Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. I.K. über die Berufung des Mag. H.G. C., S., vertreten durch Rechtsanwalt Ing. Dr. J.S., I., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 23.01.2008, Zahl SI-976-2007, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung insoferne Folge gegeben, als das Straferkenntnis wegen örtlicher Unzuständigkeit der Erstbehörde behoben wird.
Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:
Sie haben es als der gem § 9 VStG als zur Vertretung nach außen Berufener der FA XY zu verantworten, dass nachstehende Personen, bei welchen es sich um die in der Krankenversicherung vollversicherte Pflichtversicherte handelt, zumindest am 14.09.2007 beschäftigt wurden, nicht unverzüglich zur Pflichtversicherung bei der zuständigen Gebietskrankenkasse angemeldet wurden.
1)
S.I.,
2)
J.M.
Dem Beschuldigten wurde zu Punkt 1 und Punkt 2 jeweils eine Verwaltungsübertretung nach § 33 Abs 1 ASVG zur Last gelegt. Über den Beschuldigten wurde zu Punkt 1 und Punkt 2 jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 1.000,00, im Uneinbringlichkeitsfalle 5 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht Berufung erhoben. In dieser Berufung wurde die Begehung der zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen bestritten.
Dieser Berufung kam insoferne Berechtigung zu, als die Erstbehörde aus folgenden Gründen örtlich für die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens unzuständig gewesen ist:
Gemäß § 27 Abs 1 VStG ist örtlich für die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens jene Behörde zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.
Gemäß § 27 Abs 1 VStG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Arbeitnehmerschutz, zur Ausländerbeschäftigung, zum Arbeitsrecht usw der Tatort grundsätzlich der Sitz des Unternehmens, für welches der zur Vertretung nach außen Befugte gemäß § 9 VStG (bzw der verantwortliche Beauftrage) gehandelt hat oder hätte sollen (VwGH 18.06.1990, 90/19/0107, VwGH 30.06.1997, 97/10/0045 ua).
Für die Bestimmung des Tatortes kommt es auch nicht darauf an, auf welchen Kompetenztatbestand sich die entsprechende Verwaltungsvorschrift stützt. Im Hinblick auf § 2 Abs 2 VStG ist der VwGH in zahlreichen Verwaltungsmaterien (Arbeitnehmerschutzgesetz, AuslBG, AZG, LMKV 1993, Öffnungszeitengesetz) zum Ergebnis gekommen, dass der Tatort dort liegt, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen. Ob in derartigen Fällen ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ, ein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 VStG oder ein gewerberechtlicher Geschäftsführer zur Verantwortung gezogen wird, ist für die Frage der Tatortbestimmung nicht relevant.
Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.03.1987, 87/08/0024, und weiterem Erkenntnis vom 19.11.1990, 90/19/0413, ist bei Übertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz und dem Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz der Tatort dort anzunehmen, wo der Beschuldigte hätte handeln sollen. Wenn eine solche Unterlassung im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens erfolgt, so fällt dieser Ort nach diesen Entscheidungen mit dem Sitz des Unternehmens zusammen.
Der von der Erstbehörde im gegenständlichen Fall jeweils angenommene Arbeitgeber, nämlich die Firma Ö.W.G. ist beim Landesgericht Salzburg eingetragen. Sitz dieser Firma ist die politische Gemeinde Salzburg. Die Geschäftsanschrift dieser Firma lautet auf B., S. Nach dem Firmenbuch ist neben Kommerzialrat R.C. als natürliche Person auch die Firma Ö.W.G. unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Firma Ö.W.G.
Die Firma Ö.W.G. ist beim Landesgericht Salzburg eingetragen. Sitz dieser Firma ist ebenfalls die politische Gemeinde Salzburg. Zudem lautet die Geschäftsanschrift auch auf B., S.
Der Beschuldigte ist einer der drei handelsrechtlichen Geschäftsführer dieser Firma.
Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.01.1988, Zl 87/08/0027, ändert bei einer Übertretung nach dem Arbeitszeitgesetz der Umstand, dass eine Zweigniederlassung im Handelsregister (nunmehr Firmenbuch) eingetragen ist und diese die ihr im Rahmen des Gesamtunternehmens übertragenen Geschäfte selbstständig besorgt, nichts an der Zuständigkeit der für den Sitz des Unternehmens (nicht der Filiale/Zweigniederlassung) örtlich zuständigen Behörde. Dass allenfalls die Direktiven von der Geschäftsleitung am Ort der Zweigniederlassung ausgegangen sind, bewirkt nach dieser Entscheidung keinen Unterschied, weil diese Direktiven Weisungen des Leiters der Zweigniederlassung wären.
Somit hat auch der Umstand, dass betreffend die Firma Ö.W.G. in Innsbruck eine Zweigniederlassung mit der Geschäftsanschrift I., im Firmenbuch eingetragen ist, keinen Einfluss auf die Bestimmung des Tatortes nach § 27 Abs 1 VStG.
Da zudem keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Unternehmensleitung nicht vom Sitz der Hauptniederlassung aus erfolgen würde, ist zuständigkeitsbegründender Tatort die Stadt Salzburg und nicht die Stadt Landeck, in der die beiden im Straferkenntnis angeführten Arbeitnehmer faktisch tätig geworden sind. Somit hat mit der Bezirkshauptmannschaft Landeck eine örtlich unzuständige Behörde das erstinstanzliche Straferkenntnis erlassen, sodass dieses zu beheben gewesen ist.
Die Bezirkshauptmannschaft Landeck wird den erstinstanzlichen Akt dem Bürgermeister der Stadt Salzburg als örtlich (und sachlich) zuständige Behörde zu übermitteln haben.