Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Franz Triendl über die Berufung der Frau L. N.-S., v.d. Rechtsanwalt Dr. M. L., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 06.02.2008, GZl 2.3-3059-4, SG-273-2007 wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Imst, GZl 2.3-3059/4 wurde der Berufungswerberin zur Last gelegt wie folgt:
?Die Beschuldigte L. N.-S., hat es als Inhaberin des Handelsgewerbes (mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe) und Handelsagenten sowie des Friseur- und Perückenmachergewerbes zu verantworten, dass sie in der Nacht vom 04.09.2007 auf den 05.09.2007 im Schönheitssalon ?XY? in Ö.B., an ca 10 Personen Getränke ausgeschenkt hat und dafür finanzielle Gegenleistungen erhalten hat, ohne im Besitz einer Gewerbeberechtigung für das ?Gastgewerbe? zu sein.?
Über sie wurde gemäß 366 Abs 1 (Einleitungssatz) GewO 1994 eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 360,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) verhängt sowie ein anteiliger Beitrag zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten vorgeschrieben.
Gegen dieses Straferkenntnis hat die rechtsfreundlich vertretene Beschuldigte rechtzeitig Berufung erhoben und darin vorgebracht wie folgt:
?In außen bezeichneter Verwaltungssache erhebt die Beschuldigte gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 06.02.2008, GZl 2.3-3059/4, zugestellt am 14.02.2008, durch ihren ausgewiesenen Vertreter, sohin binnen offener Frist, das Rechtsmittel der BERUFUNG und wird hiezu ausgeführt wie folgt:
?Der von der Behörde festgestellte Sachverhalt ist nicht strafbar. Von einem unzulässigen Getränkeausschank kann nicht ausgegangen werden, es fehlt hiezu jegliche Grundlage. Am Abend des 04.09.2007 fand völlig ungeplant, ungezwungen und geradezu zufällig ein Geburtstagsumtrunk statt. Die Getränke wurden von den Besuchern mitgebracht und kann daher von der Übertretung der Gewerbeordnung nicht gesprochen werden. Es fehlen alle im Gesetz vorgesehenen Tatbildmerkmale wie die Regelmäßigkeit, die Absicht der Ertragserzielung etc.
Ein ungezwungenes und ungeplantes Zusammenkommen weniger Privatpersonen kann die Deliktsverwirklichung nicht begründen. Der Rechtsvertreter beantragt die Aufhebung des bekämpften Straferkenntnisses und das Verfahren einzustellen.?
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt.
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat wie folgt erwogen:
Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) lauten wie folgt:
?§ 366
(1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3600 Euro zu bestrafen ist, begeht wer
1. ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben;?
§ 1
(2) Eine Tätigkeit wird gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist; hiebei macht es keinen Unterschied, ob der durch die Tätigkeit beabsichtigte Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteil im Zusammenhang mit einer in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fallenden Tätigkeit oder im Zusammenhang mit einer nicht diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeit erzielt werden soll.?
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich nun Folgendes:
Dem angefochtenen Straferkenntnis liegt ein Bericht der PI S. vom 20.09.2007 zugrunde, wonach ?beim Salon in unregelmäßigen Abständen abends länger geöffnet war und reger Besuch herrschte , dabei handelte es sich um Arbeiter, die in der Regel Getränke (Bier und ähnliches) konsumierten.
Dezidiert konnte festgestellt werden, dass in der Nach vom 4. auf den 5. September bis 03.30 Uhr Betrieb herrschte. Gegen 22 Uhr hielten sich ca 10 Männer im Salon auf , allesamt mit Getränke, bzw Bierflaschen in Händen. Gegen 02.00 Uhr waren noch an die 5 Männer im Salon. Gegen 03.30 Uhr4 wurde bei einem vom Salon kommenden Herrn eine Kontrolle durchgeführt , dabei hatte dieser 1,84 Promille.
Am 20.09.2007 wurde im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Imst eine Überprüfung des Schönheitssalons ?XY? durchführte. Dabei konnte festgestellt werden, dass es keine Speisekarte/Getränkekarte im Salon gäbe sowie für den Ausschank nicht geworben werde. Es gäbe keine eigenen Räumlichkeiten und keine eigenen Arbeitskräfte für den Ausschank. Im Salon sei eine Toilette (Sitzzelle) vorhanden. Frau N. gab an, für den Ausschank der Getränke nichts zu verlangen , die Männer würden freiwillige Spenden geben.?
Dieser seitens der PI S. geschilderte Sachverhalt legt nun eine gewerbsmäßige Tätigkeit der Beschuldigten durchaus nahe, zumal es für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit nicht darauf ankommt, ob ein Entgelt ?freiwillig? geleistet wird, sondern nur darum, ob aus dieser Tätigkeit ein Ertrag oder wirtschaftlicher Vorteil erzielt wird. Ausgehend vom Grundsatz, dass die Ausübung einer an und für sich gewerblichen Tätigkeit im Rahmen eines Gewerbebetriebes die Gewinnerzielungsabsicht indiziert (vgl VwGH 11.11.1998, 98/04/0050), ist im gegenständlichen Fall der wirtschaftliche Erfolg schon allein im Erzielen von ?freiwilligen? Spenden zu sehen bzw in einer Steigerung der Attraktivität des Friseursalons durch Anbieten weiterer gewerblicher Leistungen. Auch wenn im Spruch des angefochtenen Straferkenntnis der Vorwurf auf einen sehr engen Zeitraum eingeschränkt wurde (eine Ermittlung in Richtung weiterer Übertretungen an anderen Tage, wie es die Anzeige der PI S. eigentlich nahe legt, erfolgte nicht), wäre dies im Lichte der ständigen Judikatur des VwGH zur Frage der ?Regelmäßigkeit? einer gewerblichen Tätigkeit als ausreichend anzusehen (vgl etwa VwGH 24.10.2001, 2000/04/0141).
Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses weist jedoch andere Mängel auf:
Eine Tätigkeit wird gemäß § 1 GewO gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist;
Dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ist nun nicht zu entnehmen, dass die vorgeworfenen Tätigkeit gewerbsmäßig erfolgte. Weder findet sich eine Beschreibung der Tätigkeit als ?gewerbsmäßig? noch ein Hinweis auf deren ?selbständige? Durchführung. Auf die diesbezüglich sehr strenge Judikatur des VwGH, wonach es zur Verwirklichung dieses Tatbestandes nicht genügt, dass eine Tätigkeit ausgeübt wird, die dem Tätigkeitsbereich dieses Gewerbes vorbehalten ist, sondern müssen zudem auch die Merkmale der Gewerbsmäßigkeit iSd § 1 Abs 2 GewO 1994 vorliegen, wird ausdrücklich hingewiesen (vgl etwa VwGH 15.09.1999, 99/04/0110, 08.10.1996, 96/04/0081 ua, vgl dazu eingehend und mit zahlreichen Judikaturhinweisen Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur Gewerbeordnung 19942 (2003) § 366 Rz 2f).
Der Berufungsbehörde wäre es nun unbenommen, ihre rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes an die Stelle jener der Behörde I. Instanz setzen. Innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist wäre es auch möglich, die Tat noch um Sachverhaltselemente zu ergänzen, die die Tat im erforderlichen Ausmaße konkretisieren. Dabei ist jedoch zu beachten, dass nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl etwa VwGH 22.02.1996, 95/06/0031) die Berufungsbehörde trotz ihrer Berechtigung, den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, auf die Ahndung der dem Beschuldigten im Strafverfahren erster Instanz zur Last gelegten Tat beschränkt bleibt. Sache des Berufungsverfahrens ist immer die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde bildet. Die Berufungsbehörde ist daher nur im Rahmen der von der erstinstanzlichen Behörde vorgeworfenen Sache zu einer Spruchänderung berechtigt. Wechselt die Berufungsbehörde die von der Erstbehörde als erwiesen angenommene Tat aus oder ergänzt sie die Tat um eine weitere, so nimmt sie eine ihr nicht zustehende Befugnis in Anspruch (vgl VwGH 22.01.2002, 99/09/0050).
Wesentliches Tatbestandsmerkmal einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs 1 Z 1 GewO 1994 ist ua im konkreten Vorwurf zu sehen, eine Tätigkeit ?gewerbsmäßig? auszuüben. Dieser Tatvorwurf wurde, wie oben näher dargelegt, in nicht ausreichender Art und Weise erhoben. Der Berufungsbehörde war es nun, um nicht eine unzulässige Auswechslung der Tat vorzunehmen, verwehrt, den Tatvorwurf um jene Sachverhaltselemente zu ergänzen, die zur vollständigen Umschreibung des Tatbildes nach § 366 Abs 1 Z 1 GewO 1994 erforderlich sind.
Folgerichtig war daher der Berufung wegen Verstoßes gegen § 44a Z 1 VStG Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis zu beheben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.