden.

In der mündlichen Verhandlung am 11.6.2007 wurde der Bw als Beschuldigter einvernommen. Dabei wies er darauf hin, dass er ? nach seiner Bestellung zum Masseverwalter am 6.7.2006 ? zur Geschäftsadresse gefahren sei und dort wahrgenommen habe, dass das Geschäft bereits zwangsweise geräumt worden sei. Es habe im Laufe des ersten Monats eine Kontaktaufnahme durch die Geschäftsführerin, Frau F., gegeben. Diese habe ihm mitgeteilt, dass das Unternehmen seit Ende 2005 nicht mehr operativ tätig sei. Obwohl er diese aufgefordert gehabt habe, ihm die Geschäftsunterlagen vorzulegen, habe er überhaupt nichts erhalten und sei ihm mitgeteilt worden, dass die Unterlagen im Zuge der Räumung verschwunden seien. Von Seiten der Frau F. sei ihm mitgeteilt worden, dass das Unternehmen das Arbeitskräfteüberlassungsgewerbe betrieben habe (aus eigener Wahrnehmung könne er dies nicht bestätigen). Sämtliche relevante Informationen über das Unternehmen habe er über Poststücke erhalten, die über die Postsperre zu ihm gekommen seien. Er betonte dann wiederum, ohne Informationen und ohne entsprechende Unterlagen könne er keinen behördlichen Aufträgen entsprechen. Das Unternehmen habe keine Unternehmens-Mindestinfrastruktur gehabt, um in irgendeiner Form operativ tätig zu sein. Er habe auch keine Leermeldung abgeben können, weil er über die gesetzlich vorgesehenen Parameter keine Informationen gehabt habe.

In der von der Magistratsabteilung 63 am 9.11.2006 an die Erstbehörde erstatteten Anzeige wird nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften ausgeführt, dass die I-GmbH mit Schreiben vom 24.7.2006 aufgefordert worden sei, die für die Stichtagserhebung gemäß § 13 Abs 4 AÜG zu ermittelnden Daten bis spätestens 31.8.2006 an die Magistratsabteilung 63 (elektronisch) zu übermitteln. Es sei eine solche Meldung jedoch weder elektronisch noch in Papierform erstattet worden. Zu dieser Übermittlung eines Schreibens ist anzumerken, dass zu dieser Zeit bereits über das Vermögen der I-GmbH der Konkurs eröffnet und der Bw zum Masseverwalter bestellt worden war. Die Magistratsabteilung 63 richtete das erwähnte Schreiben dennoch an die I-GmbH und ist dieses Schreiben dann offenbar wegen der Postsperre an den Masseverwalter weitergeleitet worden (laut dem im Akt liegenden Rückschein wurde es dort von einem Arbeitnehmer des Empfänger am 31.7.2006 übernommen). Dieses Aufforderungsschreiben hätte aber im vorliegenden Fall nicht mehr an die I-GmbH, sondern schon an den Masseverwalter gerichtet werden müssen (vgl. zu einem Auskunftsbegehren nach § 1a Wiener Parkometergesetz das Erkenntnis des VwGH vom 14.12.1998, Zl. 97/17/0509). Im vorliegenden Fall geht es aber ohnedies nicht darum, dass dem Masseverwalter zur Last gelegt wird, er hätte ein ? unrichtig adressiertes ? Aufforderungsschreiben der Magistratsabteilung 63 vom 24.7.2006 nicht beantwortet, sondern es geht darum, dass ihm eine Verletzung der sich aus § 13 Abs 4 AVG ergebenden Verpflichtungen zur Last gelegt wird.

In der erwähnten Anzeige der Magistratsabteilung 63 vom 9.11.2006 wurde dann auch noch angemerkt, dass die Verpflichtung zur Erstattung der Meldung für die Stichtagserhebung schon ex lege bestehe, sodass für die Strafbarkeit eine schriftliche Aufforderung zur Erstattung dieser Meldung durch die Gewerbebehörde nicht notwendig wäre. Die im gegenständlichen Fall dennoch erfolgte Aufforderung zur Erstattung dieser Meldung sei insofern erforderlich gewesen, als die Meldung grundsätzlich (also nach Möglichkeit) über ein Webportal auf elektronischem Weg zu erstatten gewesen wäre und dem Schreiben die Zugangsdaten für die Registrierung zu entnehmen gewesen seien. Außerdem habe das Aufforderungsschreiben hinsichtlich des Tatzeitraumes insofern Bedeutung, als damit seitens der Behörde eine Frist bis zum 31.8.2006 gewährt worden sei (andernfalls wären die Daten unverzüglich ? wenn auch nicht elektronisch ? zu übermitteln - vgl. Erkenntnis des VfGH vom 30.11.1993, B 801/93). Weiters wurde angemerkt, dass dieser gesetzlichen Verpflichtung gemäß § 13 Abs 4 AÜG nach dem Gesetzeswortlaut alle Arbeitskräfteüberlasser ? und zwar unabhängig von der tatsächlichen Überlassungstätigkeit bzw. einer allfälligen Ruhendmeldung der Gewerbeberechtigung ? unterliegen. Falls am Stichtag tatsächlich keine Arbeitskräfte überlassen worden seien, bestehe zumindest die Verpflichtung zur Übermittlung einer sogenannten ?Leermeldung?.

Nach den Bestimmungen über die Pflichten und Befugnisse des Masseverwalters (§§ 81 bis 83 KO) und aufgrund der Tatsache, dass durch die Eröffnung des Konkurses das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Konkurses erlangt (Konkursmasse), dessen freier Verfügung entzogen ist, kann kein Zweifel darüber bestehen, dass der Masseverwalter in Bezug auf die Führung des Betriebes des Gemeinschuldners dessen Rechte und Pflichten durch die gesetzlich auf ihn übergegangene Vertretungsbefugnis ausübt, der Masseverwalter also hinsichtlich des Konkursvermögens gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des VwGH vom 28.9.1995, Zl. 93/17/0317). Der Masseverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Konkursmasse ? soweit die Befugnisse des Gemeinschuldners beschränkt sind ? gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners iSd § 9 VStG (vgl. zu § 80 BAO das Erkenntnis des VwGH vom 8.2.2007, Zl. 2006/15/0371). Es ist daher davon auszugehen, dass der Bw als Masseverwalter grundsätzlich verpflichtet war, im Sinne des § 13 Abs 4 AÜG die dort angeführten statistischen Daten der zuständigen Gewerbebehörde zu übermitteln. Dies wird im Übrigen auch vom Bw selbst nicht in Abrede gestellt. Der Bw hat in seinen schriftlichen Eingaben und bei seiner Einvernahme in der mündlichen Verhandlung näher ausgeführt, aus welchen Gründen es ihm nicht möglich gewesen sei, den entsprechenden Verpflichtungen nachzukommen. Der Bw vertritt die Ansicht, ihm könne kein schuldhaftes Verhalten zur Last gelegt werden. Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit nach § 5 Abs 1 VStG fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Bei der Bestimmung des § 13 Abs 4 AÜG iVm § 22 Abs 1 Z 2 lit d AÜG handelt es sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG, weil zum Tatbestand dieser Übertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimmt ist. Bei Vorliegen eines Ungehorsamsdeliktes besteht von vornherein die Vermutung des Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche von ihm in der Weise widerlegt werden kann, dass er sein mangelndes Verschulden glaubhaft macht (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, S 1221 ff und die dort angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Die Verwirklichung des Tatbestandes allein genügt aber auch im Falle von Ungehorsamsdelikten für die Strafbarkeit nicht. Auch bei Ungehorsamsdelikten ist nur der schuldhaft Handelnde verantwortlich. Der Gesetzgeber präsumiert aber in einem solchen Fall die Schuld bis zur Glaubhaftmachung des Gegenteiles durch den Beschuldigten. Die Regelung des § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG befreit die Behörde nicht von der Verpflichtung, im Hinblick auf § 25 Abs 2 VStG von sich aus Umstände zu berücksichtigen, von denen sie bereits bei der Ermittlung des äußeren Tatbestandes Kenntnis erlangt hat (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 25. Oktober 1996, Zl. 95/17/0618, mwN).

Der Konkurs verfolgt zwei alternative Ziele: Primär die Erhaltung und Sanierung des Schuldnerunternehmens mit anschließendem Zwangsausgleich und nur subsidiär die Liquidierung der Konkursmasse und quotenmäßige Verteilung des Erlöses. Dem Bw oblag als Masseverwalter zunächst, die Wirtschaftslage der Gemeinschuldnerin zu ermitteln und unverzüglich zu prüfen, ob das Unternehmen der Gemeinschuldnerin fortgeführt werden kann. Mit der Übernahme seiner Tätigkeit als Masseverwalter hatte der Bw die Aufgabe, ein ihm fremdes Unternehmen in Liquidation im Konkursverfahren zu führen, und hat damit in einem Zug eine Reihe von unterschiedlichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten zugewiesen erhalten, die er unverzüglich wahrzunehmen hatte (vgl. z.B. wiederum das Erkenntnis des VwGH vom 25.10.1996, Zl. 95/17/0618).

Wie dem ersten Bericht des Masseverwalters entnommen werden kann, hat er unverzüglich die Unternehmensschließung beantragt; mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 13.7.2006 wurde dieser Antrag auf Schließung des Unternehmens auch bewilligt. Der Bw konnte ? wie dies seinen glaubwürdigen Schilderungen und dem Akteninhalt entnommen werden kann ? nach seiner Bestellung zum Masseverwalter nicht mit informierten Vertretern und Mitarbeitern eines Unternehmens Kontakt aufnehmen und sich Unterlagen über die Geschäftstätigkeit vorlegen lassen. So hat es an der Geschäftsadresse nicht einmal mehr einen Hinweis auf das gemeinschuldnerische Unternehmen gegeben. Von der Geschäftsführerin konnte er nur in Erfahrung bringen, dass das Unternehmen seit Ende 2005 operativ gar nicht mehr tätig gewesen sei. Trotz seiner Aufforderung sind ihm Geschäftsunterlagen (insbesondere zu dem hier maßgeblichen Zeitraum) nicht vorgelegt worden. Von den angemeldeten Dienstnehmern hat er durch Informationen der Wiener Gebietskrankenkasse erfahren. Die Geschäftsführerin wusste auch nicht, ob die Dienstverhältnisse aufgelöst worden seien oder ob bzw. wann die Dienstnehmer aus dem Unternehmen ausgetreten seien. Der Bw konnte sich daher ? während seiner Tätigkeit als Masseverwalter ? weder durch Einsicht in entsprechende Unterlagen noch durch persönliche Gespräche mit verantwortlichen (und entsprechend sachkundigen) Personen einen Wissenstand über die in § 13 Abs 4 AÜG angeführten Daten verschaffen. Wie der Bw in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, hat er einzelne Informationen über das Unternehmen durch Poststücke erfahren, die wegen der Postsperre zu ihm gelangt seien.

Der Bw ist ? wie erwähnt ? mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 6.7.2006 zum Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der I-GmbH bestellt worden. Der Überlasser hat ? wie dies im § 13 Abs 4 AÜG festgelegt ist ? der zuständigen Gewerbebehörde einmal jährlich zum Stichtag Ende Juli näher angeführte Daten zu übermitteln. Es ist davon auszugehen, dass das Gesetz keine Angabe über den Zeitpunkt enthält, bis zu dem die statistisch erfassten Daten der Behörde vorzulegen sind. Daraus folgt, dass ? sofern die Behörde nicht eine Frist gewährt hat (wie im vorliegenden Fall: bis 31.8.2006; noch einmal sei aber erwähnt, dass das Schreiben der Magistratsabteilung 63 nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist) - die Daten unverzüglich zu übermitteln sind (vgl. das Erkenntnis des VfGH vom 30.11.1993, B 801/93). Der Bw hatte überhaupt keine Möglichkeit festzustellen, ob die I-GmbH während des maßgeblichen Zeitraumes überhaupt eine Überlassungstätigkeit ausgeführt hat, ob bzw. bejahendenfalls mit welchen Beschäftigern die I-GmbH in geschäftlichem Kontakt gestanden ist und ob bzw. bejahendenfalls wie viele und welche Überlassungen es gegeben hat. Der Bw war (was bei der Unternehmensstruktur, wie sie sich nach der Aktenlage bei der I-GmbH dargestellt hat, auch nicht weiter verwunderlich ist) nicht in der Lage nachzuvollziehen, ob entsprechende Aufzeichnungen überhaupt geführt worden sind, ob diese verloren gegangen oder nicht doch weggeworfen worden sind etc. Da die im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführerin dem Bw hierzu auch keine brauchbaren Informationen hat geben können, kann auch nicht ausgeschlossen werden (es ist dies vielmehr zu vermuten), dass es sich bei dieser Frau lediglich um eine vorgeschobene Scheingeschäftsführerin (mit bescheidenem oder überhaupt fehlendem Wissenstand zu den Abläufen und Vorgängen bei der I-GmbH) gehandelt hat. Noch einmal sei betont, dass der Bw ? aufgrund des Zeitpunktes seiner Bestellung zum Masseverwalter ? überhaupt keine Möglichkeit der Einflussnahme darauf gehabt hat, ob und wie Aufzeichnungen nach § 13 AÜG geführt werden (sollten zuvor allenfalls solche Aufzeichnungen geführt worden sein, so hatte er ? wie dargelegt ? keine Möglichkeit, sich über den Inhalt dieser Aufzeichnungen zu informieren). Aufgrund des Ergebnisses des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ist nicht davon auszugehen, dass der Bw die Möglichkeit gehabt hätte, Kenntnis von (im § 13 Abs 4 AÜG angeführten) Daten zu erlangen, die er der zuständigen Gewerbebehörde übermitteln hätte können (dies gilt auch für die von der Magistratsabteilung 63 in ihrer Anzeige vom 9.11.2006 erwähnten Leermeldung). So wies der Bw in der mündlichen Verhandlung zutreffend darauf hin, dass er auch keine Leermeldung hätte abgeben können, weil er über die gesetzlich vorgesehenen Parameter überhaupt keine Informationen gehabt habe. Da der Bw ja ? wie er richtig aufzeigt ? verpflichtet gewesen wäre, richtige Daten zu übermitteln, kann ihm die Unterlassung der Bekanntgabe einer bloßen Vermutung wohl nicht zum Nachteil gereichen (vgl. dazu das Erkenntnis des VwGH vom 23.11.2001, Zl. 2001/02/0184).

Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Erstbehörde die Verantwortung des Bw (in seinem Einspruch vom 18.1.2007), es sei ihm nicht möglich gewesen, seinen Verpflichtungen nachzukommen, weil er das Unternehmen bereits im geschlossenen Zustand übernommen habe, an der Geschäftsadresse kein Hinweis auf das gemeinschuldnerische Unternehmen zu finden gewesen sei und ihm keinerlei Unterlagen zur Verfügung gestanden seien, nicht ausreichend überprüft und infolgedessen auch nicht nachvollziehbar begründet widerlegt hat, obwohl der Bw seiner Pflicht zur Glaubhaftmachung nach § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG, die (gerade in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem ein Masseverwalter es mit einem Unternehmen zu tun bekommt, das über keinerlei funktionierende Betriebsstrukturen mehr verfügt) nicht überspannt werden darf, durch sein Vorbringen schon in seinem Einspruch Genüge getan hat.

Aus den aufgezeigten Gründen war daher der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren spruchgemäß einzustellen. Die Kostenentscheidungen gründet sich auf § 65 VStG.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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