Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alexander Hohenhorst über die Berufung von Herrn S. H., XY-Straße 2, K., vom 28.03.2008 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 25.03.2008, Zahl KS-1880-2008, betreffend Übertretung des Immissionsschutzgesetzes-Luft wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 20 Prozent der verhängten Strafe, das sind Euro 60,00, zu bezahlen.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 08.02.2008 um 21:21 Uhr auf der Inntalautobahn A12, km 28,31, Gemeinde Radfeld, Fahrtrichtung Kufstein als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges mit den Kennzeichen XY (Sattelzugfahrzeug) und XY (Sattelanhänger), bei dem die höchste zulässige Gesamtmaße des Sattelkraftfahrzeuges mehr als 7,5 t beträgt, die Bestimmungen des § 3 Abs 1 lit b der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 24.11.2006, LGBl 91/2006, missachtet, da in der Zeit zwischen 01. November eines jeden Jahres und 30. April des Folgejahres an Werktagen von 20:00 Uhr bis 05:00 Uhr, sowie an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von 23:00 bis 05:00 Uhr, auf der A12 Inntalautobahn zwischen Straßenkilometer 6,350 im Gemeindegebiet von Kufstein und Straßenkilometer 90,0 im Gemeindegebiet von Zirl, das Fahren mit Lastkraftwagen oder Sattelkraftfahrzeugen mit einer höchsten zulässigen Gesamtmasse von mehr als 7,5 t und Lastkraftwagen mit Anhängern, bei denen die höchste zulässige Gesamtmasse des Lastkraftwagens oder die höchste zulässige Gesamtmasse des Anhängers mehr als 7,5 t beträgt, verboten ist. Die Fahrt fiel nicht unter die Ausnahmebestimmungen der zitierten Verordnung und der Beschuldigte war auch nicht im Besitz in einer Ausnahmegenehmigung. Er habe damit gegen § 3 Abs 1 lit b der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 24.11.2006, LGBl 91/2006, verstoßen, weshalb gemäß § 30 Abs 1 Z 4 IG-L über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 300,00 (im Uneinbringlichkeitsfall 72 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Seine Beitragspflicht zu den Kosten des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahrens wurde mit Euro 30,00 bestimmt.
Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Berufung, in der Herr H. vorbringt, dass seine Mutter zu diesem Zeitpunkt schwer krank und in lebensbedrohendem Zustand im Krankenhaus in B., Bosnien, gelegen sei. Er habe am Freitag Abend noch nach Wörgl fahren und das Sattelkraftfahrzeug zur Firma B. bringen müssen, da sein Bruder in Kufstein auf ihn gewartet habe, um so schnell wie möglich zur Mutter nach Bosnien zu fahren. Am Samstag, den 09.02.2008, seien sie bereits um 06.00 Uhr weggefahren. Seine Mutter habe eine Gehirnblutung erlitten gehabt; es gehe ihr inzwischen besser und sie konnte nach einer Woche das Krankenhaus wieder verlassen.
Mit Schreiben des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 15.04.2008 wurde Herr H. unter konkreter Fragestellung zur Bekanntgabe und Bescheinigung seiner Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse aufgefordert. Weiters wurde ihm mitgeteilt, dass die Möglichkeit besteht, die Aufnahme weiterer Beweise zu beantragen und auf die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, zu der er persönlich geladen würde, zu verzichten.
Darauf antwortete Herr H. mit dem am 24.04.2008 eingegangenen Schreiben, dass er von Beruf Kraftfahrer ist und ein monatliches Nettoeinkommen von ca Euro 2.500,00 bezieht. Er hätte Sorgepflichten für ca 15 Personen, die sich alle in Bosnien befinden und aus seiner Familie, der Familie seiner Frau, seiner Schwester und deren Familie sich zusammensetzten. Vermögen habe er keines, er besitze einen 8 Jahre alten Skoda Octavia. Schulden sind keine vorhanden.
Die Berufungsbehörde hat hiezu wie folgt erwogen:
Nach § 6 VStG ist die Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt, oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist. Unter ?Notstand? kann nur ein Fall der Kollision von Rechten und Pflichten verstanden werden, indem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine andere, im allgemeinen strafbare Handlung begeht; es muss sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln. Dies trifft aber selbst bei der Annahme einer wirtschaftlichen Schädigung, sofern sie die Lebensmöglichkeit selbst nicht unmittelbar bedroht, nicht zu. Ein solcher Fall war durch den Umstand, dass die Mutter des Berufungswerbers in Bosnien eine Gehirnblutung erlitten hatte und sich in kritischem Zustand befand, nicht gegeben. Der Gesundheitszustand der Mutter konnte durch die Fahrt nach Bosnien am Folgetag um 06.00 in der Früh nicht beeinflusst werden. Auch hätte immer noch die Möglichkeit bestanden, am 09. Feber um 05.00 Uhr die Fahrt durch das Sanierungsgebiet durchzuführen und das Sattelkraftfahrzeug bei der Firma B. in Wörgl zurückzustellen. Dann hätte sich bezüglich des geplanten Abfahrtstermins am 09.02. in der Früh maximal eine geringfügige Verschiebung ergeben, die bei der langen Strecke bis nach B. nicht mehr ins Gewicht gefallen wäre. Es bestand deshalb für Herrn H. nicht der geringste Zwang, unter Missachtung des Fahrverbotes in das Sanierungsgebiet einzufahren.
Es wäre ihm daher zumutbar gewesen, das Nachtfahrverbot abzuwarten, ohne dass er dadurch eine andere Pflicht verletzt und sich dabei eine wirtschaftliche Schädigung zugezogen hätte, die die Lebensmöglichkeit selbst unmittelbar bedroht hätte. Im Straßenverkehr selbst muss immer die Möglichkeit von Behinderungen und Verspätungen einkalkuliert werden, die vom Lenker nicht beeinflusst werden können und entsprechend disponiert werden.
Gemäß § 5 Abs 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Bei der hier zur Anwendung gebrachten Vorschrift ist dies der Fall; somit ist der Schuldspruch gegen den Rechtsmittelwerber zu Recht ergangen.
Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Aufgrund der großen Umweltbelastung im Unterinntal durch den Schwerverkehr ist eine Einhaltung des Nachfahrverbotes für die Gesundheit der dort lebenden Bevölkerung von großer Bedeutung; die nachteiligen Folgen einer derartigen Übertretung sind somit erheblich.
Bezüglich seiner Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse hat Herr Harbas seine Angaben nicht durch irgendwelche Unterlagen belegt. Er gibt Sorgepflichten für ca 15 Personen in Bosnien an. Dabei handelt es sich um Verwandte und Verschwägerte, die offensichtlich von ihm Geldzuwendungen erhalten. Dabei handelt es sich jedoch um keine gesetzlichen Sorgfaltspflichten, die bei der Strafbemessung Berücksichtung finden könnten. Er führt nicht an, welche Personen er unter seiner Familie versteht; erwähnt wird seine Ehefrau, bei der jedoch nicht angegeben wird, ob diese über ein eigenes Einkommen verfügt. Aufgrund dieser so allgemein gehaltenen und nicht belegten Angaben können daraus keine Gründe für eine Strafmilderung abgeleitet werden.
§ 30 Abs 1 Z 4 IG-L sieht für gegenständliche Übertretung einen Strafrahmen bis zu Euro 2.180,00 vor. Die Erstbehörde hat im gegenständlichen Fall diesen Strafrahmen zu 13,76 Prozent ausgeschöpft. Damit wurde die bisherige Unbescholtenheit ausreichend gewürdigt. Aus spezial- und generalpräventiven Gründen ist die von der Erstbehörde verhängte Strafhöhe als schuld- und tatangemessen zu bezeichnen, weshalb die Berufung als unbegründet abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die bezogene Gesetzesstelle.