Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr. Wilfert über die Berufung des Herrn Igor S. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 21. Bezirk, vom 30. November 2007, Zahl: MBA 21 - S 2395/05, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.2.2008, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Gemäß § 65 VStG hat der Berufungswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
1. Das angefochtene Straferkenntnis hat folgenden Spruch:
?Sie haben von 07.03.2005 bis 10.03.2005, das Kraftfahrzeug Audi 80, Fahrgestellnummer: WAU85, ohne behördliches Kennzeichen in Wien, H-gasse, abgestellt gehabt und haben dadurch die Straße zu verkehrsfremden Zwecken benützt, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Bewilligung nach § 82 StVO gewesen zu sein.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 82 Abs 2 in Verbindung mit § 99 Abs 3 lit d der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/60, in der derzeit geltenden Fassung.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von EUR 105,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden
Gemäß § 99 Abs 3 der Straßenverkehrsordnung 1960 in der geltenden Fassung.
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
EUR 10,50 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher EUR 115,50. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.?
Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die Berufung vom 20.12.2007, in welcher der Berufungswerber die Begehung der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung bestreitet.
2. In der Angelegenheit fand am 25.2.2008 eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien statt.
In dieser Verhandlung wurde der Berufungswerber als Partei einvernommen.
Im Anschluss an die Verhandlung wurde der Berufungsbescheid mündlich verkündet.
3. Die Berufung ist begründet.
Das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren gründet sich auf eine Anzeige der Bundespolizeidirektion Wien, vom 10.3.2005, wonach seit 7.3.2005 das verfahrensgegenständliche Fahrzeug in Wien, H-gasse, ohne behördliches Kennzeichen abgestellt gewesen sei.
In seinem gegen die in der Folge ergangene Strafverfügung vom 11.7.2005 mündlich erhobenen Einspruch vom 15.7.2005 gab der Berufungswerber an, sein Fahrzeug sei im bezeichneten Zeitraum nach einem Unfall am 16.1.2005 wegen Fahrunfähigkeit abgestellt gewesen. Er habe das Fahrzeug am 14.3.2005 abgemeldet. Die Kennzeichen hätten sich bis zur Abschleppung am 13.3.2005 am Wagen und zwar hinter der vorderen Windschutzscheibe befunden. Das hintere Kennzeichen sei nach wie vor montiert gewesen. Der Berufungswerber legte anlässlich der behördlichen Niederschrift über seinen Einspruch eine Rechnung über die Abschleppung des Fahrzeuges vom 13.3.2005 sowie eine Abmeldebestätigung des Fahrzeuges vom 14.3.2005 vor. Laut Aktenvermerk vom 2.8.2005 wurden die Kennzeichen am 14.3.2005 zurückgegeben und verschrottet.
Die erstinstanzliche Behörde holte eine schriftliche Stellungnahme des Meldungslegers ein, welcher angab, er könne sich an den Fall nicht mehr erinnern, hätte jedoch, wenn die Kennzeichen tatsächlich am Fahrzeug angebracht gewesen wären, keine Anzeige erstattet.
Mit Schreiben vom 22.9.2005 (?Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme?) wurde diese Stellungnahme dem Berufungswerber zur Kenntnis gebracht. Am 30.11.2007 erließ die erstinstanzliche Behörde das nunmehr mit Berufung bekämpfte Straferkenntnis, in welchem sie zur Begründung ausführt, da der Berufungswerber auf die Verständigung vom Ergebnis des Beweisverfahrens nicht mehr reagiert habe, sei die Begehung der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung als erwiesen anzunehmen.
In seiner dagegen erhobenen Berufung vom 20.12.2007 wiederholt der Berufungswerber sein bisheriges Vorbringen.
In der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien gab der Berufungswerber als Partei einvernommen an, es sei nicht richtig, dass er sein Fahrzeug ohne Kennzeichen abgestellt hat. Das Fahrzeug sei nach einem Verkehrsunfall mit Totalschaden nicht mehr fahrfähig gewesen. Es sei am 13.3.2005 abgeschleppt und erst danach, am 14.3.2005, abgemeldet worden. An diesem Tag seien auch die Kennzeichen zurückgestellt worden. Bis zum Zeitpunkt der Abschleppung sei das vordere Kennzeichen gut sichtbar hinter der Windschutzscheibe angebracht gewesen, weil die Kennzeichenhalterung durch den Unfall zerstört gewesen sei. Das hintere Kennzeichen sei in der Halterung montiert gewesen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:
Gemäß § 82 Abs 2 StVO ist für das Aufstellen von Kraftfahrzeugen ohne Kennzeichentafeln auf Straßen eine Bewilligung nach diesem Bundesgesetz erforderlich.
Darüber geht der Streit, ob an dem vom Berufungswerber auf der Straße abgestellten Fahrzeug im zur Last gelegten Zeitraum Kennzeichentafeln angebracht waren. Diesbezüglich stehen die einander widerstreitenden Angaben des Berufungswerbers einerseits und des Meldungslegers in der Anzeige andererseits gegenüber.
Gemäß § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungsstrafsache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung Ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Der sich aus § 37 AVG ergebende Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit bedeutet, dass die Behörde von sich aus den wahren Sachverhalt durch Aufnahme der nötigen Beweismittel festzustellen hat (vgl. VwGH vom 29.9.1989, 84/08/0131). Die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes erstreckt sich auf die Ermittlung der unter dem Gesichtspunkt der anzuwendenden Rechtsvorschriften im konkreten Fall in Betracht kommenden Tatsachen und deren Erhärtung durch Beweise (VwGH vom 22.4.1976, 1705/75).
Die behördliche Verpflichtung zur materiellen Wahrheitserforschung gilt uneingeschränkt auch im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren. Insbesondere ist der, von der erstinstanzlichen Behörde zur Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses herangezogene Grundsatz, die Begehung einer Verwaltungsübertretung sei schon dann als erwiesen anzunehmen, wenn ein Beschuldigter, der im erstinstanzlichen Verfahren seine Rechtfertigung dargelegt und Beweismittel angeboten hat, auf die Übermittlung einer Stellungnahme des Meldungslegers, der angibt, er könne sich an den Vorfall nicht mehr erinnern, nicht neuerlich reagiert, dem Verwaltungsstrafverfahren fremd.
Das vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien durchgeführte Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass der Berufungswerber im unmittelbaren Eindruck korrekt, sachlich und persönlich glaubwürdig wirkte. Seine Darstellung des Sachverhaltes war schlüssig, widerspruchsfrei, lebensnah und in Übereinstimmung mit den von ihm vorgelegten Urkunden sowie der von der erstinstanzlichen Behörde eingeholten Auskunft über die Rückstellung der Kennzeichen. Bei einer zusammenfassenden Würdigung der vorliegenden Beweisergebnisse gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat Wien daher zu dem Ergebnis, dass der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, der Meldungsleger die, wegen der zerstörten Fahrzeughalterung im Fahrzeuginneren angebrachte Kennzeichentafel offenkundig übersehen hat. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.