TE UVS Tirol 2008/01/15 2006/K1/2244-3

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Veröffentlicht am 15.01.2008
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch die Kammer 1, bestehend aus der Vorsitzenden Dr. Margit Pomaroli sowie den weiteren Mitgliedern Dr. Alois Huber und Dr. Felizitas Schiessendoppler-Luchner, in Vertretung von Dr. Klaus Dollenz, nach der am 19.12.2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung des Herrn Ing. J. H., vertreten durch die Rechtsanwälte G. ? P. ? K. und Partner, XY, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 11.07.2006, Zl SG-172-2006, wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der gegenständlichen Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber  vorgeworfen wie folgt:

 

?Es wird Ihnen zur Last gelegt, dass sie es als Obmann und somit nach außen berufenes Organ der St. mit Sitz in, zu verantworten haben, dass - wie aufgrund einer am 21.03.2006 durch den Arbeitsinspektor DI J.K. durchgeführten Unfallerhebung im Betrieb XY, festgestellt wurde - folgende Übertretung nach dem Arbeitnehmerinnenschutzgesetz BGBl Nr 450/1994 idgF. festgestellt wurde:

 

Am 21.03.2006 um ca. 10.15 Uhr zeigte Herr J.AP, geb. XY, dem Kollegen G.Sch. ein fehlerhaft geschmiedetes Werkzeug. Dieser korrigierte die Einstellung am Arbeitsmittel. Er setzte den Schmiedhammer wieder in Bewegung. In diesem Augenblick wollte Herr Sp. ihm mit der Zange ein weiteres fehlerhaftes Stück zeigen. Der fallende Schmiedhammer trennte ihm dabei einen Teil der rechten Hand ab.

 

Der Unfall war deshalb möglich, weil an der dem Schmied abgewandten Seite des Schmiedhammers keine Absicherung der Gefahrenstelle getroffen war. Im Zuge der Unfallerhebung um ca. 13.00 Uhr wurde an den Maschinenarbeitsplätzen bereits wieder gearbeitet, ohne dass der Absicherungsmangel vorher behoben worden war. Die Arbeiten wurden daraufhin bis 71. Absicherung der Gefahrenstelle eingestellt.

 

Dies stellt eine Übertretung des § 45 Abs 1 Arbeitsmittelverordnung BGBI II Nr 164/2000 idgF dar, wonach bewegte Teile von Arbeitsmitteln, die der Bearbeitung, Verarbeitung, Herstellung oder Zuführung von Stoffen oder Werkstücken dienen, wie Werkzeuge, sowie bewegte Werkstücke, die Quetsch-, Scher-, Schneid-, Stich-, Fang-, Einzugs- oder andere Gefahrenstellen bilden, durch Verdeckungen, Verkleidungen oder Umwehrungen gegen Gefahr bringende Berühren gesichert sein müssen, soweit dies der jeweilige Arbeitsvorgang zulässt.

 

Sie haben dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 45 Abs 1 Arbeitsmittelverordnung BGBI II Nr 164/2000 idgF in Verbindung mit § 130 Abs 1 Z 16 Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz BGBl Nr 450/1994 idgF begangen.

 

Gemäß § 130 Abs 1 Z 16 Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz BGBl Nr 450/1994 idgF wird gegen Sie eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 2.500,00 verhängt.

Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 14 Tagen.

Sie haben weiters als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 Abs 2 Verwaltungsstrafgesetz Euro 250,00 zu zahlen und die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.

Die Gesamtsumme beträgt daher Euro 2.750,00.?

 

Dagegen wurde rechtzeitig die Berufung eingebracht und in dieser ausgeführt, dass die Erstbehörde das Parteiengehör nicht gewahrt habe und dass der Beschuldigte der falsche Verfolgungsadressat sei. Hingewiesen wurde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 09.02.1999, Zl 97/11/0044. Es mangle dem Berufungswerber an einem Verschulden. Es sei bei früheren Betriebsstättenbesichtigungen der Firma St. ein fehlendes Schutzblech beim gegenständlichen Schmiedehammer nie gerügt worden. Darüber hinaus sei eine entsprechende Arbeitsteilung in der Firma St. in XY erfolgt. Diese bestehe aus zwei Sparten. Einerseits die Sparte Handel, andererseits die Sparte Produktion. Der Berufungswerber sei als St. Vorstand nur für den Bereich Handel bzw. das Kaufmännische zuständig, für den gesamten Produktionsbereich, welcher intern mit dem Kürzel KSHB (Kompetenzzentrum Schmieden, Härten und Bearbeiten), bezeichnet der zweite Vorstand J. Sp. zuständig, wobei ihm allein die gesamte Geschäftsführung der KSHB-Werke obliegt und zwar in enger Zusammenarbeit mit dem gewerberechtlichen Geschäftsführer der Firma St., E. D. Diese interne Geschäftsverteilung sei auf der Verschuldensebene beachtlich. Dem Berufungswerber könne die gegenständliche Übertretung nicht zugerechnet werden. Darüber hinaus liege in objektiver Hinsicht keine Verwaltungsübertretung vor und laufe der Produktionsvorgang bei der Firma St., nämlich das Schmieden an Schmiedehämmer, seit über 30 Jahren gleich ab. Ein Absichern mit Schutzvorrichtungen im Sinne des § 45 Abs 1 Arbeitsmittelverordnung sei nur bedingt bzw. begrenzt möglich. Die Hammerschmiedeanlage der Firma St. entspricht dem europäischen Sicherheitsstandard und werden auch alle neuen Schmiedehämmer von den Europäischen Produzenten auch heute ohne Schutzeinrichtungen ausgeliefert. Darüber hinaus dürfen nach § 9 Abs 3 Arbeitsinspektionsgesetz Strafanzeige ohne vorherige Aufforderung des Arbeitgebers zur Herstellung des gesetzeskonformen Zustandes nur dann erstattet werden, wenn es sich um eine schwerwiegende Übertretung handelt. Der gegenständliche Unfall sei eine Folge aus Verkettung menschlichen Versagens gewesen. Auch bei der Begehung durch das Arbeitsinspektorat am 22.09.2004 sei der nunmehrige Mangel beim Schmiedevorgang nicht aufgefallen. Das Verschulden des Beschuldigten sei geringfügig. Er sei unbescholten. Umstände liegen vor, die einem Schuldausschließungs- bzw. Rechtfertigungsgrund nahe kommen und erfolgte eine entsprechende Unfallevaluierung und es werde derzeit, und zwar teilweise über den europäischen Sicherheitsstandard bei Schmiedebetrieben hinaus, Laserscanner probiert. Sollten sich diese im Testbetrieb bewähren, wird diese Absicherungsform an den weiteren Maschinen vorgenommen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung werde beantragt.

 

Aufgrund dieses Vorbringens wurde am 19.12.2007 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der der Berufungswerber erschienen ist und im Verfahren befragt worden ist. Weiters anwesend war der Rechtsvertreter des Berufungswerbers, Dr. F., sowie Herr DI K. als Vertreter des Arbeitsinspektorates.

 

Beweis wurde aufgenommen durch Befragung des Berufungswerbers, Einsichtnahme in den Akt des Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol, Zl 2006/K1/2244, sowie in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, Zl SG-172-2006.

 

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht fest, dass es am 21.03.2006 um ca. 10.15 Uhr im Betrieb der St. mit dem Sitz in XY, zu einem Arbeitsunfall kam, bei dem dem Arbeitnehmer Sp. durch einen fallenden Schmiedhammer ein Teil der rechten Hand abgetrennt wurde. Weiters steht fest, dass am gegenständlichen Senkschmiedhammer an der dem Schmied abgewandten Seite des Schmiedhammers und zwar beim Auslauf der Produktion keine Absicherung der Gefahrenstelle getroffen worden war.

 

Nach § 45 Abs 1 Arbeitsmittelverordnung (AMVO) müssen bewegte Teile von Arbeitsmitteln, die der Bearbeitung, Verarbeitung, Herstellung oder Zuführung von Stoffen oder Werkstücken dienen, die Werkzeuge sowie bewegte Werkstücke, die Quetsch-, Scher-, Schneid-, Stich-, Fang-, Einzugs- oder andere Gefahrenstellen bilden, durch Verdeckungen, Verkleidungen oder Umwehrungen gegen Gefahr bringendes Berühren gesichert sein, soweit dies der jeweilige Arbeitsvorgang zulässt.

 

Am Beginn des Schmiedevorganges ist eine Absicherung durch den jeweiligen Arbeitsvorgang nicht möglich. Im Gegenstandsfalle hat auch beim Auslauf des Senkschmiedehammers eine Sicherung gefehlt.

 

Zum Übertretungszeitpunkt war Vorstand der Firma St. Herr J. Sp. sowie Herr Ing. J. H.

 

Gemäß Protokoll zur Vorstandssitzung vom 10.01.2005 werden die Aufgaben des Vorstandes im Rahmen der Geschäftsordnung für den Vorstand unter Zuhilfenahme der leitenden Angestellten wie folgt geregelt:

Obmann des Vorstandes Ing. J. H. Im Rahmen der Geschäftsführerordnung für den Vorstand die Geschäftsführung der Verwaltung, die Vertretung der Mitglieder mit ihren Anliegen und Ansuchen sowie die Vertretung der Werksgenossenschaft bei Behörden, Ämtern, Banken, Vereinigungen und bei Bedarf unter Zuhilfenahme einer dazu ermächtigten Vertretungsperson. Eine weitere Aufgabe ist die Stellvertretung des Vorstandes für die KSHB.

Obmann-Stellvertreter J. Sp. übernimmt im Rahmen der Geschäftsführerordnung für den Vorstand die Geschäftsführung der KSHB (Werke) in engster Zusammenarbeit mit dem Geschäftsführer D. E. Die Vertretung der Mitglieder mit ihren in Anliegen und Ansuchen betreffend der KSHB, die Vertretung der KSHB bei Behörden, Ämtern, Banken und Vereinigungen, bei Bedarf unter Zuhilfenahme einer dazu ermächtigten Vertretungsperson. Die weitere Aufgabe ist die Stellvertretung des Vorstandsobmannes in allen Belangen sowie weiterhin die Überwachung des gesamten Sozial- und Wohnungswesens.

 

Gemäß Protokoll zur Vorstandssitzung vom 17.01.2006 bleiben gemäß Punkt 3 die Aufgabenverteilungen, da keine Vorstandswahlen stattgefunden haben, unverändert gemäß Protokoll vom 10.01.2005.

 

Nach § 9 Abs 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechtes oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, soweit die Verwaltungsvorschrift nichts anderes bestimmt und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Nach § 9 Abs 2 VStG sind die zur Vertretung nach außen berufenen berechtigt und, soweit es zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit sich als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche dieser Unternehmen die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiches des Unternehmens können auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

 

Der § 9 Abs 2 VStG ermöglicht die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinn des § 9 Abs 2 letzter Satz VStG und auch die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinn des § 9 Abs 2 erster Satz VStG (im Folgenden als ?verantwortliches Vertretungsorgan? bezeichnet).

 

Verantwortlicher Beauftragter und verantwortliches Vertretungsorgan unterscheiden sich wesentlich voneinander Ersterer zählt nicht zum Kreise der Vertretungsorgane. Ihn trifft daher keine strafrechtliche Verantwortlichkeit kraft Gesetzes. Seine strafrechtliche Verantwortlichkeit entsteht erst mit seiner rechtswirksamen Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten durch ein Vertretungsorgan, sie kann immer nur Teilbereiche des Unternehmens erfassen und sie setzt im Anwendungsbereich des § 23 Arbeitsinspektionsgesetz überdies die vorgängige Mitteilung der Bestellung an das zuständige Arbeitsinspektorat voraus. Seine strafrechtliche Verantwortlichkeit entsteht erst mit seiner rechtswirksamen Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten durch ein Vertretungsorgan. Sie kann immer nur Teilbereiche des Unternehmens umfassen und sie setzt im Anwendungsbereich des § 23 ArbIG überdies die vorgängige Mitteilung der Bestellung an das zuständige Arbeitsinspektorat vor. Ein verantwortliches Vertretungsorgan ist hingegen als Vertretungsorgan ex lege, umfassend und kumulativ neben anderen Vertretungsorganen (also ?überlappend?) strafrechtlich verantwortlich. Seine Bestellung nach § 9 Abs 1 erster Satz VStG lässt seine strafrechtliche Verantwortlichkeit als Vertretungsorgan unberührt. Sie bewirkt nur (nach Maßgabe des Umfanges) einen Entfall der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der übrigen Vertretungsorgane bzw. deren Einschränkung auf den Fall vorsätzlich Nichtverhinderung (§ 9 Abs 6 VStG), ihre  Wirksamkeit hängt nicht von der Mitteilung an das Zuständige Arbeitsinspektorat ab.

 

Einer solchen bedarf es hier nicht.

 

§ 23 Arbeitsinspektionsgesetz erfasst nach seinem Sinn und Zweck von vorne herein nicht Vertretungsorgane im Sinn des § 9 Abs 1 VStG.

 

Vorstandsmitglieder zum Zeitpunkt der gegenständlichen Übertretung der St. waren sowohl Herr J. Sp., als auch der Berufungswerber, Herr Ing. J.H.

 

Zuständig für den Bereich KSHB (Kompetenzzentrum Schmieden, Härten, Bearbeiten) ist Herr J. S.

 

Nach § 9 Abs 1 VStG sind grundsätzlich beide Vorstandsmitglieder zur Vertretung nach außen befugt und somit für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die juristische Person Firma St. mit dem Sitz in XY zuständig. Infolge der Aufgabenaufteilung zwischen den beiden Vorstandsmitgliedern ist jedoch für Kompetenzbereich Schmieden, Härten und Bearbeiten die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Berufungswerbers, Herrn Ing. J. H., nicht gegeben.

 

Nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht gegangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

Dies trifft auf den Gegenstandsfall zu und war daher der gegenständlichen Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Schlagworte
Verantwortlicher, Beauftragter, und, verantwortliches, Vertretungsorgan, unterscheiden, sich, wesentlich, voneinander, § 23, Arbeitsinspektionsgesetz, erfasst, nach, seinem, Sinn, und, Zweck, von, vornherein, nicht, Vertretungsorgane, im, Sinne, des, § 9, Abs 1, VStG
Zuletzt aktualisiert am
01.10.2008
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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