Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alfred Stöbich über die Berufungen der P. EDV-N. GmbH, F., vertreten durch C. L., F., diese wiederum vertreten durch Herrn M. P., F., gegen die Straferkenntnisse des Fernmeldebüros für Tirol und Vorarlberg
1. vom 26.11.2007, Zl 80786-JD/06,
und
2. vom 27.11.2007, Zl 80802-JD/06,
wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm den §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) werden die Berufungen als unzulässig zurückgewiesen.
Mit dem Straferkenntnis vom 26.11.2007, Zl 80786-JD/06, wurde Frau C. M. L. Folgendes zur Last gelegt:
?Sie haben es als zur Vertretung nach außen berufene Geschäftsführerin der Firma P. EDV-N. GmbH zu verantworten, dass durch diese Firma eine elektronische Post (E-Mail) zu Zwecken der Direktwerbung (Europaweites Portal für Transport) mit der E-Mailadresse ?XY? ohne vorherige Zustimmung des Empfängers am 08.08.2006, um 09.32 Uhr an die E-Mailadresse ?XY? des Herrn Dipl Ing R. Z., in G., zugesendet wurde.?
Mit dem Straferkenntnis vom 27.11.2007, Zl 80802-JD/06, wurde Frau C. M. L. Folgendes zur Last gelegt:
?Sie haben es als zur Vertretung nach außen berufene Geschäftsführerin der Firma P. EDV-N. GmbH zu verantworten, dass durch diese Firma eine elektronische Post (E-Mail) zu Zwecken der Direktwerbung (Newsletter) mit der E-Mailadresse ?XY? ohne vorherige Zustimmung des Empfängers am 18.09.2006, um 14.44 Uhr an die E-Mailadresse ?XY? des Herrn R. K., in W., zugesendet wurde.?
Der Berufungswerberin wurde jeweils ein Verstoß gegen § 107 Abs 2 und 3 iVm § 109 Abs 3 Z 2 Telekommunikationsgesetz zur Last gelegt und wurde über sie gemäß § 109 Abs 3 Z 20 Telekommunikationsgesetz jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 370,00 unter gleichzeitiger Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.
Die Erstbehörde richtete diese Straferkenntnisse jeweils an ?Frau
L. C. M.
pA P. EDV-N. GmbH
B. XY
F.?
Aus dem bezughabenden Rückschein geht hervor, dass die beide Straferkenntnisse beinhaltende Briefsendung nach einem erfolglosen Zustellversuch am 28.11.2007 und einem weiteren erfolglosen Zustellversuch am 29.11.2007 an dem zuletzt genannten Tag am Postamt F. hinterlegt wurde.
Im Zuge von Erhebungen der Erstbehörde betreffend die Rechtswirksamkeit der Zustellung wurde im Zuge eines Telefonates mit Herrn M. P., einem Mitarbeiter der P. EDV-N. GmbH, in Erfahrung gebracht, dass es Frau L. aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit in I., sie arbeite nur mehr 20 Stunden in der Woche für die Firma P. EDV-N. GmbH und dies hauptsächlich am Wochenende, nicht möglich gewesen sei, die Briefsendung zu beheben.
Einem Aktenvermerk vom 18.01.2008 ist zu entnehmen, dass die Erstbehörde davon ausging, dass durch die Hinterlegung der an Frau C. L. gerichteten Straferkenntnisse eine rechtswirksame Zustellung erfolgt sei.
Darüber hinaus richtete die Erstbehörde ein mit 26.11.2007 datiertes Schreiben an die P. EDV-N. GmbH, in welchem es um die ?Beiziehung zum Verfahren zu oa Geschäftszahl und der Möglichkeit der Berufung der Gesellschaft? ging. Dieses Schreiben hat folgenden Wortlaut:
?Sehr geehrte Damen und Herren,
gemäß § 9 Abs 7 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) 1991 idgF haften juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts und eingetragene Erwerbsgesellschaften sowie die im Abs 3 genannten natürlichen Personen (werden als Haftungspflichtige bezeichnet) zur ungeteilten Hand für die über die zu ihrer Vertretung nach außen berufenen Organe verhängten Geldstrafen. Nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind daher potentiell Haftungspflichtige einem Verfahren gegen ihre Organe von Amts wegen beizuziehen und genießen daher auch Parteistellung.
Anbei übersenden wir Ihnen eine Kopie des Straferkenntnisses, welches mit identem Wortlaut auch Ihren nach dem Verwaltungsstrafrecht Verantwortlichen (vgl § 9 VStG) zugestellt wird. Durch das Recht der Parteistellung steht der Gesellschaft in diesem Verfahren die Möglichkeit der Berufung gegen das beigeschlossene Straferkenntnis zu. Von grundlegender Bedeutung ist jedoch, dass zwischen der Berufung der juristischen Person und der Berufung des Beschuldigten eindeutig unterschieden werden muss.
Beilage: Kopie des Straferkenntnisses?
Schließlich wurden mit diesem Schreiben Kopien der beiden oben angeführten, an Frau C. L. gerichteten Straferkenntnisse an die P. EDV-N. GmbH übermittelt (laut Übernahmsbestätigung am 28.11.2007).
Mit einem Schreiben vom 10.12.2007, eingelangt bei der Erstbehörde am 12.12.2007, erhob die P. EDV-N. GmbH Berufung gegen die beiden zuvor angeführten Straferkenntnisse. In der Begründung wurde ausgeführt, dass bis heute nicht nachvollzogen werden könne, warum diese E-Mail-Adressen trotz Überprüfung der E-Commerce-Liste angeschrieben worden seien. Auch würden die Strafbeträge die P. EDV-N. GmbH in erhebliche wirtschaftliche Probleme stürzen. Es würde auch darauf hingewiesen, dass die Erstbehörde die Bescheide an Frau C. L. unter der Adresse B. XY zugesandt worden sei, dass es dieser jedoch nicht möglich sei, die Schriftstücke zu beheben und dass ersucht werde, die Bescheide nochmals zu übermitteln, jedoch ohne den Vermerk ?zH C. L.?. Herr P. habe die Vollmacht, Frau L. in allen Belangen in Bezug auf das Fernmeldebüro zu vertreten. Dieses Schreiben wurde wie folgt unterzeichnet:
?Mit freundlichen Grüßen
P. EDV-N. GMBH
P.?
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat über die gegenständliche Berufung wie folgt erwogen:
Im erstinstanzlichen Akt findet sich eine Niederschrift über die Vernehmung eines Beschuldigten vom 27.11.2006. Unter Personaldaten des Beschuldigten sind die Daten von Herrn M. P. angeführt, einem Gesellschafter der P. EDV-N. GmbH. In dieser Niederschrift ist ua auch festgehalten, dass Herr P. die offiziell im Firmenbuchauszug angeführte Geschäftsführerin vertrete und dass bereits eine entsprechende Vollmacht an die Erstbehörde gemailt worden sei, welche jedoch dort nie angekommen sei.
Schließlich findet sich im erstinstanzlichen Akt eine mit 30.11.2006 datierte um am 05.12.2006 bei der Erstbehörde eingelangte Vollmacht mit folgendem Wortlaut:
?Vollmacht
Hiermit bevollmächte ich, Frau L. C. in meiner Funktion als Geschäftsführerin der Firma P. EDV-N. GMBH mit Sitz in F. Herr M. P. mit der Wahrnehmund meiner und die Interessen der Firma P. EDV-N. GMBH in der Sache Fernmeldebüro für Tirol und Vorarlberg (Z. 80786-JD/06 und alle folgenden) zu vertreten
Für die Richtigkeit zeichne ich
P. EDV-N. GMBH
Geschäftsführung
C. L.?
Aus dem Wortlaut dieser Vollmacht geht unzweifelhaft hervor, dass Herr M. P. von der Beschuldigten C. L. auch in den beiden gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren bevollmächtigt wurde, sie zu vertreten. Da eine solche Vollmacht regelmäßig auch die Vollmacht zum Empfang von Schriftstücken umfasst, wäre Herr M. P. auch als Zustellbevollmächtigter anzusehen gewesen.
Gemäß § 9 Abs 3 Zustellgesetz in der für die Beurteilung des gegenständlichen Sachverhalts maßgeblichen Fassung (vor dem Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007, BGBl I Nr 5/2008) hat die Behörde, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Eine Bezeichnung des Herrn M. P. als Zustellbevollmächtigten ist nicht erfolgt, sodass entgegen der Auffassung der Erstbehörde nicht von einer rechtswirksamen Zustellung der an die Beschuldigten gerichteten Straferkenntnisse auszugehen ist.
Gleiches trifft jedoch hinsichtlich jenes Schriftstückes zu, welches an die P. EDV-N. GmbH in deren Eigenschaft als nach § 9 Abs 7 VStG Haftungspflichtige gerichtet war. Als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als nach außen hin Vertretungsbefugte ist zweifelfrei Frau C. L. anzusehen. Aufgrund der Angaben des M. P. in Verbindung mit der vorgelegten Vollmacht ergibt sich jedoch weiters, dass Herr M. P. bevollmächtigt wurde, die handelsrechtliche Geschäftsführerin nicht nur in Bezug auf das gegen sie persönlich geführte Strafverfahren, sondern auch hinsichtlich der damit verbundenen, die GesmbH treffenden Haftungsfolgen zu vertreten. Da Herr M. P. auch diesbezüglich nicht als Empfänger bezeichnet wurde und nach der hier anzuwendenden Rechtslage auch keine Heilung im Falle des tatsächlichen Zukommens eintrat, liegt eine rechtswirksame Zustellung an die (potenziell) haftungspflichtige GesmbH nicht vor.
Darüber hinaus geht die Berufungsbehörde im Lichte des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichthofes vom 21.11.2000, Zl 99/09/0002, davon aus, dass in einem das Strafverfahren abschließenden Bescheid , im Straferkenntnis oder gegebenenfalls in der Strafverfügung (vgl Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2000) Anm 1 zu § 49) , über die Haftung des gemäß § 9 Abs 7 VStG haftenden Unternehmers abzusprechen ist. Die Begründung einer Haftung setzt somit die Übermittlung eines (Original-)Bescheides voraus, in dem auch ein normativer Abspruch über die Haftung gemäß § 9 Abs 7 VStG enthalten ist, voraus. Die Übermittlung einer Kopie des an den oder die Beschuldigten gerichteten Straferkenntnisses samt einem Informationsschreiben hat keinen derartigen normativen Charakter.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass dem Übermitteln von Kopien des Straferkenntnisses samt Informationsschreiben keine Bescheidqualität zukommt und darüber hinaus selbst wenn die Kriterien eines Bescheides erfüllt werden, keine rechtswirksame Zustellung erfolgt wäre.
Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.