TE UVS Salzburg 2008/05/05 3/16878/5-2008nu

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.05.2008
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg erlässt durch das Einzelmitglied Mag. Peter Nußbaumer über die Berufung von Frau Ursula G., Dr. Hans-Lechner-Siedlung 8, E., vertreten durch Frau Rechtsanwältin Dr. Hannelore G.-H., S., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 26.6.2007, Zahl 30308/369-64484-2006, folgendes

Erkenntnis:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG wird der Berufung keine Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses vollinhaltlich bestätigt.

Text

Entscheidungsgründe :

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wird der Beschuldigten vorgeworfen, sie habe am 09.11.2006 um 11:50 Uhr in Eugendorf, auf der B1 Wiener Straße bei km 290,210 als Wartepflichtiger und nach links in die Kraihamerstraße einbiegender Fahrzeuglenker mit dem Kennzeichen XXX (A) den entgegenkommenden und richtungsbeibehaltenden Vorrangberechtigten (XXX), welcher die Busspur befahren hat, durch Einbiegen zu unvermitteltem Bremsen des Fahrzeuges genötigt.

 

Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 19 Abs 7 und 5 der Straßenverkehrsordnung begangen und wurde hiefür über die Beschuldigte gemäß § 99 Abs 3 lit a leg cit eine Geldstrafe in der Höhe von ? 180,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 60 Stunden, verhängt.

 

Die Beschuldigte hat durch ihre ausgewiesene Vertreterin hiegegen rechtzeitig schriftliche Berufung eingebracht wie folgt:

 

"Die Berufungswerberin hat die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung tatsächlich nicht begangen. Von der Behörde wurde ohne Würdigung des Beweisverfahrens festgestellt, dass die Berufungswerberin nicht mit Schritttempo in die Busspur eingefahren sei.

Zentraler Punkt zur Beurteilung ob eine Vorrangverletzung vorliegt, ist, ob der Wartepflichtige zum Zeitpunkt des Einbiegens tatsächlich in der Lage gewesen ist, zu erkennen, dass er gegenüber dem anderen Fahrzeug wartepflichtig ist. Die Vorrangverletzung wird nach ständiger Rechtsprechung dann negiert, wenn ein bevorrangtes Fahrzeug tatsächlich noch nicht wahrnehmbar ist.

Die Berufungswerberin führte nachvollziehbar aus, dass sie kein entgegenkommen-des Fahrzeuges wahrgenommen hat.

Der VwGH sprach in seiner Entscheidung vom 16.10.2003 zu GZ 2001/03/0242 dezidiert aus, dass die Behörde festzustellen gehabt hätte, wann und wo die Berufungswerberin exakt das Fahrzeug des Vorrangberechtigten (XXX) wahrnehmen hätte können, oder ob es für sie überhaupt erkennbar gewesen ist. Tatsache ist, dass der Fahrstreifen durch ein der Berufungswerberin den Vorrang einräumende LKW verstellt war.

Die Erstbehörde verabsäumte es, eine exakte Zeit-Weg-Berechnung vorzunehmen, dies zur Beurteilung der Frage, ob überhaupt eine Vorrangverletzung vorgelegen hat.

Hier sind die Geschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge festzustellen, da dies für die Beurteilung einer Verwaltungsübertragung gemäß § 19/7 StVO von erheblicher Bedeutung ist.

Da gegenständlich der Sachverhalt nicht konkretisiert ist, es ist weder die ungefähre Entfernung der Fahrzeuge voneinander, die Möglichkeit der Wahrnehmheit sowie die vom Vorrangberechtigten eingehaltene Geschwindigkeit festgestellt.

Da derartige Feststellungen im angefochtenen Bescheid keine Berücksichtigung finden und insbesondere keine Feststellung darüber getroffen wurde, ob die Berufungswerberin den Vorrangberechtigten wahrnehmen konnte, haftet dem angefochtenen Bescheid Rechtswidrigkeit des Inhalts an und ist dieser unter Berufung auf das bereits zitierte Verwaltungsgerichtshofserkenntnis vom 16.10.2003 aufzuheben.

Sohin wird in diesem Sinne beantragt, den rechtswidrigen Bescheid ersatzlos aufzuheben."

 

In der Sache wurde am 28.4.2008 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Die Beschuldigte war darin durch ihre Rechtsvertreterin vertreten und wurde als Partei gehört. Zeugenschaftlich einvernommen wurde der Unfallgegner.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg hat hiezu gemäß § 51c VStG durch ein Einzelmitglied erwogen:

 

Die Beschuldigte hat am 9.11.2006, 11:50 Uhr, als Lenkerin des Pkw mit dem Kennzeichen XXX (A), in Eugendorf auf der Wiener Bundesstraße ?B 1, bei Strkm 290,210, beim Linkseinbiegen in die Kraihammerstraße als Wartepflichtige den entgegenkommenden und richtungsbeibehaltenden Vorrangberechtigten (Herrn Manfred R.), welcher die Busspur Richtung Salzburg befuhr, durch Einbiegen zum unvermittelten Abbremsen des Fahrzeuges genötigt. Sie ist unmittelbar vor diesem eingebogen, weshalb ein Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge (jeweils im Frontbereich) nicht mehr vermieden werden konnte.

 

Dieser Sachverhalt war aufgrund der unbestrittenen Aktenlage in Verbindung mit den Angaben der Beschuldigten und der unwidersprochenen Aussage des zeugenschaftlich einvernommenen Unfallgegners als erwiesen anzusehen.

 

Rechtlich ist auszuführen:

 

Gemäß § 19 Abs 5 StVO haben Fahrzeuge, die ihre Fahrtrichtung beibehalten oder nach rechts einbiegen, sofern sich aus Abs 4 nichts anderes ergibt, den Vorrang gegenüber entgegenkommenden, nach links einbiegenden Fahrzeuge.

 

Gemäß § 19 Abs 7 StVO darf, wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige) durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.

 

Vorliegend steht aufgrund des Unfallgeschehens und der Rechtfertigung der Beschuldigten außer Streit, dass sie durch Linkseinbiegen unmittelbar vor dem Fahrzeug des Herrn R. diesen zum unvermittelten Abbremsen bzw. Ablenken des Fahrzeuges genötigt hat. Dieser hat noch eine Bremsung eingeleitet und sein Fahrzeug etwas nach rechts ausgelenkt; es ist trotzdem zu einem Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge auf der Busspur gekommen.

 

Insoweit sich die Beschuldigte damit rechtfertigt, dass der Unfallgegner verbotswidrig die Busspur in Fahrtrichtung Salzburg benutzt hat, ist festzuhalten, dass dieser dadurch seinen Vorrang gemäß § 19 Abs 5 StVO nicht verloren hat (vgl VwGH 16.10.2003, 2001/03/0242). Die Beschuldigte hätte nämlich jederzeit mit einem Fahrzeug (Bus oder Taxi) rechnen müssen, welches die Busspur benützen darf. Ein Linksabbiegen darf aber nur dann durchgeführt werden, wenn der benachrangte Lenker mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass er dadurch keinen im Vorrang befindlichen Lenker eines entgegenkommenden Fahrzeuges zum Ablenken oder zum unvermittelten Abbremsen seines Fahrzeuges nötigt (vgl OGH 21.1.1972, ZVR 1973/82, bzw OGH 27.10.1976, ZVR 1977/123).

 

Nach dem Beweisergebnis hat sich die Beschuldigte nicht ausreichend davon vergewissert, ob sie Lenker des Gegenverkehrs behindert oder gefährdet. Ein entgegenkommender Lkw-Lenker hat zwar auf seinen Vorrang verzichtet und unmittelbar vor der Beschuldigten angehalten, durch das Lastauto war der Beschuldigten jedoch die Sicht auf andere entgegen kommende, ebenso bevorrangte Fahrzeuge auf der Busspur genommen. Diese verläuft hier Richtung Salzburg in einer leichten Linkskurve auf dem äußerst rechten Teil der Fahrbahn. Es ist davon auszugehen, dass die Beschuldigte eine ausreichende Sicht auf gegnende Fahrzeuge auf der Busspur erst unmittelbar vor Erreichen dieser Spur gehabt hätte. Sie hätte folglich den Linksabbiegevorgang an der Sperrlinie vor der Busspur (also auf dem Fahrstreifen auf dem sich der verzichtende Lkw-Lenker befunden hat) unterbrechen und sich gegebenenfalls zentimeterweise bis zu dem Punkt vortasten müssen, an dem eine ausreichende Sicht (dh über mindestens 25 bis 30 m) auf den herannahenden Verkehr bestanden hat (vgl VwGH 14.12.1988, 88/03/0086). Nach ihrer eigenen Unfallschilderung hat die Beschuldigte das nicht getan und auf das Handzeichen des Lkw-Lenkers vertraut, weil sie glaubte, dass dieser auch den Verkehr auf der Busspur beobachtet hat. Sie ist zwar langsam (mit etwa 10 ? 15 km/h) aber doch in einem Zug nach links eingebogen.

 

Im Irrtum ist die Beschuldigte, wenn sie unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.10.2003, Zl 2001/03/0242, vermeint, eine Vorrangverletzung deshalb nicht begangen zu haben, weil sie den Unfallgegner wegen des im Gegenverkehr anhaltenden Lkw nicht früher sehen konnte. Nach dieser Entscheidung (die der ständigen Judikatur des VwGH entspricht) ist eine Vorrangverletzung nur dann nicht anzunehmen, wenn der Vorrangberechtigte auch bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht zu erkennen gewesen wäre. Im Fall des Erkenntnisses vom 16.10.2003 hat nämlich der Unfallgegner erst kurz vor dem Zusammenstoß verbotswidrig vom linken Fahrstreifen auf die Busspur gewechselt. Es war daher fraglich, ob der Unfallgegner zu dem Zeitpunkt, als sich die beschuldigte Linksabbiegerin vergewissern musste, ob Gegenverkehr kommt, bereits erkennbar gewesen wäre. Vorliegend hat der Unfallgegner jedoch keinesfalls eine Fahrlinie gewählt, mit der die Beschuldigte nicht rechnen musste. Dieser ist ca 50 m vor der Unfallstelle auf die Busspur eingebogen und wäre bei gehöriger Aufmerksamkeit (angesichts einer Geschwindigkeit von etwa 30 bis 40 km/h) rechtzeitig (dh zumindest aus einer Entfernung von 25 bis 30 m) zu erkennen gewesen.

 

Damit war die angelastete Verwaltungsübertretung als erwiesen anzusehen. An Verschulden war Fahrlässigkeit anzulasten.

 

Was die geforderte Zeit-Weg-Berechnung betrifft, ist festzuhalten, dass diese nur so weit durchzuführen ist, als es zur Beurteilung des Tatbildes (nämlich einer Nötigung des Bevorrangten zum unvermittelten Abbremsen oder Ablenken seines Fahrzeuges) bzw der Erkennbarkeit des Benachrangten bei gehöriger Aufmerksamkeit erforderlich ist. Beide Umstände sind nach dem Ermittlungsergebnis als erwiesen anzusehen.

 

Zur Strafhöhe:

 

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nach Abs 2 dieser Norm sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und ist auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden und die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Wegen der angelasteten Verwaltungsübertretung kann gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO Geldstrafe bis zu ? 726, im Fall der Uneinbringlichkeit Arrest bis zu zwei Wochen, verhängt werden. Über die Beschuldigte wurde sohin eine Geldstrafe im unteren Viertel des gesetzlichen Strafrahmens verhängt. Sie entspricht dem erheblichen Unrechtsgehalt der Tat. Vorrangverletzungen sind gravierende Übertretungen der StVO, weil es sich um zentrale Bestimmungen zur sicheren Abwicklung des Verkehrs an Kreuzungen handelt.

Zu berücksichtigen war vorliegend, dass die Tat einen Verkehrsunfall mit Sach- und Personenschaden zur Folge hatte. Die Rechtswohltat des § 99 Abs 6 lit a StVO ist der Beschuldigten deshalb nicht zugute gekommen.

 

Strafmildernd war die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit; straferschwerende Umstände sind nicht hervorgekommen.

 

Bezüglich der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Beschuldigten (monatliches Nettoeinkommen ? 1.236; kein Vermögen; keine Sorgepflichten) haben sich in etwa durchschnittliche Umstände ergeben.

Eine Strafe in der genannten Höhe war insbesondere auch aus Gründen der General- und Spezialprävention geboten. Der Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens war gemäß § 64 Abs 2 VStG mit 20% der verhängten Geldstrafe zu bemessen.

Schlagworte
Vorrang, verbotswidriges Befahren der Busspur, Linksabbiegevorgang, benachrangter Lenker, ausreichende Sicht, zentimeterweises Vortasten, Vorrangverletzung, gehörige Aufmerksamkeit
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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