TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/12 2001/10/0159

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Veröffentlicht am 12.11.2001
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Index

72/02 Studienrecht allgemein;

Norm

UniStG 1997 §60 Abs1;
UniStG 1997;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des P in Wien, vertreten durch Dr. Aleksa Paunovic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 17/20, gegen den Bescheid des Fakultätskollegiums der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien vom 22. Juni 2001, Zl. Dek Zl. 2155s/01, betreffend Aufhebung einer negativ beurteilten Prüfung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich im Wesentlichen folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer stellte am 20. November 2000 an den Studiendekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien einen Antrag auf Aufhebung der am 17. November 2000 durchgeführten und negativ beurteilten kommissionellen Teildiplomprüfung aus dem Fach "Einführung in die Rechtswissenschaft". Der Beschwerdeführer brachte dabei im Wesentlichen vor, er habe vor seinem Antreten zur kommissionellen Prüfung Beruhigungspillen genommen; überdies habe er Fieber und Kopfschmerzen gehabt. Im Prüfungszeitpunkt sei er durch Grippepillen, Antibiotika, Kavasedon und Baldriantropfen übermäßig beeinträchtigt gewesen. Durch die Hypernervosität habe sich sein Zustand der grippalen fieberhaften Infektion während der Prüfung verschlechtert. Der Beschwerdeführer habe sich daher auf gewisse Ausdrücke nicht mehr entsinnen können. Wäre dieser Zustand vor der Prüfung aufgetreten, wäre er nicht angetreten.

Mit Bescheid vom 26. März 2001 wies der Studiendekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät den Antrag des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Dem Beschwerdeführer sei nach der Begründung die Tatsache des grippalen Infekts vor der Prüfung bekannt gewesen. Dem Prüfungssenat sei auch nicht ersichtlich gewesen, dass der Beschwerdeführer unter krankheitsbedingten Behinderungen gelitten habe. Die Prüfung habe daher keinen Mangel aufgewiesen.

In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, mit dieser Entscheidung werde ihm als Sohn eines Rechtsanwaltes die Möglichkeit genommen, den Beruf seines Vaters auszuüben. Damit würden ihm Menschenrechte vorenthalten; er werde auch gegenüber anderen Studenten benachteiligt. Dem Kandidaten könne nicht zugemutet werden, selbst über den Abbruch der Prüfung zu entscheiden und damit den entscheidenden Schritt zur Annullierung der Prüfung zu setzen.

Als Beweismittel legte der Beschwerdeführer zwei ärztliche Bestätigungen vor. In einer Bescheinigung vom 20. November 2000 bestätigte der praktische Arzt Dr. med. Wolfgang L., dass der Beschwerdeführer am 17. November 2000 an einem fieberhaften Infekt gelitten habe und Antibiotika habe einnehmen müssen. Die praktische Ärztin Dr. Susanne E. bescheinigte in einem Attest eine Krankmeldung des Beschwerdeführers ab 16. November 2000. Ihre Diagnose lautete: Grippaler Infekt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben.

Nach der Begründung habe der Studiendekan gemäß § 60 Abs. 1 des Universitätsstudiengesetzes (UniStG) auf Antrag des Studierenden eine negativ beurteilte Prüfung aufzuheben, wenn die Durchführung der Prüfung einen schweren Mangel aufweise. Im Beschwerdefall sei daher zu prüfen, ob die Durchführung der gegenständlichen Prüfung einen schweren Mangel aufgewiesen habe. Nach § 57 Abs. 1 UniStG sei dem Studierenden bei der Prüfung Gelegenheit zu geben, den Stand der erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten nachzuweisen. Gemäß § 57 Abs. 3 leg. cit. habe der Vorsitzende des Prüfungssenates für den geordneten Ablauf der Prüfung zu sorgen. Diese Kompetenz umfasse auch die Vorsorge für eine Prüfungsabwicklung, die eine ordnungsgemäße Ermittlung der Prüfungsleistung erlaube. Es sei durchaus vorstellbar, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen, wie Sprechschwierigkeiten, einer ordnungsgemäßen Ermittlung der Prüfungsleistung entgegen stünden. Es wäre jedoch Sache des Kandidaten gewesen, diese gesundheitliche Beeinträchtigung mitzuteilen. Der Beschwerdeführer weise selbst darauf hin, dass ihm seine gesundheitliche Beeinträchtigung im Zeitpunkt des Antretens zur Prüfung bewusst gewesen sei. Im vorgelegten Attest von Dr. E. werde bescheinigt, dass die gesundheitliche Beeinträchtigung bereits am Tag vor der Prüfung bestanden habe. Der Beschwerdeführer sei dennoch zur Prüfung angetreten. Nach seinem eigenen Vorbringen habe sich der Gesundheitszustand erst während der Prüfung verschlechtert. Der Beschwerdeführer behaupte nicht, dass dem Prüfungssenat diese Verschlechterung hätte auffallen müssen. Es wäre daher Sache des Beschwerdeführers gewesen, den Vorsitzenden des Prüfungssenates auf seine Beschwerden aufmerksam zu machen. Der Beschwerdeführer hätte auch die Möglichkeit gehabt, die Prüfung aus einem wichtigen Grund abzubrechen. Dies sei jedoch nicht geschehen. § 60 UniStG verstehe unter einem schweren Mangel bei der Durchführung der Prüfung einen von den Prüfungsorganen zu verantwortenden Mangel. Dass der Beschwerdeführer auf die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes nicht aufmerksam gemacht habe, liege nicht im Verantwortungsbereich des Prüfungssenates. Die Durchführung der Prüfung habe daher keinen Mangel aufgewiesen. Gemäß § 39 Abs. 1 Z. 3 UniStG erlösche die Zulassung für eine Studienrichtung, wenn der Studierende bei einer vorgeschriebenen Prüfung auch bei der letzten zulässigen Wiederholung negativ beurteilt worden sei. Das Erlöschen der Zulassung trete ex lege ein. Gemäß § 34 Abs. 6 leg. cit. sei die neuerliche Zulassung nach dem Erlöschen der Zulassung wegen der negativen Beurteilung bei der letzten zulässigen Wiederholung einer Prüfung für diese Studienrichtung ausgeschlossen. Der Ausschluss vom weiteren Studium der Rechtswissenschaften sei daher eine gesetzlich eintretende Rechtsfolge, wenn der Kandidat auch bei der letzten zulässigen Wiederholung einer Prüfung negativ beurteilt worden sei. Eine Verletzung von Menschenrechten könne darin nicht erblickt werden. Für die belangte Behörde bestünde auch keine Möglichkeit, von den gesetzlich zwingend angeordneten Rechtsfolgen abzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 60 Abs. 1 UniStG ist die Berufung gegen die Beurteilung einer Prüfung unzulässig. Wenn die Durchführung einer negativ beurteilten Prüfung einen schweren Mangel aufweist, hat die Studiendekanin oder der Studiendekan diese Prüfung auf Antrag der oder des Studierenden mit Bescheid aufzuheben. Die oder der Studierende hat den Antrag innerhalb von zwei Wochen ab der Bekanntgabe der Beurteilung einzubringen und den schweren Mangel glaubhaft zu machen.

Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist ausschließlich die Frage, ob die am 17. November 2000 durchgeführte und negativ beurteilte kommissionelle Teilprüfung aus dem Fach "Einführung in die Rechtswissenschaft" einen schweren Mangel im Sinne des § 60 Abs. 1 UniStG aufwies. Das unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerdevorbringen gegen die der kommissionellen Teildiplomprüfung vorangegangenen, ebenfalls negativ beurteilten schriftlichen Prüfungen geht daher ins Leere.

In seinem Antrag vom 20. November 2000 hat der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorgebracht, im Prüfungszeitpunkt durch Grippepillen und Antibiotika sowie Beruhigungsmittel (Kavasedon und Baldriantropfen) übermäßig beeinträchtigt gewesen zu sein. Durch die Hypernervosität habe sich sein Zustand der grippalen fieberhaften Infektion während der Prüfung verschlechtert. Als Beweismittel legte der Beschwerdeführer zwei ärztliche Bestätigungen vor, nach denen er zum Prüfungszeitpunkt an einem grippalen Infekt litt und Antibiotika einnehmen musste.

Die belangte Behörde hatte daher zu beurteilen, ob der vom Beschwerdeführer behauptete Zustand die Erfordernisse eines schweren, bei der Durchführung einer negativ bewerteten Prüfung unterlaufenen Mangels im Sinne des § 60 Abs. 1 zweiter Satz UniStG erfüllte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 21. Februar 2001, Zl. 99/12/0336, u.a. mit der Frage beschäftigt, wann eine herabgesetzte Prüfungsfähigkeit des Prüfungskandidaten bei der Prüfung als ein "schwerer Mangel" im Sinne des § 60 Abs. 1 zweiter Satz UniStG zu bewerten ist. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat dabei die Auffassung, dass - wenn auch unter bestimmten Voraussetzungen - etwa die von einem Prüfling geltend gemachte Panik-Attacke aus rechtlicher Sicht die Erfordernisse eines schweren, bei der Durchführung einer negativ bewerteten Prüfung unterlaufenen Mangels im Sinne des Universitätsstudiengesetzes erfüllt. Unter Berücksichtigung des allgemeinen Zieles jeder Prüfung muss jedenfalls auf Grund des vom Studierenden geltend gemachten Umstandes, der während der Prüfung aktuell aufgetreten ist, seine Leistungsfähigkeit während derselben soweit herabgesetzt sein, dass die Prüfung bei objektiver Betrachtung ihrer Funktion als tauglicher Leistungsnachweis überhaupt nicht mehr gerecht werden kann ("Prüfungsunfähigkeit" des Kandidaten). Eine mit der Prüfung verbundene, durch psychische Angespanntheit hervorgerufene (bloße) Leistungsbeeinträchtigung reicht aber - jedenfalls im Regelfall - nicht aus, eine unter dem Gesichtspunkt des § 60 Abs. 1 leg. cit. erhebliche "Prüfungsunfähigkeit" des Kandidaten herbeizuführen, würde man doch ansonst die Prüfung (in ihren herkömmlichen Formen) in ihrer Eignung als hinreichender Nachweis für geforderte Kenntnisse und Fähigkeiten überhaupt in Frage stellen. Das gilt auch für die Abgrenzung gegenüber Kenntnisdefiziten, die dem Kandidaten zuzurechnen sind und die seine Rolle als aktiver Teilnehmer am Prüfungsgeschehen reduzieren können und die zutreffend in die (negative) Leistungsbewertung Eingang zu finden haben. Eine Prüfungsunfähigkeit des Kandidaten im genannten Sinn wird daher nur dann vorliegen, wenn er auf Grund des von ihm geltend gemachten Grundes (im zitierten Beschwerdefall: Panik-Attacke) überhaupt nicht mehr in der Lage ist, passiv und aktiv am Prüfungsgeschehen teilzunehmen (vollständiger Verlust der Kommunikationsfähigkeit). Diese Untauglichkeit muss dabei während der Prüfung in einer Weise nach außen hin in Erscheinung treten, dass sie auch bei einer objektiven Betrachtung erkennbar ist oder zumindest sein müsste. Ist dies der Fall, dann hat der Prüfer (bei einer kommissionellen Prüfung der Vorsitzende des Prüfungssenates) - insbesondere, wenn der Prüfungskandidat dazu nicht (mehr) in der Lage ist - die noch nicht abgeschlossene Prüfung von sich aus ohne Bewertung abzubrechen.

Auf die näheren Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom 21. Februar 2001, Zl. 99/12/0336 wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Dass beim Beschwerdeführer eine "Prüfungsunfähigkeit" im oben dargelegten Sinn gegeben war, er auf Grund des grippalen Infektes und der von ihm eingenommenen Arzneimittel überhaupt nicht mehr in der Lage gewesen ist, passiv und aktiv am Prüfungsgeschehen teilzunehmen und dies nach außen in Erscheinung trat, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet. Die belangte Behörde verneinte daher zu Recht, dass die am 17. November 2000 durchgeführte und negativ beurteilte kommissionelle Teilprüfung einen schweren Mangel aufgewiesen hat.

Die erstmals in der Beschwerde erhobene Behauptung der mangelnden Ausdrucksfähigkeit des Beschwerdeführers (in der Beschwerde ist von "meiner sprachlichen Beschränktheit" die Rede, "da ich andere Fremdsprachen spreche") stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG) dar, auf die nicht eingegangen werden konnte.

Soweit die Beschwerde unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, dass die im angefochtenen Bescheid angeführten gesetzlichen Bestimmungen "auf der Universität Wien nirgends durch Aushang kundgetan wurden, ... weshalb sich jeder auf die Unkenntnis (dieser Vorschriften) berufen kann", genügt der Hinweis auf die gehörige Kundmachung dieser Bestimmungen. Eine Aushang- bzw. Auflegungspflicht (wie etwa bei arbeitsrechtlichen Regelungen vorgesehen) besteht für das Universitätsstudiengesetz nicht.

Auf Grund dieser Erwägungen erweist sich die vorliegende Beschwerde daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung abzuweisen war.

Eine Abtretung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof - wie in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt - sieht das Bundes-Verfassungsgesetz nicht vor.

Wurde die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne Einleitung des Vorverfahrens als unbegründet abgewiesen, dann erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, dieser Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (vgl. dazu z.B. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 , auf S. 257 wiedergegebene Rechtsprechung).

Wien, am 12. November 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001100159.X00

Im RIS seit

18.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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