Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erich Kundegraber über die Beschwerde der O F, vertreten durch Dr. S L, Rechtsanwalt in G, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wie folgt entschieden: Der Antrag festzustellen, dass die im angeschlossenen Protokoll Jugendamtstermin am 14.12.2007 enthaltenen Anordnungen - Sollte Fr. F zum Mann zurück gehen, werden Kinder auf einem Krisenpflegeplatz untergebracht. - Auch wenn Fr. F die Kinder abholen und ins Frauenhaus bringen sollte, werden die Kinder vorübergehend fremduntergebracht. - Es gibt für Fr. F vorübergehend nur die Möglichkeit von begleiteten Besuchskontakten. Diese werden über Frau Mag. K (D) in K laufen. (Begründung: Mißhandlungsverdacht; Befürchtung, dass bei Besuchskontakten im Frauenhaus Fr. F event. die Kinder nicht mehr zurückgibt bzw. mit den Kindern wegfährt - wahrsch. ist Slowenien gemeint). - Mit F wird eine psychologische Diagnostik bei D durchgeführt. - K sollte so schnell wie möglich wieder zur Therapie bei Fr. Dr. A gehen. rechtswidrig sind, wird als unzulässig zurückgewiesen. Rechtsgrundlagen: Art 129 a Abs 1 Z 2 B-VG, §§ 67 a Abs 1 Z 2, 67 c Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), § 215 Allgemein Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB).
I. In der Beschwerde vom 14. Jänner 2008 wird im Wesentlichen vorgebracht, dass es einen Jugendamtstermin am 14. Dezember 2007 unter Anwesenheit der Beschwerdeführerin, DSA T (Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung), DSA H und Mag. G gegeben habe, bei dem folgende Anordnungen festgelegt wurden: Sollte Fr. F zum Mann zurück gehen, werden Kinder auf einem Krisenpflegeplatz untergebracht. Auch wenn Fr. F die Kinder abholen und ins Frauenhaus bringen sollte, werden die Kinder vorübergehend fremduntergebracht. Es gibt für Fr. F vorübergehend nur die Möglichkeit von begleiteten Besuchskontakten. Diese werden über Frau Mag. K (D) in K laufen. (Begründung: Mißhandlungsverdacht; Befürchtung, dass bei Besuchskontakten im Frauenhaus Fr. F event. die Kinder nicht mehr zurückgibt bzw. mit den Kindern wegfährt - wahrsch. ist Slowenien gemeint) Mit F wird eine psychologische Diagnostik bei D durchgeführt. K sollte so schnell wie möglich wieder zur Therapie bei Fr. Dr. A gehen. Offensichtlich gehe die Sozialarbeiterin der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung davon aus, dass die Beschwerdeführerin zu Gewalttätigkeiten neige. Dies sei nicht der Fall, sondern sei der Vorwurf gegenüber A F begründet. Es wurde eine Reihe von Veranlassungen vom Jahr 2003 bis zum Jahr 2007 aufgezeigt, die die Aggressionshandlungen des A
F zum Gegenstand hatten. Auch habe sich A F gegenüber den beiden Kindern höchst herablassend und missbilligend geäußert. Die im Protokoll enthaltenen und seit Mitte Dezember 2007 vollzogenen Maßnahmen beruhen weder auf behördlicher noch auf gerichtlicher Entscheidung und stellen daher faktische Amtshandlungen dar. Da keine gesetzliche Ermächtigung hiezu bestehe, eine solche sei weder aus dem Steiermärkischen Jugendwohlfahrtsgesetz 1991, noch aus einer sonstigen Rechtsquelle ableitbar und seien die willkürlichen Anordnungen rechtswidrig. Die damit verbundenen Beschränkungen stellen eine massive Verletzung des Art 5 EMRK dar und wurde der Antrag gestellt, die Anordnungen für rechtswidrig zu erklären. Eine Kostennote wurde beigegeben. Der gleiche Antrag wurde auch von K F und F F vertreten durch O F, im Rahmen einer Maßnahmenbeschwerde geltend gemacht. Beigegeben wurde eine Beschwerde vom 13. Dezember 2007, wegen eines Betretungsverbotes gegenüber O F am 10. Dezember 2007, sowie das Protokoll Jugendamtstermin am 14.12.2007. II. Die Rechtsbeurteilung ergibt Folgendes: 1. Gemäß § 67 a Abs 1 Z 2 AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes. Die Beschwerde langte beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark am 15. Jänner 2008 (Postaufgabestempel 14. Jänner 2008) ein, wodurch die 6-wöchige Beschwerdefrist gemäß § 67 c Abs 1 AVG gewahrt wurde. Auch ist die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark gegeben, da sich der Vorfall im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark ereignete. 2. Gemäß § 67 c Abs 3 AVG ist der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen ist. Dauert der für rechtswidrig erklärte Verwaltungsakt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Entscheidung entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Gemäß § 215 Abs 1 ABGB hat der Jugendwohlfahrtsträger die zur Wahrung des Wohles eines Minderjährigen erforderlichen gerichtlichen Verfügungen im Bereich der Obsorge zu beantragen. Bei Gefahr im Verzug kann er die erforderlichen Maßnahmen der Pflege und Erziehung vorläufig mit Wirksamkeit bis zur gerichtlichen Entscheidung selbst treffen; er hat diese Entscheidung unverzüglich, jedenfalls innerhalb von acht Tagen, zu beantragen. Im Umfang der getroffenen Maßnahmen ist der Jugendwohlfahrtsträger vorläufig mit der Obsorge betraut. Gemäß Abs 2 kann eine einstweilige Verfügung nach § 382 b EO und deren Vollzug nach § 382 d EO der Jugendwohlfahrtsträger als Vertreter des Minderjährigen beantragen, wenn der sonstige gesetzliche Vertreter einen erforderlichen Antrag nicht unverzüglich gestellt hat; § 212 Abs 4 gilt hiefür entsprechend. Die von der Beschwerdeführerin als rechtswidrig zu erklärenden Anordnungen hat DSA T, Sozialarbeiterin der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung, im Rahmen eines Jugendamtstermines am 14. Dezember 2007 in einem Protokoll festgelegt. Sämtliche Anordnungen sind als Maßnahme der Obsorge zu verstehen. Somit war zu prüfen, ob die vom Jugendwohlfahrtsträger getätigten Maßnahmen, einschließlich der vorläufigen Aufenthaltsbestimmung der minderjährigen Kinder, als Maßnahme verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder als Maßnahme im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung qualifiziert werden. In einem grundlegenden Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof am 20. Juni 2007, Zl B 881/06-9, hiezu Nachfolgendes festgestellt: Nach ständiger Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes liegt hoheitliche Verwaltung vor, wenn die Verwaltungsorgane mit ?Imperium', also unter Einsatz spezifischer staatlicher Befehls- und Zwangsgewalt, auftreten. Sie handeln dabei in jenen Rechtsatzformen, die das öffentliche Recht für die Ausübung von behördlichen Befugnissen zur Verfügung stellt. Danach kommt es für die Abgrenzung des Gebietes der Privatwirtschaftsverwaltung von dem der Hoheitsverwaltung auf die Motive und den Zweck der Tätigkeit nicht an, entscheidend ist vielmehr, welche rechtstechnischen Mittel die Gesetzgebung zur Verwirklichung der zu erfüllenden Aufgaben bereitstellt. Hat der Gesetzgeber den Verwaltungsträger mit keinen Zwangsbefugnissen ausgestattet, so liegt keine Hoheitsverwaltung, sondern Privatwirtschaftsverwaltung vor (VfSlg 3262/1957, 6084/1969; vgl auch Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Auflage, 29mwN). Letztendlich obliegt die Entscheidung über die Zuweisung einer Verwaltungsangelegenheit an eine der beiden Verwaltungstypen dem Gesetzgeber (vgl VfSlg 3183/1957). Auch die herrschende Lehre geht in Einklang mit dieser Rechtssprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts davon aus, dass bei Gefahr im Verzug auf Grundlage des § 215 Abs 1, Satz 2 ABGB getroffene Maßnahme des Jugendwohlfahrtsträgers keine hoheitliche, sondern einen Akt der Privatwirtschaftsverwaltung darstellt. ... in den Gesetzesmaterialien zu § 215 ABGB in der Fassung BGBl 162/1989, geht der Gesetzgeber unverändert davon aus, dass der Jugendwohlfahrtsträger bei der Ergreifung einstweiliger Maßnahmen nach der in Rede stehenden Norm nicht im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig wird (vgl RV 172 BlgNr. 17.GP, 22: ? gegen diese - im Bereich des Zivilrechts als Sachwalter - gesetzten Maßnahmen kann nun das Pflegschaftsgericht angerufen werden; Rechtsbehelfe des Verwaltungsverfahrens sind nicht möglich'). Der Jugendwohlfahrtsträger ist nämlich nach dem Gesetz an sich nicht befugt, sich die Ermächtigung zum Tätigwerden als Vertreter des Kindes selbst (mit Mitteln der Hoheitsverwaltung, etwa durch Erlassung eines Bescheides) zu arrogieren. Der erste Satz des § 215 Abs 1 ABGB verpflichtet die Behörde vielmehr, vor einer Maßnahme die gerichtliche Genehmigung dazu einzuholen. Dies spricht entschieden gegen eine hoheitliche Befugnis des Jugendwohlfahrtsträgers in diesem Sachzusammenhang. Der Umstand, dass der Jugendwohlfahrtsträger bei Gefahr im Verzug Kraft Gesetzes Maßnahmen setzten darf, die ?wirksam' sind, dh für einen Zeitraum von acht Tagen den Vorrang vor Obsorgemaßnahmen der Eltern genießen, wie im Falle der Bestimmung des Aufenthaltes des Kindes, der von dem der Eltern abweicht, spricht nicht gegen die Deutung der Maßnahme als eine privatrechtliche, zumal der Jugendwohlfahrtsträger binnen dieser Frist auch in diesem Fall die Entscheidung des Gerichtes einzuholen hat. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat sich dieser Rechtssprechung angeschlossen (VwSlg 14.326 A/1995). Somit ist davon auszugehen, dass die von der Sozialarbeiterin der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung getroffenen Anordnungen der Privatwirtschaftsverwaltung zuzurechnen sind und damit keiner Beschwerde wegen Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des § 67 c AVG zugänglich sind. Die Beschwerde war daher bereits a limine als unzulässig zurückzuweisen. Sollte die Beschwerdeführerin mit den Anordnungen nicht einverstanden sein, so hätte sie durchaus die Möglichkeit im gerichtlichen Außerstreitverfahren eine Entscheidung hierüber herbeizuführen, wodurch die mit dem Protokoll vom 14.12.2007 verbundenen Beschränkungen keine massive Verletzung des Art 5 der EMRK darstellen. 3. Neben dem bereits aufgezeigten Mangel der Qualifikation als Maßnahme der verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt kommt auch noch ein zweiter Mangel hinzu. Die Judikatur des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes qualifiziert ein faktisches Organhandeln dann als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist (Walter/Mayer, Grundriss des Österreichischen Bundesverfassungsrechtes, 8. Auflage, Wien 1996, Rdz 608). Das Begehren in der Beschwerde im Sinne des § 67 c Abs 2 Z 5 AVG richtet sich auf die im Protokoll Jugendamtstermin am 14.12.2007 aufgezählten Anordnungen für rechtswidrig zu erklären. Ein noch nicht existentes - wenn auch angekündigtes - Verwaltungshandeln stellt - unabhängig vom nötigen Handeln im Rahmen der Hoheitsverwaltung - keinen Akt der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt dar (VfSlg 11.801/1988). Summa summarum ist auszuführen, dass Maßnahmen aufgrund von Privatrechtsverhältnissen nicht der Überprüfung durch die Unabhängigen Verwaltungssenate unterliegen. Die Entscheidung über den Unterbringungsplatz der Kinder, die Festlegung der Besuchsmodalitäten sowie die Vornahme ärztlicher Untersuchungen bzw Therapien, stellen keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar (siehe auch UVS Wien 14.11.2000, UVS-02/13/04623/2000; 22.12.1999, UVS-02/12/00014/1997). Beschwerde eines Elternteiles - gleichgültig ob im eigenen Namen oder in jenem des Kindes - ist daher mangels Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate bereits a limine als unzulässig zurückzuweisen.