TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/8 2000/21/0120

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Veröffentlicht am 08.11.2001
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §37;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des J in Hörbranz, geboren am 11. September 1977, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh und Dr. Hanno Lecher, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 10. Mai 2000, Zl. Fr-4250a-174/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 10. Mai 2000 wurde über den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß §§ 36 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 1,  37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf sechs Jahre befristetes Aufenthaltsverbot verhängt. Dieses begründete die belangte Behörde im Wesentlichen mit folgenden - rechtskräftigen - strafgerichtlichen Verurteilungen:

Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 15. Dezember 1993 wegen § 83 Abs. 1 StGB, Geldstrafe in der Höhe von 20 Tagessätzen a S 30,--;

Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 16. Jänner 1997 wegen § 88 Abs. 1 StGB, Geldstrafe in der Höhe von 50 Tagessätzen a S 50,--;

Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 5. Februar 1997 wegen §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 und 129 Abs. 1 und Abs. 2 (richtig: Z 1 und Z 2), §§ 12 und 15 StGB, bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von 10 Monaten;

Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 14. November 1997 wegen § 16 Abs. 1 SGG, keine Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf die beiden zuvor genannten Urteile;

Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 15. Dezember 1997 wegen § 288 Abs. 1 StGB, Geldstrafe in der Höhe von 300 Tagessätzen a S 200,--;

Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 28. November 1998 wegen § 83 Abs. 1 StGB, Geldstrafe in der Höhe von 90 Tagessätzen a S 100,--;

Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 5. Februar 1999 wegen § 83 Abs. 1 StGB, Geldstrafe in der Höhe von 90 Tagessätzen a S 110,--.

Dem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 5. Februar 1997 liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit anderen Personen teils als Mittäter teils in Form der Beitragstäterschaft fremde bewegliche Sachen in einem S 25.000,-- übersteigenden Wert im Zeitraum vom 24. August 1996 bis 24. September 1996 in 13 näher beschriebenen Angriffen anderen, im Einzelnen genannten Personen mit dem Vorsatz weggenommen bzw. wegzunehmen versucht habe, sich oder Andere durch Zueignung der Sache unrechtmäßig zu bereichern. Bei der Strafzumessung seien die Tatwiederholungen, die Diebesbeute in Gesamthöhe von ca. S 250.000,-- sowie der Umstand, dass die Tat in Gesellschaft begangen worden sei, als erschwerend, das reumütige Geständnis, der teilweise Versuch und die teilweise Jugendlichkeit, ansonsten die Begehung unter 21 Jahren, als mildernd gewertet worden.

Das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 14. November 1997 beruhe darauf, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum Sommer 1995 bis Oktober 1996 eine unbekannte Menge Haschisch konsumiert, ca. fünf bis sechs Gramm Kokain erworben, ca. 15 bis 20 Gramm Speed konsumiert, ca. 10 bis 15 Gramm Speed weiterverkauft, ca. 10 bis 15 LSD-Trips konsumiert, ca. 5 bis 10 LSD-Trips weiterverkauft sowie ca. 30 Stück Ecstasytabletten konsumiert habe. Dabei seien als erschwerend der Konsum von fünf verschiedenen Suchtgiften und der lange Tatzeitraum, als mildernd das Geständnis sowie das Alter unter 21 Jahren berücksichtigt worden.

Den Urteilen des Bezirksgerichtes Bregenz vom 28. November 1998 bzw. vom 5. Februar 1999 liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 31. Oktober 1998 bzw. in der Nacht vom

15. auf den 16. Oktober 1998 jeweils Tätlichkeiten gegen namentlich genannte Personen gesetzt habe, wobei es einmal durch Anspringen und Versetzen eines Kniestoßes zu einem Bluten aus der Nase und von den Lippen sowie zu einer Blutunterlaufung unter dem linken Auge und das andere Mal durch Versetzen eines Faustschlages und eines Fußtrittes in das Gesicht zu einer tiefen lappenförmigen und blutenden Wunde an der linken Seite der Oberlippe und einer Absplitterung an einem Schneidezahn gekommen sei.

Auf Grund der genannten Verurteilungen seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG erfüllt und es sei daher gemäß § 36 Abs. 1 leg. cit. die Annahme gerechtfertigt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Diese Annahme werde dadurch verstärkt, dass der Beschwerdeführer zwischen 1996 und 1999 18 Mal rechtskräftig wegen Verwaltungsübertretungen habe bestraft werden müssen. Dies zeige, dass er die Einhaltung der österreichischen Gesetze nicht für erforderlich halte. Im Hinblick darauf werde von der Möglichkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Gebrauch gemacht, zumal ihn weder Geld- noch Freiheitsstrafen noch die Androhung eines Aufenthaltsverbotes von neuen Rechtsbrüchen hätten abhalten können und auf Grund seines bisherigen Verhaltens auch weiterhin mit "derartigen" Delikten gerechnet werden müsse.

Der Beschwerdeführer halte sich seit Mitte 1991 rechtmäßig und ununterbrochen in Österreich auf; er habe hier die 4. Klasse Hauptschule und anschließend den polytechnischen Lehrgang besucht und in der Folge eine Lehre als Gas- und Wasserleitungsinstallateur abgeschlossen. Seit 1993 stehe er in einem Beschäftigungsverhältnis. Er habe in Österreich eine Lebensgefährtin, seine Mutter halte sich ebenfalls schon viele Jahre im Inland auf. Auf Grund dieser Umstände stelle die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes einen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben dar, der jedoch im Hinblick auf die Schwere und Vielzahl der den angeführten Gerichtsurteilen zu Grunde liegenden Delikte zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen sowie Schutz der Rechte Dritter) dringend geboten sei. Diese Dringlichkeit ergebe sich aus der in den Straftaten zum Ausdruck kommenden Neigung des Beschwerdeführers, die körperliche Unversehrtheit anderer Personen krass zu missachten, sowie aus der sich aus seiner Unbelehrbarkeit auch hinkünftig ergebenden Gefahr. Er habe permanent und schwer gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen, wobei ihn selbst die Androhung eines Aufenthaltsverbotes im Jahr 1996 nicht habe davon abhalten können, wenig später wieder gerichtlich strafbare Handlungen zu setzen. Bezüglich des Suchtgiftdeliktes sei noch anzuführen, dass dabei von einer "generellen" Gefährlichkeit auszugehen und erfahrungsgemäß mit einer hohen Rückfallsquote zu rechnen sei. Wegen der diesen Delikten inne wohnenden hohen Sozialschädlichkeit könne ein Aufenthaltsverbot auch bei völliger sozialer Integration im Inland erlassen werden. Unter Abwägung der gegenläufigen Interessen dränge das in hohem Maße bestehende öffentliche Interesse, den weiteren Aufenthalt des Fremden im österreichischen Bundesgebiet zu untersagen, sein privates Interesse in den Hintergrund, wobei ergänzend - bezüglich des Aufenthalts der Mutter des Beschwerdeführers in Österreich - darauf hingewiesen werde, dass er sich in einem Alter befinde, in dem er auf die Eltern als Bezugspersonen nicht mehr direkt angewiesen sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - nach Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde - erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die im bekämpften Bescheid festgestellten strafgerichtlichen Verurteilungen. Im Hinblick darauf steht außer Zweifel, dass der Aufenthaltsverbotstatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG (in Form der 3. und 4. Alternative) erfüllt ist. Dies stellt letztlich auch der Beschwerdeführer nicht in Frage, er vermeint jedoch - wenn auch im Zusammenhang mit den Ausführungen zu § 37 FrG -, dass im Hinblick auf den seit Begehung der den Verurteilungen zu Grunde liegenden Straftaten verstrichenen Zeitraum eine negative Zukunftsprognose nicht gerechtfertigt wäre und nicht davon ausgegangen werden könne, dass er in Zukunft eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Einerseits hat der Beschwerdeführer über einen geraumen Zeitraum hinweg, wenn auch zum Teil noch in jugendlichem Alter, immer wieder gegen die Strafgesetze verstoßen, wovon ihn nach Androhung aufenthaltsbeendender Maßnahmen (nach der Aktenlage mit Schreiben vom 19. Juni 1996) nicht einmal die Einleitung des Aufenthaltsverbotsverfahrens (nach der Aktenlage mit Aufforderung zur Stellungnahme vom 26. September 1997) hat abhalten können. Andererseits liegen die begangenen Straftaten entgegen der Beschwerdeauffassung noch nicht so lange zurück, dass bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides von einem Wohlverhalten in relevanter Dauer ausgegangen werden könnte, welches die bisherige Delinquenz des Beschwerdeführers - die sich nicht nur im Bagatellbereich bewegt - in den Hintergrund rücken würde. Mit der belangten Behörde ist vielmehr zu folgern, insbesondere auf Grund der in mehrfachen Angriffen verwirklichten Einbruchsdiebstähle und des multiplen Suchtgiftmissbrauchs, dass sich der Beschwerdeführer auch in Zukunft nicht ordnungsgemäß verhalten werde und dass daher die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist.

Das Schwergewicht der Beschwerde liegt in der Frage der Anwendung des § 37 FrG. Diesbezüglich weist der Beschwerdeführer zutreffend darauf hin, dass die aufenthaltsbeendende Maßnahme vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK zur Erreichung eines der dort genannten Ziele ein "zwingendes soziales Bedürfnis" darstellen muss. Das ist hier indes angesichts der an den Tag gelegten beharrlichen Missachtung strafgesetzlicher Vorschriften über Jahre hinweg und über das Erreichen der Volljährigkeitsgrenze hinaus der Fall. Vor diesem Hintergrund erweist sich auch die Beurteilung der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG als unbedenklich, weil gegenüber der aus dem mehrfachen Fehlverhalten des Beschwerdeführers abzuleitenden Prognose einer weiteren nicht unbeträchtlichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit seine zweifellos gewichtigen privaten und familiären Interessen zurückzutreten haben.

Soweit der Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang gemeinschaftsrechtliche Überlegungen ins Treffen führt, können sich diese schon deshalb nicht als zielführend erweisen, weil er als Staatsbürger von Bosnien-Herzegowina kein Gemeinschaftsbürger ist.

Abschließend macht der Beschwerdeführer geltend, dass die belangte Behörde das ihr eingeräumte Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes geübt habe. Auch dieser Ansicht vermag der Verwaltungsgerichtshof aus den schon erwähnten Gründen nicht beizupflichten.

Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. November 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000210120.X00

Im RIS seit

18.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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