TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/12 2001/10/0197

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Veröffentlicht am 12.11.2001
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Index

82/05 Lebensmittelrecht;
86/01 Veterinärrecht allgemein;

Norm

FrischfleischHygieneV 1994 §1 idF BGBl II 321/2001;
LebensmittelHygieneV 1998 §1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Dr. E in L, vertreten durch Dr. Peter Rohracher, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Hauptplatz 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 13. August 2001, Zl. uvs-2001/16/067-4, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug erlassenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe in seinem Betrieb in L., K-Straße 27, nicht für die entsprechende Hygiene gesorgt, weil

"1) rohes Fleisch im Verkaufsraum an Haken aufgehängt und ohne Kühlung bei einer Umgebungstemperatur von 13,5 Grad C, gemessen mit geeichtem Thermometer, gelagert wurde und es durch eine zu warme Lagerung des Fleisches zu einem unkontrollierten Bakterienwachstum an der Oberfläche des Fleisches kommen konnte, dies obwohl gemäß Abschnitt XI des Anhanges der Lebensmittelhygieneverordnung frisches Fleisch (einschließlich Faschiertes, Wild, Geflügel, Innereien, Knochen ...) bei nicht höheren Temperaturen als 4 Grad C gelagert, befördert oder zum Verkauf an den Verbraucher angeboten werden darf,

2) der Fußboden im Bereich des Hackstockes mit alten eingetrockneten Verunreinigungen behaftet gewesen ist und, da es sich bei den Verunreinigungen um alten eingetrockneten Schmutz gehandelt hat, nicht von einer regelmäßigen Reinigung dieses Bereiches ausgegangen werden kann, obwohl gemäß Abschnitt I Ziffer 1 des Anhanges der Lebensmittelhygieneverordnung Betriebsstätten, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird, sauber und in Stand gehalten sein müssen.

3) der Fleischwolf im Verkaufsgeschäft nicht kühlbar gewesen ist, in der Schnecke des Fleischwolfes sowie in der Lochplatte Faschiertes sichtbar gewesen ist, welches einer Umgebungstemperatur von 13,5 Grad C ausgesetzt gewesen ist, und nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft in Verkaufsgeschäften kühlbare Fleischwölfe vorhanden sein oder der Fleischwolf gekühlt gelagert werden muss. Bei der beanstandeten Vorgangsweise müsste der Fleischwolf nach jeder Benutzung gereinigt und gegebenenfalls desinfiziert werden, da es durch eine zu warme Lagerung des Faschierten zu einem unkontrollierten Bakterienwachstum kommen kann. Nach Abschnitt XI des Anhanges leg. cit. widerspricht dieser Sachverhalt der Lebensmittelhygieneverordnung, welche vorschreibt, dass frisches Fleisch (einschließlich Faschiertem, Wild, Geflügel, Innereien, Knochen, ...) bei nicht höheren Temperaturen als 4 Grad

C gelagert, befördert oder zum Verkauf an den Verbraucher angeboten werden darf.

4)

...

5)

bei den Regalen im Kühlraum der Umleimer beschädigt gewesen ist und die Regale in diesen Bereichen nicht mehr ordnungsgemäß reinigbar bzw. erforderlichenfalls desinfizierbar gewesen sind. Dieser Tatbestand widerspricht dem Abschnitt 1 Ziffer 2a des Anhanges der Lebensmittelhygieneverordnung, welche vorschreibt, dass bei Betriebsstätten, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird, eine angemessene Reinigung und erforderlichenfalls eine Desinfektion möglich sein muss.

              6)              der Anstrich der Decke und der Wände im Kühlraum abblättert. Dieser Tatbestand widerspricht dem Abschnitt I Ziffer 2c des Anhanges der Lebensmittelhygieneverordnung, welche vorschreibt, dass in Betriebsstätten ein Schutz vor Kontaminationen mit Materialien (Lackteilchen) gegeben sein muss.

              7)              im Kühlraum Lebensmittel am Boden gelagert worden und dadurch die Behältnisse auf der Unterseite verunreinigt worden sind und somit eine Kreuzkontamination mit Schmutz aber auch Mikroorganismen möglich gewesen ist, da die Behältnisse später wieder auf Arbeitsflächen gestellt wurden. Für die Lagerung von Lebensmittel müssten in ausreichender Anzahl Regale vorhanden sein. Der angeführte Tatbestand widerspreche dem Abschnitt I Ziffer 2c des Anhanges der Lebensmittelhygieneverordnung, welche vorschreibe, dass Betriebsstätten so konzipiert sein müssen, dass Kreuzkontaminationen vermieden werden,

              8)              im Betrieb kein WC für die mit dem Verkauf betrauten Personen vorhanden sei, was dem Abschnitt I Ziffer 3 des Anhanges der Lebensmittelhygieneverordnung widerspricht, dass in Betriebsstätten Toiletten mit Wasserspülung vorhanden sein müssen. Diese Toiletten sind mit Handwaschbecken auszustatten."

Er habe hiedurch Verwaltungsübertretungen nach § 74 Abs. 4 Z. 1 LMG iVm § 4 Lebensmittelhygieneverordnung 1998 begangen. Es wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Begründend wurde unter anderem dargelegt, es sei auf Grund näher bezeichneter Beweisergebnisse erwiesen, dass im Betrieb des Beschwerdeführers eine Verkaufstätigkeit an Letztverbraucher durchgeführt worden sei. Selbst wenn der Beschwerdeführer, wie er behaupte, seinem Vater den ausschließlichen Auftrag erteilt hätte, Fleisch ausschließlich an Wiederverkäufer und Großkunden zu verkaufen, habe er dennoch den festgestellten Verkauf von Fleisch an Letztverbraucher im Rahmen seiner Kontrollverpflichtung zu verantworten und für die Einhaltung der Normen der diesfalls anzuwendenden Lebensmittelhygieneverordnung Sorge zu tragen. Das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems habe der Beschwerdeführer nicht unter Beweis gestellt; er habe es auch unterlassen, im Einzelnen anzugeben, auf welche Art, in welchem Umfang und in welchen zeitlichen Abständen er Kontrollen durchgeführt habe. Die bloße Erteilung von Weisungen reiche nicht aus; entscheidend sei, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der Weisung erfolgt sei.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde macht geltend, die von der belangten Behörde als Grundlage der Bestrafung herangezogene Lebensmittelhygieneverordnung sei im Beschwerdefall nicht anzuwenden. Voraussetzung ihrer Anwendbarkeit sei nämlich, dass Fleisch ausschließlich an Letztverbraucher abgegeben werde. Der Beschwerdeführer habe schon im Berufungsverfahren vorgebracht, dass er nur Wiederverkäufer beliefere. Der Vater des Beschwerdeführers als "verantwortlicher Geschäftsführer des Betriebes" habe den "ausschließlichen Auftrag" gehabt, Fleisch nur an Wiederverkäufer und Großkunden (Gastbetriebe) zu verkaufen. "Insoweit er an Letztverbraucher Fleischwaren abgegeben hat, fällt dies ausschließlich in seine Verantwortung und ging dies auch auf seine Rechnung". Weil der Beschwerdeführer selbst nur Wiederverkäufer beliefere, sei die Frischfleisch-Hygieneverordnung anzuwenden.

Mit diesen Darlegungen hat der Beschwerdeführer keinen Sachverhalt behauptet, aus dem sich ergäbe, dass die belangte Behörde zu Unrecht die Lebensmittelhygieneverordnung als Grundlage der Strafbarkeit herangezogen habe.

Nach § 1 Abs. 2 der Lebensmittelhygieneverordnung, BGBl. II Nr. 31/1998, ist diese auf alle der Urproduktion folgenden Stufen gemäß § 2 Z. 1 anzuwenden.

Nach § 2 Z. 1 ist gemäß dieser Verordnung "Lebensmittelhygiene" (im Folgenden "Hygiene" genannt): alle Vorkehrungen und Maßnahmen, die notwendig sind, um ein unbedenkliches und genusstaugliches Lebensmittel zu gewährleisten. Diese Vorkehrungen und Maßnahmen umfassen alle auf die Urproduktion (wie etwa die Ernte, die Schlachtung, das Melken) folgenden Stufen während des Umgangs  (= Zubereitung, Verarbeitung, Herstellung, Verpackung, Lagerung, Beförderung, Verteilung, Behandlung und des Anbietens zum Verkauf oder zur Lieferung an den Verbraucher) mit Lebensmitteln.

Nach § 1 Abs. 3 der Lebensmittelhygieneverordnung ist diese Verordnung in jenen Teilbereichen nicht anzuwenden, in denen einschlägige Hygienevorschriften spezielle Regelungen vorsehen.

Nach § 1 Abs. 1 der Frischfleisch-Hygieneverordnung, BGBl. Nr. 396/1994 idF BGBl. II Nr. 321/2001, gilt diese Verordnung für

1.

Schlachtbetriebe,

2.

Frischfleisch-Bearbeitungsbetriebe, insbesondere Zerlegungsbetriebe,

              3.              Kühlhäuser (einschließlich Tiefkühlhäuser), in denen frisches Fleisch gelagert wird, und

              4.              Umpackzentren,

sofern in diesen Betrieben entweder Rinder (einschließlich Büffel und Bison), Schweine, Schafe, Ziegen oder Einhufer geschlachtet oder frisches Fleisch dieser Tiere bearbeitet, umhüllt, verpackt, gelagert oder transportiert wird.

Nach § 1 Abs. 2 der Frischfleisch-Hygieneverordnung unterliegen dieser Verordnung nicht Verkaufsräumlichkeiten der gewerblichen Letztverkäufer, in denen frisches Fleisch nur unmittelbar an Verbraucher - auch bei weiterer Zerlegung auf deren Verlangen - abgegeben wird, sowie Einrichtungen der Gemeinschaftsversorgung und Gastgewerbebetriebe.

Nach § 2 Z. 14 Frischfleisch-Hygieneverordnung bedeutet "Verkaufsräumlichkeiten der gewerblichen Letztverkäufer" im Sinne dieser Verordnung Räume oder Marktstände, in denen frisches Fleisch oder Fleischerzeugnisse feilgehalten, auf Verlangen des Letztverbrauchers (Konsumenten) oder eines Abnehmers gemäß § 1 Abs. 2 gegebenenfalls zerlegt und ausschließlich auf diesen abgegeben werden; hierunter fällt auch das ausschließliche Bereithalten des frischen Fleisches im betreffenden Kühlraum für den Verkauf an der Verkaufsstelle.

Die oben wiedergegebenen Darlegungen der Beschwerde sind in mehrfacher Hinsicht nicht zielführend:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht konkret, dass in seinem Betrieb Fleisch zum Verkauf an Verbraucher angeboten und mit solchem Fleisch umgegangen wurde. Die in Betracht kommenden Vorschriften (§ 1 Abs. 2 der Frischfleisch-Hygieneverordnung und § 1 Abs. 2 und 3 der Lebensmittelhygieneverordnung) knüpfen an die objektive Tatsache der im jeweiligen Betrieb ausgeübten Tätigkeiten an. Der Beschwerdeführer zeigt somit nicht auf, dass die in Rede stehenden Verstöße gegen Hygienevorschriften im Sinne des § 1 Abs. 3 der Lebensmittelhygieneverordnung in "Teilbereichen" vorgekommen wären, für die im Hinblick auf eine "einschlägige Hygienevorschrift" - insbesondere die Frischfleisch -

Hygieneverordnung - die Anwendbarkeit der Lebensmittelhygieneverordnung ausgeschlossen wäre.

Ebenso verkennt die Beschwerde die Rechtslage, wenn sie meint, Voraussetzung der Anwendbarkeit der Lebensmittelhygieneverordnung sei, dass Fleisch "ausschließlich an Letztverbraucher abgegeben" werde. Vielmehr ist nach der dargestellten Rechtslage die Lebensmittelhygieneverordnung (jedenfalls auch) anzuwenden, wenn im betreffenden Betrieb Fleisch sowohl zur Abgabe an Wiederverkäufer als auch zum Verkauf an Letztverbraucher bereitgehalten wird.

Die Strafbarkeit der Verstöße gegen die von der belangten Behörde herangezogenen Vorschriften der Lebensmittelhygieneverordnung entfiele gegenüber dem Beschwerdeführer somit nur dann, wenn der Verkauf von Fleisch an Letztverbraucher seinem Betrieb nicht zuzurechnen wäre oder der Beschwerdeführer seine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit einem Dritten übertragen hätte.

Der Beschwerdeführer hat keinen Sachverhalt konkret behauptet, aus dem sich ergäbe, dass der Verkauf von Fleisch an Letztverbraucher seinem Fleischverarbeitungsbetrieb nicht zuzurechnen wäre. Ebenso wenig hat er mit dem Hinweis, dass sein Vater "verantwortlicher Geschäftsführer" sei, einen Sachverhalt behauptet, aus dem abgeleitet werden könnte, die strafrechtliche Verantwortlichkeit wäre gemäß § 9 VStG auf einen Dritten übergegangen. Nur unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 3 VStG hätte der Beschwerdeführer für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche seines Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen können; er hat aber weder behauptet, dass diese Voraussetzungen (räumliche oder sachliche Gliederung seines Unternehmens) vorlägen, noch, dass er seinen Vater zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 3 VStG bestellt hätte.

Das oben wiedergegebene Vorbringen des Beschwerdeführers war somit nicht zielführend. Mangels Relevanz des Beweisthemas liegt daher auch kein Verfahrensmangel darin, dass die belangte Behörde die zum Beweis für dieses Vorbringen beantragte Vernehmung der Zeugin I. unterließ.

Schließlich trägt die Beschwerde - im Zusammenhang mit Punkt 8. des Schuldspruches - vor, die belangte Behörde hätte "bei Durchführung eines Ortsaugenscheines leicht feststellen können, dass eine gesetzmäßig ausgestattete Toilettenanlage vorhanden ist". Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung, für seinen Vater stehe zwar nicht in den Betriebsräumlichkeiten, aber "im selben Haus" eine Toilette zur Verfügung, erwidert, daraus sei nichts zu gewinnen, weil der Vorschrift des Abschnittes I Z. 3 des Anhanges der Lebensmittelhygieneverordnung, wonach in Betriebsstätten, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird, "Toiletten mit Wasserspülung und Handwaschbecken vorhanden sein müssen", im Betrieb des Beschwerdeführers nicht entsprochen werde. Dieser Feststellung tritt die Beschwerde mit den oben wiedergegebenen Darlegungen nicht konkret entgegen.

Da somit bereits die Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 12. November 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001100197.X00

Im RIS seit

18.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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