Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Renate Merl über die Berufungen 1.) des Herrn G S, 2.) der H S Seniorenheim GesmbH, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. S M, K 1, G, sowie 3.) des AI G, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz, Straf- und Vollstreckungsreferat, vom 11.09.2006, GZ.: A17-St 613/2004/1011, wie folgt entschieden: Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) werden die Berufungen 1.) des Herrn G S und 2.) der H S Seniorenheim GesmbH abgewiesen. Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Bestrafte (Erstberufungswerber) als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von ? 400,00 binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten. 3.) Der Berufung des AI G wird teilweise Folge gegeben, und die Strafen wie folgt festgesetzt: Punkt A 1-8: Je ? 1.000,00 pro Bandschutzschiebetor (je 3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 16 VStG), somit insgesamt ? 8.000,00. Punkt 2: ? 500,00 (1 Tag Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 16 VStG) Hinsichtlich der Punkte A 1 bis 8 wird die Strafnorm wie folgt berichtigt: § 130 Abs 1 Z 15 ASchG, BGBl Nr. 450/1994 idgF BGBl I Nr. 159/2001.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 11.09.2006, GZ.: A17/St 613/2004/1011, wurde dem Bestraften in seiner Funktion als verantwortlicher Beauftragter der H S Seniorenheim GesmbH mit dem Sitz in G, B 80, in den Punkten A 1-8 zur Last gelegt, dass am 07.10.2004 anlässlich einer Kontrolle des AI G festgestellt wurde, dass für die dort beschäftigten 67 Arbeitnehmer nicht dafür gesorgt wurde, dass die Arbeitsstätte im Gefahrenfall schnell und sicher verlassen werden kann, weil im Verlauf der gemäß Verordnung über die Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung gekennzeichneten und mit Fluchtwegorientierungsbeleuchtung versehenen Fluchtwege keine entsprechenden Notausgänge vorhanden waren, obwohl Ausgänge und Verkehrswege so angelegt und beschaffen sein müssen, dass sie je nach ihrem Bestimmungszweck leicht und sicher begangen oder befahren werden können und Arbeitgeber dafür zu sorgen haben, dass Notausgänge jederzeit leicht und ohne fremde Betriebsmittel von innen auf die gesamte erforderliche nutzbare Mindestbreite geöffnet werden können, so lange sich Arbeitnehmer in der Arbeitsstätte aufhalten, die auf Notausgänge angewiesen sein könnten. Bei den im angefochtenen Straferkenntnis näher bezeichneten Brandschutzschiebetoren PENEDER T 30 S 1 fehlte jeweils eine entsprechende, in Fluchtrichtung aufschlagende Fluchttüre. Als übertretene Verwaltungsvorschriften werden die §§ 21 Abs 3 und 4 ASchG iVm § 17 Abs 4 und § 20 Abs 1 Z 1 AStV herangezogen. In Punkt 2.) wurde dem Bestraften zur Last gelegt, dass am Kontrolltag kein Zugang zum Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument, Teil Brandschutzordnung, Evakuierungspläne gegeben war, obwohl gewährleistet sein muss, dass alle Berechtigten Zugang zum Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument haben. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen verhängte die belangte Behörde eine Geldstrafe von ? 2.000,00 gemäß § 130 Abs 1 Z 7 ASchG. Der Bestrafte sowie die H S Seniorenheim GesmbH legten gegen diese Straferkenntnisse fristgerecht Berufung ein und brachten vor, die belangte Behörde habe die beantragten Beweise nicht aufgenommen und das vorgelegte brandschutztechnische Gutachten des DI F E nicht ausreichend gewürdigt. Bei Durchführung dieser Beweise hätte die Behörde erster Instanz zum Ergebnis gelangen können, dass ein Verstoß gegen die genannten Bestimmungen nicht vorliegen könne, da im Betrieb der Bestraften ein Brandschutzkonzept, nämlich die TRVB N 132 Krankenhäuser und Pflegeheime - Bauliche Maßnahmen verwirklicht sei, welches einen vierstufigen Evakuierungsablauf vorsehe. Durch die bereits vorliegenden behördlichen Genehmigungen, insbesondere die Baubewilligung, sei davon auszugehen, dass den brandschutztechnischen Vorgaben jedenfalls entsprochen werde. Lediglich vorsichtshalber hätten die Betreiber ein Ansuchen um Ausnahmegenehmigung im Sinne des § 95 ASchG gestellt. Diese Ausnahmegenehmigung sei mit Bescheid der Stadt Graz, Bau- und Anlagenbehörde, GZ.: 16233/2004, vom 22.08.2006 auch bewilligt worden. Hinsichtlich der zweiten Übertretung werde die Einvernahme der beiden Beschuldigten sowie des Zeugen C H beantragt. Auch das AI G als mitbeteiligte Partei berief gegen den Bescheid und wandte ein, die belangte Behörde sei in der Begründung der beiden Straferkenntnisse vollinhaltlich der Argumentation des AI gefolgt, dass eine gesonderte Strafe pro Notausgang zu verhängen sei, habe jedoch dessen ungeachtet unverständlicherweise nur eine Gesamtstrafe von ? 2.000,00 für beide Spruchpunkte verhängt. Eventuell handle es sich auch nur um einen Irrtum. Es werde daher beantragt, dem Strafantrag des AI G vom 19.10.2004 folgend eine Strafe von ? 2.000,00 pro Notausgang (Punkt A 1-8) sowie weitere ? 2.000,00 für die Übertretung in Punkt 2.) zu verhängen. Die belangte Behörde erließ daraufhin einen Berichtigungsbescheid vom 09.10.2006, GZ.: A17/St 613/2004/3011, mit dem die ursprünglich verhängte eine Geldstrafe von ? 2.000,00 auf insgesamt ? 18.000,00 pro Straferkenntnis heraufgesetzt wurde. Der Bestrafte und das Unternehmen beriefen gegen diesen Berichtigungsbescheid und wandten ein, dass die Voraussetzungen für einen Berichtigungsbescheid nicht vorliegen. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats vom 19.02.2007, GZ.: 40.15-4,5/2007, wurde dieser Berichtigungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit behoben. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist somit wiederum das ursprüngliche Straferkenntnis vom 11.09.2006, GZ.: A17/St 613/2004/1011, mit dem eine Geldstrafe von ? 2.000,00 verhängt wurde. Da somit mit den angefochtenen Straferkenntnissen eine ? 2.000,00 nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist zur Entscheidung über die Berufung das umseitig angeführte Einzelmitglied des Unabhängigen Verwaltungssenats für die Steiermark berufen. Auf Grund der ursprünglich eingebrachten vollen Berufung des Bestraften und des Unternehmens wurden zunächst hinsichtlich des Spruchpunktes A 1-8 die beiden Amtssachverständigen Ing. Werner Höbarth und Frau Dr. Andrea Kainz mit der Erstellung eines Gutachtens hinsichtlich der Frage, ob die gegenständlichen Brandschutzschiebetore den im Straferkenntnis angeführten Bestimmungen des ASchG und der Arbeitsstättenverordnung entsprechen, beauftragt. In der Verhandlung vom 28.09.2007 schränkte der Bestrafte die Berufung auf die Anfechtung lediglich der Höhe der verhängten Strafen sein. Da sich somit im Ergebnis sowohl die Berufung des Bestraften und des Unternehmens, als auch die des AI G nur gegen die Strafhöhe der verhängten Strafen richten, ist der wörtlich gleichlautende Spruch des Straferkenntnisses rechtskräftig geworden. Dies gilt auch für die darin enthaltene Tatzeitangabe 07.10.2004. Aus der Anzeige des AI G, Seite 6, folgt zwar ein wesentlich längerer Tatzeitraum (Oktober 2000 bis 07. Oktober 2004) und hat das AI G die vergleichsweise hohen beantragten Strafen von ? 2.000,00 je Brandschutzschiebetor mit diesem langen Tatzeitraum begründet. Dieser Tatzeitraum wurde dem Bestraften auch mit der Aufforderung zur Rechtfertigung innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist zur Kenntnis gebracht und könnte daher von der Berufungsbehörde auf Grund des im Gegenstandsfall nicht geltenden Verbotes der reformatio in peius theoretisch noch erstreckt werden. Da sich jedoch sämtliche Berufungen im Ergebnis nur gegen die Strafhöhe richten, ist der Spruch rechtskräftig geworden und kann somit auch der Tatzeitraum nicht mehr geändert werden. Für die Strafbemessung folgt daraus, dass hinsichtlich der Punkte A 1-8 ebenso wie in Punkt 2. nur vom Kontrolltag als Tattag auszugehen ist. Zur Strafbemessung: Die Strafnorm des § 130 Abs 1 ASchG sieht in der zur Tatzeit geltenden Fassung, BGBl Nr. 450/1994 idgF BGBl I Nr. 159/2001 einen Strafrahmen von ? 145,00 bis ? 7.260,00, im Wiederholungsfall von ? 290,00 bis ? 14.530,00 vor. Auf Grund der Berufung des AI gilt hinsichtlich beider Straferkenntnisse das Verbot der reformatio in peius nicht und können daher die Strafen auch dem Berufungsantrag des AI G folgend hinaufgesetzt werden. Zu Punkt A 1-8 (Brandschutzschiebetore):
Hinsichtlich dieses Spruchpunktes teilt die Berufungsbehörde die Auffassung des AI G, dass für jedes betroffene Brandschutzschiebetor eine gesonderte Strafe zu bemessen ist, da jedes Tor eine gesonderte Gefahrenquelle darstellt und die Übertretungen einander nicht ausschließen, weil jede für sich allein und alle gleichzeitig verwirklicht werden können (vgl. unter anderem VwGH 12.03.1990, 90/19/0066). Aus diesem Grund war die Berufung des Bestraften bzw. des Unternehmens, welche sich gegen die gesetzwidrigerweise verhängte Gesamtstrafe von insgesamt nur ? 2.000,00 richteten, abzuweisen und der Berufung des AI Folge zu geben. Hinsichtlich der beantragten Strafhöhen konnte der Berufung des AI G allerdings nur teilweise Folge gegeben werden, weil aus den bereits dargestellten Gründen anstelle eines mehrjährigen Tatzeitraumes nur vom Kontrolltag als Tatzeitraum auszugehen war und die Verhängung einer Geldstrafe von ? 2.000,00 pro Brandschutzschiebetor für einen einzigen Tag trotz des beträchtlichen Gefahrenpotentials nicht bloß für die Arbeitnehmer, sondern insbesondere auch für die im gegenständlichen Pflegeheim untergebrachten Personen und zufällig anwesende Besucher zu hoch erschien. Die nunmehr verhängten Strafen liegen jedoch dennoch deutlich über der Mindeststrafe, dies aus folgenden Gründen:
Hinsichtlich des Bestraften ist vom zweiten Strafsatz des § 130 Abs 1 ASchG auszugehen, da der Berufungswerber mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 10.02.2004 bereits zweimal wegen einer Übertretung der unmittelbar einschlägigen Bestimmungen des § 21 Abs 4 iVm § 17 Abs 4 ASchG iVm § 17 Abs 1 und § 22 Abs 1 Arbeitsstättenverordnung rechtskräftig bestraft wurde. Weiters erfolgten vor der verfahrensgegenständlichen Kontrolle mehrere Aufforderungen gemäß § 9 Abs 1 ArbIG sowie mehrere persönliche Belehrungen durch Arbeitsinspektorin DI D hinsichtlich der gegenständlichen Brandschutzschiebetore (vgl. Zeugenaussage DI D in der Verhandlung vom 04.09.2007 sowie die Beilagen A-C zu dieser Verhandlungsschrift). Diese vorangegangenen Aufforderungen gemäß § 9 Abs 1 ArbIG rechtfertigen nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem 25.01.2005, Zl./02/0312) die Annahme vorsätzlicher Begehungsweise, welche als weiterer Erschwerungsgrund zu berücksichtigen ist. Als mildernd ist nichts anzunehmen, da der Bestrafte wegen mehrerer anderer nicht einschlägiger Verwaltungsvormerkungen nicht absolut unbescholten ist. Überdies liegt Wiederholungsgefahr vor, da die gegenständlichen Brandschutzschiebetore unverändert seit mittlerweile sieben Jahren im Betrieb sind und entgegen den anders lautenden Behauptungen des Bestraften nach wie vor keine Ausnahmegenehmigung gemäß § 95 ASchG vorliegt, da das beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilung 11A, zu GZ.:
FA11A-19-228/1999, auf Grund einer Berufung des AI G anhängige Ausnahmegenehmigungsverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Zu Punkt 2.: Gemäß § 5 ASchG sind Arbeitgeber verpflichtet, in einer der Anzahl der Beschäftigten und den Gefahren entsprechenden Weise die Ergebnisse der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren sowie die durchzuführenden Maßnahmen zur Gefahrenverhütung schriftlich festzuhalten (Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente). Soweit dies aus Gründen der Gefahrenverhütung erforderlich ist, ist diese Dokumentation arbeitsplatzbezogen vorzunehmen. Gemäß § 1 Abs 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente (DOK-VO, BGBl Nr. 478/1996) kann diese Dokumentation auch automationsunterstützt erfolgen. Es muss gewährleistet sein, dass alle Berechtigten Zugang zum Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument haben. Ist der ausreichende Zugang nicht auf andere Weise gewährleistet, muss ein Ausdruck der Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente zur Einsichtnahme aufliegen. Die DOK-VO trifft zwar keine näheren Regelungen dahingehend, wer als Berechtigter im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist, es kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass der damalige Pflegedirektor R H sowie der damalige Brandschutzbeauftragte C H, welche laut Anzeige des AI G und dem Ergebnis der Verhandlung vom 04.09.2007 zumindest am Kontrolltag keinen Zugang zu den Evakuierungsplänen für den Brandfall hatten, zum Kreis dieser Berechtigten zählen. Im Übrigen ist auch dieser Tatvorwurf auf Grund der Einschränkung der Berufung auf eine Strafberufung rechtskräftig geworden. Auch hier war der Berufung des AI G nur teilweise Folge zu geben und die Strafe mit ? 500,00 zu bemessen, da es sich hiebei nur um ein Zustandsdelikt handelt, in Ermangelung einschlägiger Vorstrafen nur der erste Strafsatz des § 130 Abs 1 ASchG anzuwenden ist und zum Unterschied von Punkt A 1-8 auch keine Erschwerungsgründe in Gestalt vorangegangener schriftlicher Aufforderungen gemäß § 9 Abs 1 ArbIG vorliegen. Hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse wurde hinsichtlich des Bestraften von einem geschätzten monatlichen Nettoeinkommen von ? 2.500,00, welches vom Bestraften ausdrücklich akzeptiert wurde, ausgegangen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.