TE UVS Tirol 2008/05/27 2008/22/1070-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.05.2008
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Franz Triendl über die Berufungen

1.

der Frau M. J. und des Herrn E. K., beide XY-Weg 6, L.,

2.

des Herrn A. B., XY-Weg 24, NL-BG S.,

3.

der Frau M. J. und des Herrn F. J., beide XY-Weg 3, L., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 29.01.2008, Zl 2.1-1694/00(VI)-18 betreffend die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung gemäß §§ 81 ff Gewerbeordnung 1994 für diverse Änderungen am  Hotel ?G.? XY-Weg 2, L., auf Gp XY KG L. wie folgt:

I.

Den Berufungen  der Frau M. J., des Herrn E. K. und des Herrn A. B. wird gemäß § 66 Abs 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Bezirkshauptmannschaft Landeck zurückverwiesen.

 

II.

Die Berufungen der Frau M. J. und des Herrn F. J. werden gemäß § 66 Abs 4 AVG mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen.

Text

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 29.01.2008, Zl 2.1-1694/00(VI)-18 wurde der Antragstellerin die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung gemäß §§ 81 ff Gewerbeordnung 1994 diverse Änderungen (Verlegung Heinzraum, Ausführung einer Badeanlage, Bettentrakt) am  Hotel ?G.? XY-Weg 2, L., auf Gp XY KG L. erteilt. Eine detaillierte Beschreibung findet sich im angefochtenen Bescheid unter der Rubrik ?Beschreibung der Betriebsanlagenänderungen?. Im gegebenen Zusammenhang ist vor allem die Heizungsanlage von Belang. Dazu finden sich im angefochtenen Bescheid unter ?Technische Anlagenteile?, ?Heizungsanlage? folgende Ausführungen:

 

?Heizungsanlage:

Die Beheizung des gesamten Betriebsgebäudes erfolgt mit zwei Heizkesseln der Type Viessmann Vitoplex mit einer Nennleistung von 350 kW und 270 kW (Gesamtleistung 620 kW). Die beiden Heizkessel wurden im neuen Heizraum im Kellergeschoß aufgestellt. Beide Kessel werden mit einem 2-stufigen Brenner der Type Heizbösch versorgt. Der Heizraum wird natürlich über einen Lichtschacht be- und entlüftet. Die Heizungsanlage wird mit beiden Heizkesseln und Brennern nur auf der Stufe 1 betrieben. Nur beim Auftreten einer Außentemperatur von minus 16 C und darunter wird die Stufe 2 dazugeschaltet, um ein Abfrieren der Leitungsanlagen zu verhindern.

 

Die Heizöllagerung erfolgt nunmehr in einem doppelwandigen unterirdisch verlegten Lagerbehälter mit einem Fassungsvermögen von 30.000 Litern. Als Brennstoff wird Heizöl extra leicht verwendet. Der Lagerbehälter wurde an der Nordostseite des Betriebgrundstückes verlegt. Die Befüllung des Lagerbehälters erfolgt in einem flüssigkeitsdichten, aufgeschweißten Domschacht. Sämtliche unterirdisch verlegten, produktführenden Leitungen werden in einem Überschubrohr geführt.

 

Gegen Überfüllung wird ein Grenzwertgeber eingebaut. Beide Heizkessel wurden an zwei massiv ausgeführte Kamine an der Nordostseite des Zubaues angeschlossen. Im Projekt ist vorgesehen, die beiden Kamine nach Aufbau des Dachgeschoßes (Suite) auf eine Höhe von mindestens 1,0 m über Attika dieses Dachgeschoßes bzw. der Decke des Liftgeschoßes hochzuziehen. Dies entspricht einer absoluten Seehöhe von 1213 m. Derzeit befindet sich der Kamin bzw dessen Ende auf 1209 m Seehöhe.?

 

Die Nachbarn M. J., des E. K. haben in ihrer mit 26.03.2008 datierten Berufung vorgebracht wie folgt:

?Der gegenständliche Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 13.03.2008, zu den Zahlen 2.1-1694/00(VII)-16 und 2.1-1694/00(VI)-20, wird zur Gänze aus den Berufungsgründen der wesentlichen Verfahrensmängel und unrichtige bzw mangelhafte Tatsachenfeststellungen, sowie unrichtige rechtliche Beurteilung angefochten.

 

1) In gegenständlicher Rechtssache ist uns aufgrund rechtzeitiger Einbringung von konkreten Einwendungen Parteistellung im Verfahren zuerkannt worden (vgl Bescheid Seite 7, Begründung Absatz 2). Durch die AVG-Novelle 2004 steht uns somit das Recht zur vollen Berufung zu (vgl Hengstschläger, Verwaltungsverfahrenrecht, 3. Auflage RdZ 330).

 

2) Mit gegenständlichem Bescheid wird der Antragstellerin die Erweiterung ihres Hotelpensionsbetriebes in L. durch weitere bauliche Maßnahmen genehmigt. Ein Teil dieser baulichen Erweiterungen betrifft die Heizungsanlage. Konkret wurden zwei Heizkessel der Type Viessmann Vitoplex mit Nennleistung 350 kW und 270 kW (Gesamtleistung 620 kW) in einem neuen Heizraum im Kellergeschoß aufgestellt.

 

Beide Kessel werden mit 2-stufigen Brenner der Type Heizbösch versorgt. Der Heizraum wird natürlich über einen Lichtschacht be- und entlüftet. Die Heizungsanlage kann mit ihren beiden Heizkesseln und Brennern auf 2 verschiedenen Stufen betrieben werden. Laut Bescheid der erstinstanzlichen Behörde wird die Heizungsanlage nur auf Stufe 1 betrieben (vgl Bescheid Seite 3, dritter Absatz) und soll laut Auflage im Bescheid lediglich bei Auftreten einer Außentemperatur von minus 16 C und darunter die Stufe 2 dazu geschaltet werden.

 

Die erstinstanzliche Behörde lässt es offen, auf welche Verfahrensergebnisse die Feststellung, wonach die Heizungsanlage stets nur auf Stufe 1 betrieben wird, gestützt werden kann. Von uns wurde im Ermittlungsverfahren mehrmals vorgebracht, dass es für uns als unmittelbare Nachbarn zu deutlich bemerkbaren und extrem störenden Lärmbelästigungen im letzten halben Jahr gekommen ist (vgl dazu unser Schreiben vom 08.10.2007 und 06.01.2008, sowie mündliches Vorbringen in der Verhandlung vom 10.01.2008).

Aufgrund des eindeutigen Geräuschpegelanstiegs kann daher keinesfalls darauf geschlossen werden, dass die Heizungsanlage im vorgenannten Zeitraum stets auf der geringeren Belastungsstufe 1 betrieben wurde.

Vielmehr wurde von uns während der im Verfahren durchgeführten Messungen darauf hingewiesen, dass der Testbetrieb auf Stufe 2 während der Messung am 10.01.2008 auch tatsächlich dem von uns bemerkten Dauerbetrieb im letzten halben Jahr entspricht. Auch nach Bescheiderlassung ist von uns eine ähnliche Lärmbelästigung zu bemerken.

 

Die Erstbehörde hätte daher feststellen müssen, dass bislang die Heizungsanlage im Hotelbetrieb der Antragstellerin stets auf höherer Stufe 2 betrieben worden ist. Diese Feststellung wäre wesentlich für die Beurteilung der Immissionen gewesen, die für uns realistischer Weise künftig zu erwarten wären.

 

3) Im Spruch des gegenständlichen Bescheides wird nun unter Punkt 1. 1. eine Einschränkung des Betriebes der Heizungsanlage dahingehend vorgeschrieben, dass das Regelsystem der Heizungsanlage so zu programmieren wäre, dass Stufe 2 erst ab einer Außentemperatur von minus 16 C zugeschaltet werden kann. Ansonsten sollte die Anlage nur auf Stufe 1 geführt werden.

 

Den diesen Bescheid zugrunde liegenden Verfahrensergebnissen kann trotz Begutachtung durch den Sachverständigen nicht entnommen werden, ob aus technischer Sicht die Heizungsanlage bei durchgehender Programmierung auf Stufe 1 überhaupt vergleichbare Heizleistung erbringen kann oder ob damit nicht, bei realistischer Einschätzung, gravierende Einschränkungen für den Hotelbetrieb (dzt ca 86 Betten, Wasseraufbereitung, großzügige Wellnessanlage mit Hallenbad) der Antragstellerin verbunden wären. Ohne einer derartigen Beurteilung durch den Sachverständigen vorgreifen zu wollen, erscheint es äußerst unwahrscheinlich, dass eine solche Einschränkung des Heizungssystems, nämlich fast ausschließlicher Betrieb auf Stufe 1 der Heizungsanlage, von der Antragstellerin auch tatsächlich aus wirtschaftlicher bzw unternehmerischer Sicht durchgeführt werden kann.

 

Die erstinstanzliche Behörde hätte sohin die von ihr im Spruch vorgesehene Einschränkung der Benützung der Heizungsanlage im abgeführten Ermittlungsverfahren auf ihre praktische Umsetzbarkeit und Durchführbarkeit von einem fachkundigen Sachverständigen beurteilen lassen müssen. Im Sinne des § 77 Abs 1 GewO sind Auflagen stets auf ihre Eignung und behördliche Erzwingbarkeit (damit auch verbunden die behördliche Überprüfbarkeit) zu überprüfen.

Hätte die Beurteilung durch den Sachverständigen ergeben, dass zur Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen nunmehr erweiterten Hotelbetriebes ein zumindest zeitweiliges Beheizen auf Stufe 2 notwendig wäre, hätte die Erstbehörde der Antragstellerin jedenfalls zusätzliche Auflagen zur Unterbindung der Emissionen auftragen oder die Erweiterung des Hotelbetriebes untersagen müssen. Die im Bescheid vorgesehene Auflage wäre in diesem Fall nicht geeignet. Auch die im Spruch des Bescheides unter Punkt 1. 3 vorgesehene Bestätigung ist im Sinne einer behördlichen Überprüfbarkeit der Auflage in jedem Fall nicht ausreichend, zumal dadurch kein gesicherter Beleg für die tatsächliche Umsetzung gegeben ist.

4) Nach gegenständlichem Bescheid soll der Antragstellerin ein Beheizen auf Stufe 2 ab einer Außentemperatur von minus 16°C und darunter möglich sein. Der Begründung des gegenständlichen Bescheides ist zu entnehmen, dass ein Betrieb auf Stufe 2 eine Überschreitung des Istzustandes von 10 dB bewirken würde. Laut medizinischem Sachverständigengutachten wäre bei einer derartigen Überschreitung eine Gesundheitsschädiqung nicht auszuschließen (vgl Bescheid Seite 10, Absatz 2). Im Sinne des § 74 iVm § 77 GewO ist bei voraussehbaren Gesundheitsgefährdungen eine Zumutbarkeit der Immissionen zu verneinen, bzw gegebenenfalls durch bestimmte und geeignete Auflagen absolut zu vermeiden. Die Gesundheit ist in Abwägung der Umstände jedenfalls als höherwertiges und ausschlaggebendes Gut anzusehen. Der Aufwand zur Erfüllung von Auflagen, die zum Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung ergriffen werden, kann daher niemals außer Verhältnis zu dem damit angestrengten Erfolg stehen. Betriebliche oder technische Nachteile des Betreibers einer gewerblichen Anlage können eine konkrete Gesundheitsgefährdung für Nachbarn niemals rechtfertigen. Dessen ungeachtet wurde auch von der Erstbehörde nicht festgestellt, wie häufig im Durchschnitt mit derartigen Minusaußentemperaturen und der damit verbundenen zusätzlichen Belastung für uns zu rechnen ist. Dazu wäre die Einholung eines meteorologischen Gutachtens notwendig gewesen, an Hand dessen die Häufigkeit derartiger Minustemperaturen verteilt auf das Jahr hätte beurteilt werden können. Aufbauend auf diesem Gutachten wäre eine ergänzende Beurteilung durch den medizinischen Sachverständigen über die tatsächliche Gesundheitsgefährdung notwendig gewesen. Eine abschließende, fundierte medizinische Beurteilung einer allfälligen Gesundheitsschädigung kann nur auf Grund der tatsächlich zu erwartenden Umstände und Belastungen getroffen werden.

5)

Zudem lässt das im Bescheid angeführte medizinische Gutachten nicht erkennen, weshalb bei Stufe 2 der Störlärm mit einem Zuschlag von 5 dB zu bewerten war (vgl Bescheid Seite 10, Absatz 1), ein derartiger Zuschlag bei der Messung beider Brenner auf Stufe 1 nicht hinzugerechnet wurde. Durch einen derartigen Zuschlag würde nämlich auch bei Betrieb beider Brenner auf Stufe 1 eine Erhöhung des Grundgeräuschpegels (gemessene 30 dB) von 10 dB vorliegen, die vom medizinischen Sachverständigen jedenfalls als unzumutbar beurteilt wurde.

6)

Der Entscheidung der erstinstanzlichen Behörde ist zu entnehmen, dass am 10.01.2008 eine Lärmmessung um 10.15 Uhr bis 11.00 Uhr vormittags bei Windstille vorgenommen wurde. Von uns wurde im Verfahren vorgebracht, dass eine Belastung speziell während der Nachtstunden extrem störend bemerkbar ist. Eine diesbezügliche überprüfende Messung während der Nacht bzw Abendstunden wurde nicht durchgeführt. Eine derartige Messung bei Nacht wäre jedoch unabdingbar und notwendig für die Beurteilung der Immissionen (auch bei Programmierung auf Stufe 1) gewesen. Ausgehend von einem zu erwartenden geringeren Grundgeräuschpegel während der Nachtstunden hätte sich damit auch eine neue Beurteilung der Änderung bzw Überschreitung des Grundgeräuschpegels durch den Betrieb der Heizungsanlage ergeben.

 

Nach Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Einschätzungen und Feststellungen der Immissionen stets von dem für den Nachbarn unqünstigsten Einfluss auszugehen und diesen der Abwägung hinsichtlich einer allfälligen Genehmigung zugrunde zu legen. Diesem Judikaturgrundsatz ist somit trotz eindeutiger Hinweise durch uns nicht entsprochen worden. Auch in diesem Punkt ist das abgeführte Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben.

7)

Abgesehen vom Zeitpunkt der Messung ist auch der Standort der Messung im Hinblick auf die vorgenannte Judikatur nicht einleuchtend und offensichtlich unzutreffend ausgewählt worden. Grundsätzlich ist nämlich bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Lärmbelästigung auf jenen der Lärmquelle am nächstliegenden Teil des Nachbargrundstückes, der die qrößtmöqliche Belästigung der Nachbarn erwarten lässt, abzustellen (vgl dazu ua VwGH am 20.07.2007 zu 2004/05/0248, bzw VwGH vom 19.03.2003 zu 99/04/0034). Am 10.01.2008 wurde eine Lärmmessung 4 unter dem Kaminauslass durchgeführt, wo hingegen sich unsere Schlafräume auf selber Höhe mit dem Kaminauslass befinden. Eine Messung bei diesem Standort hätte auf Grund der unmittelbaren Nähe zur Emissionsquelle zweifelsfrei zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich des Immissionspegels geführt. Auf diesen Umstand wurde von uns während der Verhandlung auch hingewiesen.

8)

In die Entscheidung der erstinstanzlichen Behörde ist weiters der Umstand nicht berücksichtigt worden, dass der Betrieb der Heizungsanlage mit einem ständigen Ein- und Ausschalten verbunden ist. Dieser Umstand ist speziell während der Nacht extrem nervenaufreibend. Hiezu wäre zusätzlich nach Messung bei Nacht eine Beurteilung des medizinischen Sachverständigen einzuholen gewesen. Auch hiezu blieb das Verfahren mangelhaft.

9)

Schließlich wäre zur Beurteilung der Zumutbarkeit zu berücksichtigen gewesen, dass es sich um einen Betrieb inmitten von Wohnhäusern handelt (vgl dazu Bescheid Seite 4, Umgebungsbeschreibung). Die Miteinbeziehung dieses Umstandes hätte jedenfalls bei der Zumutbarkeitsbeurteilung seinen Niederschlag finden müssen.

 

Im Ergebnis hätte die Erstbehörde im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu dem Schluss kommen müssen, das ein Betrieb der Heizungsanlage nach derzeitigem Stand der Dinge für uns nicht zumutbar ist.

Beweis: PV

ergänzendes gewerbetechnisches Gutachten, Lärmmessung bei Nacht ergänzendes medizinisches Gutachten Einholung eines meteorologischen Gutachtens weitere Beweise vorbehalten.

10) Wir haben darüber hinaus in der Verhandlung vom 10.01.2008 Einwendungen gegen die Aufzugsanlage wegen ebenfalls unzumutbarer Lärmbelästigung eingebracht. Mit Benachrichtigung der erstinstanzlichen Behörde vom 07.03.2008 wurde uns dazu mitgeteilt, dass zur Beurteilung der Frage, inwiefern eine Belästigung und Emission durch die Aufzugsanlage für uns gegeben ist, ein weiteres gewebetechnisches Gutachten notwendig wäre.

 

Über das Ergebnis dieses Gutachtes wurden wir trotz konkreter eigener Einwendungen zu keiner Zeit in Kenntnis gesetzt. Erst durch die Zustellung des Bescheides haben wir erfahren, dass ein solches Gutachten anscheinend am 12.03.2008 erstattet wurde. Mit dieser Vorgangsweise der Erstbehörde ist uns trotz Parteistellung und begründeter rechtlicher Interessen ein Äußerungsrecht dazu vorenthalten worden.

 

Im Sinne des § 43 Abs 4 AVG hätten wir zur Wahrung unseres Parteiengehörs vor Entscheidungsfindung notwendiger Weise von weiteren Verfahrensergebnissen benachrichtigt werden müssen, dies unter gleichzeitiger Einräumung einer Stellungnahme zu diesen Verfahrensergebnissen. Dies ist jedoch nicht erfolgt. und Durch diese Vorgangsweise hat die erstinstanzliche Behörde gegen wesentliche Verfahrensgrundsätze verstoßen. Auch auf Grund dieses Umstandes ist eine abschließende Beurteilung durch die erstinstanzliche Behörde nicht möglich gewesen.

Beweis: PV

Lokalaugenschein

weitere Beweise vorbehalten

 

11) Die von uns eingewendete Lärmbelastung besteht im Wesentlichen nach wie vor unverändert und für uns in einem unzumutbaren Ausmaß. Es kann daher aufgrund des obigen Vorbringens im konkreten Fall eine Gesundheitsgefährdung auch bei Einhaltung der Auflagen nicht ausgeschlossen werden. Daher beantragen wir auch dem gegenständlichen Bescheid unter Zugrundelegung der Entscheidung des VfGH vom 01.03.2002 zu G319/01 zu § 78 GewO aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und der Antragstellerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung die Inbetriebnahme und Durchführung der bis zum gegenständlichen Bescheid ohne Genehmigung durchgeführten baulichen Änderungen an der gewerblichen Anlage der Hotelpension ?G.? in L. zu untersagen.

Beweis: wie bisher

 

Es wird daher gestellt der Antrag

der gegenständlichen Berufung Folge zu geben,

den Bescheid der erstinstanzlichen Behörde ersatzlos aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin abzuweisen, in eventu den Bescheid aufzuheben, eine mündliche (Lokalaugenscheins-)Verhandlung anzuberaumen, die beantragten Beweise aufzunehmen und in der Angelegenheit selbst zu entscheiden, in eventu die Rechtssache zur ergänzenden und neuerlichen Verfahrensdurchführung der erstinstanzlichen Behörde zurück zu verweisen, jedenfalls der Berufung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und der Antragstellerin die Inbetriebnahme und Durchführung der mit gegenständlichem Bescheid genehmigten baulichen Änderungen an der gewerblichen Anlage der Hotelpension ?G.? in L. zu untersagen.?

 

Der Nachbar A. B. bringt in Zusammenhang mit der Lüftungsanlage eine unzumutbare Lärmbelästigung vor.

 

?Wir haben folgendes zu bemerken. Wir haben Lärmbelästigungen seit Oktober 2007, was betrifft den Heizungskamin bzw Lüftungsschacht des Neubaues L. GmbH. Auch der Brunnen ist ziemlich laut in diesem Bereich. Deswegen bitten wir dieses zu behandeln bei der gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung am 10.1.2008.?

 

Die Nachbarn F. und M. J. bringen in der mit 26.03.2008 datierten und im Betreff mit ?Berufung? bezeichneten Eingabe vor wie folgt:

 

?Mit Schreiben vom 08.01.2008 ersuchten wir die Gewerbebehörde, den von der neu installierten Lüftungsanlage (Zubau G., Umbau Speisesaal) ausgehenden Lärm im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren zu überprüfen und entsprechende Maßnahmen zu setzen.

 

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 13.03.2008, Zahl 2.1-1694/00(VII)-16 und 2.1-1694/00(VI)-20, wurde der L. GesmbH, Hotel Pension G. die gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung für verschiedene Änderungen (Verlegung Heizraum, Ausführung Badeanlage und andere) erteilt. In diesem Bescheid wurde der L. GesmbH, Hotel Pension G., vorgeschrieben, die Lüftungsanlage ab 22:00 Uhr nur mehr auf Stufe 1 zu betreiben.

 

Am 16.01.2008 wurde vom Amtssachverständigen Herrn Ing. V. K. eine Lärmmessung der neu installierten Lüftungsanlage vorgenommen. Bei dieser Messung wurde festgestellt, dass das Störgeräusch am Messpunkt deutlich wahrnehmbar ist und ca 10 dB über dem gemessenen Umgebungsgeräuschpegel liegt. Im Bescheid wird bezüglich der Messung angeführt, dass bei Betrieb der Lüftungsanlage auf Stufe 1 das Störgeräusch am Messpunkt gerade noch wahrnehmbar ist.

 

Hierzu möchten wir Folgendes anmerken:

Die Stufe 1 konnte an diesem Tag nicht gemessen werden. Der von der Lüftungsanlage ausgehende Lärm stellt für uns und unsere Gäste auch tagsüber beim Aufenthalt im Freien (Terrasse, Balkon) eine unzumutbare Lärmbelästigung dar.

 

Wir bitten daher um Durchführung entsprechender Schallschutzmaßnahmen, sodass die ausgehende Lärmimmission von der Lüftungsanlage zu jeder Tageszeit für uns und unsere Gäste auf ein zumutbares Ausmaß reduziert wird.?

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat wie folgt erwogen:

Aufgrund der seitens der Nachbarn M. J., E. K. und A. B. in Bezug auf die Heizungsanlage erhobenen Bedenken richtete die Berufungsbehörde folgendes, mit 16.04.2008 datiertes Schreiben an den gewerbetechnischen Amtssachverständigen der Abteilung Emissionen, Sicherheitstechnik, Anlagen des Amtes der Tiroler Landesregierung:

 

?Sehr geehrter Herr Ing. K.,

bezugnehmend auf die Besprechung vom 16.04.2008 beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol darf folgendes Ersuchen gestellt werden:

 

1. Überprüfung der gewerbetechnischen Beurteilung im erstinstanzlichen Verfahren im Hinblick auf die Berufungspunkte 5, 6, 7 und 8 auf Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit.

 

2. Aufarbeitung jener Daten, die für eine amtsärztliche Aussage im Sinne des § 78 Abs 1 letzter Satz GewO 1994 (?ist im gegenständlichen Fall trotz Einhaltung der Auflagen im angefochtenen Bescheid mit einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der Nachbarn zu rechnen??).

 

Nach Fertigstellung dieser Stellungnahme ergeht das höfliche Ersuchen, den Gegenstandsakt an den Amtsarzt Dr. K.-H. F., Landessanitätsdirektion im Hinblick auf den Antrag der Nachbarn nach § 78 Abs 1 letzter Satz GewO 1994  mit der Fragestellung  weiterzuleiten, ob im gegenständlichen Fall trotz Einhaltung der Auflagen im angefochtenen Bescheid und bei projektgemäßem Betrieb eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der Nachbarn (die Beurteilung einer allfälligen Belästigung kann ausgeklammert bleiben) zu erwarten ist.

 

Im Hinblick auf den Antrag nach § 78 Abs 1 letzter Satz GewO 1994 darf um vordingliche Bearbeitung ersucht werden.?

 

Die diesbezügliche, mit 29.04.2008 datierte gewerbetechnische Stellungnahme des Amtssachverständigen Ing. M. K. lautet wie folgt:

 

?Mit Schreiben vom 16.04.2008, Zl uvs-2008/22/1070-3, wurde gebeten, die gewerbetechnische Beurteilung im erstinstanzlichen Verfahren im Hinblick auf die Berufungspunkte 5, 6, 7 und 8 auf Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit zu prüfen und die Daten, die für eine amtsärztliche Aussage im Sinne des § 78 Abs 1 letzter Satz GewO 1994 notwendig sind, aufzubereiten.

 

Die nachfolgende Stellungnahme basiert auf dem gewerbebehördlichen Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 13.03.2008, Zl 2.1-1694/00(VII)-16 und 2.1-1694/00(VI)-20.

 

Im Zuge der mündlichen Verhandlung am 10.01.2008 erstattete der gewerbetechnische Amtssachverständige ein schalltechnisches Gutachten. Dieses Gutachten basiert auf Schallmessungen im Zuge der Verhandlung. Diese Schallmessungen wurden in der Zeit zwischen 10:15 Uhr und 11:00 Uhr durchgeführt. Die Durchsicht dieses Gutachtens hat ergeben, dass dem Stand der Technik entsprechende Normen zur Messung (ÖNORM S 5004) und zur Beurteilung von Schallimmissionen (ÖAL-Richtlinie 3/2006) nicht angeführt und offensichtlich auch nicht berücksichtigt wurden. Dies äußerst sich beispielsweise in der Angabe des Umgebungsgeräuschpegels. Diesbezüglich findet sich im Gutachten lediglich ein Basispegel, der beurteilungsrelevante Beurteilungspegel der ortsüblichen Schallimmission repräsentative Quellen (Lr0) wurde messtechnisch erhoben bzw nicht angegeben. In der Folge sind widersprüchliche Aussagen enthalten, wie beispielsweise die Beschreibung des spezifischen Geräusches der Kaminanlage als ?breitbandiges, tonales Geräusch?. Ein Geräusch, das breitbandig ist, kann per Definition nicht gleichzeitig tonal sein. Angaben über die Tonhaltigkeit des Störgeräusches bzw des Beurteilungspegels spezifischer Schallimmissionen (Lr spez), insbesonders ob das Terzbandkriterium gemäß ÖNORM S 5004 erfüllt ist, sind nicht enthalten.

Bezüglich der Messung im Kinderzimmer im 1. Obergeschoß wurde in der Verhandlungsschrift festgehalten, dass ein tonales Rauschen der Heizungsanlage deutlich wahrnehmbar war, der Störpegel jedoch nicht gemessen werden konnte.

Sollte für eine medizinische Beurteilung der Pegel im Raum notwendig sein, so müsste durch eine spezielle Messausrüstung, wie beispielsweise die Verwendung eines Low-Noise-Mikrofons, eine Messung vorgenommen werden. In diesem Zusammenhang wird auf die Frequenzabhängigkeit des Schalldämmmaßes von Fenstern hingewiesen, wodurch tieffrequente Geräusche im Raum stärker hervortreten als hochfrequente und sich dadurch deutlicher vom Umgebungsgeräusch abheben können.

 

Weiters wird angemerkt, dass die Störgeräuschpegel gemessen wurden, obwohl die Heizungsanlage noch nicht fertig gestellt ist. Durch die geplante Erhöhung des Kamins wird tendenziell eine Verringerung der Schallpegelimmissionen erwartet. Die Schallpegelimmissionen wurden für 4 Lastfälle der vorhandenen Brenner der Heizungsanlage ermittelt. In der Folge wurden dem Störgeräusch (Beurteilungspegel der spezifischen Schallimmission) Anpassungswerte nur teilweise hinzugerechnet. Dazu wird festgestellt, dass im Zuge einer individuellen Beurteilung durchaus zulässig ist, Anpassungswerte an Hand der tatsächlich vorhandenen Geräuschcharakteristik zu vergeben. Nachvollziehbar ist dies jedoch nur dann, wenn die Geräuschcharakteristik für die jeweilige Geräuschart schalltechnisch erhoben und beurteilt wird (siehe oben).

 

Zu den einzelnen Punkten der Berufungswerber kann Folgendes festgestellt werden:

Zu 6):

Auf Grund der einschlägigen technischen Regelwerke ist jener Zeitraum der Beurteilung zu Grunde zu legen, in dem die stärkste Anhebung bzw Veränderung der Ist-Situation erwartet wird. Auf Grund der in der Nacht bekanntermaßen ruhigeren Umgebungsgeräuschsituation wäre daher die Ist-Situation in diesem Zeitraum zu ermitteln. Dabei ist nach Vorgabe der Behörde zu berücksichtigen, dass Anlagenteile, die bereits genehmigt, wenn auch nicht betrieben sind, der Ist-Situation hinzuzurechnen sind.

 

Zu 5):

Sofern Anpassungswerte im Zuge einer individuellen medizinischen Beurteilung nicht generell, sondern abgestimmt auf das jeweilige Geräusch vergeben werden, sind die Geräuschcharakteristika dieser Geräusche messtechnisch zu ermitteln und/oder zu beschreiben. Im vorliegenden Fall ist nicht nachvollziehbar angegeben, warum Anpassungswerte nur teilweise berücksichtigt wurden.

 

Zu 7):

Die Messung hat an jenem Ort stattzufinden, an dem die größte Veränderung (Anhebung) der akustischen Ist-Situation durch das spezifische Geräusch erwartet wird. Nachdem die Heizungsanlage am Tag der Messung noch nicht fertig gestellt war, konnte dieser Ort messtechnisch nicht festgestellt werden. Dazu hätte es einer detaillierten Berechnung bedurft. Sofern die Anlage fertig gestellt ist, kann auch durch eine Messung der ungünstigste Teil des Nachbargrundstücks zur Beurteilung ermittelt werden.

 

Zu 8):

Dieser Punkt betrifft ausschließlich den medizinischen Sachverständigen.

Daten zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung des Lebens oder Gesundheit der Nachbarn:

 

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde als Störpegel beim Maximalbetrieb beider Brenner am Immissionspunkt ein Wert von 37 dB gemessen. Unter der Annahme, dass das Störgeräusch andauernd einwirkt, ergibt sich unter Berücksichtigung eines Anpassungswerts von plus 5 dB gemäß ÖAL-Richtlinie Nr 3/2008 ein Beurteilungspegel des spezifischen Geräusches von 42 dB. Sollte das Terzbandkriterium der ÖNORM S 5004 erfüllt sein, so ergäbe sich auf Grund Tonhaltigkeit ein Beurteilungspegel des spezifischen Geräusches von 43 dB. In der Folge soll in einer Abschätzung noch berücksichtigt werden, welche Immissionspegel sich in den Schlafräumen auf Höhe der Kaminöffnung im Gegensatz zum Messpunkt, der nach Angaben der Nachbarschaft rd 4 m unter der Kaminmündung lag, ergibt. Zu diesem Zweck wird der Fachartikel ?Modellierung von Kaminen und akustisch teildurchlässigen Anlagen? (Zeitschrift für Lärmbekämpfung, Ausgabe 4/2002) herangezogen. Entsprechend den dortigen Ausführungen beträgt die Differenz zwischen der Kaminhöhe und einer um ca 10 nach unten geneigten Ebene (Abstand 20 m, Höhendifferenz 4 m) 1 bis 5 dB. Diese erhebliche Streuung führt dazu, dass ohne genaue Kenntnis der Situation vor Ort eine Abschätzung der Schallimmissionen auf einen anderen Immissionspunkt nur im Sinne einer Worst-case-Betrachtung möglich ist. Die reale Immission müsste am jeweiligen Immissionsort gemessen werden. Unter Berücksichtigung dieser Worst-case-Situation ergäben sich bei der Nachbarschaft K./J. maximale Beurteilungspegel der spezifischen Schallimmission von 43 bis 48 dB auf Höhe der Kaminöffnung.?

 

Aufbauend auf diese gutachterliche Stellungnahme erstellte der medizinische Sachverständige der Landessanitätsdirektion OR Dr. K. H. F. folgende gutachterliche medizinische Stellungnahme:

 

?Fragestellung:

Im Auftrag des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol soll aus medizinischer Sicht dazu Stellung genommen werden, ob nach § 78 Abs 1 letzter Satz GWO 1994 trotz Einhaltung der Auflagen im angefochtenen Bescheid und bei projektgemäßem Betrieb der antragsgegenständlichen Anlage eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der Nachbarn zu erwarten ist.

Befund:

Antragsgegenstand ist die Durchführung verschiedener Änderungen bei der Hotelpension ?G.? in L. Im Zuge einer mündlichen Verhandlung wurden Lärmmessungen der Immissionen der Heizungsanlage bei verschiedenen Betriebszuständen durchgeführt. Dabei wurde für den Betrieb der beiden Brenner auf Stufe 1 am Messpunkt ein Immissionspegel von 35 dB gemessen, beim Betrieb beider Brenner auf Stufe 2 ein Pegel von 37 dB. Unter Berücksichtigung der medizinischen Beurteilung wurde mit Bescheid vom 13.03.2008 die gewerbebehördliche Genehmigung erteilt, wobei ua die Auflage formuliert wurde, dass das Regelsystem der Heizungsanlage so zu programmieren ist, dass die Stufe 2 erst ab einer Außentemperatur von minus 16 Grad C zugeschaltet werden kann.

Laut gewerbetechnischer Stellungnahme des Ing. M. K., Abteilung ESA vom 29.04.2008 wurden die Lärmmessungen im erstinstanzlichen Verfahren offensichtlich nicht nach dem Stand der Technik durchgeführt. Da die Störgeräuschepegel zu einem Zeitpunkt gemessen wurden, zudem die Heizungsanlage noch nicht fertig gestellt war, Anpassungswerte nur teilweise hinzugerechnet und die Messungen offensichtlich nicht im ungünstigsten Bereich des Nachbargrundstückes erfolgten, ist das Ausmaß der beim ungünstigst gelegenen Nachbarn zu erwartenden Lärmbelastung nur mit größeren Unsicherheiten abzuschätzen. Um im Interesse eines größtmöglichen Nachbarschutzes diese Unsicherheiten zu berücksichtigen wurde durch Ing. K. ein worst case-Szenario, ausgehend vom Maximalbetrieb beider Brenner modelliert, wodurch sich maximale Beurteilungspegel von 43 bis 48 dB der spezifischen Schallimmission bei den am stärksten betroffenen Nachbarn auf Höhe der Kaminöffnung ergeben.

Die oben genannte Auflage im angefochtenen Bescheid soll sicherstellen, dass der Maximalbetrieb der Brenner nur bei Außentemperaturen von minus 16 Grad C oder darunter ermöglicht wird. Bei Betrieb beider Brenner auf Stufe 1 wurden um 2 dB niedrigere Immissionspegel gemessen als bei Maximalbetrieb. Die im schlechtesten Fall auftretenden Immissionspegel von 43 bis 48 dB bei Maximalbetrieb entsprechen somit einem maximalen Immissionspegel von 41 bis 46 dB bei Betrieb der Brenner auf Stufe 1.

Medizinische Lärmwirkungen:

Lärm, definiert als unerwünschter oder schädlicher Schall, ist in der Lage, abhängig von der Höhe der Schallpegel, negative Wirkungen auf den menschlichen Organismus hervorzurufen. Diese Wirkungen werden in aurale, das Ohr betreffende und extraaurale, jenseits des Hörorganes auftretende Wirkungen unterteilt.

Aurale Wirkungen im Sinne einer Schädigung des Hörorgans mit nachfolgenden Funktionsstörungen (Schwerhörigkeit) treten etwa ab dauerhaften (24-stündigen) Lärmbelastungen von 70 bis 75 dB auf und spielen in der Regel in gewerberechtlichen Verfahren keine Rolle.

Extraaurale Lärmwirkungen entstehen durch eine Erregung des vegetativen Nervensystems und nachfolgenden Stoffwechselverschiebungen, wie etwa Freisetzung von ?Stresshormonen?, Steigerung von Herzfrequenz, Blutdruck und Atemfrequenz, Erhöhung der Muskelspannung und Verringerung der peripheren Durchblutung. Diese Veränderungen sind Ausdruck eines erhöhten Aktivitätsniveaus des Organismus, ausgelöst durch Lärm als unspezifischer Stressfaktor. Lärm kann somit stressbedingte Erkrankungen fördern, wobei die negativen Auswirkungen auf das Herzkreislaufsystem am besten erforscht sind. Eine Erhöhung des Herzinfarktrisikos bei langjährigen Belastungen mit äquivalenten Dauerschallpegeln oberhalb von 65 dB untertags wird angenommen, weshalb in Allgemeinen dieser Wert (Laeq 65 dB) als Grenzwert zur Vermeidung von Gesundheitsstörungen angesehen wird. Auf Grund einer nachgewiesenermaßen erhöhten Empfindlichkeit des vegetativen Nervensystems in den Nachtstunden wird der Grenzwert für die Nacht um 10 dB niedriger angesetzt.

Gerade bei nächtlichen Lärmstörungen ist jedoch insbesondere die Beeinflussung des Schlafes durch Schallimmissionen bedeutsam. So kann Lärm oberhalb bestimmter Schallpegel Veränderungen des Schlafablaufes bewirken mit Störungen der physiologischen Schlafphasen. Lärm während des Schlafes ist in der Lage, die Gesamtschlafdauer zu verkürzen, die Einschlafzeit zu verlängern, und sowohl die Dauer des Tiefschlafes als auch die Dauer des Traumschlafes zu reduzieren. Diese Veränderungen können so genannte sekundäre Reaktionen im Wachzustand nach einer gestörten Nacht bewirken, die in Form von beeinträchtigtem Wohlbefinden, Leistungsminderung und Beeinflussung der psychischen Verfassung auftreten.

In mehreren Studien wurde gezeigt, dass die Schwellenwerte für die meisten dieser Reaktionen im Bereich von Laeq 35 bis 45 dB gemessen am Ohr des Schläfers liegen. Als Schwellenwert für gesundheitsbeeinträchtigende Belastungen wird im Allgemeinen ein Spitzenwert von 60 dB im Innenraum angesehen, bei dem vermehrte Aufwachreaktionen zu beobachten sind.

Im Bemühen, den Anteil stark gestörter Personen in der Bevölkerung möglichst gering zu halten empfiehlt die WHO seit 1980 die Einhaltung eines äquivalenten Dauerschallpegels in Wohngebieten im Freien von 55 dB untertags und abends. Dieser Wert wurde in den meisten nationalen Empfehlungen und Regelwerken in westlichen Ländern übernommen.

Nachdem der Schwellenwert für das Auftreten von Änderungen des Schlafablaufes mit 35 dB am Ohr des Schläfers ermittelt wurde, sollte dieser Wert im Innenraum nicht überschritten werden. Dies wird durch die Einhaltung des von der WHO nachts im Freien empfohlenen Wertes von maximal 45 dB auch bei leicht geöffnetem Fenster gewährleistet. Auch dieser Wert findet sich in den meisten nationalen Empfehlungen und Regelwerken wieder.

Beurteilung:

Aufgrund der vorliegenden Annahmen ist im ungünstigsten Fall von dauernd bestehenden Immissionspegeln verursacht durch die antragsgegenständliche Anlage bei den nächsten Nachbarn von maximal 46 dB, bzw vereinzelt von maximal 48 dB bei Außentemperaturen von weniger als minus 16 Grad C auszugehen. Nachdem diese Störlärmpegel grundsätzlich rund um die Uhr auftreten können, wird für die medizinische Beurteilung der Nachtzeitraum herangezogen, während dem der Organismus nachgewiesenermaßen empfindlicher auf Lärmreize reagiert und die Störpegel aufgrund des üblicherweise geringeren Umgebungsgeräuschpegels stärker hervortreten.

Wie im Abschnitt ?Medizinische Lärmwirkungen? ausgeführt, empfiehlt die WHO im Allgemeinen, einen energieäquivalenten Dauerschallpegel von 45 dB nachts im Freien in Wohngebieten nicht zu überschreiten. Damit sollen in Innenräumen, auch bei leicht geöffneten Fenstern, Immissionspegel eingehalten werden, die zu keiner nennenswerten Einschränkung der Schlafqualität führen. Pegelspitzen, die während des Nachtschlafes Aufwachreaktionen verursachen könnten, treten bei Betrieb der antragsgegenständlichen Anlage nicht auf.

Im ungünstigsten Fall wird durch den Betrieb der Anlage der von der WHO empfohlene Wert für nächtliche Immissionspegel in Wohngebieten um 1 dB, bzw vereinzelt um 3 dB überschritten. Werte, bei denen Gesundheitsgefährdungen von Nachbarn erwartet werden können, werden selbst im ungünstigsten Fall deutlich unterschritten.

Für den Tageszeitraum, bei der WHO definiert als Zeitraum zwischen 06,00 Uhr und 22,00 Uhr, werden auch die empfohlenen Richtwerte für Wohngebiete durch Lärmimmissionen resultierend aus der antragsgegenständlichen Anlage deutlich unterschritten.

Bei Gegenüberstellung der prognostizierten Störlärmimmissionen mit allgemein akzeptierten Richtwerten, die weitgehend ungestörte Wohnnutzung und erholsamen Nachtschlaf gewährleisten sollen und mit Grenzwerten, die eine Gefährdung der Gesundheit von Nachbarn hintanhalten sollen kann zusammenfassend aus umweltmedizinischer Sicht festgestellt werden, dass bei projektgemäßem Betrieb der Anlage bei Einhaltung der Auflagen im angefochtenen Bescheid eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der Nachbarn nicht zu erwarten ist.

Zu Punkt 8 der Berufung durch E. K. und M. J. ist festzustellen, dass ein ?ständiges Ein- und Ausschalten der Heizungsanlage? insgesamt zu geringeren gemittelten Immissionspegeln führt als bei gleich bleibendem Betriebszustand. Andererseits gilt in der Lärmwirkungsforschung als gesichert, dass bei gleichen Mittelungspegeln intermittierende Immissionen ein größeres Belästigungspotenzial aufweisen als gleich bleibende Störlärmpegel. Dies ist gerade bei nächtlichen Lärmstörungen mit vergleichsweise höheren Lärmspitzen zu begründen. Relevante Lärmspitzen treten jedoch bei der gegenständlichen Anlage auch bei intermittierenden Immissionen nicht auf, sodass der zwischenzeitliche Betriebsstillstand der Heizungsanlage wie bereits ausführt zu insgesamt geringeren Mittelungspegeln führt. Es ist somit durch die geschilderte Betriebsweise kein erhöhtes Gefährdungspotenzial im Vergleich zu einem durchgehenden Betrieb anzunehmen. Die Beurteilung allfälliger Belästigungswirkungen durch anlagenbedingte Lärmimmissionen unterbleibt unter Hinweis auf die Fragestellung an den umweltmedizinischen Amtssachverständigen.?

 

Der oben wiedergegebenen gutachterlichen gewerbetechnischen Stellungnahme vom 29.04.2008 zu den Berufungspunkten M. J. und E. K. Punkte 5, 6, 7 ist zusammenfassend zu entnehmen, dass das als Entscheidungsgrundlage herangezogene lärmtechnische Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen vom 10.01.2008 nicht dem Stand der Lärmtechnik entspricht und zT nicht nachvollziehbare Angaben enthält. Auch Punkt 4 dieser Berufung erscheint der Berufungsbehörde grundsätzlich nachvollziehbar und die im angefochtenen Bescheid getroffene Regelung nicht geeignet, mit der zu fordernden Sicherheit die Interessen der Nachbarn zu wahren. Zwar ist aufgrund praktischer Erfahrungen nicht allzu oft mit einer Überschreitung der Außentemperatur von minus 16 Grad C zu rechnen (davon geht auch der beigezogenen Amtsarzt offenkundig aus), eine ausreichende Sicherheit dafür ist jedoch nicht gewährleistet.

 

Nach § 66 Abs 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Es ist nun nach Ansicht der Berufungsbehörde erforderlich, unter Heranziehung eines gewerbetechnischen (und in der Folge medizinischen)  Sachverständigen die in der gewerbetechnischen Stellungnahme vom 29.04.2008 aufgezeigten Mängel in der lärmtechnischen Beurteilung zu bereinigen. Dazu erscheint auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, unter Beiziehung dieser Sachverständigen, eines Vertreters der Antragstellerin und der Nachbarn jedenfalls vonnöten zu sein, um eine sachgerechte Lösung zu finden.

 

Eine förmliche Erledigung des Antrages der Nachbarn M. J. und E. K. nach § 78 Abs 1 letzter Satz GewO 1994 hat sich mit der gegenständlichen Entscheidung erübrigt. Ihm wäre jedoch nicht statt zu geben gewesen.

 

Nach § 78 Abs 1 GewO 1994 dürfen Anlagen oder Teile von Anlagen vor Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides errichtet und betrieben werden, wenn dessen Auflagen bei der Errichtung und beim Betrieb der Anlage eingehalten werden. Dieses Recht endet mit der Erlassung des Bescheides über die Berufung gegen den Genehmigungsbescheid, spätestens jedoch drei Jahre nach der Zustellung des Genehmigungsbescheides an den Genehmigungswerber. Die zur Entscheidung berufene Behörde hat die Inanspruchnahme dieses Rechtes auszuschließen, wenn der Begründung der Berufung  zu entnehmen ist, daß auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles trotz Einhaltung der Auflagen des angefochtenen Bescheides eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit zu erwarten ist.

 

Der gegenständliche Antrag war zwar aufgrund der eingehenden und nicht von vornherein unschlüssigen Ausführungen in der Berufung grundsätzlich zulässig, wie sich jedoch der oben zitierten gutachterlichen Stellungnahme des medizinischen Sachverständige vom 20.05.2008 entnehmen lässt, war der Antrag nicht begründet, zumal sich jedenfalls eine hier ausschließlich relevante Gesundheitsgefährdung nicht feststellen lässt. Es gilt hervorzuheben, dass damit über eine allenfalls relevante Belästigung der Nachbarn noch nichts ausgesagt ist.

 

Was den Punkt 8. der Berufung M. J. und E. K. betrifft, wird auf die Ausführungen in der gutachterlichen Stellungnahme des medizinischen Sachverständige vom 20.05.2008 am Ende verwiesen.

 

Zur Berufung des Nachbarn A. B. in Bezug auf einen Brunnen ist darauf hinzuweisen, dass dieser als genehmigt anzusehen ist und er daher mit den diesbezüglichen Einwendungen keine Parteistellung in diesem Verfahren erlangen konnte.

 

Die Nachbarn M. J. und F. J. haben im erstinstanzlichen Verfahren ihre Parteistellung verloren und war daher die mit 26.03.2008 datierte Eingabe, sollte sie entsprechend der im Betreff angeführten Bezeichnung als ?Berufung? tatsächlich als solche angesehen werden (der Inhalt der Eingabe spricht jedoch dagegen), als unzulässig zurückzuweisen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Es, ist, nun, nach, Ansicht, der, Berufungsbehörde, erforderlich, unter, Heranziehung, eines, gewerbetechnischen, (und, in, der, Folge, medizinischen), Sachverständigen, die, in, der, gewerbetechnischen, Stellungnahme, vom, 29.04.2008, aufgezeigten, Mängel, in, der, lärmtechnischen, Beurteilung, zu, bereinigen. Dazu, erscheint, auch, die, Durchführung, einer, mündlichen, Verhandlung, unter, Beiziehung, dieser, Sachverständigen, eines, Vertreters, der, Antragstellerin, und, der, Nachbarn, jedenfalls, vonnöten, sein, um, eine, sachgerechte, Lösung, zu, finden. Eine, förmliche, Erledigung, des, Antrages, der, Nachbarn, M. J., und, E.K., nach, § 78 Abs 1 letzter Satz GewO 1994, hat, sich, mit, der, gegenständlichen, Entscheidung, erübrigt. Ihm, wäre, jedoch, nicht, stattzugeben, gewesen
Zuletzt aktualisiert am
11.11.2008
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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