I
Der Beschwerde wird Folge gegeben. Es wird festgestellt, dass die Festnahme, der Schubhaftbescheid vom 14.1.2008, Zl **S3-F-07T, und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft ab dem 16.1.2008 rechtswidrig waren.
Rechtsgrundlagen:
§§83 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl I Nr 100/2005 idF BGBl I Nr 157/2005 iVm §67 Abs3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG)
II
Es wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen
nicht vorliegen.
Rechtsgrundlagen:
§83 Abs4, 1Satz, FPG
III
Die unterlegene Partei (Bezirkshauptmannschaft X, zuzuordnen dem Bund, Bundesminister für Inneres) hat dem Beschwerdeführer gemäß §79a AVG iVm §83 Abs2 FPG und der UVS-AufwandsersatzVO 2003, BGBl II Nr334/2003, den Schriftsatzaufwand in der Höhe von ? 660,80 sowie die Gebühr von ? 13,20, insgesamt somit von ? 674,--, binnen 2 Monaten ab Zustellung dieser Entscheidung zu ersetzen.
In der am 17. Jänner 2008 beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ eingelangten Schubhaftbeschwerde ist ausgeführt:
?Am 16.12.2008 wurde ich bedingt nach der Halbstrafenregelung des §46 Abs1 StGB aus der Strafhaft entlassen, weil das Gericht angenommen hat, dass es nicht der Vollstreckung des Strafrechts von fast 2 Jahren bedarf, um mich von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.
Obwohl ich mit einer Österreicherin verheiratet bin und mich bis zum 16.12.2008 rechtmäßig in Österreich aufgehalten habe und zu keinem Zeitpunkt versucht habe, mich dem fremdenpolizeilichen Verfahren zu entziehen und auch keine Tatsachen vorliegen, die die Behörde zu dieser Annahme berechtigen, wurde ich an diesem Tag in Schubhaft durch Organe der belangten Behörde genommen.
Mein ausgewiesener Vertreter hat hierauf die zuständige Beamtin der belangten Behörde, Frau M***** angerufen und sich auf die erteilte Vollmacht im Sinne des §8 RAO am Telefon berufen. Auch ich persönlich habe dieser Fremdenpolizistin mitgeteilt, dass ich durch Herrn Rechtsanwalt Dr M****** B****** in allen fremdenrechtlichen Verfahren vertreten werde.
Frau M***** meinte, sie könne die Vollmacht nicht anerkennen, da diese schriftlich der Behörde vorliegen müsse. Als mein ausgewiesener Vertreter die Fremdenpolizistin darauf verwies, dass wir im umseits rubrizierten Fremdenpolizeiakt zur Verhängung eines Aufenthaltsverbotes ausgewiesen seien, und ein österreichischer Anwalt sich im Sinne des §8 RAO auf die ihm erteilte Vollmacht berufen könnte, meinte sie lapidar, dass dies für sie keine Wirksamkeit hätte, da der Fremdenpolizeiakt mit einer Berufung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vorgelegt worden sei und daher die schriftliche Vollmacht der Behörde nicht vorliege und deshalb nicht anerkannt werde. Die Berufung auf die erteilte Vollmacht im Sinne des §8 RAO am Telefon wurde von ihr ebenfalls ohne Begründung nicht anerkannt. Aus diesem Grunde erteilte sie meinem ausgewiesenen Vertreter auch keine Auskunft über die ? in Wirklichkeit nicht vorliegenden, aber von der Behörde möglicherweise angenommenen ? Haftgründe. Entgegen den zwingenden Bestimmungen des FPG wurde auch der Schubhaftbescheid meinem ausgewiesenen Vertreter bis zum heutigen Tage (16.1.2008, 18:00h) nicht zugestellt, sodass auch insoweit Rechtswidrigkeit vorliegt und meine Verhaftung und weitere Anhaltung in jeder Weise als willkürlich erscheinen lässt.
Ich
beantrage
1.)
die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem UVS Niederösterreich,
2.)
die Vorladung des Bezirkshauptmanns von X sowie seine Fremdenpolizistin Fr M*****
zu dieser zum Beweise der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und meiner Inhaftierung und Anhaltung sowie
3.)
die Aufhebung des Schubhaftbescheides wegen Rechtswidrigkeit,
4.)
die Feststellung der Rechtswidrigkeit meiner Festnahme und
5.)
meiner weiteren Anhaltung.
Da ich mich bis zu letzt rechtmäßig in Österreich aufgehalten habe und die Sicherheitsdirektion bis dato nicht über mein Rechtsmittel entschieden hat und ich auch nicht die geringsten Anstalten getroffen habe, mich zu verstecken oder gar ins Ausland zu fliehen um mich so dem fremdenpolizeilichen Verfahren zu entziehen, ist die Schubhaft in jeder Weise unzulässig und wäre auch mit einem gelinderen Mittel das Auslangen zu finden, insbesondere bis zur Zustellung des Berufungsbescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland NÖ. Desweiteren begehre ich Kostenersatz nach den entsprechenden Verordnungen für meine
Schriftsatzaufwand und Verhandlungsaufwand.
Wien, am 16.01.2008 E**** I****?
Es ist davon auszugehen, dass der Bezug habende Mandatsbescheid der Fremdenpolizeibehörde erster Rechtsstufe dem Einschreiter als Vertreter des Beschwerdeführers zugekommen ist, weshalb eine neuerliche Zustellung dieses Bescheides an den Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters nicht mehr erforderlich war.
Aus dem zur Entscheidung vorgelegten Akt der Behörde erster Rechtsstufe und den darin enthaltenen Unterlagen ergibt sich folgender maßgeblicher Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger, der am 18.4.1983 in X, Niederösterreich, somit im österreichischen Staatsgebiet, geboren wurde. Er besitzt jedoch die türkische Staatsbürgerschaft.
Mit Urteil des Landesgerichtes W***** N******* vom 19.4.2006, rechtskräftig am 7.11.2006, Zl ** Hv **/2006b, wurde der Beschwerdeführer wegen §§142 Abs1, 143, 2Satz, 2Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 Jahren verurteilt.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X, Zl **S3-F-07T, wurde am 31.7.2007 ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Die aufschiebende Wirkung einer Berufung wurde aberkannt. Des weiteren wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Durchsetzungsaufschubes nicht vorliegen. Der gegenständliche Bescheid betreffend die Verfügung eines befristeten Aufenthaltsverbots ist nicht rechtskräftig, da vom Beschwerdeführer dagegen Berufung erhoben wurde. Über die Berufung wurde bis dato noch nicht entschieden.
Die Eltern des Beschwerdeführers H***** und S***** leben in Österreich, 2*** B*******, M******** 2/5/3.
Der Beschwerdeführer wurde vor dem urteilsmäßigen Strafende (am 16.1.2010) bedingt gemäß §46 Abs 1 StGB am 16.1.2008 aus der Strafhaft entlassen.
Der Beschwerdeführer ist seit 6. Juli 2007 mit A** S***, geb. 7.2.19**, einer österreichischen Staatsbürgerin, welche in 2*** B*******, M******** 2/5/3, hauptwohnsitzgemeldet ist, verheiratet.
Der Beschwerdeführer hat seit dem Jahr 2005 bei seiner Frau in 2*** B*******, M******** 2/5/3, mit Ausnahme der Unterbringung in Strafhaft auf Grund der strafgerichtlichen Verurteilung, gelebt.
Der Beschwerdeführer bestreitet nach eigenen Angaben laut Niederschrift vor der Fremdenpolizeibehörde erster Rechtsstufe vom 16.1.2008 seinen Lebensunterhalt vom Arbeitslosengeld und vom Einkommen seiner Frau, die ? 800,-- verdient. Der Beschwerdeführer hat zuvor in Österreich bei der Firma V******* gearbeitet. Er könnte nach eigenen Angaben im Geschäft seiner Familie arbeiten, welches früher seinem Vater gehörte. Er hat in Österreich gemeinsam mit seiner Frau eine Mietwohnung. Der Beschwerdeführer hat in Österreich als Familienangehörige seine Eltern, einen Bruder, eine Schwester und seine Gattin. Die Gattin ist österreichische Staatsbürgerin und die Eltern des Beschwerdeführers und seine Geschwister haben unbefristete Visa. Die Eltern des Beschwerdeführers sind seit 1970 in Österreich aufhältig.
Die Fremdenpolizeibehörde erster Rechtsstufe ordnete mit Bescheid vom 14.1.2008, Zl **S3-F-07T, die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft an, um die Abschiebung des Beschwerdeführers zu sichern und stützte ihre Entscheidung auf §76 Abs1 und 3 sowie §113 Abs1 FPG.
Begründend verwies die Erstbehörde auf das Urteil des Landesgerichtes W***** N******* vom 19.4.2006, rechtskräftig am 7.11.2006, Zl ** Hv **/2006b (Verurteilung wegen §§142 Abs1, 143, 2Satz, 2Fall, StGB, zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 Jahren). Weiters verwies die Bezirksverwaltungsbehörde auf den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X, Zl **S3-F-07T, vom 31.7.2007, mit welchem das auf 10 Jahre befristete Aufenthaltsverbot betreffend den Beschwerdeführer erlassen worden ist. Die aufschiebende Wirkung einer Berufung war aberkannt worden, des weiteren war festgestellt worden, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Durchsetzungsaufschubes nicht vorliegen.
Der Beschwerdeführer halte sich illegal im Bundesgebiet der Republik Österreich auf. Es sei beabsichtigt, ihn gemäß des oben angeführten Aufenthaltsverbotes in die Türkei abzuschieben. In dem von ihm begangenen Verbrechen des schweren Raubes manifestiere sich eine von ihm ausgehende massive Gefahr für die körperliche Sicherheit und das Vermögen anderer sowie eine mangelnde Verbundenheit mit den in Österreich geschützten Werten. Zu den persönlichen und familiären Verhältnissen stellte die Behörde erster Rechtsstufe fest, dass der Beschwerdeführer seit seiner Geburt mit seinen Eltern in Österreich lebte und hier die Schule besucht hat. Aus der Sicht der Behörde erster Rechtsstufe habe der Beschwerdeführer gewichtige Interessen an einem Weiterverbleib in Österreich und sei mit der Verhängung des Aufenthaltsverbotes ein schwerwiegender Eingriff verbunden.
Seiner aus der Aufenthaltsdauer und den familiären Beziehungen ableitbaren Integration komme kein entscheidendes Gewicht zu, weil die dafür erforderliche soziale Komponente durch die Straftat erheblich gemindert werde. Er besitze kein gültiges Reisedokument und sei nicht willens und nicht in der Lage das Bundesgebiet zu verlassen. Seine Ausreise aus eigenem Entschluss und auf legalem Weg sei nicht möglich, sodass eine fremdenpolizeiliche Maßnahme zu treffen sei. Der Beschwerdeführer verfüge für den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht über ausreichende Barmittel. Er könne eine rechtmäßige Beschäftigung nicht ausüben, da er weder im Besitz einer arbeitsmarkt- noch aufenthaltsrechtlichen Bewilligung sei.
Unter Gesamtwürdigung des vorliegenden Falles sei die Annahme gerechtfertigt, dass sein Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ordnung, insbesondere im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen und einen geordneten Arbeitsmarkt und das wirtschaftliche Wohl des Landes, gefährde.
Nach der Rechtsprechung des VwGH sei bei der Prüfung der Zulässigkeit der Schubhaft die Rechtskraft (Durchsetzbarkeit) der Ausweisung zu beachten. Für die Prüfung der Rechtsrichtigkeit der im Instanzenzug ergangenen Ausweisung gegenüber den Mitbeteiligten sei daher kein Raum geblieben. Dass der Mitbeteiligte eventuell gegen den diesbezüglichen Bescheid der Sicherheitsdirektion Beschwerde an den VfGH erhebe und mit diesem einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden habe, ändere an der vorläufigen Durchsetzbarkeit der Ausweisung nichts, zumal zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den VfGH noch nicht abgesprochen wurde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsste die Behörde bei der Auslegung der in dieser Gesetzesstelle verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe, nämlich des Begriffes der ?Gefährdung der öffentlichen Ordnung? und ?anderer öffentlicher Interessen? auf objektive Maßstäbe und Vorstellungen Bedacht nehmen, die sich in bestimmten Lebens- und Sachbereichen herausgebildet hätten. Unter diesem Gesichtspunkt stelle ein Bruch der Rechtsordnung eine den öffentlichen Interessen widerstreitende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar. Ein Verstoß gegen das Sichtvermerksabkommen stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar, der die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigen könne.
Die Anwendung gelinderer Mittel sei im gegenständlichen Fall jedoch auszuschließen gewesen, da auf Grund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführer die Annahme gerechtfertigt sei, dass er sich dem behördlichen Zugriff entziehen werde und die Vollstreckung der fremdenpolizeilichen Maßnahme gegen seine Person verhindern oder zumindest erheblich erschweren werde, weshalb der Zweck der Schubhaft somit nicht erreicht werden könne.
Aktenkundig ist weiters, dass der Beschwerdeführer am 17. Jänner 2008 einen mündlichen Asylantrag stellte.
In rechtlicher Hinsicht wurde hierüber erwogen:
Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremde im Sinne des §2 Abs4 Z1 FPG.
Gemäß §1 Abs2 FPG sind auf Asylwerber die §§41 bis 43, 53, 58, 68, 69, 72 und 76 Abs1 nicht anzuwenden.
Asylwerber ist ein Fremder ab Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens (§1 Z14 Asylgesetz 2005).
Gemäß §82 Abs1 FPG hat der Fremde, wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,
7.
wenn er auch diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
8.
wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz angehalten
wird oder wurde oder
9. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.
Zur Entscheidung über die Beschwerde ist gemäß §83 Abs1 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Die Festnahme erfolgte in Niederösterreich, die Behandlung der Beschwerde fällt daher in die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ.
Gemäß §76 Abs1 FPG können Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.
Gemäß §76 Abs2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß §10 Asylgesetz 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn
9. gegen ihn eine durchsetzbare ? wenn auch nicht rechtkräftige ? Ausweisung (§10 Asylgesetz 2005) erlassen wurde;
10. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
11. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§60) verhängt worden ist oder
12. aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.
Gemäß §76 Abs3 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß §57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß §57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß §76 Abs6 FPG kann, wenn ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz stellt, diese aufrecht erhalten werden. Liegen die Voraussetzungen des Abs2 vor, gilt die Schubhaft als nach Absatz 2 verhängt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft gemäß Abs2 ist mit Aktenvermerk festzuhalten.
Die Behörde kann gem §77 Abs1 FPG von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.
Als gelinderes Mittel kommt insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei dem dem Fremden bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden (Abs3).
Nach Abs4 ist die Schubhaft anzuordnen, wenn der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs3 nicht nachkommt oder ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zur Behörde, in der auf dies Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge leistet.
Die Art1, 2 und 3 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl Nr684/1988, lauten:
7.
Jedermann hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit).
8.
Niemand darf aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz
genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden.
9. Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist; die persönliche Freiheit darf jedenfalls nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.
Voraussetzung für die Anordnung der Schubhaft ist, dass im Entscheidungszeitpunkt mit Recht angenommen werden kann, der Fremde werde sich dem behördlichen Zugriff entziehen oder diesen zumindest wesentlich erschweren (Verwaltungsgerichtshofentscheidung vom 8.9.2005, ZI 2005/21/01/0100).
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 8.9.2005, ZI 2005/21/0301, sehr ausführlich mit der Frage der Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Verhängung der Schubhaft bzw der Verpflichtung, die Anwendung gelinderer Mittel zu prüfen, auseinandergesetzt. Demnach kann zB fehlende Ausreisewilligkeit für sich allein die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht rechtfertigen, vielmehr ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob ein Sicherungserfordernis besteht. Das Höchstgericht erachtet ein Sicherungsbedürfnis etwa bei mangelnder beruflicher oder sozialer Verankerung im Inland als gegeben. Nur bei einer derartigen ? oder vergleichbaren Konstellation könne die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig angesehen werden.
Zu der den Beschwerdeführer betreffenden strafgerichtlichen Verurteilung, bezüglich welcher er die Strafhaft abgebüßt hat, ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 2004, 2004/21/0003, und vom 22. Juni 2006, 2006/21/0081, zu verweisen, in welcher höchstgerichtlichen Judikatur festgestellt wurde, dass in einem Verfahren betreffend Schubhaft in Bezug auf die Annahme eines Sicherungsbedarfes aus Überlegungen zu dem den strafgerichtlichen Verurteilungen zugrunde liegenden Fehlverhalten allein nichts zu gewinnen ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28.6.2007, Zl 2007/21/0078, festgestellt hat, ist auch im Falle einer Verfügung einer Schubhaft gemäß §76 Abs1 FPG festzustellen, dass die fehlende Ausreisewilligkeit für sich allein die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht rechtfertigen kann. Erst dann, wenn die behördliche Prüfung die Zulässigkeit dieser Abschiebung (etwa wenn der Fremde seiner Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen ist) ergeben hat, ist in einem zweiten Schritt die Frage zu beantworten, ob ein Sicherungsbedarf besteht. Das Sicherungserfordernis nach §76 Abs1 FPG muss daher in weiteren Umständen begründet sein, wofür etwa mangelnde berufliche oder soziale Verankerung im Inland in Betracht kommen.
Gegenständlich war festzustellen, dass der Beschwerdeführer im Inland sozial verankert ist, da er in Niederösterreich, X, geboren wurde, seine Eltern und seine Geschwister im Inland rechtmäßiger Weise und polizeilich gemeldet aufhältig sind, er mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist, die ebenfalls melderechtlich im Bundesgebiet erfasst ist und er seinen bleibenden Aufenthalt nach Verbüßung der Strafhaft bei seiner Ehefrau im Bundesgebiet nehmen kann.
Soweit die erkennende Behörde erster Rechtsstufe den angefochtenen Bescheid überhaupt mit dem Bestehen einer Gefahr des Untertauchens begründete, der Beschwerdeführer könne sich dem österreichischen Verfahren entziehen, lassen die Überlegungen der Behörde erster Rechtsstufe nach der Aktenlage dem kontinuierlich beibehaltenen Aufenthalt des familiär integrierten Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu wenig Gewicht bei der Rechtsschutzgutabwägung zukommen.
Weiters ist zu berücksichtigen, dass, wenn auch in Berücksichtigung der Tatsache, dass mit dem bescheidmäßig verfügten Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung einer Berufung dagegen aberkannt wurde, jedenfalls im Zeitpunkt der Verfügung der Schubhaft, ebenso wie im Zeitpunkt der Erlassung dieser Entscheidung durch die erkennende Behörde, ein Abspruch über die Berufung gegen das bescheidmäßig verfügte Aufenthaltsverbot nicht ergangen ist, wobei weiters zu berücksichtigen ist, dass es sich gegenständlich bei der verfügten Strafhaft um die erstmalige strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers handelte und derselbe seit seiner Geburt im Bundesgebiet von Österreich dauerhafte soziale Anknüpfungspunkte mehrfacher Art hatte.
Da somit dem ? nicht rechtskräftig ? verfügten Aufenthaltsverbot und der ? verbüßten ? Strafhaft wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung die Tatsache der umfassenden sozialen Verknüpfung des Beschwerdeführers im Inland sowie der Umstand, dass über die Berufung des Beschwerdeführers betreffend den die aufenthaltsbeendende Maßnahme verfügenden Bescheid bis dato nicht entschieden wurde sowie der Umstand, dass der Beschwerdeführer am 17.1.2008 einen Asylantrag gestellt hat, auf Grund welchen er gemäß §12 Asylgesetz ua bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung über diesen Antrag faktischen Abschiebeschutz genießt, gegenüberstehen, hatte die erkennende Behörde nach Vornahme einer sorgfältigen Rechtschutzgutabwägung unter Einbeziehung der oben wiedergegebenen höchstgerichtlichen Judikatur festzustellen, dass im gegenständlichen Fall ein Überwiegen des Sicherungsbedürfnisses gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Beschwerdeführers zu verneinen war, weshalb die spruchgemäßen Feststellungen zu treffen waren und festzustellen war, dass die Festnahme, der Schubhaftbescheid und die bisherige Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig waren und weiters festzustellen war, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nicht vorliegen.
Die Abhaltung einer öffentlichen Verhandlung konnte gemäß §83 Abs2 Z1 FPG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage, der Angaben des Beschwerdeführers und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war, Widersprüchlichkeiten im Bezug auf die maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen und eine initiative Darlegung von für die Entscheidungsfindung relevanten Umständen, die durch weitere Hinterfragung zu klären gewesen wären, nicht erfolgt ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogenen Gesetzesstellen.