TE UVS Steiermark 2008/04/08 30.11-94/2007

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Veröffentlicht am 08.04.2008
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Gerhard Wittmann über die Berufung des Herrn W S, A S 13, H, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 13.09.2007, GZ.: 2/S-46.031/06, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird die Berufung dem Grunde nach abgewiesen. Hinsichtlich der Höhe der Geldstrafe wird der Berufung insoweit Folge gegeben, als die in erster Instanz verhängte Geldstrafe auf einen Betrag von ? 120,00 (im Uneinbringlichkeitsfall 2 Tage und 12 Stunden Ersatzarrest) herabgesetzt wird. Dadurch vermindern sich die Kosten für das Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz auf den Betrag von ? 12,00. Die nunmehr herabgesetzte Geldstrafe und die Verfahrenskosten erster Instanz sind binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten.

Text

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 13.09.2007, GZ.: 2/S-46.031/06, wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe am 09.10.2006 um 08.35 Uhr in G, P Nr. 30, Grundstücksausfahrt, in Richtung Osten fahrend, als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen als Wartepflichtiger durch das Herausfahren aus einer Grundstücksausfahrt und in weiterer Folge Einbiegen nach links in die P, einem Fahrzeug (Motorfahrrad), das sich im fließenden Verkehr befunden habe, nicht den Vorrang gegeben und dieses dadurch zu unvermitteltem Abbremsen bzw. zum Ablenken genötigt, wodurch es zum gegenständlichen Verkehrsunfall gekommen sei, bei dem eine Person verletzt worden sei. Dadurch habe der Berufungswerber eine Verwaltungsübertretung gemäß § 19 Abs 7 iVm § 19 Abs 6 StVO begangen und verhängte die Erstbehörde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von ? 150,00 (im Uneinbringlichkeitsfall 3 Tage Ersatzarrest). Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Berufungswerber fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung und führte aus, dass H M bewusst eine Lücke freigelassen habe, um ihm die Ausfahrt zu ermöglichen. Die Kolonne sei gestanden. V P sei mit seinem Mofa dahergebraust, noch dazu einen Meter über der Sperrlinie. Es habe auch keine Bremsspuren gegeben. P sei so schnell unterwegs gewesen, weil er mit seinen Gedanken durch das Zuspätkommen bereits in der Schule gewesen sei. Die Versicherung habe den Schaden nur deshalb bezahlt, weil die Prozesskosten sehr hoch gewesen wären. Da er aber durch einen Freischaden keinen Nachteil gehabt hätte, habe er darauf verzichten wollen. Dies sei aber kein Schuldbekenntnis. Am 11.01.2008 fand vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark eine Berufungsverhandlung statt, an der der Berufungswerber persönlich teilnahm und in deren Verlauf neben dem Berufungswerber die Zeugen V P und H M einvernommen wurden. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens geht die Berufungsbehörde von folgendem Sachverhalt aus: Am 09.10.2006 um 08.35 Uhr wollte der Berufungswerber mit seinem PKW mit dem Kennzeichen aus einer Grundstücksausfahrt beim Haus P Nr. 30 in die P nach links Richtung stadteinwärts einbiegen. Die Fahrzeuge, die in Richtung stadtauswärts unterwegs waren, mussten verkehrsbedingt ihre Fahrzeuge anhalten. H M, der mit seinem Fahrzeug ebenfalls in der P Richtung stadtauswärts unterwegs war, ließ bei der Ausfahrt beim Haus P Nr. 30 eine Lücke, damit der Berufungswerber in die P einbiegen konnte. Zwischen H M und dem Berufungswerber bestand Blickkontakt, ein Zeichen gab H M dem Berufungswerber nicht. Der Berufungswerber fuhr mit seinem Fahrzeug an und blickte nach rechts, um zu prüfen, ob der Fahrstreifen in Richtung stadteinwärts frei war. Gleichzeitig fuhr V P mit seinem Motorfahrrad in Richtung stadtauswärts links an der stehenden Kolonne und zuletzt beim Fahrzeug von H M vorbei. Der Berufungswerber, der in einem nach links in die P einbiegen wollte, stieß mit dem Motorfahrrad von V P zusammen, wobei V P zu Sturz kam und verletzt wurde. Beweiswürdigung: Die entscheidende Frage im gegenständlichen Verfahren war, ob der Berufungswerber, als er nach links einbiegen wollte, in der Fahrbahnmitte nochmals stehen geblieben ist oder ob er in einem nach links in die P Richtung stadteinwärts eingebogen ist. Beweiswürdigend kommt dabei dem am Verkehrsunfall unbeteiligten H M besonderes Gewicht zu. Dieser konnte sich zwar bei der Berufungsverhandlung am 11.01.2008 - immerhin rund 15 Monate nach dem Verkehrsunfall - nicht mehr genau erinnern, bei seiner Einvernahme vor der Erstbehörde am 05.04.2007 gab er als Zeuge unter Wahrheitspflicht vernommen an, dass er keinen Stillstand wahrgenommen habe, sondern dass der Berufungswerber in einem Zug aus der Ausfahrt herausgefahren sei. Dies deckt sich im Übrigen auch mit seinen Angaben, die er gegenüber den den Verkehrsunfall aufnehmenden Beamten unmittelbar nach dem Verkehrsunfall gemacht hat. Dort gab er nämlich an, dass der Berufungswerber an der Einmündung in den stadteinwärts führenden Fahrstreifen nicht mehr angehalten habe, sondern er sei langsam in einem Zug eingebogen. Diesen Angaben des Zeugen M schenkt die Berufungsbehörde mehr Glauben, als den Angaben des Berufungswerbers. Selbst der Berufungswerber räumt aber ein, dass er in der Fahrbahnmitte stehen geblieben sei, dann nach rechts geblickt habe und, als er nach links - also von wo der Motorradfahrer V P kam - geblickt habe, sei er bereits angefahren. Feststellungen darüber, mit welcher Geschwindigkeit V P an der stehenden Kolonne vorbeigefahren ist und ob er dabei die auf der Fahrbahn angebrachte Sperrlinie überfahren hat, konnten nicht eindeutig getroffen werden. Dies spielt im gegenständlichen Verfahren aber insofern keine Rolle, als es nicht um die Schuld am Zustandekommen des Verkehrsunfalls geht und auch nicht darum, ob der Motorradfahrer V P seinerseits Verkehrsverstöße begangen hat, sondern es geht im gegenständlichen Verfahren einzig und allein darum, ob dem Berufungswerber eine Vorrangverletzung vorzuwerfen ist. Im Berufungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Graz der Gerichtsakt angefordert, in dem sich bei der Verkehrsunfallsanzeige eine Lichtbildbeilage mit insgesamt acht Lichtbildern über die Unfallörtlichkeit und die beschädigten Fahrzeuge befindet. Diese Lichtbilder wurden auch im Zuge der Berufungsverhandlung erörtert, wobei der Berufungswerber noch zwei weitere Lichtbilder über den Tatortbereich in der P vorlegte.

Rechtliche Beurteilung: Gemäß § 19 Abs 6 StVO haben Fahrzeuge im fließenden Verkehr den Vorrang gegenüber Fahrzeugen, die von Nebenfahrbahnen, von Fußgängerzonen, von Wohnstraßen, von Haus- oder Grundstücksausfahrten, von Garagen, von Parkplätzen, von Tankstellen, von Feldwegen oder dgl. kommen. Gemäß § 19 Abs 7 StVO darf, wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen. H M, der verkehrsbedingt sein Fahrzeug anhielt und vor der Grundstücksausfahrt des Hauses P Nr. 30 eine Lücke ließ, verzichtete dadurch gegenüber dem Berufungswerber auf seinen Vorrang. Der Berufungswerber (als Wartepflichtiger) durfte aber nicht darauf vertrauen, dass sich andere Vorrangberechtigte ebenfalls an den Verzicht halten (vgl. OGH 05.12.1972, 8Ob241/72, ZVR 1974/62). Nach der Bestimmung des § 12 Abs 5 StVO dürfen, wenn Fahrzeuge vor Kreuzungen und dergleichen angehalten werden, die Lenker einspuriger, später ankommender Fahrzeuge dann neben oder zwischen den bereits angehaltenen Fahrzeugen vorbeifahren, um sich mit ihren Fahrzeugen weiter vorne aufzustellen, wenn für das Vorfahren ausreichend Platz vorhanden ist und die Lenker von Fahrzeugen, die ihre Absicht zum Einbiegen angezeigt haben, dadurch beim Einbiegen nicht behindert werden. Der Berufungswerber musste also grundsätzlich damit rechnen, dass einspurige Fahrzeuglenker an der stehenden Kolonne vorbeifahren könnten und ihm gegenüber den Vorrang haben. Daher wäre der Berufungswerber verpflichtet gewesen, mit seinem Fahrzeug bei der Fahrbahnmitte anzuhalten und nochmals den Verkehr sowohl Richtung stadteinwärts, als auch stadtauswärts zu beobachten. Da der Berufungswerber aber in einem nach links in die P einbiegen wollte und es dadurch zum Verkehrsunfall kam, hat der Berufungswerber die ihm vorgeworfene

Vorrangverletzung begangen. Strafbemessung: Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Die Bestimmungen des § 19 StVO über den Vorgang dienen sowohl der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, als auch im besonderen Maße der Verkehrssicherheit, zumal die Verletzung des Vorranges zu den häufigsten Unfallsursachen zu zählen ist. Dadurch, dass der Berufungswerber in einem nach links in die P einbiegen wollte, hat er eindeutig gegen den Schutzzweck verstoßen, auch wenn möglicherweise der Motorradfahrer P ein Mitverschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalls gehabt haben könnte. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Erschwerungsgründe liegen nicht vor, als mildernd war die Unbescholtenheit des Berufungswerbers zu werten. Die Erstbehörde berücksichtigte diesen Milderungsgrund nicht, obwohl auch zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung die Vorstrafe aus dem Jahre 2002 bereits getilgt war. Dass die Einhaltung der übertretenen Verwaltungsvorschrift einer besonderen Aufmerksamkeit bedurft hätte oder nur schwer hätte vermieden werden können, ist im gesamten Verwaltungsstrafverfahren nicht hervorgekommen und kann daher das Verschulden des Berufungswerbers als nicht nur geringfügig angesehen werden. Der Berufungswerber verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen von ca. ? 2.900,00. Er hat Sorgepflichten für ein Kind. An Vermögen besitzt der Berufungswerber ein Einfamilienwohnhaus im Wert von ca. ?

250.000,00. Der Berufungswerber hat für dieses Wohnhaus einen Kredit in gesamt aushaftender Höhe von ca. ? 200.000,00. Der Strafrahmen für die dem Berufungswerber vorgeworfene Verwaltungsübertretung beträgt gemäß § 99 Abs 3 lit. a StVO bis zu ? 726,00. Auf Grund des Milderungsgrundes der Unbescholtenheit, den die Erstbehörde nicht berücksichtigt hat, sah sich die Berufungsbehörde veranlasst, die Geldstrafe auf nunmehr ? 120,00 herabzusetzen. Durch die Herabsetzung der Geldstrafe waren auch die Verfahrenskosten erster Instanz im selben Ausmaß (10 Prozent der verhängten Strafe) zu mindern. Da die Berufung nicht vollinhaltlich abgewiesen wurde, entstanden für den Berufungswerber keine Kosten für das Berufungsverfahren.

Schlagworte
Wartepflicht vorfahren vortasten Vorrangverzicht Aufmerksamkeitspflicht
Zuletzt aktualisiert am
21.08.2008
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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