Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alexander Hohenhorst über die Berufung von Herrn R. M., XY, vom 17.03.2008, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 11.03.2008, Zl 2.1 A-721/07-8, betreffend Ansuchen um Betriebsanlagengenehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Tischlerei nach § 77 Gewerbeordnung 1994 gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 wie folgt:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid erteilte die Bezirkshauptmannschaft Lienz der K. R. H. GmbH die betriebsanlagenrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Tischlerei auf Gst Nr XY, KG XY, nach Maßgabe der vorgelegten und genehmigten Projektunterlagen unter einer Reihe von Auflagen.
Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Berufung von Herrn R. M., in welcher dieser im Wesentlichen vorbringt, dass die unter dem Punkt ?Flächenwidmung? angeführte Entfernung des nächstgelegenen Wohnhauses zum Betrieb mit ca 50 m nicht zutreffend sei, weil sein Schlafzimmer vom Betrieb lediglich 17 m entfernt sei. Dieses habe er aufgrund des Verkehrslärms auf der Drautalstraße vor drei Jahren nach Süden verlegt. Er verlange bei Inbetriebnahme eine sofortige Lärmmessung, weil erst dadurch der tatsächliche Lärm ermittelt werden könne. Bis jetzt sei auf eine Lärmmessung des Betriebes K. verzichtet worden und lediglich der Straßenlärm gemessen worden. Die Maschinen der Antragstellerin, die aus dem alten Betrieb in XY stammten und in den neuen Betrieb integriert werden sollten, befänden sich lärmmäßig nicht auf dem neuestens technischen Stand. Die Aussage des medizinischen Amtssachverständigen, dass keine Gesundheitsgefährdung und keine unzumutbare Lärmbelästigung zu erwarten wäre, könne aufgrund der zugrunde liegenden Schätzungen und nicht erfolgten Messungen als nicht aussagekräftig bezeichnet werden. Er könne nicht nachvollziehen, warum nach Norden hin keine Lärmschutzwand errichtet wird, wo er mit 17 m der nächstgelegene und am meisten betroffene Anrainer sei. Schließlich baue sich die Firma K. zu ihm hin und nicht er zu ihr. Er wünsche ausdrücklich nach Norden hin eine Lärmschutzwand oder einen lebenden Zaun.
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat wie folgt erwogen:
Gemäß § 67h Abs 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) gilt in den Angelegenheiten des § 67a Abs 1 Z 1 AVG der § 66 AVG mit der Maßgabe, dass der Unabhängige Verwaltungssenat dann gemäß § 66 Abs 4 AVG in der Sache zu entscheiden hat, wenn die belangte Behörde dem nicht bei der Vorlage der Berufung unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Ein Ausschluss der Befugnis zur Sachentscheidung durch die Erstinstanz ist nicht erfolgt.
Nach § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde außer dem in Abs 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Im gegenständlichen Fall sind folgende Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994, BGBl 194 idF BGBl I 42/2008 (GewO 1994) als maßgebend anzusehen:
?§ 74
(1) Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.
(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1.
das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl Nr 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs 1 Z 4 lit g angeführten Nutzungsrechte,
2.
die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,
3.
die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,
4.
die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder
5.
eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.
(3) Die Genehmigungspflicht besteht auch dann, wenn die Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen nicht durch den Inhaber der Anlage oder seine Erfüllungsgehilfen, sondern durch Personen in der Betriebsanlage bewirkt werden können, die die Anlage der Art des Betriebes gemäß in Anspruch nehmen.
§ 75
(1) Unter einer Gefährdung des Eigentums im Sinne des § 74 Abs 2 Z 1 ist die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes des Eigentums nicht zu verstehen.
(2) Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen, und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.
§ 77
(1) Die Betriebsanlage ist zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Die nach dem ersten Satz vorzuschreibenden Auflagen haben erforderlichenfalls auch Maßnahmen für den Fall der Unterbrechung des Betriebes und der Auflassung der Anlage zu umfassen; die Behörde kann weiters zulassen, dass bestimmte Auflagen erst ab einem dem Zeitaufwand der hiefür erforderlichen Maßnahmen entsprechend festzulegenden Zeitpunkt nach Inbetriebnahme der Anlage oder von Teilen der Anlage eingehalten werden müssen, wenn dagegen keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen bestehen.?
Zutreffend ist der Hinweis des Berufungswerbers, dass die Angabe unter der Überschrift ?Flächenwidmung?, dass die Entfernung des nächstgelegenen Wohnhauses zum Betrieb ca. 50 m betrage, unzutreffend ist, weil sein Wohnhaus im wesentlich geringem Abstand zum Betriebsgebäude steht. Der gewerbetechnische Amtssachverständige hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass der Beurteilungspegel der Gesamtimmission des Tischlereibetriebes mehr als 5 dB unter dem Planungswert für die spezifische Schallimmission zu liegen kommt und deswegen mit einer Lärmbeeinträchtigung im Bereich der nächstgelegenen Wohnhäuser nicht zu rechnen ist. Dies deshalb, da sämtliche Lärmimmissionen sich während der Betriebszeit auf die Nachbarn auswirken, welche innerhalb der gesetzlichen Tageszeit fixiert wurde. Bei projektgemäßer Ausführung ist eine Beeinträchtigung der nächstgelegenen Nachbarn zur Tageszeit nicht zu erwarten.
Das Sachverständigengutachten stützt seine Beurteilung und Prognose nicht auf eine bestimmte exakte Entfernung des Betriebsgebäudes zum Gebäude des nächstgelegenen Nachbarn; es ist nicht davon auszugehen, dass die an einer ganz anderen Stelle im Bescheid unter der Rubrik ?Flächenwidmung? nicht zutreffende Entfernungsangabe irgendeine Auswirkung auf das Ergebnis der Beurteilung des Sachverständigen haben hätte können. Dieser bezieht sich in seinem Gutachten ausdrücklich auf das Gebäude des nunmehrigen Rechtsmittelwerbers und führt nachvollziehbar aus, dass sämtliche Lärmereignisse während der Tageszeit entstehen werden. Damit hat der Berufungswerber für die Nachtzeit in seinem Schlafzimmer keine zusätzlichen, vom genehmigten Betrieb ausgehenden Lärmimmissionen zu erwarten.
Da über die Erteilung einer Betriebsanlagengenehmigung zu entscheiden ist, bevor mit der Errichtung des Betriebes begonnen wird, kann die Frage der Intensität der vom Betrieb ausgehenden Immissionen nur anhand es eingereichten Projektes von den Sachverständigen durch eine Prognose beurteilt werden. Bei einem Betrieb, der noch gar nicht existiert, kann begrifflicherweise nicht dessen Lärmemission gemessen werden. Der lärmtechnische Amtssachverständige ist aufgrund seiner besonderen einschlägigen Ausbildung und langjährigen Berufserfahrung befähigt, aufgrund der eingereichten Projektunterlagen und der von ihm am 30.11.2007 in der Zeit von 16.00 Uhr bis 18.00 Uhr durchgeführten Messung des Umgebungslärms die zu erwartenden Lärmimmission auf den ungünstigst gelegenen Nachbarn zu prognostizieren.
Auf Grundlage dieser Berechnungen hat der medizinische Amtssachverständige daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass gegenständlicher Tischlereibetrieb bei projektgemäßer Ausführung für die Nachbarn keine Gesundheitsgefährdung oder unzumutbare Lärmbelästigung erwarten lässt. Er hat dies logisch und nachvollziehbar begründet.
Der Berufungswerber führt lediglich an, dass er das Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen als nicht aussagekräftig ansehe, weil keine Lärmmessung stattgefunden hätte. Dazu ist nochmals auf das bereits oben Angeführte zu verweisen, dass bei einem noch gar nicht bestehenden Betrieb dessen Lärm nicht gemessen werden kann und diesbezüglich Berechnungen anzustellen sind.
Da während der Nachtzeiten keine Schallereignisse vom Betrieb ausgehen werden und die Lärmimmissionen während der Tageszeit keine unzumutbare Belastung des Berufungswerbers erwarten lassen, gibt es keine rechtliche Grundlage dafür, dem Anlagenbetreiber nach Norden hin eine Lärmschutzwand vorzuschreiben.
Der Berufungswerber ist den Gutachten des gewerbetechnischen und medizinischen Amtssachverständigen nicht auf entsprechender fachlicher Ebene entgegen getreten, weshalb für die Berufungsbehörde keinerlei Veranlassung bestanden hat, Zweifel am Zutreffen deren logischer und nachvollziehbarer Stellungnahmen anzumelden.
Da die Antragstellerin einen Anspruch auf Genehmigung der Betriebsanlage hat, wenn diese nach dem Stand der Technik und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften erwarten lässt, dass bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen voraussehbare Gefährdungen vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen auf ein zumutbares Maß beschränkt werden, war, da diese Voraussetzungen im Gegenstandsfall vorliegen, die Berufung als unbegründet abzuweisen.