TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/8 99/21/0217

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Veröffentlicht am 08.11.2001
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §38;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
FrG 1997 §107 Abs1 Z4;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
VStG §6;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 99/21/0220 E 8. November 2001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des am 6. März 1954 geborenen I in Sallingberg, vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in 3910 Zwettl, Landstraße 52, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 13. April 1999, Zl. Senat-ZT-98-131, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 13. April 1999 wurde der Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 31 Abs. 1 iVm § 107 Abs. 1 Z 4 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, mit einer Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) bestraft, weil er sich am 1. August 1998 im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufgehalten habe. Er sei weder auf Grund eines Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt, noch Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels gewesen und ihm sei auch keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zugekommen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, außer Streit stehe, dass sich der Beschwerdeführer zum angelasteten Tatzeitpunkt als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Der Beschwerdeführer habe jedoch geltend gemacht, es sei ein entschuldigender Notstand vorgelegen, weil seine Frau und sein Kind aus tatsächlichen Gründen nicht ausreisen könnten und er bei einem Verlassen Österreichs von diesen Familienangehörigen dauerhaft getrennt wäre. Dieses Berufungsvorbringen sei - so die belangte Behörde - nicht geeignet, einen schuldausschließenden Notstand "glaubhaft" zu machen, zumal die Trennung von Frau und Kind keinesfalls eine - nach § 6 VStG allein relevante - unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen des Berufungswerbers (oder seiner Angehörigen) darstelle. Dieses Vorbringen sei auch nicht geeignet, ein mangelndes Verschulden des Beschwerdeführers "glaubhaft" zu machen, weil er nicht einmal ansatzweise vorgebracht habe, sich auf Grund der - nach seinen Behauptungen - drohenden Trennung von Frau und Kind um eine Aufenthaltsberechtigung bemüht zu haben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat.

Zunächst meint der Beschwerdeführer, entgegen der Auffassung der belangten Behörde sei es keinesfalls unstrittig, dass er sich zum Tatzeitpunkt (am 1. August 1998) nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Die belangte Behörde wäre insoweit zu selbständigen Ermittlungen verpflichtet gewesen, weil dem gesamten Verwaltungsstrafakt, insbesondere der Anzeige des Gendarmeriepostens Ottenschlag nicht zu entnehmen sei, dass der Beschwerdeführer am 1. August 1998 die ihm vorgeworfene Übertretung begangen habe.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Sowohl in der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Zwettl vom 2. September 1998, als auch im erstinstanzlichen Straferkenntnis dieser Behörde vom 2. Dezember 1998 ist jeweils als Tatzeit der 1. August 1998 angeführt. In Verbindung mit dem Spruch besteht kein Zweifel, dass die Erstbehörde davon ausgegangen ist, der Beschwerdeführer habe sich an diesem Tag im Bundesgebiet, nämlich an seinem (als "Tatort" angeführten) Wohnort aufgehalten. Dieser von der Erstbehörde zugrundegelegten Tatsache ist der Beschwerdeführer weder in seinem Einspruch gegen die angeführte Strafverfügung noch in seiner Berufung gegen das erwähnte Straferkenntnis entgegengetreten. Zu Recht hat die belangte Behörde daher die dem erstinstanzlichen Strafbescheid zugrundeliegende Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer am 1. August 1998 im Inland, und zwar an dem genau umschriebenen "Tatort", aufgehalten habe, als unbekämpft und damit als unstrittig angesehen. Im übrigen behauptet auch die Beschwerde gar nicht, dass sich der Beschwerdeführer damals an einem anderen Ort befunden hätte. Da auch der Annahme der belangten Behörde, es seien keine der Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes nach § 31 Abs. 1 FrG vorgelegen, in der Beschwerde nicht konkret entgegengetreten wird, kann die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe sich zum Tatzeitpunkt unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Auch der weitere Einwand des Beschwerdeführers, die Voraussetzungen nach dem von der belangten Behörde als Rechtsgrundlage herangezogenen § 51e Abs. 2 VStG für das Absehen von einer mündlichen Berufungsverhandlung wären nicht vorgelegen, ist im Ergebnis nicht berechtigt. Zutreffend ist zwar, dass hier evidentermaßen keiner der Fälle des § 51e Abs. 2 VStG in der seit 1. Jänner 1999, sohin im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits geltenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998, gegeben ist. Die belangte Behörde hat aber erkennbar nur übersehen, dass § 51e VStG mit der erwähnten Novelle (unter anderem) insofern geändert wurde, als die Regelung des bisherigen Abs. 2 im wesentlichen in dem nunmehrigen Abs. 3 enthalten ist. Das auf diesem Irrtum beruhende Zitat des Abs. 2 leg. cit. statt richtig des Abs. 3 leg. cit. begründet daher keine Rechtswidrigkeit, zumal die belangte Behörde offenbar schon im Hinblick auf die verhängte, S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe mangels ausdrücklichen Verlangens einer mündlichen Berufungsverhandlung von deren Durchführung Abstand nehmen durfte. Dass die belangte Behörde zur Ermessensübung in diesem Sinn berechtigt war, stellt aber auch die Beschwerde (vgl. letzter Absatz Seite 4) nicht in Frage.

Das weitere Vorbringen in der Beschwerde führt sie jedoch zum Erfolg. Der Beschwerdeführer hat bereits im erstinstanzlichen Verfahren und sinngemäß auch in der Berufung unter Bezugnahme auf Art. 8 EMRK eingewendet, es wäre ihm nicht zuzumuten, Österreich zu verlassen, weil nur hier ein gemeinsames Familienleben möglich sei. Wenn er Österreich verlassen müsse, bedeute dies eine dauerhafte Trennung von seiner Frau und seinem Kind, die aus tatsächlichen Gründen nicht ausreisen könnten. Dieser Umstand stelle einen schuldausschließenden Notstand im Sinne des § 6 VStG dar.

Mit diesem Vorbringen hat der Beschwerdeführer in deutlicher Form zum Ausdruck gebracht, dass - bezogen auf den Tatzeitpunkt - seiner (hypothetischen) Ausweisung allenfalls § 37 FrG entgegengestanden wäre. Das ist - entgegen der Meinung der belangten Behörde - insoweit von Bedeutung, als bezüglich des Tatbestandes des § 107 Abs. 1 Z 4 FrG ein gesetzlicher Strafausschließungsgrund gemäß § 6 VStG angenommen werden muss, wenn einer Ausweisung des Fremden eine zu seinen Gunsten ausfallende Interessenabwägung nach § 37 FrG im Weg steht (vgl. dazu näher das zum inhaltsgleichen § 82 Abs. 1 Z 4 (iVm § 19) des Fremdengesetzes 1992 ergangene Erkenntnis vom 6. November 1998, Zlen. 97/21/0085 und 98/21/0065, dessen Ausführungen auch für die geltende Rechtslage zutreffen; vgl. zum FrG 1992 auch die Erkenntnisse vom 24. März 2000, Zl. 97/21/0858, und vom 7. April 2000, Zl. 97/21/0351).

In Verkennung dieser Rechtslage hat die belangte Behörde die für sie eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG bildende Zulässigkeit einer Ausweisung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG, bezogen auf den in Frage stehenden Tatzeitpunkt, ungeprüft gelassen und keine näheren Feststellungen zu seinen privaten und familiären Verhältnissen getroffen.

Damit belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. November 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999210217.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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