Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Barbara Glieber über die Berufung von Herrn H. H., XY, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 01.10.2007, Zahl VK-19597-2007, nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24 und 51ff Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird die Berufung mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Tatbildumschreibung zu Spruchpunkt 1. um den Passus ?Sie haben bei einer Fahrgeschwindigkeit von ca. 130 km/h zu dem vor Ihnen fahrenden Fahrzeug einen Abstand von etwa 10 Metern eingehalten.? sowie jene zu Spruchpunkt 2. um den Passus ?Ihr Fahrzeug kam dadurch dem überholten Fahrzeug sehr nahe.? ergänzt wird.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von 20 Prozent der verhängten Geldstrafen, das sind Euro 30,00, zu entrichten.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten Folgendes zur Last gelegt:
?Tatzeit: 03.07.2007 um 16.40 Uhr
Tatort: Auf der A12, etwas westlich der Raststätte Pettnau, bei ca. km 96,500 in Richtung Telfs
Fahrzeug: Personenkraftwagen, XY
1.
Sie haben zu einem vor ihnen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre.
2.
Sie haben beim Überholen eines Fahrzeuges keinen der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechenden seitlichen Abstand vom überholten Fahrzeug eingehalten, weil sie sehr knapp auf dieses zusteuerten.?
Der Beschuldigte habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
1.
2.
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschuldigten Geldstrafen in der Höhe von 1. Euro 100,00 und 2. Euro 50,00 verhängt und wurde er zu einem Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens verpflichtet.
In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führte der Berufungswerber im Wesentlichen aus, dass der Anzeiger ohne Notwendigkeit auf der Überholspur eine Vollbremsung eingeleitet und ihn dazu genötigt habe, ebenfalls eine Vollbremsung zu machen. Er habe beim Überholvorgang jederzeit einen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten und das Fahrzeug des Anzeigers nicht gefährdet. Er ersuche daher, das Strafverfahren gegen ihn einzustellen.
Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:
Sachverhalt
Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt sowie durch Einvernahme der Zeugen R. K. und Ch. H.
Sachverhaltsfeststellungen:
Der Berufungswerber lenkte am 03.07.2007 um 16.40 Uhr den Personenkraftwagen mit dem Kennzeichen XY auf der A12 etwas westlich der Raststätte XY ca. bei 5m 96,500 in Fahrtrichtung Telfs. Vor ihm lenkte Herr R. K. den PKW mit dem Kennzeichen XY ebenfalls in Fahrtrichtung Telfs. Als Herr K. gerade einen am rechten Fahrstreifen fahrenden PKW mit einer Geschwindigkeit von ca. 130 km/h überholte, schloss der Berufungswerber bis auf etwa 10 m auf Herrn K. auf. Als sich Herr K. in der Folge auf dem rechten Fahrstreifen einordnete, überholte ihn der Berufungswerber, wobei sich aufgrund des Fahrmanövers des Berufungswerbers der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen so stark verringerte, dass Herr K. sich veranlasst sah, nach rechts auszulenken.
Beweiswürdigung:
Der Zeuge R. K. machte anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung einen äußerst glaubwürdigen Eindruck. Zudem hat er unmittelbar nach dem gegenständlichen Vorfall die nächste Polizeidienststelle aufgesucht, um dort seine Wahrnehmungen zu Protokoll zu geben. Bei seiner Einvernahme vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol konnte kein Widerspruch zu den entscheidungswesentlichen Angaben in der Niederschrift festgestellt werden. Nachdem für die Berufungsbehörde auch nicht im Ansatz erkennbar ist, welche Umstände Herrn K. veranlasst haben sollten, zum Nachteil des ihm persönlich nicht bekannten Berufungswerbers unrichtige Angaben zu machen, waren diese den Sachverhaltsfeststellungen zugrunde zu legen. Die Gattin des Berufungswerbers wurde mehr als sieben Monate nach dem gegenständlichen Vorfall das erste Mal dazu einvernommen, weswegen ihren Angaben nicht mehr jenes Gewicht beigemessen werden kann, das einer Aussage unmittelbar nach dem Vorfall allenfalls hätte beigemessen werden können.
Rechtsgrundlagen
Im gegenständlichen Fall sind folgende gesetzlichen Bestimmungen von Relevanz:
1. Straßenverkehrsverordnung 1960, StVO 1960, BGBl Nr 159, in der Fassung des Gesetzes BGBl I Nr 152/2006:
§ 15
Überholen
Beim Überholen ist ein der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechender seitlicher Abstand vom Fahrzeug, das überholt wird, einzuhalten.
§ 18
Hintereinanderfahren
Der Lenker eines Fahrzeuges hat stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.
§ 99
Strafbemessung
Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu Euro 726,00, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.
Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl Nr 52, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 5/2008
§ 5
Schuld
Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.
§ 19
Strafbemessung
Grundlage für die Bemessung der Strafe ist stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Rechtliche Beurteilung:
Zum Schuldspruch:
Aufgrund des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes steht fest, dass der Berufungswerber den objektiven Tatbestand der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung verwirklicht hat. Dieser hat zum genannten Zeitpunkt am ebenfalls angeführten Ort als Lenker eines Kraftfahrzeuges beim Hintereinanderfahren und in der Folge beim Überholen nicht den erforderlichen Sicherheitsabstand zu einem anderen Kraftfahrzeug eingehalten.
Was die innere Tatseite anlangt, ist festzuhalten, dass es sich bei der dem Berufungswerber angelasteten Verwaltungsübertretung um ein so genanntes Ungehorsamsdelikt handelt, weil zum Tatbestand weder der Eintritt eines Schadens noch der Eintritt einer Gefahr gehören. Für derartige Delikte sieht § 5 Abs.1 2. Satz VStG vor, dass dann ohne weiteres Fahrlässigkeit anzunehmen ist, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft ?Glaubhaftmachung? bedeutet dabei, dass die Richtigkeit einer Tatsache wahrscheinlich gemacht wird. Der Täter hat initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Er hat also ein geeignetes Tatsachenvorbringen zu erstatten und die entsprechenden Beweismittel vorzulegen oder konkrete Beweisanträge zu stellen (VwGH vom 24.05.1989, Zl 89/02/0017 ua). Diese Glaubhaftmachung ist dem Berufungswerber nicht gelungen. Er hat kein Vorbringen erstattet, durch das ein fehlendes Verschulden aufgezeigt werden könnte.
Die Bestrafung ist daher dem Grunde nach zu Recht erfolgt. Nachdem weder ein ziffernmäßig bestimmter Abstand zwischen den Fahrzeugen noch eine bestimmte von den Fahrzeugen eingehaltene Fahrgeschwindigkeit zu den Tatbestandsmerkmalen einer Übertretung des § 18 Abs 1 StVO 1960 gehört (VwGH 04.07.1997, 97/03/0028), war die Berufungsbehörde im Hinblick auf die Bestimmung des § 66 Abs 4 AVG, der zufolge § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung findet, zur Spruchergänzung berechtigt.
Zur Strafbemessung:
Der Unrechtsgehalt der dem Berufungswerber angelasteten Verwaltungsübertretungen ist nicht unerheblich. Die Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsabstände stellt eine wesentliche Voraussetzung zur Gewährleistung der Sicherheit im Straßenverkehr dar.
Hinsichtlich des Verschuldens war von Vorsatz auszugehen. Zusätzliche Milderungsgründe sind nicht hervorgekommen. Im Zusammenhalt dieser Strafzumessungskriterien haben sich gegen die im angefochtenen Straferkenntnis verhängten Geldstrafen keine Bedenken ergeben. Eine Bestrafung in dieser Höhe war jedenfalls geboten, um dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretungen hinreichend Rechnung zu tragen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.