TE UVS Tirol 2007/11/21 2007/23/3173-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.11.2007
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch den stellvertretenden Vorsitzenden Mag. Albin Larcher über die Beschwerde von Frau C. V. B., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. L. L., I., gegen den Ausspruch eines Betretungsverbotes (§38a SPG) am 14.11.2007 gegen 20.00 Uhr für das Haus XY-Str 16 in I. durch Organe der Bundespolizeidirektion Innsbruck als belangte Behörde, nach öffentlich mündlicher Verhandlung wie folgt:

 

I.

Gemäß § 67a Abs 1 Z 2 iVm § 67c Abs 1 und 3 sowie § 67d AVG und § 80 Sicherheitspolizeigesetz wird dem Antrag der Beschwerdeführerin insofern Folge gegeben, als festgestellt wird, dass sie durch den Ausspruch eines Betretungsverbotes am 14.11.2007 gegen 20.00 Uhr für das Haus XY-Str 16 in I. in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt wurde.

 

II.

Gemäß § 79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl 855/1955 idgF, wird dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Ersatz der Aufwendungen Folge gegeben. die belangte Behörde hat der obsiegenden Beschwerdeführerin Ersatz für den Schriftsatzaufwand in Höhe von Euro 660,80 und den Verhandlungsaufwand in Höhe von Euro 826,00 zu leisten. Der Gesamtbetrag von Euro 1.486,80 ist binnen 2 Wochen nach Zustellung dieses Bescheides zu Handen der Beschwerdeführerin anzuweisen.

Text

Mit Schriftsatz vom 19.11.2007 am selben Tage beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol eingelangt, erhob Frau C. V.?B. eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Bundespolizeidirektion Innsbruck. Dieser Beschwerde liegt im Wesentlichen der Ausspruch eines Betretungsverbotes gemäß § 38a SPG durch Organe der Bundespolizeidirektion Innsbruck am 14.11.2007 gegen 20:00 Uhr zu Grunde. In dieser Maßnahmenbeschwerde wurde ausgeführt wie folgt:

 

1. Sachverhaltsdarstellung

Im Juli dieses Jahres hatte die Beschwerdeführerin ihren Ehemann bereits wegen mehrfacher Körperverletzung zu ihrem Nachteil und zum Nachteil ihrer 15-jährigen Tochter J. V. angezeigt. Das Verfahren wird von der Staatsanwaltschaft Innsbruck zu GZ 52 BAZ 896/07i.

 

Am 14.11.2007 begab sich die Beschwerdeführerin aufgrund mehrer strafbarer Handlungen in jüngster Vergangenheit zu ihrem Nachteil durch den Ehegatten M. V. gemeinsam mit Frau Mag. H. T. vom Gewaltschutzzentrum Tirol zur Polizeiinspektion Saggen und erstattete gegen ihren Gatten eine Anzeige wegen mehrfacher Körperverletzung sowie einer gefährlichen Drohung und brachte umfangreich das unleidliche Verhalten ihres Gatten ihr gegenüber zu Protokoll. Die Anzeige wurde von Chefinspektor E. aufgenommen, der von Amts wegen eine Wegweisung sowie ein Betretungsverbot gegen M. V. gemäß § 38a SPG aussprach. Die Niederschrift zog sich aufgrund der umfangreichen Vorfälle von 15:42 Uhr bis 18:10 Uhr. Die Anzeige behängt zu GZ E1/41000/2007.

 

Um 19:10 hörte Frau V.-B. ihre Mobilbox ab, auf der die Nachricht der Polizeiinspektion Hötting eingegangen war, dass gegen sie ein Betretungsverbot gemäß § 38a Abs 2 SPG ausgesprochen wurde. Ihr Mann M. V. hatte das zuvor geführte Telefonat der Beschwerdeführerin mitgehört, indem sie mit Frau Mag. T. die Anzeigeerstattung vereinbarte und hat sich selbst zur Polizeiinspektion Hötting begeben und dort Anzeige wegen einer angeblichen gefährlichen Drohung der Beschwerdeführerin erstattet und ein Betretungsverbot nach § 38a SPG erwirkt.

 

Obwohl die Beschwerdeführerin während des Ausspruchs des Betretungsverbotes auf der Polizeiinspektion Saggen verweilte, wurde sie nicht zu den Vorwürfen einvernommen und wurde ihre Anzeige bei der Verhängung des Betretungsverbotes auch nicht berücksichtigt.

 

Auf Nachfrage erklärte Hr. M. als Organ der zuständigen Sicherheitsbehörde, der Bundespolizeiinspektion Innsbruck, am Tag nach der Verhängung des Betretungsverbots, dass das ausgesprochene Verbot selbst bei Vorliegen der Anzeige der Beschwerdeführerin nicht aufgehoben werden könne, da die einmalige angebliche Drohung der Beschwerdeführerin mit den häufigen Erniedrigungen und Körperverletzungen sowie Drohungen abgewogen wurde und auch in Anbetracht der Gewalttätigkeiten durch den Ehegatten in der Vergangenheit als verhältnismäßig betrachtet wurde.

 

Darüber hinaus entscheide in einem derartigen Fall das Zuvorkommen der Wegweisung bzw des Verhängens des Betretungsverbotes, und da das Betretungsverbot gegenüber der Beschwerdeführerin zeitlich früher ausgesprochen wurde, sei die Situation nunmehr bereinigt.

 

Beweis: beizubringende Anzeigen Beschwerdeführerin, E1/41000/2007 beizubringende Anzeige von M. V. vom 14.11.2007 PV

 

2. Beschwerdelegitimation

Die Verständigung über den Ausspruch des Betretungsverbotes gegen die Beschwerdeführerin erfolgte am 14.11.2007 um 19:10 per Mailbox-Abfrage, die Entscheidung zur Aufrechterhaltung des Betretungsverbotes wurde von Herrn M. am 15.11.2007 getroffen, die sechswöchige Beschwerdefrist ist daher gewahrt.

 

Die Beschwerdelegitimation ergibt sich daraus, dass die Beschwerdeführerin durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

 

In eventu bringt die Beschwerdeführerin vor, dass, sollte der UVS den Ausspruch eines Betretungsverbotes nach § 38a Abs 2 SPG nicht als Maßnahme im Sinne des Art 129a Abs 2 B-VG betrachten (für die Behandlung innerhalb der Maßnahmenbeschwerde H., in Eisenberger/Ennöckl/Helm: Maßnahmenbeschwerde2006) , dass die Beschwerde auf § 88 Abs 2 SPG gestützt wird und dementsprechend vorgebracht wird.

 

3. Beschwerdegründe

a. Eigentumsrecht

Die Beschwerdeführerin wurde durch das Verbot sich der eigenen Wohnung zu nähern in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht verletzt. Ein Eingriff in dieses Grundrecht ist nur zulässig, wenn er gesetzlich vorgesehen ist. Grundsätzlich ist der Ausspruch von einem Betretungsverbot nach §38a SPG zwar zulässig, im vorliegenden Fall war dieser aber rechtswidrig, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlagen.

 

Zum einen bestand nach Kenntnis des gesamten Sachverhaltes kein Grund dafür anzunehmen, dass von der Beschwerdeführerin ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit gegen ihren Mann M. V. bevorstand. Vielmehr wäre es umgekehrt der Fall gewesen, dass aufgrund der jüngsten, von der Beschwerdeführerin am 14.11.07 zur Anzeige gebrachten Vorfälle, davon auszugehen gewesen wäre, dass die Beschwerdeführerin als gefährdete Person im Sinne des §38a Abs 1 SPG anzusehen wäre.

 

Zum anderen wurde der ausdrücklich festgelegte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Sinne des § 38a Abs 2 SPG nicht berücksichtigt. Der Beschwerdeführerin wurde trotz Kenntnis der Gewalttaten durch ihren Mann die Rückkehr in die gemeinsame Wohnung verweigert. Insbesondere hätte die Sicherheitsbehörde gemäß § 29 Abs 2 SPG darauf achten müssen, von wem die Gefahr ausgeht bzw wem sie zuzurechnen ist.

 

b. Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

Durch den Ausspruch des Betretungsverbots ist es der Beschwerdeführerin verunmöglicht mit ihren beiden Kindern, dem 12-jährigen A. und der 15-jährigen J. persönlichen Kontakt zu halten. Aufgrund der nicht entsprechenden Berücksichtigung bzw der Abwägung der beiden Anzeigen wurde das Betretungsverbot durch Herrn M. von der Bundespolizeidirektion Innsbruck aufrecht erhalten, und widerspricht dies klar Art 8 EMRK.

 

c. Recht nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Vertretungsverbot ausgesprochen zu bekommen

Die Beschwerdeführerin wurde auch in ihrem subjektiven öffentlichen Recht verletzt, nur dann weggewiesen bzw nur dann ein Verbot die eigene Wohnung zu betreten ausgesprochen zu bekommen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Aus dem eben dargelegten Sachverhalt ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin als bedrohte Person anzusehen ist und dass daher ihr Mann M. V. der gemeinsamen Wohnung zu verweisen war.

 

Aus den eben ausgeführten Gründen liegen diese Voraussetzungen aber nicht vor und wurde die Beschwerdeführerin auch diesbezüglich in ihren Rechten verletzt.

 

Die Beschwerdeführerin stellt daher an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Tirol die ANTRÄGE

1)

auf Gewährung der Verfahrenshilfe

2)

auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung

3)

auf Fällung folgenden

ERKENNTNISSES

Die Beschwerdeführerin ist durch den Ausspruch des Betretungsverbotes im Sinne des § 38a S PG am 14.11.2007 um 19:10 Uhr und vor allem durch die Beibehaltung diese Betretungsverbotes trotz Kenntnis der Anzeige der Beschwerdeführerin am 15.11.2007 durch Herrn M. als Organ der zuständigen Sicherheitsbehörde der Bundespolizeidirektion Innsbruck in ihren verfassungsgesetzlich sowie einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden.

 

Der Bund als Rechtsträger der belangten Behörde ist schuldig, der Beschwerdeführerin gem §79a AVG die Kosten dieses Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Innsbruck, am 19.11.2007

C. V.-B.

 

Auf Grund dieses Beschwerdevorbringens wurde der Bundespolizeidirektion Innsbruck als belangte Behörde am 19.11.2007 aufgetragen, die Bezug habenden Akten bis Dienstag den 20.11.2007 um 16:00 Uhr zu übermitteln und wurde ebenfalls am 19.11.2007 eine öffentliche mündliche Verhandlung für den 21.11.2007 anberaumt.

 

Im Laufe des 20.11.2007 sowie am Morgen des 21.11.2007 langten mehrere Aktenteile beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol ein. Diese Aktenteile wurden sowohl von der Bundespolizeidirektion Innsbruck als auch vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin (Niederschrift  der Aussagen der Beschwerdeführerin vor der PI Saggen zur GZ E1/41000/2007) dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol übermittelt.

Die Bundespolizeidirektion Innsbruck machte auch von der Möglichkeit einer Stellungnahme gebrauch und gab folgende Stellungnahme ab:

 

1. Die Beschwerdeführerin sei durch das Verbot, sich der eigenen Wohnung zu nähern, in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht verletzt worden zu sein.

Hierzu führt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass ein Eingriff nur zulässig sei, wenn er gesetzlich vorgesehen ist. Grundsätzlich sei der Ausspruch von einem Betretungsverbot nach § 38a SPG zwar zulässig, im gegenständlichen Fall wäre dieser aber rechtswidrig gewesen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten.

Zum einen hätte nach Kenntnis des gesamten Sachverhalts kein Grund dafür bestanden, anzunehmen, dass von der Beschwerdeführerin ein gefährlicher Angriff iSd § 38a SPG gegen ihren Mann M. V. bevorstehen würde. Vielmehr sei dies umgekehrt gewesen. Zum anderen sei der ausdrücklich festgelegte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Sinne des § 38a Abs 2 SPG nicht berücksichtigt worden.

Auch hätte die Sicherheitsbehörde gemäß § 29 Abs 2 SPG darauf achten müssen, von wem die Gefahr ausgeht bzw wem sie zuzurechnen sei.

 

2. Durch den Ausspruch des Betretungsverbotes sei ihr Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden. Dies insbesondere deshalb, weil durch den Ausspruch des Betretungsverbotes es der Beschwerdeführerin verunmöglicht worden sei, mit ihren beiden Kindern (12 und 15 Jahre alt) persönlich Kontakt zu halten. Aufgrund der nicht entsprechenden Berücksichtigung bzw Abwägung der beiden Anzeigen sei das Betretungsverbot rechtswidrig aufrechterhalten worden.

 

3. Die Beschwerdeführerin sei im Recht, nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Vertretungsverbot (arg: gemeint wohl ?Betretungsverbot?) ausgesprochen zu bekommen, verletzt worden, weil die Beschwerdeführerin als bedrohte Person anzusehen gewesen sei und ihr Mann M. V. aus der gemeinsamen Wohnung zu verweisen gewesen wäre.

 

Der in der oa Maßnahmenbeschwerde angeführte Sachverhalt bzw die diesbezügliche Schlussfolgerungen sind in wesentlichen Teilen für die ha Behörde nicht nachvollziehbar.

 

Am 14.11.2007, um ca 14.00 Uhr, kam M. V., der mit der Beschwerdeführerin laut seinen Angaben in Scheidung lebende Ehemann, in die Polizeiinspektion Hötting und erstattete Anzeige gegen die Beschwerdeführerin, weil ihn diese mit dem ?Abstechen? bedroht und fremde Sachen beschädigt haben soll. Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme bzw der anschließenden Erhebungen wurde bekannt, dass es seit Mai 2005 innerhalb der Familie V. zu strafrechtlichen Anzeigen (wegen Körperverletzung im häuslichen Bereich) gekommen war; ua wurde die Beschwerdeführerin unter Zahl II-1852/1/05 zur Anzeige gebracht, weil sie verdächtig war, am 30.5.2005 M. V. am Körper verletzt zu haben. Dieses Verfahren wurde unter Zahl 51 BAZ 316/05 beim Bezirksgericht Innsbruck geführt und nach erfolgter Diversion eingestellt.

 

Aufgrund dieser bestimmten Tatsachen iSd § 38a SPG, insbesondere wegen des Verdachtes der gefährlichen Drohung der Beschwerdeführerin gegen M. V., nahmen die einschreitenden Polizeibeamten zu Recht an, dass ein gefährlicher Angriff auf das Leben und die Gesundheit von M. V. bevorsteht, weshalb sie vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeit und der Berücksichtigung der Lebenssituation im Bezug auf die beiden Kinder und deren Betreuung jener Person, von dem die Gefahr ausging, nämlich die Beschwerdeführerin, das Betreten der gemeinsamen Wohnung und deren unmittelbaren Umgebung untersagten.

 

Da die Beschwerdeführerin erst am 14.11.2007, um 19.45 Uhr, erreicht werden konnte, wirkte das Betretungsverbot gemäß § 38a SPG erst ab diesem Zeitpunkt.

 

Ergänzend dazu wird auf die Stellungnahmen von AI G. J. und Inspektor K. M. verwiesen, welche dem UVS bereits übermittelt wurden.

 

Am 14.11.2007, um 15.30 Uhr, kam die Beschwerdeführerin in Begleitung von Mag. T. (Gewaltschutzzentrum Tirol) in die Polizeiinspektion Saggen und brachte dort vor, dass sie von ihrem Ehemann mehrfach am Körper verletzt worden sei. Sie sei von ihrem Mann immer wieder traktiert und ?gemobbt? worden. Bisher habe sie dies jedoch nicht angezeigt.

Erhebungen ergaben, dass es, wie bereits oben angeführt, innerhalb der Familie V. seit Mai 2005 zu gegenseitigen strafrechtlichen Anzeigen (wegen Körperverletzung im häuslichen Bereich) gekommen war (Anzeige gegen V. M., Opfer: Tochter; Anzeige gegen C. V., Opfer: M.

V.)

 

Eine Aufhebung des gegen die Beschwerdeführerin ausgesprochenen Betretungsverbotes im Rahmen der behördlichen Nachprüfung war nicht möglich, weil die Voraussetzungen zur Untersagung des Betretens der gemeinsamen Wohnung und des oa bezeichneten Umfelds nach wie vor bestanden und das Betretungsverbot durch die einschreitenden Beamten vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeit und der Lebensumstände der Kinder auch unter Einbeziehung der gegenseitigen Anzeigenerstattungen rechtskonform ausgesprochen wurde.

 

Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass entgegen der Behauptungen der Beschwerdeführerin gegen M. V. kein Betretungsverbot gemäß § 38a SPG ausgesprochen und wirksam wurde. Diesbezüglich wird auf die Stellungnahme von CI E. verwiesen, welche dem UVS bereits übermittelt wurde.

 

Es werden die ANTRÄGE gestellt,

1.

die Beschwerde als unbegründet abzuweisen

2.

der Bundespolizeidirektion Innsbruck als belangten Behörde gemäß § 79 a AVG iVm § 1 UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 folgende Kosten zuzusprechen, Schriftsatzaufwand Euro 220,30 sowie Vorlageaufwand Euro 51,50 und allfälligen Verhandlungsaufwand Euro 275,30

 

A) Sachverhalt:

Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21.11.2007 wurden neben der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten drei Polizeibeamte als Zeugen einvernommen und wurden die zwischenzeitlich eingelangten Urkunden (Entwurf der Wegweisung und des Betretungsverbotes bei Gewalt in Wohnungen Ausspruch, GZ B1/40986/2007, ein interner Protokollsvermerk der Bundespolizeidirektion Innsbruck zur Zahl 1/GF-55/2007, je eine Stellungnahme des AI J. G., des Insp. M. K. und des CI J. E. sowie die Niederschrift mit M. V. (PI Hötting, GZ B1/40986/2007) sowie eine Ladung der Beschwerdeführerin durch die PI Hötting zur GZ B1/40986/2007 für den 24.11.2007) sowie der Akt der Staatsanwaltschaft Innsbruck zur Zl: 52 BAZ 896/07i dargetan.

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol folgender Sachverhalt.

 

Sachverhaltsfeststellungen:

Zwischen den Ehepartnern C. V.-B. und M. V. bestehen seit einiger Zeit Spannungen und massive Streitigkeiten. Diese haben dazu geführt, dass sich die Ehegatten bereits wiederholt gegenseitig wegen verschiedener gerichtlich strafbarer Handlungen polizeilich zur Anzeige brachten.

 

Am 14.11.2007 kam die Beschwerdeführerin gegen 13:00 Uhr von der Arbeit nach Hause und kam es in weiterer Folge neuerlich zu massiven Streitigkeiten. Diese führten dazu, dass die Beschwerdeführerin ca gegen 14:00 Uhr die eheliche Wohnung verließ und sich zuerst in das Beratungszentrum zu Frau Mag. T. begab und von dieser dann in weiterer Folge zur PI Saggen begleitet wurde. Dort traf die Beschwerdeführerin ca gegen 15:30 Uhr ein. Dort verfasste CI E. mit der Beschwerdeführerin eine ausführliche Niederschrift über ihre eheliche Situation und die nach Angaben der Beschwerdeführerin vorgefallenen Gewalthandlungen ihres Ehegatten. CI E. der ein äußerst erfahrener Polizeibeamter ist und bereits seit vielen Jahren im Bereich der Gewaltprävention tätig ist, gewann auf Grund seiner Einvernahme mit der Beschwerdeführerin den Eindruck, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine schwer traumatisierte Frau handelt, die bereits längere Zeit in einer gewaltbetonten Beziehung verhängt und akut in einer Stresssituation war. Während dieser Einvernahme, die bis 18:10 Uhr dauerte, läutete mehrfach das Telefon der Beschwerdeführerin, doch nahm sie diese Gespräche nicht entgegen. Nachdem die Niederschrift verfasst war, wurde sie von CI E. über die weitere Vorgehensweise belehrt. Ca gegen 19:00 Uhr verließ die Beschwerdeführerin die PI Saggen. Unmittelbar im Anschluss daran nahm CI E. telefonischen Kontakt mit der PI Saggen ( RI P.) auf und teilte seine Wahrnehmungen bzw seine Sachverhaltsfeststellungen mit. Bei diesem Gespräch wurde er auch über die zwischenzeitlich erfolgte Anzeigenerstattung durch M. V. informiert. Aus diesem Grund übermittelte CI E. die von ihm errichtete Niederschrift unverzüglich sowohl im elektronischen Weg als auch durch eine Polizeistreife in Papierform an die PI Hötting.

 

Vor der PI Saggen hörte die Beschwerdeführerin ihre Mailbox ab und erlangte Kenntnis davon, dass die PI Hötting gegen sie ein Betretungsverbot zu verfügen beabsichtige. Diese Informationen gewann sie durch Abhören ihrer Mailbox. Nach einer telefonischen Rücksprache mit ihrer Betreuerin Frau Mag. T. vom Gewaltschutzzentrum begab sie sich zur PI Hötting.

 

Zwischenzeitlich war M. V. um ca 14:20 Uhr auf der PI Hötting erschienen und erstattete gegen seine Ehegattin eine Strafanzeige die er damit begründete, dass sie ihn durch die sinngemäße Aussage ?wenn bis abends der Fernseher nicht funktioniere, sie ihn abstechen werde? bedroht bzw genötigt habe. Auf Grund dieser Aussage führte der aufnehmende Polizeibeamte Insp. K. eine behördeninterne Ermittlung durch, indem er mehrere Computerabfragen (EKIS, Kriminalpolizeilicher Aktenindex, KPA, usw) tätigte. Auf Grund seiner Abfragen kam Insp. K. zum Ergebnis, dass hinsichtlich beider Ehepartner bereits Datensätze vorhanden waren. So wurde die Beschwerdeführerin bereits einmal wegen des Verdachtes der Körperverletzung zur Anzeige gebracht (im Jahr 2005) und wurden gegen den Ehegatten der Beschwerdeführerin insgesamt fünf bzw sechs Strafanzeigen wegen Körperverletzung erstattet. Weiters war auch eine Vormerkung auf Grund einer ehelichen Streitschlichtung in den Datensätzen der Bundespolizeidirektion Innsbruck registriert.

 

Auf Grund dieser Informationen beschloss Insp. K. ohne weitere Erhebungen gegen die Beschwerdeführerin ein Betretungsverbot auszusprechen. Er versuchte in weiterer Folge mehrfach die Beschwerdeführerin telefonisch zu erreichen, doch gelang ihm dies nicht (zu diesem Zeitpunkt befand sie sich auf der PI Saggen bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme). Letztendlich hinterließ er auf der Mailbox der Beschwerdeführerin eine Nachricht. Da zwischenzeitlich ein Schichtwechsel in der PI Hötting anstand, erledigte Insp. K. die weiteren Vorarbeiten zur Erlassung des Betretungsverbotes und übergab sodann die weitere Amtshandlung an seinen nachfolgenden Dienstkollegen Insp. G. Wobei die Übergabe mit einem derartigen Dienstauftrag erfolgte, dass Insp. G. nur mehr eine ausführende Tätigkeit in dem Sinn zukam, dass er die beim Ausspruch eines Betretungsverbotes im Sinne des § 38 a SPG erforderlichen Belehrungen vornehmen solle. Eine kognitive Tätigkeit war hier nicht mehr vorgesehen.

 

Als die Beschwerdeführerin kurz nach 19:00 Uhr bei der PI Hötting einlangte und sich im Journaldienstraum meldete, wurde sie zuerst für ca 45 bis 60 Minuten in den Warteraum verwiesen. Während dieser Zeit wurde sie zweimal von Beamten wegen einfacher Rückfragen aufgesucht. Eine dieser Fragen bezog sich beispielsweise darauf, ob sie ihre Mailbox abgehört habe. Nach einer längeren Wartezeit kam dann ein Polizeibeamter (Insp. G.) zu ihr und sprach das Betretungsverbot aus. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden von den Organen der PI Hötting keine weiteren Erhebungen zur Feststellung des wesentlichen Sachverhaltes, wie beispielsweise eine Besichtigung des ehelichen Wohnsitzes in der XY-Straße 16 oder eine Einvernahme der beiden Kinder (eine Tochter mit 15 Jahren und ein Sohn mit 12 Jahre) durchgeführt. Ebenso wurde der Beschwerdeführerin bis zur Erlassung des Betretungsverbotes keinerlei Möglichkeit geboten, zu den Vorwürfen des Ehegatten Stellung zu nehmen und wurden ihr insbesondere nicht einmal die Vorwürfe genau mitgeteilt. Es wurde auch kein Versuch unternommen die zwischenzeitlich eingelangte Angaben der Beschwerdeführerin, die sie bei der PI Saggen gemacht hatte, in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen.

 

Der Zeitpunkt der Erlassung des Betretungsverbotes ist jener Zeitpunkt, zu dem dieses durch Insp. G. in der PI Hötting ca gegen 20:00 Uhr ausgesprochen worden ist.

 

Beweiswürdigung:

Den von der Bundespolizeidirektion Innsbruck vorgelegten Unterlagen lässt sich keine genauere Protokollierung entnehmen. Bei dem von der Bundespolizeidirektion Innsbruck als belangte Behörde vorgelegten Schriftstück zur GZ P1/40986/2007 mit dem Betreff ?Wegweisung und Betretungsverbot bei Gewalt in Wohnungen Ausspruch (§ 38a SPG)? handelt es sich offensichtlich nur um einen Entwurf, der von Insp. K. während seines Dienstes erstellt wurde. Dies ergibt sich insbesondere aus den Angaben auf der ersten Seite dieses Schriftstückes demzufolge der psychische und emotionale Zustand der Beschwerdeführerin nicht beurteilt werden konnte da sie nicht kontaktiert worden sei. Eine Weiterführung dieser Dokumentation ist dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol nicht bekannt. Auf Grund der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Ladung der PI Hötting für den 24.11.2007 in Zusammenhang mit ihrer Aussage, das sie eine Abgabestelle bekannt gegeben habe (die sich in dem oben zitierten Schriftstück jedoch nicht widerfindet) ergibt es sich jedoch, dass die belangte Behörde offensichtlich auch über weiteres diesbezügliches Wissen verfügt haben muss., welches jedoch weder vor der öffentlich mündlichen Verhandlung noch in dieser offengelegt worden ist.

 

Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Einvernahme von Frau Mag. H. T. als Zeugin war aus dem Grund abzuweisen, da diese bei Ausspruch der Wegweisung nicht anwesend war und somit keine relevanten Angaben zu diesem Thema machen kann.

 

Der Antrag der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde auf Einvernahme des Insp G. war im Hinblick darauf, dass dieser erst nächste Woche wieder zur Verfügung gestanden wäre, da er sich derzeit zur Schulung in Wien befindet, abzuweisen. In Anbetracht des tiefen und unmittelbaren Eingriffes in die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin erscheint dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol beim bisher festgestellten Sachverhalt (wobei sich die eingeschränkte Funktion des Zeugen bei dieser Amtshandlung bereits aus mehreren Unterlagen ergibt) ein nahezu einwöchiges Zuwarten ausschließlich auf Kosten der Beschwerdeführerin nicht tunlich und war daher im Rahmen einer Interessensabwägung einem raschen und effizienten Rechtsschutz der Vorzug zu geben.

 

Im übrigen waren die wesentlichen Feststellungen ohne Widersprüche zwischen den vorgelegten Unterlagen und den getätigten Aussagen zu treffen. Lediglich der genaue Zeitpunkt des Ausspruches des Betretungsverbotes war auf Grund der Angaben der Beschwerdeführerin mit gegen 20.00 Uhr festzusetzen, wobei eine geringfügige Abweichung keine wesentliche Änderung des festgestellten Sachverhaltes ergibt.

 

B) Rechtsgrundlagen:

Die hier relevanten Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetz (SPG):

BGBl Nr 566/1991 in der Fassung BGBl I Nr 56/2006 lauten wie folgt:

 

Wegweisung und Betretungsverbot bei Gewalt in Wohnungen

§ 38a

(1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevor, so sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Menschen, von dem die Gefahr ausgeht, aus einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, und deren unmittelbarer Umgebung wegzuweisen. Sie haben ihm zur Kenntnis zu bringen, auf welchen räumlichen Bereich sich die Wegweisung bezieht; dieser Bereich ist nach Maßgabe der Erfordernisse eines wirkungsvollen vorbeugenden Schutzes zu bestimmen.

(2) Unter den Voraussetzungen des Abs 1 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einem Menschen das Betreten eines nach Abs 1 festzulegenden Bereiches zu untersagen; die Ausübung von Zwangsgewalt zur Durchsetzung dieses Betretungsverbotes ist jedoch unzulässig. Bei einem Verbot, in die eigene Wohnung zurückzukehren, ist besonders darauf Bedacht zu nehmen, dass dieser Eingriff in das Privatleben des Betroffenen die Verhältnismäßigkeit (§ 29) wahrt. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, dem Betroffenen alle in seiner Gewahrsame befindlichen Schlüssel zur Wohnung abzunehmen; sie sind verpflichtet, ihm Gelegenheit zu geben, dringend benötigte Gegenstände des persönlichen Bedarfs mitzunehmen und sich darüber zu informieren, welche Möglichkeiten er hat, unterzukommen. Sofern sich die Notwendigkeit ergibt, dass der Betroffene die Wohnung, deren Betreten ihm untersagt ist, aufsucht, darf er dies nur in Gegenwart eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes tun.

(3) Im Falle eines Betretungsverbotes sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes verpflichtet, vom Betroffenen die Bekanntgabe einer Abgabestelle für Zwecke der Zustellung der Aufhebung des Betretungsverbotes oder einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO zu verlangen. Unterlässt er dies, kann die Zustellung solcher Schriftstücke so lange durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch erfolgen, bis eine Bekanntgabe erfolgt; darauf ist der Betroffene hinzuweisen.

(4) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind weiters verpflichtet, den Gefährdeten von der Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO und von geeigneten Opferschutzeinrichtungen (§ 25 Abs 3) zu informieren.

(5) Bei der Dokumentation der Anordnung eines Betretungsverbotes ist nicht bloß auf die für das Einschreiten maßgeblichen Umstände, sondern auch auf jene Bedacht zu nehmen, die für ein Verfahren nach § 382b EO von Bedeutung sein können.

(6) Die Anordnung eines Betretungsverbotes ist der Sicherheitsbehörde unverzüglich bekanntzugeben und von dieser binnen 48 Stunden zu überprüfen. Hiezu kann die Sicherheitsbehörde alle Einrichtungen und Stellen beiziehen, die zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beitragen können. Die Bezirksverwaltungsbehörde als Sicherheitsbehörde kann überdies die im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Ärzte heranziehen. Stellt die Sicherheitsbehörde fest, dass die Voraussetzungen für die Anordnung des Betretungsverbotes nicht bestehen, so hat sie dieses dem Betroffenen gegenüber unverzüglich aufzuheben; der Gefährdete ist unverzüglich darüber zu informieren, dass das Betretungsverbot aufgehoben werde; die Aufhebung des Betretungsverbotes sowie die Information des Gefährdeten haben nach Möglichkeit mündlich oder telefonisch durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder schriftlich durch persönliche Übergabe zu erfolgen. Die nach Abs 2 abgenommenen Schlüssel sind mit Aufhebung des Betretungsverbotes dem Betroffenen auszufolgen, im Falle eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO bei Gericht zu erlegen.

(7) Die Einhaltung eines Betretungsverbotes ist zumindest einmal während der ersten drei Tage seiner Geltung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu überprüfen. Das Betretungsverbot endet mit Ablauf des zehnten Tages nach seiner Anordnung; es endet im Falle eines binnen dieser Frist eingebrachten Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO mit der Zustellung der Entscheidung des Gerichts an den Antragsgegner, spätestens jedoch mit Ablauf des zwanzigsten Tages nach Anordnung des Betretungsverbotes. Von der Einbringung eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO hat das Gericht die Sicherheitsbehörde unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

 

C) Rechtliche Beurteilung:

Die Verhängung eines Betretungsverbotes ist so wie die Wegweisung ein Akt unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Die Verhängung eines solchen Verbotes ist ein außenwirksamer, normativer, hoheitlicher Akt, der in die Rechtssphäre des Betroffenen eingreift. Zwar ist die Ausübung von Zwangsgewalt zur Durchsetzung dieses Rückkehrverbotes unzulässig (§38a Abs 2 zweiter Halbsatz SPG) und das Zuwiderhandeln gegen das Betretungsverbot nur mit Verwaltungsstrafe bedroht, die Provokation eines Strafbescheides wäre aber im gegenständlichen Zusammenhang kein zumutbarer Umweg zur Klärung der Rechtslage im Einzelfall. Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol folgt daher der in den Materialien (RV 252 BlgNR XX. GP) vertretenen Auffassung, dass das Rückkehrverbot einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt darstelle. Gegen die Verhängung eines solchen Rückkehrverbotes ist daher eine Beschwerde nach §88 Abs 1 SPG zulässig. § 88 SPG 1991 erfasst Beschwerden, die sich auf Verwaltungsakte im Bereich der Sicherheitsverwaltung iS des § 2 Abs 2 SPG 1991 beziehen (vgl VwGH vom 23.9.1998, Zl 97/01/1065).

 

Während Abs 1 der eben zitierten Bestimmung die Wegweisung eines Menschen aus einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, zum Thema hat, beschäftigt sich Abs 2 mit dem Betretungsverbot. Wegweisung und Betretungsverbot sind je selbständige Maßnahmen, die, abgesehen davon, dass sie an idente Voraussetzungen geknüpft sind, nur insoweit miteinander in Verbindung stehen, als eine Wegweisung regelmäßig nur in Kombination mit einem Betretungsverbot den mit ihrer Anordnung verfolgten Zweck (Verhinderung von weiteren Gewalttätigkeiten in Familien) wird herbeiführen können (Dearing in Dearing/Haller, Das österreichische Gewaltschutzgesetz (2000), 126). Eine Wegweisung aus einer Wohnung kommt naturgemäß nur dann in Betracht, wenn sich der Betroffene in dieser Wohnung aufhält. Ist das nicht (mehr) der Fall, so kann nur ein Betretungsverbot erlassen werden. Eine solche isolierte Anordnung eines Betretungsverbotes begegnet jedenfalls seit der SPG-Novelle 1999 keinen Bedenken (vgl das hg Erkenntnis vom 21. Dezember 2000, Zl 2000/01/0003).

 

Ein gefährlicher Angriff ist nach § 16 Abs 2 SPG die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand ua nach dem Strafgesetzbuch handelt. Das bloße Misshandeln (auch Schlagen) bildet eine gerichtlich strafbare Handlung nur, wenn es öffentlich oder von mehreren Leuten begangen wird (§ 115 StGB; da Privatanklagedelikt (§ 117 StGB) allerdings kein gefährlicher Angriff) oder eine fahrlässige Körperverletzung zur Folge hat (§ 83 Abs 2 StGB; vgl VwGH 21.12.2000, 2000/01/0003). Insofern bestehen keine Bedenken wenn die einschreitenden Polizeibeamten auf Grund der Angaben des Zeugen M. V., dass seine Ehegattin ihn mit dem Abstechen bedroht habe, vorerst von einem gefährlichen Angriff ausgingen.

 

Aber selbst wenn von einem vorangegangenem gefährlichen Angriff ausgegangen werden konnte, ist eine Wegweisung und ein Betretungsverbot noch nicht zwingend auszusprechen. § 38a Abs 1 SPG ermächtigt zur Wegweisung, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorausgegangenen gefährlichen Angriffs anzunehmen ist, es stehe ein gefährlicher Angriff bevor. Die Tatsache, das unmittelbar vor oder im Zuge des polizeilichen Einschreitens ein gefährlicher Angriff stattgefunden hat, legitimiert allein noch nicht zur Wegweisung und zum Ausspruch eines Betretungsverbotes. Einem solchen vorangegangenen Angriff kommt jedoch eine wichtige, im Gesetz herausgestrichene Indizwirkung zu. Die Folge, dass wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs ein gefährlicher Angriff bevorsteht, wird vom Gesetz aber nicht vermutet, sondern ist eben vom einschreitenden Organ zu beurteilen. Dabei ist vom Wissenstand des Beamten im Zeitpunkt des Einschreitens auszugehen und zunächst zu fragen, ob er vertretbar annehmen konnte, dass ein gefährlicher Angriff erfolgt ist und ob ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevorsteht. Aufgrund des sich ihm bietenden Gesamtbildes muss mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit durch den Wegzuweisenden bevorstehe. Drohende ?bloße? Belästigungen unter Schwelle eines gefährlichen Angriffs reichen daher nicht aus (vgl VwGH 21.12.2000, 2000/01/0003).

 

Im vorliegenden Fall befand sich die Beschwerdeführerin bei Einschreiten der Beamten der Bundespolizeidirektion Innsbruck am 14. November 2007 nicht mehr in der in Frage stehenden Wohnung. Eine Wegweisung stand daher nach dem Gesagten nicht zur Debatte, sie ist demgemäß auch nach den Feststellungen (in Übereinstimmung mit dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten) weder von der Bundespolizeidirektion Innsbruck noch von ihren Organen in irgendeiner Form ins Spiel gebracht worden (insofern ist das Wort ?Wegweisung? im Betreff des Schriftstückes der PI Hötting vom 14.11.2007 GZ B1/40986/2007 unbeachtlich) Dass die Beschwerdeführerin beim ersten Einschreiten der Beamten der PI Hötting nicht anwesend war, hat eine weitere Konsequenz. Es bedeutet nämlich, dass auch der Ausspruch eines Betretungsverbotes an Ort und Stelle nicht ohne Weiteres möglich war, kann doch ein solcher Ausspruch als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt (Wiederin, Einführung in das Sicherheitspolizeirecht (1998), Rz 482, mit Hinweis auf die Materialien) immer nur gegenüber der Betroffenen selbst erfolgen. Es mag dahingestellt bleiben, in welcher Form die Verhängung eines Betretungsverbotes im Einzelnen in Frage kommt (vgl dazu Dearing, aaO., 118). Notwendig ist jedenfalls eine entsprechende behördliche Anordnung gegenüber dem Adressaten dieser Maßnahme, weshalb ein bloß vor Dritten erklärtes ?Betretungsverbot? keine Wirkungen zu entfalten vermag (in diesem Sinn auch Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz2 (2001) B 10 zu § 38a) und lediglich als behördliche Absichtserklärung, in Zukunft ein Betretungsverbot erlassen zu wollen, verstanden werden kann. Im vorliegenden Fall wurde das Betretungsverbot der Beschwerdeführerin gegenüber festgestelltermaßen erst am 14. November 2007 gegen 20.00 Uhr erklärt. Erst damit ist es nach dem Gesagten in Existenz getreten. Des Weiteren aber ergibt sich, dass die Voraussetzungen für das Betretungsverbot von der belangten Behörde schon für einen früheren Zeitpunkt nämlich gegen 15.00 Uhr gepr

üft worden sind (dies ergibt sich sowohl aus den Angaben des Zeugen M. V. bzw aus der Aussage des Zeugen Insp. K.). Damit wurde der Beurteilungszeitpunkt in verfehlter Weise vorverlegt, was die Beschwerdeführerin insoweit in Rechten verletzt, als nicht ausgeschlossen werden kann, dass die für das Betretungsverbot essentielle Gefahrenprognose am 14. November 2007 gegen 20.00 Uhr, nach einer Einbeziehung ihrer Angaben in der PI Saggen und nach Vorhalt der Angaben ihres Ehegatten, zu einem anderen Ergebnis hätte führen müssen als am selben Tag gegen 15.00 Uhr.

 

Wegweisung und Betretungsverbot sind nach § 38a Abs 1 und 2 SPG 1991 an die Voraussetzung geknüpft, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person bevor. Es kommt also maßgeblich darauf an, ob ein gegen die genannten Rechtsgüter des Gefährdeten gerichteter gefährlicher Angriff seitens des von der Maßnahme Betroffenen zu erwarten ist. Diese Erwartung muss auf ?bestimmte Tatsachen? gründen, wobei das Gesetz als solche insbesondere einen vorangegangenen gefährlichen Angriff nennt, der seinerseits jedoch nicht gegen Leben, Gesundheit oder Freiheit der gefährdeten Person gerichtet sein muss. Was außer einem gefährlichen Angriff als ?bestimmte Tatsache? für die anzustellende ?Gefährlichkeitsprognose? gelten kann, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich. Angesichts des sicherheitspolizeilichen Maßnahmen inhärenten Präventivcharakters kann allerdings kein Zweifel bestehen, dass nach den jeweiligen Umständen etwa auch Aggressionshandlungen unter der Schwelle eines gefährlichen Angriffs oder in der Vergangenheit liegende Gewaltakte als derartige ?Tatsachen? in Frage kommen können (in diesem Sinn Dearing in Dearing/Haller, Das österreichische Gewaltschutzgesetz, 109 f.), zumal dann, wenn mehrere dieser Faktoren zusammenkommen. Entscheidend ist stets, dass daraus gesamthaft betrachtet die Prognose ableitbar ist, dass ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person bevorstehe; auf Grund des sich den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bietenden Gesamtbildes muss mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass ein gefährlicher Angriff im genannten Sinn durch den Wegzuweisenden bevorstehe (Vgl VwGH vom 21.12.2000, Zl 2000/01/0003).

 

Um eine Gefährlichkeitsprognose über einen Mitbewohner ableiten zu können, muss die Ursache der von ihm bewirkten Angstgefühle nachvollziehbar dargelegt werden. Die gefährdete Person muss also in der Lage sein, bestimmte Ereignisse, Äußerungen oder ähnliches mitzuteilen, auf welche sich ihre Angst gründet. Nur in diesem Fall vermag der Exekutivbeamte, so, wie es im Gesetz vorgesehen ist, selbst zu beurteilen, ob diese Tatsachen den Schluss auf einen bevorstehenden Angriff rechtfertigen (vgl VwGH vom 21.12.2000 Zl 2000/01/0003). Die Prognose muss sich aus einer gesamthaften Betrachtung der verschiedenen Faktoren ergeben (vgl VwGH vom 24.2.2004 Zl 2002/01/0280). Auch das Erscheinungsbild der gefährdeten Person stellt in diesem Sinne eine bestimmte Tatsache dar und kann je nachdem, wie es sich dem Beamten darbietet (zB geschwollenes Gesicht, verängstigter Eindruck) zur Gewinnung eines gesamthaften Eindruckes beitragen. In diesem Zusammenhang ist nochmals auf die Angaben des Zeugen CI E. zu verweisen, der die Beschwerdeführerin als eine traumatisierte Person beschrieb, die akut Erlebtes kaum mehr verarbeiten konnte und mehrfach von Weinkrämpfen geschüttelt wurde. Hingegen beschrieb Insp K. auch den Zeugen M. V., wenn auch nicht so drastisch; als ?fertig? und ?am Boden?.

 

Naturgemäß ist für die Erlassung eines Betretungsverbotes im Sinne des § 38a SPG ein regelrechtes Ermittlungsverfahren, also ein kontradiktorisches Verfahren mit der Möglichkeit für beide Parteien nicht vorgesehen, da es dem Charakter dieser Bestimmung als Präventivmaßnahme widersprechen würde. Dennoch darf sich die Behörde (bzw deren Organe) bei der Ermittlung des wesentlichen Sachverhaltes, auf den sich die Gefährdungsprognose stützt, nicht einseitig verhalten und etwa alleine auf die Anhörung der nach eigener Aussage gefährdeten Person beschränken, wenn auch der von der Maßnahme Betroffene und allenfalls andere, objektive Beweismittel (Besichtigung der angeblichen Sachbeschädigungen in der ehelichen Wohnung oder Einvernahme unbeteiligter Zeugen wie etwa die gemeinsamen Kinder) rasch verfügbar sind. Im vorliegenden Sachverhalt wurde der Beschwerdeführerin das Betretungsverbot zwar mitgeteilt, ihr aber jede Möglichkeit verweigert, ihrerseits eine Sachverhaltsdarstellung abzugeben oder auf die Angaben ihres Ehegatten argumentativ zu reagieren.

 

Wegweisungs- und Betretungsverbote des § 38a SPG dienen dem vorbeugenden Schutz von Rechtsgütern bei häuslicher Gewalt. Die einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben vor Anwendung dieser Befugnisse zu prüfen, ob ein gefährlicher Angriff auf die Rechtsgüter Leben, Gesundheit oder Freiheit wahrscheinlich ist. Als Indikatoren für die Wahrscheinlichkeit eines gefährlichen Angriffes kommen vor allem das Verhalten des Betroffenen am Einsatzort, vorangegangene einschlägige Vorstrafen, Zeugenaussagen, Verletzungen und Spuren am Einsatzort in Betracht. Die Umstände, die für die Anordnung der Maßnahme entscheidend waren, sind genau zu dokumentieren (UVS Kt vom 30.1.2002 Zl 1318/12/2001). Wie bereits aufgezeigt fehlen wesentliche Dokumentationen. So wurde zwar eine Dokumentation von Insp K. am Nachmittag begonnen, diese jedoch nicht mehr fortgesetzt. Aus der dem Unabhängigen Verwaltungssenat übermittelten Dokumentation lassen sich kaum verwertbare Ansätze ableiten, welche Tatsachen und welche Informationen letztendlich zum Ausspruch des Betretungsverbotes geführt haben. Erst durch die Einvernahme mehrerer Zeugen ergab sich sodann ein Geschehensablauf, bei dem jedoch keinerlei Einbeziehung der Beschwerdeführerin bzw ihrer Angaben und der weitgehende Entfall sonstiger Beweismittel feststellbar war.

 

Eine Wegweisung und ein Betretungsverbot nach § 38a Abs 1 SPG setzen die gerechtfertigte Annahme voraus, dass durch die betroffene Person ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevorsteht. Hiefür reicht ein gefährlicher Angriff in der Vergangenheit alleine noch nicht aus (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0003). Dasselbe gilt für bloße Belästigungen unter der Schwelle eines gefährlichen Angriffes und für rein psychische Gewalt (auch wenn die Exekutive schon mehrmals wegen Familienstreitigkeiten einschreiten musste). Zwar können die einschreitenden Sicherheitsorgane keine genauen Beweiserhebungen durchführen. Trotzdem ist ihre Prognose eines bevorstehenden gefährlichen Angriffes jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn die Organe lediglich wissen, dass in der Vergangenheit eine Anzeige gegen den weggewiesenen Beschwerdeführer wegen Körperverletzung an seiner Tochter von der Staatsanwaltschaft zurückgelegt wurde und die Exekutive bereits mehrmals wegen Familienstreitigkeiten einschreiten musste, ohne dass den Organen Drohungen oder Gewalttätigkeiten im Sinne des § 38a SPG als auslösende Ursachen bekannt waren. Ob ein Zusammenleben noch zugemutet werden kann, ist nicht im Rahmen einer Maßnahme nach § 38a SPG, sondern im gesonderten gerichtlichen Verfahren nach § 382b SPG zu prüfen.

 

Das Betretungsverbot verstößt somit gegen § 38a Abs 1 und Abs 2 SPG. Der vorliegenden Beschwerde war daher nach § 67c Abs 3 AVG statt zu geben und das Betretungsverbot,wie beantragt, für rechtswidrig zu erklären.

 

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 79a Abs 1 und 3 AVG, wonach die im Verfahren nach § 67c AVG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei hat. Die Höhe der Beträge richtet sich nach der UVS-Aufwandsersatzverordnung. Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Schlagworte
Im, vorliegenden, Fall, befand, sich, die, Beschwerdeführerin, bei, Einschreiten, der, Beamten, am, 14.11.2007, nicht, mehr, in, der, in, Frage, stehenden, Wohnung. Eine, Wegweisung, stand, daher, nach, dem, Gesagten, nicht, zur, Debatte, sie, ist, demgemäß, auch, nach, den, Feststellungen, weder, von, der, Bundespolizeidirektion, noch, von, ihren, Organen, in, irgendeiner, Form, ins, Spiel, gebracht, worden. Dass, die, Beschwerdeführerin, beim, ersten, Einschreiten, der, Beamten, nicht, anwesend, war, hat, eine, weitere, Konsequenz. Es, bedeutet, nämlich, dass, der, Ausspruch, eines, Betretungsverbotes, an, Ort, und, Stelle, nicht, ohne, Weiteres, möglich, war, kann, doch, ein, solcher, Ausspruch, als, Akt, unmittelbarer, Befehlsgewalt, immer, nur, gegenüber, der, Betroffenen, selbst, erfolgen
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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