I
Der Beschwerde wird Folge gegeben. Es wird festgestellt, dass der Schubhaftbescheid vom 7.1.2008, Zl **S3-F-07 T, und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft ab dem 7.1.2008 rechtswidrig waren.
Rechtsgrundlagen:
§§83 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl I Nr 100/2005 in der Fassung BGBl I Nr 157/2005 iVm §67 Abs3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG).
II
Es wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen
nicht vorliegen.
Rechtsgrundlagen:
§83 Abs4, erster Satz, FPG.
III
Die unterlegene Partei (BH X, zuzuordnen dem Bund, Bundesminister für Inneres) hat dem Beschwerdeführer gemäß §79a AVG iVm §83 Abs2 FPG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 334/2003, den Schriftsatzaufwand in der Höhe von ? 660,80 sowie die Gebühr von ? 13,20, insgesamt somit ? 674,--, binnen zwei Monaten ab Zustellung dieser Entscheidung zu ersetzen.
In der am 9. Jänner 2008 beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ eingelangten Schubhaftbeschwerde ist ausgeführt:
?Gegen die unrechtmäßige Anhaltung von I**** Z********, angeordnet durch den Bescheid mit der Zahl **S2-f-08 T vom 07.01.2008 wird hiermit
Beschwerde gegen Verhängung der Schubhaft
gem §82 FPG eingebracht.
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer (folgend nur mehr Bf genannt) kam am 20.12.2007 gemeinsam mit seiner Frau M**** I***** (AIS 0711***) und dem neugeborenen Sohn A**** I**** (0711***) nach Österreich. Unverzüglich nach Einreise ins Bundesgebiet begab sich der Bf mit einer Familie aus freien Stücken nach T***********, wo sei einen Asylantrag stellten.
Der Bf wurde im Flüchtlingslager T*********** aufgenommen, wo er sich bis zur Verhängung der Schubhaft aufhielt.
Am 7.1.2008 wurde der Bf festgenommen. Diese Festnahme stellte für seine Frau M**** I***** ein derartiges Schockerlebnis dar, dass sie einen Nervenzusammenbruch erlitt und in die psychiatrische Klinik X eingeliefert werden musste. Die Festnahme wurde daraufhin wieder aufgehoben, damit sich der Bf um den drei Monate alten Sohn kümmern konnte. Nach Entlassung seiner Frau aus der Psychiatrie wurde der Bf erneut festgenommen und mit dem bekämpften Bescheid in Schubhaft zur Sicherung der Erlassung einer Ausweisung und der Abschiebung auf Grundlage von §76 Abs2 Z4 und Abs3 und 113 Abs1 Fremdenpolizeigesetz 2005 verhängt.
Nach wie vor kam es zu keiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt.
2. Rechtliche Würdigung
Damit eine Schubhaft verhängt werden kann, müssen materiell-rechtliche und formale Bedingungen erfüllt werden, deren Verletzung zur Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides aus nachfolgend erläuterten Gründen führen.
2.1. Unverhältnismäßigkeit der Haft und Verletzung von Art 8 EMRK
Art1 Abs3 BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit statuiert, dass jede Haftverhängung unter der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu prüfen ist. Im konkreten Fall stützt sich die Schubhaft auf §76 Abs2 Z4 FPGG. §76 Abs2 FPG spricht von ?kann?, dies bedeutet, dass nicht automatisch bei Vorliegen der Voraussetzungen des §76 Abs2 Z4 FPG Schubhaft zu verhängen ist, sondern eine individuelle Prüfung stattzufinden hat. Dies wurde in diesem Fall gänzlich unterlassen.
Der Bf und seine Gattin haben sich aus freien Stücken nach T*********** begeben um dort einen Asylantrag zu stellen. Sie wurden im Lager T*********** aufgenommen und waren dort ständig aufhältig. Ohne jeglichen Hinweis auf eine Absicht sich dem Verfahren zu entziehen, wurde Schubhaft über den Bf und seine Familie verhängt. Bezeichnenderweise findet sich im gesamten Schubhaftbescheid kein einziger auf seine Person bezogener Hinweis darauf, dass und warum der Bf und seine Frau sich dem Verfahren entziehen sollten.
Die Behauptung im Schubhaftbescheid, der Bf wäre nicht willens das Bundesgebiet zu verlassen, entbehrt jeglicher Grundlage und stellt lediglich eine Mutmaßung der belangten Behörde dar. Entsprechend der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bedürfte es eines positiven Hinweises darauf auf eine mangelnde Ausreisewilligkeit für den Fall einer negativen Entscheidung. Tatsächlich wurde der Bf über seine Ausreisewilligkeit aber nicht einmal befragt.
Der Hinweis der belangten Behörde auf den geordneten Arbeitsmarkt und das wirtschaftliche Wohl ist im Rahmen einer Interessensabwägung bei Asylwerbern verfehlt. Dasselbe gilt für den Hinweis auf den Verstoß gegen das ?Sichtvermerksabkommen?, sowie den mangelnden Nachweis der für den Unterhalt notwendigen Mittel. Durch die gesetzliche und EU-rechtliche vorgesehene Grundversorgung für ALLE Asylwerber, muss der Bf, sobald er aus der Schubhaft entlassen wird, von Österreich versorgt werden, das ersetzt den Nachweis der notwendigen Mittel.
Am Nachmittag des 7.1.2008 wurde der Bf festgenommen. Diese Festnahme stellte für seine Frau M**** I***** ein derartiges Schockerlebnis dar, dass sie einen Nervenzusammenbruch erlitt und in die psychiatrische Klinik X eingeliefert werden musste. Der drei Monate alte Sohn blieb im Flüchtlingslager T*********** zurück. Da man nicht wusste, was man mit diesem Kind machen sollte, wurde die Festnahme kurzerhand wieder aufgenommen. In der Psychiatrie wurde die Frau I***** mit Zuhilfenahme von Medikamenten beruhigt. Obwohl eine längere Anhaltung aus medizinischer Sicht notwendig gewesen wäre, wurde Frau Isaeva aus der Psychatrie noch am selben Tag entlassen, damit sei zu ihrem Mann und ihrem Baby gehen kann, das von ihr noch gestillt wird. Nach Entlassung seiner Frau aus der Psychiatrie wurde der Bf erneut festgenommen, was neuerlich einen Zusammenbruch seiner Frau provozierte.
Durch die Haft ist der Bf nun von seiner Gattin und seinem Kind getrennt, was angesichts der bereits oben angeführten konkreten Umstände einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein Recht auf Familienleben nach Art 8 EMRK darstellt.
Auch nach der EU-Aufnahmerichtlinie Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 sind Familien gemeinsam unterzubringen, was durch die Schubhaftverhängung und die Aufrechterhaltung der Schubhaft vereitelt wurde.
Die Frau des Bf ist nunmehr im Flüchtlingslager T*********** untergebracht. Nach wie vor geht es ihr psychisch nicht gut und sie wäre daher dringend auf die Unterstützung ihres Mannes angewiesen. Auch für den Bf ist die Ungewissheit, was mit seiner Frau passiert und der Umstand ihr nicht helfen zu können, eine unzumutbare Belastung. Die Trennung von seiner Frau verletzt jedenfalls das Grundrecht auf Familieneinheit und der Bf muss daher schnellstmöglich mit seiner Frau zusammengebracht werden.
Auf sein durch Art 8 EMRK gestütztes Familienleben geht der Schubhaftbescheid überhaupt nicht ein, auch dies führt zur Rechtswidrigkeit der Haft.
Eine Schubhaftverhängung war daher nach der eindeutigen und klaren Rechtssprechung der Höchstgerichte nicht notwendig und unverhältnismäßig; Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 28.09.2004, B 292/04, sowie jüngst diese Rechtsprechung auch zum FPG aufrechterhaltend (VfGH 24.06.2006, B 326/06 und VfGH vom 15.6.2007, B 1330/06) reichen bloß allgemeine Annahmen oder ?Erfahrungswerte? nicht aus, um die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung im Einzelfall zu begründen. Auch der Umstand, dass ein Asylwerber bereits in einem anderen Land Asyl beantragt hat, rechtfertigt für sich genommen noch nicht den Schluss, dass der Bf sich dem Verfahren entziehen werde. Im vorliegenden Fall beruft sich die schubhaftverhängende Behörde lediglich auf allgemeine Annahmen, nähere Ausführungen, weshalb in diesem Fall eine Notwendigkeit der Schubhaftverhängung gegeben sei, fehlen dem Schubhaftbescheid gänzlich.
Der Verfassungsgerichtshof hat erst jüngst im Erkenntnis vom 15.6.2007, B 1330/06 wieder betont, dass die zuständige Fremdenpolizeibehörde stets dazu verpflichtet ist, die einzelnen Schubhafttatbestände verfassungskonform auszulegen und eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen (siehe auch E v 24.06.06, B362/06).
Die Schubhaft war nicht notwendig und nicht verhältnismäßig.
Weiters erkennt der VwGH in jüngster Entscheidung vom 30.08.2007, GZ 2007/21/0043, dass sämtliche Schubhafttatbestände des §76 Abs2 FPG final determiniert sind. Sie rechtfertigen die Verhängung von Schubhaft nur ?zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß §10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung?. Der Verfassungsgerichtshof hat darüber hinaus, zuletzt in seinem Erkenntnis vom 15. Juni 2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des §76 Abs2 FPG unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Im Ergebnis bedeutet das, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des §76 Abs2 FPG gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein darf (vgl dazu auch die ErläutRV zum Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, 134 BlgNR 17 GP 5).
Zum demnach ergänzend zu prüfenden Sicherungsbedürfnis hat die belangte Behörde ausgeführt, dass die Notwendigkeit der Schubhaft zur Sicherung des asylrechtlichen Verfahrens bzw der Abschiebung gegeben war.
Diese Überlegung widersprechen allerdings der Aktenlage und reichen nicht aus, um eine Anhaltung in Schubhaft zu rechtfertigen. Der Bf begab sich aus freien Stücken nach T*********** und stellte sich den Asylbehörden. Tatsächlich kam er stets allen Verfahrensanordnungen nach und stand den Behörden jederzeit zur Verfügung. Dieses Verhalten zeigt, dass der Beschwerdeführer gewillt war und nach wie vor ist, Aufforderungen der Fremdenbehörde, wie insbesondere der Aufforderung, er möge das Land verlasse, sehr wohl nachkommt.
Die belangte Behörde verkennt, dass die Haft unverhältnismäßig ist bzw führt überhaupt keine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch.
Tatsächlich werden derzeit aufgrund einer internen Weisung sämtliche ?Familienoberhäupter? von ihren Familien getrennt und in Schubhaft genommen. Diese Praxis wurzelt in einer medialen Hysterie die mit einem nicht abnormalen minimalen Anstieg der Asylanträge einherging und ist wohl eher auf die bevorstehenden Wahlen in Niederösterreich als mit einem dringend geworden Sicherungsbedürfnis erklärbar. Ohne auf den individuellen Einzelfall einzugehen, ist eine Verhängung der Schubhaft aber jedenfalls unzulässig.
Der VfGH hat im Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, festgehalten, dass die in §76 Abs2 FPG festgelegte Ermächtigung im Lichte des aus dem BVGpersFr. erfliessenden unmittelbar anwendbaren Gebots der Verhältnismäßigkeit auszulegen ist. Diese Überlegungen und die dafür im erwähnten Erkenntnis angeführten Gründe gelten nach Ansicht des Beschwerdeführers schon aus der Ratio des Abs2 legcit auch für die im vorliegenden Fall der Schubhaft zugrunde liegende Bestimmung des §76 Abs2 Z4 legcit mit der Folge, dass auch eine zur Sicherung eines asylrechtlichen Ausweisungsverfahrens verhängte Schubhaft unter dem sowohl von der anordnenden Behörde als auch im Haftprüfungsverfahren gemäß §§82f FPG vom Unabhängigen Verwaltungssenat zu beachtenden Gebot der Verhältnismäßigkeit steht.
Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25.04.2006, 2006/21/0039, festgehalten, dass zwar auch nach dem FPG davon auszugehen sei, dass die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht die Gewissheit voraussetzt, dass ein Aufenthaltsverbot verhängt werde, sondern dass hiefür bereits die berechtigte Annahme einer solchen Möglichkeit ausreicht (vgl etwa das Erkenntnis vom 21. Dezember 2004, Zl 3004/21/0145), allerdings müssten die im Einzelfall hiefür sprechenden Umstände aber auch jenen Schweregrad erreichen, der einem in §60 Abs2 FPG genannten Tatbestand entspricht.
Genau dies kann aber bezogen auf den Beschwerdeführer schon von vornherein nicht der Fall sein, da der Aufenthaltsverbots-Tatbestand der Mittellosigkeit nach §60 Abs2 Z7 FPG in §62 Abs2 FPG explizit nicht als Tatbestand genannt ist, der die Verhängung eines Rückkehrverbotes über einen Asylwerber erlauben würde; auch ist der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zum FrG 1997 ab dem Erkenntnis vom 21.12.2004, 2004/21/0083, davon ausgegangen, dass angesichts des nötigenfalls sogar einklagbaren Anspruchs jedes hilfsbedürftigen Asylwerbers auf Gewährung der Bundesbetreuung allein aus der Mittellosigkeit eines Asylwerbers noch nichts für eine Aufenthaltsbeendigung zu gewinnen ist, was angesichts der insoweit unverändert gebliebenen Anspruchslage nach dem GVG-Bund auch nach wie vor als gültig angesehen werden muss.
Der Erlassung einer Ausweisung gemäß §53 Abs2 Z4 FPG gegen einen Asylwerber stünde schließlich auch schon §1 Abs2 FPG entgegen.
Der VwGH hat ? im Einklang mit der Judikatur des EuGH ? mehrfach entschieden, dass aufgrund der Tatsache der Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle ohnedies weder eine Ausweisung noch ein Aufenthaltsverbot gegen Asylwerber verfügt werden darf (siehe VwGHE 2000/21/0033 vom 4. Juli 2000 bzw VwGHE 99/21/0266 vom 24.März 2000, VwSlg 15378 A/2000). Aus der schlepperunterstützten Einreise in das Bundesgebiet, kann daher keine Notwendigkeit der Schubhaftverhängung abgeleitet werden.
Beweis: Einvernahme des Bf
Asylakt Zl 07 11.***
Asylakt Zl 07 11.***
Asylakt Zl 07 11.***
Krankenakt I***** M****
2.2. Gelinderes Mittel
Die Behörde verkennt, dass die Anhaltung in Schubhaft nicht notwendig war, zumal gelindere Mittel ausgereicht hätten, um das Verfahren zur Sicherung des Ausweisungsverfahrens bzw der Abschiebung zu sichern.
Die die Schubhaft verhängende Behörde hat die Anwendung gelinderer Mittel gar nicht ernsthaft in Erwägung gezogen, sondern vertritt eine nicht nachvollziehbare Rechtsanschauung, die im Endeffekt darauf hinausläuft, dass das Asylverfahren durch Aufrechterhaltung der Schubhaft zu sichern sei. Dass dies nicht der Rechtsordnung entspricht, ist evident.
Tatsächlich bestand zu keiner Zeit Gefahr, dass sich der Bf dem Verfahren entziehen könnte.
Beweis: Einvernahme des Bf
2.3. Widerspruch zur EU-Aufnahmerichtlinie 2003/9/EG
Die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.1.2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den Mitgliedsstaaten legt in Artikel 14 Abs8 fest, dass die Mitgliedstaaten in Ausnahmefällen für einen angemessenen Zeitraum, der so kurz wie möglich sein sollte, andere Modalitäten der materiellen Aufnahmebedingungen festlegen (können) als in diesem Artikel vorgesehen, wenn sich der Asylwerber in Gewahrsam befindet.
Damit wird implizit festgelegt, dass der Gewahrsam ? der nur in Ausnahmefällen verhängt werden darf ? ?so kurz wie möglich? zu sein hat.
Die belangte Behörde kündigt aber in ihrem Bescheid an, sie beabsichtige, den Bf für die gesamte Dauer des Asylverfahrens in Schubhaft zu halten. Schon das ist ein krasser Verstoß gegen die Aufnahmerichtlinie, die für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, somit auch für Österreich, rechtsverbindlich ist.
Überdies werden in den Erstaufnahmestellen derzeit, wie bereits ausgeführt, grundsätzlich alle männlichen Asylbewerber im Dublin II Verfahren in Schubhaft genommen.
Das widerspricht dem in der Aufnahmerichtlinie festgelegten Grundsatz, dass Abweichungen von den generellen Normen der materiellen Aufnahmebedingungen nur in Ausnahmefällen möglich sind.
Die Aufnahme von Familien wird in Artikel 8 wie folgt angeordnet:
Artikel 8
Familien
Die Mitgliedstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um die Einheit der Familie, die sich in ihrem Hoheitsgebiet aufhält, so weit wie möglich zu wahren, wenn den Asylbewerbern von dem betreffenden Mitgliedstaat Unterkunft gewährt wird. Diese Maßnahmen kommen mit der Zustimmung der Asylbewerber zur Anwendung.
Die derzeitige Praxis widerspricht eindeutig dieser Richtlinie. Die nationalen Gesetze sind richtlinienkonform zu interpretieren und lassen daher in Wahrheit bei der Unterbringung von Familien keinen Spielraum offen. Familien müssen gemeinsam untergebracht werden. Eine Trennung des ?Familienoberhauptes? von seinen Familienangehörigen ist daher auch aus EU-rechtlichen Vorgaben unzulässig.
Die in Österreich nicht nur ausnahmsweise, sondern ganz im Gegenteil generelle, kollektive und ausnahmslose Verhängung der Schubhaft gegen männliche Asylwerber im ?Dublin-Verfahren? (von der der Bf, wie ausgeführt, konkret betroffen ist) verstößt also auch gegen das für Österreich verbindliche EU-Recht.
2.3 Widerspruch zu Verordnung (EG) Nr 1560/2003
Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr Nr 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist lautet:
DURCHFÜHRUNG der ÜBERSTELLUNG
Artikel 7
Modalitäten der Überstellung
(1) Die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat kann auf eine der folgenden Weisen erfolgen:
a) auf Initiative des Asylbewerbers innerhalb einer vorgegebenen Frist;
b) in Form der kontrollierten Ausreise, wobei der Asylbewerber bis zum Besteigen des Beförderungsmittels von einem Bediensteten des ersuchenden Staates begleitet wird und dem zuständigen Staat, Ort, Datum und Uhrzeit seiner Ankunft bis zu einer vereinbarten Frist vor der Ankunft mitgeteilt wurden;
c) in Begleitung, wobei der Asylbewerber von einem Bediensteten des ersuchenden Staates oder einem Vertreter einer von dem ersuchenden Staat zu diesem Zweck beauftragten Einrichtung eskortiert und den Behörden des zuständigen Staats überstellt wird.
Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass es eine Rangordnung der Überstellungsmodalitäten gibt bzw dass eine freiwillige Ausreise des Asylwerbers in den zuständigen Mitgliedsstatt prioritär ist. Dass es sich bei den einzelnen Ziffern der Bestimmung um eine Rangfolge handelt, ergibt sich auch aus dem im EU-Primärrecht festgeschriebenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Erst wenn die Anwendung des gelindesten Mittels nicht zum Erfolg führt (Aufforderung zur Ausreise) sind die staatlichen Behörden ermächtigt, ein weniger gelindes Mittel anzuwenden.
Auch die österreichisches Rechtsordnung geht von der grundsätzlichen Annahme aus, dass Gesetze zwar mit Zwangsandrohung, aber zunächst ohne Zwangsausübung eingehalten werden. Zunächst ist davon auszugehen, dass ein Gesetz bzw eine gesetzlich ergangene Entscheidung von den Rechtsunterworfenen grundsätzlich respektiert und eingehalten wird. Erst, wenn sich herausstellt, dass dies nicht der Fall ist, kann zu Zwangsmaßnahmen gegriffen werden.
Eine automatische Schubhaftverhängung, dh die grundsätzliche Annahme ein Gesetz würde von den Rechtsunterworfenen generell nicht befolgt werden ? wie sie derzeit in der Praxis stattfindet ? findet keine Deckung in der österreichischen Verfassung.
Nach Abschluss des Verfahrens über die (Un-)Zuständigkeit Österreichs ist zunächst dem Asylwerber die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise zu geben. Erst wenn sich herausstellt, dass der Asylwerber nicht freiwillig ausreist bzw zu verstehen gibt, dass er dies nicht tun wird, ist eine Haftverhängung zulässig.
Wie der Verfassungsgerichtshof judiziert hat, reichen allgemeine Erfahrungswerte nicht aus, die Schubhaft im Einzelfall zu rechtfertigen. Würde von tausenden Asylwerbern auch nur ein einziger freiwillig ausreisen, so ist die Haftverhängung gegenüber diesem ungerechtfertigt und verletzt ihn in seinem Recht auf persönliche Freiheit nach Art 5 EMRK. Die belangte Behörde hat keinen einzigen Anhaltspunkt, dass der Bf das Land nicht freiwillig verlassen würde. Der Bf hat sich freiwillig und im Wissen, dass eine Schubhaftverhängung wahrscheinlich ist, den österreichischen Behörden ?gestellt?. Damit hat der Bf zum Ausdruck gebracht, dass er sich den österreichischen Gesetzen unterwerfen dürfen, sondern dem Bf ? falls das Verfahren tatsächlich mit einer Unzuständigkeit Österreichs endet ? zunächst die Möglichkeit geben müsse, freiwillig auszureisen.
Die Schubhaftverhängung gleich zu Beginn des ?Dublin-Verfahrens? steht daher sowohl in Widerspruch zur EG-Verordnung, als auch zur österreichischen Verfassung und ist daher rechtswidrig.
2.4. Widerspruch zu UNHCR - Richtlinie
Die UNHCR-Richtlinie vom Februar 1999 über anwendbare Kriterien und Standards betreffend die Haft von Asylsuchenden legt folgende Kriterien fest:
?Es sollte die (rechtliche) Vermutung gegen eine Inhaftierung sprechen. Sofern andere Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Haft zur Verfügung stehen (etwa Meldepflicht oder Bürgen [siehe Richtlinie 4]), sollten diese zuerst Anwendung finden, es sei denn, es gibt Anhaltspunkte für die Vermutung, dass eine solche Alternative im betreffenden Fall nicht wirksam wäre.?
In diesem Fall gibt es keinerlei Anhaltspunkte für die Vermutung, dass der Bf sich dem Verfahren entziehen könnte. Der Bf hat bislang allen Anordnungen folge geleistet, ist zu jeder Ladung erschienen und hat sich von sich aus dem Verfahren gestellt.
?Zur Haft sollte es daher erst kommen, wenn alle möglichen Alternativen ausgeschöpft wurden oder wenn sich gezeigt hat, dass Überwachungsmaßnahmen nicht den gesetzmäßigen, legitimen Zweck erreicht haben. Bei der Beurteilung, ob die Inhaftierung eines Asylsuchenden notwendig ist, sollte geprüft werden, ob die Haft angemessen ist und ob sie verhältnismäßig ist gegenüber dem angestrebten Ziel.? ?.
?Angesichts der negativen Auswirkungen der Haft auf die psychische Verfassung der Inhaftierten sollte aktiv nach Alternativen zur Haft gesucht werden, bevor gegen Asylsuchende folgender besonders schutzbedürftiger Personenkategorien ein Haftbefehl erlassen wird: Unbegleitete ältere Personen, Opfer von Folter oder Trauma, Personen mit geistiger oder körperlicher Behinderung.?
Diese Grundsätze für die strenge Überprüfung einer Haftverhängung über Asylwerber wurden in diesem Fall gänzlich missachtet. Auch aus diesem Grund ist die Haft rechtswidrig.
Ich stelle daher den
ANTRAG:
Der Unabhängigen Verwaltungssenat für das Land Niederösterreich möge nach Durchführung der beantragten Beweise und Durchführung einer mündlichen Verhandlung den bekämpften Verwaltungsakt, und zwar die auf Anordnung der belangten Behörde verhängte Schubhaft und die Anhaltung in Schubhaft ab dem 07.01.2008 für rechtswidrig erklären; sowie der belangten Behörde gem §79a AVG den Ersatz der Verfahrenskosten binnen vierzehn Tagen bei sonstigem Zwange zu Handen meines Vertreters auferlegen.
Rechtsanwalt Dr L****** B*****, LL.M.
R********** 2/12
1*** W***?
Aus dem zur Entscheidung vorgelegten Akt der Behörde erster Rechtstufe und den darin enthaltenen Unterlagen ergibt sich folgender maßgeblicher Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist russischer Staatsangehöriger, der der tschetschenischen Volksgruppe angehört und ist am 20.12.2007 über Polen mit dem LKW in das österreichische Bundesgebiet eingereist, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokumentes zu sein.
Er hielt sich vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Polen auf und hat sich in Bezug auf den Beschwerdeführer ein Eurodac-Treffer mit der Nr PL 107092108046900600/70003*****, sohin ein solcher, der auf die Asylbeantragung in Polen Rückschlüsse zulässt, ergeben.
Der Beschwerdeführer hat am 20.12.2007 in T*********** einen Asylantrag eingebracht, bezüglich welchem das Bundesasylamt mit Schriftsatz vom 5.1.2008, Aktenzahl 0711.***, eine Mitteilung gemäß §29 Abs3 Asylgesetz erließ, wonach beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da Dublin-Konsultationen mit Polen seit 5.1.2008 geführt werden. Gleichzeitig wurde das Ausweisungsverfahren eingeleitet.
Der Beschwerdeführer wollte nach eigenen Angaben laut Niederschrift vor der Fremdenpolizeibehörde erster Rechtstufe vom 7.1.2008 nach Österreich, weil seine Mutter hier lebe und weil es ein gutes Land mit guten Menschen sei. Er habe während seines Aufenthaltes in Österreich (bis zum 7.1.2008) im Lager (in T***********) mit seiner Frau (und seinem neugeborenen Sohn) gelebt.
Polen habe er verlassen, weil dieser Staat für ihn gefährlich sei. Er wolle nicht nach Polen zurück sondern mit seiner 80-jährigen Mutter in Österreich zusammen leben. Er wolle auf keinen Fall nach Polen fahren, da Polen das selbe wie Russland sei. Er habe nicht in anderen Ländern um Asyl angesucht, da ja in Österreich seine Familie sei. Er habe den Behörden im anderen Dublin-Staat (Polen) nicht mitgeteilt, dass er diesen Staat verlassen werde bzw dass er ihn verlassen habe. Er habe in Polen nicht um Asyl angesucht, es seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden. Er habe nicht um Asyl angesucht, das passiere automatisch. In Polen habe er noch keine Einvernahme gehabt und liege auch noch keine Entscheidung vor. Das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen. Er habe sich drei Monate in Polen aufgehalten und sei aus keinem anderen Land abgeschoben worden. Seine Angaben seien richtig. Sein Pass sei in Polen. Er habe eine Geburtsurkunde zum Nachweis seiner Identität. In Russland sei er Gelegenheitsarbeiter gewesen. In Österreich habe er noch nicht gearbeitet und habe kein Einkommen. Er könne keinen potentiellen Arbeitgeber nennen und wisse nichts über den österreichischen Arbeitsmarkt. In Österreich lebe seine Mutter und habe er weiters zwei Schwestern und einen Bruder in Österreich. Der Beschwerdeführer benannte anlässlich seiner Einvernahme dieselben mit I***** B*****, geb 19**, wohnhaft in Österreich, er wisse aber nicht wo sie wohne, in Wien. Seine Schwester heiße M***** I***** und habe vier Kinder. Sie wohne bei seiner Mutter. Sie hätten alle kein Einkommen. Seine zweite Schwester heiße M*** U****** und sein Bruder heiße S***** I****. Seine zweite Schwester sei verheiratet und habe fünf Kinder. Ihr Mann sei krank und arbeite nicht. Sein Bruder sei verheiratet und habe vier Kinder. Er arbeite. Der Beschwerdeführer wolle nicht nach Russland und auch nicht nach Polen. Er wolle auch nicht illegal in Österreich bleiben. Er gehe auch nicht in einen anderen EU-Staat. Er wolle hier bleiben. Er wolle nicht abgeschoben werden und wolle auch nicht ins Gefängnis. Er würde gerne mit seiner Mutter hier bleiben.
Mit Bescheid vom 7.1.2008, Zl. **S3-F-07 T, verfügte die Bezirkshauptmannschaft X, Außenstelle T***********, betreffend den Beschwerdeführer die Anhaltung in Schubhaft gemäß §76 Abs2 Z2 und Abs3 sowie §113 Abs1 FPG, um das Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung gemäß §10 Asylgesetz 2005 und um die Abschiebung des Beschwerdeführers zu sichern.
Nach umfangreichen Ausführungen, unter anderem, dass sich die Verhängung der Schubhaft mittlerweile in mehreren wissenschaftlichen Teilbereichen bewege, nach einer Wiedergabe von Auszügen aus dem Brockhaus betreffend die Begriffe ?sozial? ?unsozial? aber auch ?asozial? und ?Integration? und nach Wiedergabe höchstgerichtlicher Judikatur wurde die Inschubhaftnahme im Wesentlichen dadurch begründet, dass Polen ein Mitglied der Europäischen Union und Unterzeichner des Dublin- II- Abkommens sei und daher davon auszugehen sei, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zurückgewiesen werden würde. Aus diesem Grund werde die Schubhaft verhängt. Der Beschwerdeführer besitze kein gültiges Reisedokument und sei er nicht willens bzw nicht in der Lange, das Bundesgebiet zu verlassen. Seine Ausreise sei aus eigenem Entschluss und auf legalem Weg nicht möglich, sodass eine fremdenpolizeiliche Maßnahme zu treffen sei.
Der Beschwerdeführer habe sich möglicherweise unmittelbar vor seiner Einreise nach Österreich in Polen aufgehalten und diesen EU-Staat verlassen, da er eigentlich nicht in diesen EU-Staat wollte, sondern nach Österreich. Dies sei bei der erkennungsdienstlichen Behandlung festgestellt worden. Der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten gezeigt, dass er sich nicht an die österreichischen und polnischen Einreise-, Aufenthalts- und Ausreisebestimmungen gehalten habe. Da er angegeben habe, auf keinen Fall nach Polen zurückzukehren und angegeben habe, dass, falls er abgeschoben werden würde, er wiederum illegal nach Österreich einreisen würde, gehe die Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer in keinster Weise gewillt sei, die österreichischen Gesetze zu respektieren und dass davon auszugehen sei, dass er im Falle einer negativen Asylentscheidung umgehend untertauchen und sich dem behördlichen Zugriff entziehen werde. Die Fluchtgefahr sei gegeben, da der Beschwerdeführer Polen verlassen habe und da anzunehmen sei, dass er auch sein Verhalten in Österreich fortsetzen werde, da er angegeben habe, nicht nach Polen zu wollen.
Der Beschwerdeführer sei, ohne ein Visum beantragt zu haben, in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Er würde sich im Falle einer negativen Entscheidung der Asylbehörde den Maßnahmen der Fremdenpolizeibehörde entziehen. Der Beschwerdeführer sei schlepperunterstützt nach Österreich eingereist und wisse, dass sein Asylverfahren in Österreich negativ entschieden werde, weshalb Grund zur Annahme bestehe, dass er sich dem Asylverfahren in Österreich entziehen werde, um seine Abschiebung nach Polen zu verhindern. Es bestehe daher ein dringender Sicherungsbedarf um ein geregeltes und ordentliches Asylverfahren durchführen zu können. Der Zweck der Schubhaft sei, das Asylverfahren in diesem Sinne zu einem rechtsgültigen Abschluss zu bringen und den Beschwerdeführer im Fall der negativen Entscheidung, raschest abschieben zu können.
Der Beschwerdeführer sei in keinster Weise nachhaltig am inländischen Arbeitsmarkt verankert und weise keine soziale Integration in Österreich auf. Er habe keine Wohnung und auch kein Einkommen in Österreich. Dass der Beschwerdeführer in Österreich Angehörige habe, ändere an und für sich nichts an der Tatsache, dass er widerrechtlich nach Österreich eingereist sei. Es zeige vielmehr, dass er aus dem Grund (um bei seinen Angehörigen sein zu können) nach Österreich eingereist sei. Eine Anwendung des gelinderen Mittels sei im gegenständlichen Fall auszuschließen gewesen. Der Beschwerdeführer könne seinen Aufenthalt in Österreich nicht legalisieren, weshalb die Annahme gerechtfertigt sei, dass er sich dem behördlichen Zugriff entziehen werde, um die Vollstreckung der fremdenpolizeilichen Maßnahme gegen ihn zu verhindern oder zumindest erheblich zu erschweren.
In rechtlicher Hinsicht wurde hierüber erwogen:
Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremde im Sinne des §2 Abs4 Z1 FPG.
Gemäß §1 Abs2 FPG sind auf Asylwerber die §§41 bis 43, 53, 58, 68, 69, 72 und 76 Abs1 nicht anzuwenden.
Asylwerber ist ein Fremder ab Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens (§1 Z14 Asylgesetz 2005).
Gemäß §82 Abs1 FPG hat der Fremde, wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,
13.
wenn er auch diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
14.
wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz angehalten
wird oder wurde oder
15. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.
Zur Entscheidung über die Beschwerde ist gemäß §83 Abs1 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Die Festnahme erfolgte in Niederösterreich, die Behandlung der Beschwerde fällt daher in die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ.
Gemäß §76 Abs2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß §10 Asylgesetz 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn
17. gegen ihn eine durchsetzbare ? wenn auch nicht rechtkräftige ? Ausweisung (§10 Asylgesetz 2005) erlassen wurde;
18. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
19. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§60) verhängt worden ist oder
20. aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.
Gemäß §76 Abs3 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß §57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß §57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Die Behörde kann gem §77 Abs1 FPG von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.
Als gelinderes Mittel kommt insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei dem dem Fremden bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden (Abs3).
Nach Abs4 ist die Schubhaft anzuordnen, wenn der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs3 nicht nachkommt oder ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zur Behörde, in der auf dies Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge leistet.
Die Art1, 2 und 3 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl Nr 684/1988, lauten:
16.
Jedermann hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit).
17.
Niemand darf aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz
genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden.
18. Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist; die persönliche Freiheit darf jedenfalls nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.
Voraussetzung für die Anordnung der Schubhaft ist, dass im Entscheidungszeitpunkt mit Recht angenommen werden kann, der Fremde werde sich dem behördlichen Zugriff entziehen oder diesen zumindest wesentlich erschweren (Verwaltungsgerichtshofentscheidung vom 8.9.2005, ZI 2005/21/01/0100).
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 8.9.2005, ZI 2005/21/0301, sehr ausführlich mit der Frage der Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Verhängung der Schubhaft bzw der Verpflichtung, die Anwendung gelinderer Mittel zu prüfen, auseinandergesetzt. Demnach kann zB fehlende Ausreisewilligkeit für sich allein die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht rechtfertigen, vielmehr ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob ein Sicherungserfordernis besteht. Das Höchstgericht erachtet ein Sicherungsbedürfnis etwa bei mangelnder beruflicher oder sozialer Verankerung im Inland als gegeben. Nur bei einer derartigen ? oder vergleichbaren Konstellation könne die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig angesehen werden.
Wenn auch im gegenständlichen Fall zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft die Tatbestandsvoraussetzung nach §76 Abs2 Z2 FPG insoweit vorlag, als nach Vorliegen eines Eurodac-Treffers eine Mitteilung gemäß §29 Abs3 Asylgesetz (vom 5.1.2008) gegenüber dem Beschwerdeführer ergangen war, dass sein Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen sein wird, da Dublin-Konsultationen mit Polen seit 5.1.2008 geführt werden und gleichzeitig die Einleitung des Ausweisungsverfahrens verfügt wurde, war im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte im Lichte der erst jüngst dazu ergangenen höchstgerichtlichen Judikatur festzustellen, dass sich aus dem zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegten Akt konkrete Hinweise für eine Vereitelung oder Vereitelungsabsicht in Bezug auf die von der Fremdenpolizeibehörde erster Instanz angestrebte Maßnahme, deren Besicherung wegen seitens der Fremdenpolizeibehörde erster Rechtstufe ? offenbar als ultima ratio ? zur Schubhaftverhängung gegriffen worden war, sich nicht entnehmen lassen.
Im Rahmen der jeder Schubhaftverhängung vorauszugehen habenden Rechtschutzgutabwägung zwischen den jedem Menschen zustehenden, Verfassungsrang genießenden, Grund- und Freiheitsrechten, im gegenständlichen Fall des Rechtes auf persönliche Freiheit sowie des Rechtes auf Familienleben nach Art 8 EMRK, war unter gleichzeitiger Berücksichtigung des staatlichen Interesses zur Absicherung voraus zu prognostizierender notwendiger fremdenpolizeilicher Maßnahmen durch Eingriff in diese Rechte festzustellen, dass sich der Beschwerdeführer nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet sofort freiwillig den österreichischen Behörden stellte, somit von sich aus freiwillig mit diesen in Kontakt trat (vgl VwGH vom 22.11.2007, Zl 2006/21/0387, u.a.) und offenbar wahrheitsgetreue Angaben hinsichtlich seiner (im Übrigen durch eine als echt qualifizierte Geburtsurkunde bestätigte) Identität machte.
Ebenso war im Lichte der geltenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes festzustellen, dass aus dem vom Beschwerdeführer offerierten Verhalten, sich trotz der Anhängigkeit eines Asylverfahrens in einem anderen Dublin-Staat aus diesem entfernt zu haben, mangels exakt nachvollziehbaren Standes des dortigen Asylverfahrens eine Schlussfolgerung hinsichtlich einer allfälligen Nichtakzeptanz negativer asylrechtlicher Entscheidungen nicht zulässig ist und dem offerierten Verhalten des Beschwerdeführers, sich trotz tristester persönlicher Verhältnisse illegal von einem Staat der EU in einen anderen (Österreich) ?verbringen? zu lassen, nach dieser Judikatur offenbar (vgl. geltende VwGH ?Judikatur sogar bei Verwendung gefälschter Reisedokumente) keine erhöhte Bedeutung bei der Rechtschutzgutabwägung beizumessen ist.
Ebenso vermag nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die bloße Ausreiseunwilligkeit, so auch der Wille des Beschwerdeführers, sich nicht nach Polen abschieben zu lassen, für sich alleine keine Schubhaftverhängung zu rechtfertigen.
Bei der Rechtschutzgutabwägung wäre jedenfalls bereits von der Fremdenpolizeibehörde erster Rechtstufe zu berücksichtigen gewesen, dass der Beschwerdeführer unbestritten unmittelbar nach seiner Einreise nach Österreich einen Asylantrag stellte, dabei von sich aus mit den österreichischen Behörden in Kontakt trat und schließlich bei seiner ersten Einvernahme offenkundig wahrheitsgemäße Angaben über seine Identität und den Ablauf seiner bisherigen Flucht erstattete.
Angesichts dieser Umstände und vor dem Hintergrund der vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. September 2004, B 292/04, Verfassungssammlung 17.288, zum Ausdruck gebrachten Auffassung, dass der Umstand, dass ein Asylwerber bereits in einem anderen Land die Gewährung von Asyl beantragt habe, für sich nicht den Schluss rechtfertige, dass er unrechtmäßig in einen anderen Schengen-Staat weiterziehen und sich so dem Verfahren entziehen werde, war nicht zu sehen, weshalb es konkret beim Beschwerdeführer gegenständlich der Verhängung der Schubhaft bedurfte.
Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer als Asylwerber im Zulassungsverfahren gemäß §2 Abs1 Grundversorgungsgesetz ? Bund 2005 ? grundsätzlich Anspruch auf Versorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes hat, diese gegenständlich auch seit seiner Einreise am 20.12.2007 bis zum Datum der Inschubhaftnahme am 7.1.2008 in Anspruch genommen hat, weshalb sich die ? im bekämpften Bescheid nicht beantwortete ? Frage stellt, weshalb er, wäre er nicht in Schubhaft genommen worden und wäre ihm diese Versorgung gewährt worden ? diese Unterstützung aufgeben und in die ?Anonymität? untertauchen hätte sollen, dies unbeschadet der weiters zu berücksichtigenden Tatsache, dass der Beschwerdeführer Hinweise auf Familienangehörige im Bundesgebiet erstattet hat und weiters gemeinsam mit seiner Frau und seinem neugeborenen Sohn in das österreichische Bundesgebiet eingereist war.
Im Hinblick darauf, dass entsprechend der geltenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Schubhaft ausschließlich die ultima ratio darstellen darf, war unter Berücksichtigung des oben Ausgeführten festzustellen, dass die Fremdenpolizeibehörde erster Rechtstufe nicht von einer erhöhten Gefahr des Untertauchens in die ?Anonymität? in Bezug auf den Beschwerdeführer ausgehen durfte und bei Berücksichtigung der freiwilligen Kontaktnahme des Beschwerdeführers sofort nach seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet mit der österreichischen Behörde, der sofortig erfolgten Asylbeantragung und der Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer ab seiner Einreise vom 20.12.2007 bis zu seiner Inschubhaftnahme am 7.1.2008 aus der Grundversorgung nicht entfernt hatte, somit sich im Verfahren sowohl der Fremdenpolizeibehörde als auch der Asylbehörde zur Verfügung gehalten hatte, nicht mit der Verfügung der Schubhaft vorzugehen war, vielmehr höchstens das Vorliegen der allfälligen Voraussetzungen der Anwendung eines gelinderen Mittels zu prüfen gewesen wäre.
Da somit im gegenständlichen Falle ein Überwiegen des Sicherungsbedürfnisses gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Beschwerdeführers zu verneinen war, waren die spruchgemäßen Feststellungen zu treffen und festzustellen, dass der Schubhaftbescheid und die bisherige Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig waren und weiters festzustellen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nicht vorliegen.
Die Abhaltung einer öffentlichen Verhandlung konnte gemäß §83 Abs2 Z1 FPG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage, der Angaben des Beschwerdeführers und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war, Widersprüchlichkeiten im Bezug auf die maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen und eine initiative Darlegung von für die Entscheidungsfindung relevanten Umständen, die durch weitere Hinterfragung zu klären gewesen wären, nicht erfolgt ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogenen Gesetzesstellen.