Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Sigmund Rosenkranz über die Berufung der Frau S. A., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Mag. B. B., XY-Straße 29, I., gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 29.01.2007, Zl S-23.279/06, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung insofern Folge gegeben, als gemäß § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen und eine Ermahnung erteilt wird.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschuldigten nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Sie haben am 28.8.2006 um 08.13 Uhr auf der A 12, im Gemeindegebiet von Volders, Km 64,500, Richtungsfahrbahn Kufstein, den KKW XY gelenkt und zu einem vor Ihnen am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug bei einer gemessenen Geschwindigkeit von 118 km/h nur einen Abstand von 10,9 m (zeitlicher Abstand von 0,33 Sekunden) eingehalten.?
Der Beschuldigten wurde demnach eine Verwaltungsübertretung nach § 18 Abs 1 StVO zur Last gelegt und wurde über sie gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe in Höhe von Euro 230,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 111 Stunden) sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens verhängt.
Dagegen hat die Beschuldigte fristgerecht Berufung erhoben und darin im Wesentlichen ausgeführt, dass sämtlichen Beweisanträgen seitens der Erstinstanz nicht nachgekommen worden sei und dies lediglich damit begründet worden wäre, dass keine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des anzeigenden Beamten bestanden hätten und eine weitere Aufklärung des verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes durch Aufnahme der beantragten Beweise nicht zu erwarten gewesen sei. Der schriftlichen Stellungnahme sei keineswegs zu entnehmen, wie und von wem die Abstandsmessung erfolgt sei und sei nicht belegt, dass die betreffende Person über eine entsprechende Schulung zur Bedienung des Messgerätes verfügt habe und wie die Messung konkret vorgenommen worden sei. Trotz wiederholter Anträge sei es unterlassen worden, zu erheben, ob das Gerät mit einem erforderlichen Stempel für eine EWG-Ersteichung bzw mit einem Zeichen für die EWG-Bauartzulassung im Sinne der Richtlinie 71/316/EWG versehen gewesen sei und daher als Messgerät im Sinne der Richtlinie überhaupt eingesetzt werde haben dürfen. Die Verwertung von Messergebnissen eines Messgerätes, das die in der vorzitierten Richtlinie enthaltenen Rechtsvorschriften nicht nachweislich vollständig erfülle, widerspreche dem Gemeinschaftsrecht. Darüber hinaus ergebe sich aus dem Eichschein, dass das Messgerät in ein Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen XY eingebaut gewesen sei, die Berufungswerberin sei sich aber sicher, dass das benützte Fahrzeug mit einem Kennzeichen, beginnend mit XY, geführt worden sei.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen sowie in den zweitinstanzlichen Akt und durch Einvernahme der Berufungswerberin sowie der Zeugen GI H. T. und GI J. G. sowie durch Einholung einer Stellungnahme des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen.
Nachfolgender Sachverhalt steht auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens fest:
Die Berufungswerberin hat am 28.08.2006 um 08.13 Uhr auf der A 12 im Gemeindegebiet von Volders, km 64,500, auf der Richtungsfahrbahn Kufstein den Kombinationskraftwagen mit dem amtlichen Kennzeichen XY gelenkt und zu einem vor ihr am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug bei einer gemessenen Geschwindigkeit von 118 km/h nur einen Abstand von 10,9 m (zeitlicher Abstand von 0,33 Sekunden) eingehalten.
Dieser zeitliche Abstand wurde mit einem geeichten Messgerät der Type Videospeed 250 festgestellt, wobei die Auswertung von GI G., der hinsichtlich der Auswertung von Abstandsmessungen geschult ist, vorgenommen wurde.
Der eingehaltene Abstand ergibt sich eindeutig aus dem im Akt erliegenden Lichtbild, wobei sich aus diesem Lichtbild jedoch lediglich die Tatsache ergibt, dass zum Tatzeitpunkt der Abstand tatsächlich nicht eingehalten war.
Zu Gunsten der Berufungswerberin wird jedoch weiters davon ausgegangen, dass die Verkürzung des Sicherheitsabstandes dadurch erfolgt ist, dass ein anderer Pkw von der rechten Fahrspur auf die Überholspur vor die Berufungswerberin gewechselt hat und sie sich sodann sukzessive langsam zurückfallen hat lassen, wobei das sich hinein schiebende Fahrzeug beim Wechsel des Fahrstreifens auch nicht geblinkt hat.
Aus dem im Akt erliegenden Lichtbild ist erkennbar, dass seinerzeit Kolonnenverkehr herrschte, wobei auf dem Lichtbild auf der Überholspur jedenfalls drei Fahrzeuge und auf dem rechten Fahrstreifen ebenfalls drei Fahrzeuge erkennbar sind.
Die Berufungswerberin hat auch gebremst, um zum vor ihr fahrenden Fahrzeug wieder einen entsprechenden Sicherheitsabstand herzustellen.
Diese Feststellungen konnten auf Grund des im erstinstanzlichen Akt erliegenden Lichtbildes sowie des Eichscheines und der Angaben der Berufungswerberin sowie des Zeugen GI G. getroffen werden.
Der Originalvideofilm war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr auffindbar, sodass eine Überprüfung der Fahrt anhand einer Videoaufzeichnung nicht mehr möglich war. Aus dem im Akt erliegenden Lichtbild ergibt sich aber zweifelsfrei, dass der Mindestabstand nicht eingehalten wurde. Dennoch war durch die Angabe der Berufungswerberin, die bei ihrer persönlichen Einvernahme einen verlässlichen Eindruck hinterlassen hat, davon auszugehen, dass sich vor sie ein anderes Fahrzeug hinein geschoben hat, weshalb es zu einer Verkürzung des Sicherheitsabstandes gekommen ist.
Dem gegenüber hatten die beiden Beamten an den gegenständlichen Vorfall keine Erinnerung mehr und konnten insbesondere nicht angeben, ob sich tatsächlich ein anderes Fahrzeug vor die Berufungswerberin hinein geschoben hat. Die beiden Beamten haben nachvollziehbar dargelegt, wie die Aufnahmen erfolgen, konnten aber für den gegenständlichen Fall nicht mehr angeben, wie lange die Aufzeichnung gedauert hat bzw über welche Strecke der verkürzte Abstand gemessen wurde und konnten auch zur Angabe der Berufungswerberin, es habe sich ein anderes Fahrzeug herein geschoben, nur aussagen, dass üblicherweise in einem solchen Fall keine Anzeige gemacht wird. Damit konnten sie aber auch nicht ausschließen, dass die Angaben der Berufungswerberin korrekt sind. Eine Überprüfung anhand des Videofilms war, wie bereits ausgeführt, nicht möglich. Auch aus der Stellungnahme des Zeugen GI T. vom 11.12.2006 ergibt sich nur, dass eine Beobachtungsstrecke von einigen hundert Metern gegeben gewesen sei, auf der die Angezeigte auf der Überholspur gefahren sei. Damit ist aber noch nicht ausgesagt, ob über mehrere hundert Meter hinweg die Berufungswerberin den ihr zur Last gelegten verkürzten Sicherheitsabstand in diesem Ausmaß eingehalten hat. Es wird zwar in dieser Stellungnahme auch angeführt, dass kein Grund ersichtlich gewesen sei, weshalb der Sicherheitsabstand nicht hätte eingehalten werden können, wobei aber eben nicht mehr nachvollziehbar ist, wann die Beamten mit ihrer Beobachtung begonnen haben und wie lange tatsächlich der der gegenständlichen Anzeige zu Grunde liegende Zustand gedauert hat. Die Berufungswerberin hat angeführt, dass sie nach dem Einreihen des Fahrzeuges vor ihr kurz gebremst hat und sich dann zurückfallen ließ, sodass es zeitlich nicht lange gedauert haben kann, dass sie wieder einen ausreichenden Abstand zum vor ihr fahrenden Fahrzeug eingehalten hat.
Festgehalten werden muss, dass auch die beiden Beamten einen durchaus korrekten Eindruck hinterlassen haben, wobei aber letztlich nicht ausreichend gesichert ist, dass die Verkürzung des Mindestabstandes nicht dadurch entstanden ist, dass ein Fahrzeug sich vor dem Fahrzeug der Berufungswerberin eingeordnet hat, wie sie dies in ihrer Einvernahme bzw wie auch im erstinstanzlichen Verfahren immer angegeben hat.
Die Auswertung des Abstandes wurde von GI G. vorgenommen, da der Zeuge GI T. seinerzeit noch nicht die notwendige Schulung hiefür gehabt hat.
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat erwogen:
Aus den Feststellungen ergibt sich, dass die Berufungswerberin den objektiven Tatbestand der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretung verwirklicht hat.
Was die innere Tatseite anlangt, ist festzuhalten, dass es sich bei der der Berufungswerberin vorgeworfenen Übertretung um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt handelt, da zum Tatbestand der betreffenden Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens noch der Eintritt einer Gefahr gehören. Für derartige Delikte sieht § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG vor, dass dann ohne weiteres Fahrlässigkeit anzunehmen ist, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. ?Glaubhaftmachung? bedeutet dabei, dass die Richtigkeit einer Tatsache wahrscheinlich gemacht wird. Der Täter hat initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Er hat also ein geeignetes Tatsachenvorbringen zu erstatten und die entsprechenden Beweismittel vorzulegen oder konkrete Beweisanträge zu stellen (vgl VwGH 24.05.1989, Zl 89/02/0017). Diese Glaubhaftmachung ist der Berufungswerberin aber nicht gelungen. Sie hat keine Umstände vorgebracht, die ein fehlendes Verschulden aufzeigen könnten.
Dabei ist festzuhalten, dass auch in einem solchen Fall, wo sich vor einen Lenker ein anderes Fahrzeug hinein schiebt, umgehend ein ausreichender Sicherheitsabstand wiederherzustellen ist.
Nach den Angaben der Berufungswerberin hat sie zwar einen ausreichenden Sicherheitsabstand wiederhergestellt, dies jedoch nur durch kurzes Abbremsen und eine Verringerung der Geschwindigkeit.
Wenn sie dazu angibt, dass ihr ein starkes Abbremsen nicht möglich gewesen sei, dies wegen des nachfolgenden Verkehrs, ist dazu auszuführen, dass die Berufungswerberin zwar keine Vollbremsung unternehmen muss, es ihr aber zumutbar ist, durch stärkeres Bremsen bzw mehrmaliges kürzeres Bremsen einen entsprechenden Sicherheitsabstand umgehend wiederherzustellen und ist auch darauf zu verweisen, dass die Berufungswerberin nicht behauptet hat, das hinter ihr fahrende Fahrzeug sei derart knapp aufgefahren gewesen, dass durch eine stärkere Abbremsung ihres Fahrzeuges damit die Unfallsgefahr erhöht worden wäre.
Andererseits konnte aber im gegenständlichen Fall ausnahmsweise mit einem Vorgehen nach § 21 VStG das Auslangen gefunden werden.
Gemäß § 21 Abs 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.
Aus den Feststellungen ergibt sich, dass die Berufungswerberin einen ausreichenden Sicherheitsabstand zeitnah wiederhergestellt hat, sodass ihr das Verschulden insofern lediglich als geringfügig anzulasten ist, da zu bedenken war, dass sich vor ihrem Fahrzeug ein anderes Fahrzeug eingeordnet hat und sie lediglich nicht unmittelbar den notwendigen Sicherheitsabstand wiederhergestellt hat. Auch die Folgen der Übertretung sind insofern unbedeutend geblieben, als sie sich sogleich bemüht hat, den Sicherheitsabstand wieder in der entsprechenden Art und Weise herzustellen.
Dabei ist nochmals darauf zu verweisen, dass im Zweifel von den Angaben der Berufungswerberin auszugehen war, da eine objektive Überprüfung anhand eines Videofilms nicht mehr möglich war und die Berufungswerberin einen durchaus vernünftigen und zuverlässigen Eindruck hinterlassen hat.
Gegen die Eichung haben sich insofern keine Bedenken ergeben, als ein gültiger Eichschein erliegt und hat auch GI G. nachvollziehbar dargelegt, wie die Auswertung durch ihn bei derartigen Videofilmaufzeichnungen grundsätzlich erfolgt. Er hat auch angegeben, dass es für derartige Auswertungen von Videomessungen eine eigene Schulung gibt, die er auch absolviert hat. Wer seinerzeit die Aufnahme gestartet hat, konnte nicht mehr geklärt werden, wobei lediglich für die Frage der Auswertung eine entsprechende Schulung notwendig ist und es insofern unbedenklich bleibt, sollte die Aufnahme seinerzeit von dem damals zu Auswertungen noch nicht eingeschulten Zeugen GI T. vorgenommen worden sein.
Hinsichtlich der angesprochenen EWG-Ersteichung ist auszuführen, dass das verwendete Messsystem zur Ermittlung des zeitlichen Abstandes zweier Fahrzeuge zueinander im fließenden Verkehr grundsätzlich nicht der Eichpflicht unterliegt, wobei das im gegenständlichen Fall verwendete Messgerät ein mit einer Videokamera gekoppelter elektronischer Tachometer ist, der die Eigengeschwindigkeit des Fahrzeuges misst, in das er eingebaut ist. Aus dem Video, das während einer Nachfahrt aufgenommen wird, kann sodann mit einem entsprechenden Programm der Abstand zwischen Fahrzeugen ermittelt werden. Das Messgerät ist hinsichtlich der Geschwindigkeitsmessung geeicht.
Da sohin ein Geschwindigkeitsmessgerät vorliegt, wie sich dies auch aus dem im erstinstanzlichen Akt erliegenden Eichschein ergibt, sind insofern die im Zusammenhang mit der Richtlinie 71/316/EWG anzuwendenden Vorschriften diesbezüglich nicht von Bedeutung, da die gegenständliche Richtlinie durch die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die gegenseitige Anerkennung auf dem Gebiet des Maß- und Eichwesens, BGBl 1993/858 in der Fassung BGBl II 2006/274, umgesetzt wird und in der zuletzt genannten Verordnung Geschwindigkeitsmessgeräte bzw. Messgeräte des gegenständlichen Typs zur Abstandsmessung nicht angeführt sind.
Der Auswertung durch den Zeugen GI G. begegnen keine Bedenken, da dieser Zeuge nachvollziehbar dargelegt hat, wie die Auswertung erfolgt ist und hat auch der rechtsfreundliche Vertreter der Berufungswerberin diesen Ausführungen nichts entgegengehalten.
Insofern war jedenfalls von der Zulässigkeit der Verwendung des gegenständlichen Messsystems auszugehen. Da jedoch im gegenständlichen Fall ausnahmsweise mit einem Vorgehen nach § 21 VStG das Auslangen gefunden werden konnte, war eine entsprechende Ermahnung zu erteilen.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.