Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alexander Hohenhorst über die Berufung der M. U. T. Entsorgung GmbH, XY-Straße 2, K., vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. T. T., Mag. M. K. und Mag. H. B., XY-Straße 5, K., vom 04.06.2007, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 21.05.2007, Zl 4-U-794/72, betreffend Auftrag zur Vorlage eines Sanierungskonzeptes nach § 79 Abs 3 GewO 1994 gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 wie folgt:
Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 21.05.2007, Zl 4-U-794/72, wurde der Berufungswerberin gemäß § 79 Abs 3 GewO 1994 vorgeschrieben, der bescheiderlassenden Behörde unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Monaten ab Rechtskraft dieses Bescheides, ein Sanierungskonzept zur Genehmigung vorzulegen. Dieses Sanierungskonzept habe geeignete Maßnahmen zu umfassen, durch welche gewährleistet wird, dass der nächstgelegene Nachbar, nämlich die Bewohner des Wohnhauses der Familie S. in S., XY-Siedlung 2, durch den Betrieb gegenständlicher Kompostieranlage auf Gst Nr XY, KG S., nicht unzumutbar durch Geruchsemissionen belästigt werden. Dementsprechend sei durch diese geeigneten Maßnahmen eine Reduktion der Geruchsimmissionen bei den genannten Nachbarn auf maximal 5 Prozent der Geruchsjahresstunden gemäß Geruchsimmissionsrichtlinie des Landes Nordrhein-Westfalen (GIRL) zu bewirken.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte und zulässige Berufung der M. U. T. Entsorgung GmbH, in welcher diese durch ihre Rechtsvertreter im Wesentlichen vorbringt, dass das Sanierungsziel von 5 Prozent der Geruchsjahresstunden völlig gesetzwidrig wäre und sich aus dem durchgeführten Verfahren in keiner Weise ergeben hätte. Der medizinische Sachverständige habe in seiner Stellungnahme vom 28.12.2006 angegeben, dass aus medizinischer Sicht der Betrieb derart zu sanieren sei, dass während der gesamten Betriebszeit zumindest die Obergrenze von maximal 10 Prozent Geruchsstundenhäufigkeit bei gleichmäßigem Betrieb jederzeit oder die maximale 10 Prozent Geruchsstundenhäufigkeit in der betriebsintensiven Phase bei ungleichmäßiger Anlieferung eingehalten werden könne. Offensichtlich nach einer Besprechung mit dem Amtssachverständigen für Immissionsschutz sei diese Stellungnahme dahingehend abgeändert worden, dass nunmehr aus medizinischer Sicht davon ausgegangen werden könne, dass bei Einhaltung von maximal 5 Prozent Geruchsstundenhäufigkeit über das Jahr gerechnet eine Überschreitung von 10 Prozenmt Geruchstundenhäufigkeit auch in der betriebsintensiven Phase nicht erfolgen werde. Es könne nicht sein, dass in einem Verwaltungsverfahren, in dem es für die Nachbarn um das Abstellen von Belästigungen, für den Betreiber aber um die wirtschaftliche Existenz gehe, es zu überschießenden Auflagen komme. Eine solche liege auch dann vor, wenn bei einem Sanierungskonzept das zu erreichende Sanierungsziel unverhältnismäßig wäre. Im angefochtenen und aufgehobenen Bescheid vom 29.09.2006 sei das Sanierungsziel noch mit geeigneten Maßnahmen für eine Reduktion auf maximal 10 Prozent der Geruchsjahresstunden vorgeschrieben worden. Ohne Eingehen auf den Einwand, dass aufgrund der bisherigen Messungen gar nicht feststehe, ob diese 10 Prozent überhaupt überschritten werden, habe die Erstbehörde ohne Vorliegen neuer Messungen auf Basis der alten und ohnehin unzureichenden Messungen einfach das Sanierungsziel von 10 Prozent auf 5 Prozent verdoppelt, was nur durch eine Reduktion der Zuliefermenge um ca 75 Prozent erfolgen könnte. Dies komme aber einer wirtschaftlichen Vernichtung der Betriebsanlage gleich; die Verhältnismäßigkeit sei jedenfalls einzuhalten. Der Schluss des medizinischen Sachverständigen, den Grenzwert über das Jahr zu halbieren, damit auch in Spitzenzeiten keine Überschreitung erfolgt, sei ein viel zu grobes Maß dafür, was hier konkret erreicht werden müsse. Es seien nicht einmal ausreichende Messergebnisse vorhanden, um die tatsächliche Verteilung der Geruchsstundenhäufigkeit seriös zu beurteilen. Selbst auf Basis der Werte von 13 bis 14 Prozent im Sommerhalbjahr gegenüber 4 bis 5 Prozent Geruchsstundenhäufigkeit im Winterhalbjahr ergebe sich das vorgeschriebene Sanierungsziel nicht als Berechnungsgrundlage. Die kritisierte Geruchsstundenhäufigkeit könne sich nach den bisher vorliegenden Zahlen nur im Sommer ergeben und nicht im Winter, da dort ohnehin eine Geruchsstundenhäufigkeit von 4 bis 5 Prozent erreicht wird. Die Behörde gehe nach Ansicht der Betreiberin von falschen Zahlen aus, lege allerdings nicht einmal diese richtig aus, sondern konstruiere aufgrund derer ein unerträgliches und unerreichbares Sanierungsziel zu Lasten der Betreiberin. Immerhin müsste die Anlieferungsmenge um rund 2/3 verringert werden, was dem wirtschaftlichen Ende der Betreiberin gleich käme. Jene Personen, die diese Geruchsmessungen durchgeführt haben, seien nicht dafür ausgebildet, weshalb deren Behauptungen über diese Messergebnisse auch nicht einem behördlichen Bescheid zugrunde gelegt werden könnten. Es gebe standardisierte Verfahren mit ausgebildeten und zertifizierten Sachverständigen, die ein möglichst objektives Ergebnis ergeben könnten. Man könne von der Behörde verlangen, dass die Messungen ordnungsgemäß verteilt über das gesamte Jahr durchgeführt werden. Dies sei bislang nicht der Fall gewesen. Es müsse auch verlangt werden, dass die Ergebnisse dieser Messungen realistisch rückgerechnet werden auf ein allenfalls zu erreichendes Sanierungsziel. Der medizinische Sachverständige beschäftige sich mit Berechnungen, die unter keinen Umständen zu seinem Fachgebiet gehörten. Die Frage, welche Geruchsstundenhäufigkeit wie erreicht werden kann, sei keine medizinische Frage. Die Ausführungen des medizinischen Sachverständigen seien durch keine Fakten untermauert. Es stehe nicht fest, von welcher Geruchszusammensetzung der Sachverständige für seine Schlussfolgerungen ausgeht und welche Gerüche er konkret als ekelerregend bezeichnet. Es werde ersatzlose Bescheidbehebung beantragt.
Die Berufungsbehörde hat hiezu wie folgt erwogen:
Für ein Sanierungskonzept gemäß § 79 Abs 3 GewO 1994 ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wie bei der Vorschreibung zusätzlicher oder anderer Auflagen, maßgebend. Die Berufungswerberin bringt vor, dass die Einhaltung des vorgeschriebenen Sanierungszieles nur durch eine Reduktion der Zuliefermenge um ca 75 Prozent erfolgen könnte. Dies würde jedoch dem wirtschaftlichen Ende dieser Anlage gleich kommen. Erhebungen bzw Feststellungen bezüglich der Verhältnismäßigkeit des vorgeschriebenen Sanierungszieles hat die Erstbehörde keine vorgenommen.
Nach der herrschenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der mit der Erfüllung der Auflage verbundene Aufwand niemals außer Verhältnis mit dem angestrebten Erfolg, wenn das Ziel einer Auflage (im übertragenen Sinn hier das Sanierungsziel) dem Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung dient. In den amtsärztlichen Sachverständigengutachten ist immer von erheblicher Geruchsbelästigung die Rede, die unzumutbar ist (Verhandlungen vom 14.07.2004 und vom 30.03.2006, Stellungnahme vom 28.12.2006). Es gibt keine amtsärztliche Feststellung, dass eine Gesundheitsgefährdung vorliegt. In der amtsärztlichen Stellungnahme vom 14.07.2004 werden im ersten Absatz generelle Feststellungen zu den medizinischen Auswirkungen der auftretenden Geruchsmischung getätigt und diese als an sich nicht gesundheitsschädlich bezeichnet. Über emotionale und Interferenzwirkungen sowie über somatische Komponenten (Sekundärwirkungen wie zB Schlafstörungen) kann es schlussendlich zu gesundheitsschädlichen Wirkungen kommen. Im letzten Absatz dieser Stellungnahme wird dann fallbezogen von einer erheblichen Belästigung, nicht aber von einer Gesundheitsgefährdung gesprochen. Mit diesem Gutachten wird das Vorliegen einer Gesundheitsgefährdung nicht festgestellt bzw werden keine Fakten geliefert, die eine derartige Schlussfolgerung gerechtfertigt erscheinen ließen. In den späteren amtsärztlichen Stellungnahmen erfolgt stets die Beurteilung einer erheblichen bzw unzumutbaren Geruchsbelästigung für die Nachbarn.
Ohne Feststellung einer Gesundheitsgefährdung muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Im bisherigen Verfahren hat das Ermittlungsverfahren nicht ergeben, dass die Gerüche von gegenständlicher Betriebsanlage für deren Nachbarn eine Gesundheitsgefährdung erwarten lassen.
Im Hinblick auf eine allenfalls durchzuführende Einzelfallbeurteilung nach Punkt 5. der GIRL (Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL) lassen die amtsärztlichen Feststellungen im Gutachten vom 30.03.2006 nachvollziehbare Ausführungen vermissen, von welcher Geruchszusammensetzung damit der medizinische Amtssachverständige für seine Schlussfolgerungen ausgeht und welche Gerüche er konkret als ekelerregend bezeichnet.
Bereits in dem in dieser Angelegenheit ergangenen Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 13.11.2006, Zl 2006/22/2827-2, wurde es als unumgänglich erachtet, dass ein medizinischer Sachverständiger schlüssig und nachvollziehbar im Einzelfall beurteilt, ob aus medizinischer Sicht eine (erhebliche) Belästigung (welcher Art) oder gar Gesundheitsgefährdung für die Nachbarn vorliegt. In den amtsärztlichen Stellungnahmen vom 28.12.2006 und 13.04.2007 wird kein Vorliegen einer Gesundheitsgefährdung festgestellt. Da in so einem Fall für ein Sanierungskonzept der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit maßgebend ist, eine Unverhältnismäßigkeit behauptet wird und dazu keinerlei Erhebungsergebnisse und Feststellungen vorhanden sind, kann auf der Grundlage des bisherigen Standes der Erhebungen ein Sanierungskonzept nicht vorgeschrieben werden, weshalb antragsgemäß der bekämpfte Bescheid zu beheben war.