TE UVS Tirol 2008/08/11 2003/23/0239-16

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Veröffentlicht am 11.08.2008
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch seinen stellvertretenden Vorsitzenden Mag. Albin Larcher über die Beschwerde des Herrn K. T., vertreten durch RA Dr. R. E., L., gegen die Bezirkshauptmannschaft Landeck, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung, wie folgt:

 

Gemäß § 67a Abs 1 Z 2 iVm § 67c Abs 1 und 3 sowie § 67d Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) wird der Beschwerde des K. T., vertreten durch RA Dr. R. E., dass der Beschwerdeführer durch eine Blutabnahme am 01.10.2003 um 01.25 Uhr im Aö Krankenhaus St. V., Z., in bewusstlosem Zustand in seinem Grundrecht nach Art 8 EMRK verletzt worden sei, Folge gegeben und festgestellt, dass diese Maßnahme einen unzulässigen Eingriff in die Grundrechte des Beschwerdeführers darstellt.

 

Gemäß § 79a Abs 1 und 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandsersatzverordnung hat die belangte Behörde dem obsiegenden Beschwerdeführer den Ersatz für den Schriftsatzaufwand in Höhe von Euro 660,80, den Verhandlungsaufwand in Höhe von Euro 826,00, zu leisten. Der Gesamtbetrag von Euro 1.486,80 ist binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides zu Handen des Beschwerdeführers anzuweisen.

Text

Mit Schriftsatz vom 10.11.2003 hat der Berufungswerber durch seinen Rechtsvertreter eine Maßnahmenbeschwerde mit nachstehendem Inhalt erhoben:

 

?In Zusammenhang mit der an ihm in bewusstlosem Zustand am 01.10.2003 um 0:00 Uhr und um 01:25 Uhr im AÖ Krankenhaus St. V. in Z., im Auftrag der Gendarmerie vorgenommenen Blutabnahmen, Maßnahmen bzw Ausübungen unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, erhebt der Beschwerdeführer als Betroffener nachstehende Beschwerde.

Die Bezirkshauptmannschaft Landeck wird deshalb belangt, weil im gegenständlichen Fall Beamte des GPK Landeck, allenfalls Beamte eines anderen Gendarmeriepostenkommandos im Bezirk Landeck, jedenfalls Organe der belangten Behörde, in Vollziehung des KFG bzw der StVO tätig waren. Der Beschwerdeführer selbst kann nicht mehr nachvollziehen, ob Beamte des GPK Landeck als Organe tätig waren. Er war nach dem Unfall über lange Zeit bewusstlos und kann sich an nichts erinnern.

I. Sachverhalt: ?Am 30.09.2003 ereignete sich gegen 22:40 Uhr in 6571 Strengen aA bei km 7,200 ein schwerer Verkehrsunfall. Das Fahrzeug des Beschwerdeführers kollidierte mit dem Fahrzeug des Schweizer Staatsbürgers M. W., welcher noch an der Unfallstelle verstarb. Der Beschwerdeführer selbst wurde schwerst verletzt, war bewusstlos und wurde um 23:45 Uhr mit der Rettung ins Aö Krankenhaus St. V. in Z. eingeliefert.? In Folge schilderte der Beschwerdeführer detailliert seine Verletzungen. Dann führte er weiter aus: ?Auf Anordnung der Gendarmerie wurde dem bewusstlosen Patienten am 01.10.2003 um 0:00 Uhr und um 01:25 Uhr Blut abgenommen und das Blut beschlagnahmt. Beweis: die gegenständliche Anzeige (entweder eingebracht bei der BH Landeck oder bei der Staatsanwaltschaft); Einvernahme des Beschwerdeführers; Weitere Beweise vorbehalten.

II. Beschwerdepunkte: Der Beschwerdeführer erachtet sich durch die an ihm in bewusstlosen Zustand vorgenommenen Blutabnahmen in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt. Die Blutabnahmen erfolgten am 01.10.2003 um 0:00 Uhr und um 01:25 auf Anordnung der Gendarmerie (entweder des GPK Landeck oder Beamte eines anderen Gendarmeriepostenkommandos im Bezirk Landeck) im Aö Krankenhaus St. V. in Z. III. Begründung: Gemäß Art 129 a Abs 1 Z 2 B-VG iVm 5 67c AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, welche behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein. Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt immer dann vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt, Zwang ausübt oder eine Maßnahme setzt und der Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Im vorliegenden Fall erfolgte eine Überschreitung einer ergangenen Anordnung, am Beschwerdeführer wurde in bewusstlosem Zustand Blut abgenommen, sein Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 MRK verletzt. Dieser Akt der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt unterliegt der Kognitionsbefugnis des unabhängigen Verwaltungssenates. Hiebei ist zu beachten, dass gegen den Beschwerdeführer zu besagtem Zeitpunkt, zumindest seiner Ansicht nach, kein hinreichender Verdacht im Hinblick auf die Begehung von strafbaren Handlungen bzw einer Beteiligung daran bestanden hat. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass jedenfalls kein richterlicher Befehl vorlag. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer um 23.45 Uhr im Krankenhaus eingeliefert wurde und bereits um 0.00 Uhr die erste Blutabnahme durchgeführt wurde. Es kann davon ausgegangen werden, dass kein richterlicher Befehl vorliegt, zumindest kann davon ausgegangen werden, dass der Untersuchungsrichter nicht wusste, dass der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt bewusstlos war.

1. Rechtswidrigkeit der erfolgten Blutabnahme am bewusstlosen Beschwerdeführer: 1.1. Nach der EMRK soll das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gem Art 8 MRK dem einzelnen einen privaten Bereich sichern, in dem er seine Persönlichkeit frei entwickeln und entfalten kann. Es gewährleistet so einen umfassenden Schutz der unmittelbaren Persönlichkeitssphäre. Sinn des Art 8 MRK ist es vornehmlich die Privatheit des Lebens gegen unnötige Kenntnisnahme durch den Staat zu schützen, eine Registrierung von Vorgängen des Privatlebens für Zwecke der öffentlichen Verwaltung zu unterbinden. Der weite Schutzbereich des ?Privatlebens? macht sehr unterschiedliche Arten der Eingriffe denkbar: Zwangsweise erkennungsdienstliche Behandlungen greifen in das Recht auf Privatsphäre ebenso ein wie geheime Überwachungsmaßnahmen, Zwangsuntersuchungen und zweifellos auch zwangsweise Blutabnahmen. Ein Eingriff in Art 8 MRK liegt also, entsprechend dem obig Ausgeführten, bedingt durch das zum Zeitpunkt der Vornahme der Maßnahmen herrschende Unvermögen des Beschwerdeführers sich gegen die Vornahme der Blutabnahmen zu wehren, jedenfalls vor.

1.2. Aus den eingangs angestellten Überlegungen folgt, dass der durch den Art 8 MRK verfassungsmäßig zugestandene persönliche Bereich des Beschwerdeführers, genau genommen seine körperliche Unversehrtheit, von allfälligen Anordnungen nicht umfasst sein konnte. Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer um 23.45 Uhr im bewusstlosen Zustand ins Krankenhaus eingeliefert wurde; bereits um 0.00 Uhr wurde die erste Blutabnahme durchgeführt. Es ist nach Ansicht des Beschwerdeführers gar nicht möglich, dass innerhalb 1/4 Stunde ein richterlicher Befehl erwirkt hätte werden können. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass wenn der Untersuchungsrichter befragt wurde, der Untersuchungsrichter jedenfalls nicht wusste, dass der Beschwerdeführer bewusstlos ist oder bewusstlos war. Wenn ein richterlicher Befehl vorliegt, so wurde die erteilte Ermächtigung offenkundig und überschritten. Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nimmt an, dass Maßnahmen der Sicherheitsorgane im Dienste der Strafjustiz, die ohne richterlichen Befehl gesetzt werden, jedenfalls der Verwaltung zuzurechnen sind (VfSlg 8633, 8680).

1.3. Selbst wenn als Unfallsfolge der andere Beteiligte noch an der Unfallstelle verstarb, so bestanden weder unmittelbar nachher und auch nicht zum Zeitpunkt der Blutabnahmen um 0:00 Uhr und um 01:25 Uhr konkrete Verdachtsmomente gegen den Beschwerdeführer im Hinblick auf die Begehung einer strafbaren Handlung. Die Blutabnahmen waren also als gerichtliche Anordnungen überschreitende rechtswidrige Verwaltungsakte zu werten. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verletzt die an einem Bewusstlosen vorgenommene Blutabnahme in einem Krankenhaus das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Dies insbesondere deshalb, weil der Alkotest zwar durch Androhung einer Geldstrafe, nicht aber mit körperlicher Gewalt (Blutabnahme) erzwungen werden darf (vgl VfGH B1092/1987).

1.4. Für die einschreitenden Beamten muss zum Zeitpunkt der Anweisung zur Vornahme der Blutabnahmen am Beschwerdeführer jedenfalls erkennbar gewesen sein, dass dieser nicht bei Bewusstsein war und sich folglich auch gegen die Vornahme dieser Amtshandlung nicht zur Wehr setzen konnte.

1.5. Mangels Vorliegens einer entsprechenden gerichtlichen Anordnung in Bezug auf die Blutabnahmen und mangels Vorliegens der Voraussetzung für ein Einschreiten aus eigener Macht erweisen sich die bekämpften Blutabnahmen als unzulässige und rechtswidrige Eingriffe in die durch Art 8 MRK verfassungsgesetzlich geschützte Sphäre des Beschwerdeführers. Wenn eine richterliche Anordnung vorliegt, so ist davon auszugehen, dass die Befugnisse überschritten wurden. Es ist nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht möglich, dass der Untersuchungsrichter wusste, dass der Beschwerdeführer bewusstlos war, dies ergibt sich auch infolge der Kürze der Zeit (Einlieferung 23.45 Uhr; erste Blutabnahme 0.00 Uhr). Im Übrigen ist davon auszugehen, dass der Untersuchungsrichter keineswegs angeordnet haben kann, dass am bewusstlosen Beschwerdeführer eine Blutabnahme durchgeführt wird.?

Schließlich erstatte er noch weitere Ausführungen zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde, stellte den Antrag, die beschriebene Blutabnahme für rechtswidrig zu erklären und dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens zuzuerkennen.

 

In der Gegenschrift der belangten Behörde wurde die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantrag und zunächst der Sachverhalt in Bezug auf den genauen zeitlichen Ablauf korrigiert. So habe sich der Unfall um 21.50 und nicht um 22.40 Uhr ereignet und sei der Beschwerdeführer um 23.25 Uhr in das Krankenhaus eingeliefert worden. Weiters wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sich ein Beamter des Gendarmeriepostens Landeck gegen 01.00 Uhr im Krankenhaus beim Pflegepersonal nach einer allfälligen Alkoholisierung des Beschwerdeführers erkundigt habe, was bejaht worden sei. Gleichzeitig sei mitgeteilt worden, dass Blut zu medizinischen Zwecken um 01.25 Uhr abgenommen worden sei. Eine Blutabnahme um 00.00 Uhr sei nie vorgenommen worden. Der Gendarmeriebeamte habe weder der Diplomschwester noch dem Dienst habenden Arzt eine Anweisung zur Blutabnahme erteilt. Schließlich sei um 01.50 Uhr die Staatsanwaltschaft in Innsbruck über die wahrgenommenen Alkoholsymptome sowie über die medizinisch indizierte Blutabnahme informiert worden, worauf der Untersuchungsrichter um 01.55 Uhr fernmündlich die Beschlagnahme der Blutprobe angeordnet habe.

Somit sei festzuhalten, dass die Blutabnahme nicht vom Gendarmeriebeamten angeordnet worden sei und dass die vom Untersuchungsrichter angeordnete Beschlagnahme der bereits vorhandenen Blutprobe durch Organe der Gendarmerie im Dienste der Strafrechtspflege und nicht in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolgt sei.

 

In der Gegenäußerung wurde zunächst darauf verwiesen, dass der Unfallzeitpunkt, der Zeitpunkt der Einlieferung des Beschwerdeführers in das Krankenhaus sowie der Umstand, dass Blutabnahmen um 00.00 und 01.25 Uhr erfolgt seien, der Patientenakte entnommen werden könne. Zudem sei fraglich, wie das Pflegepersonal Symptome einer Alkoholisierung wahrgenommen haben könne, sei der Beschwerdeführer doch zu jenem Zeitpunkt bewusstlos gewesen. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer eventuell nach Alkohol gerochen habe, sei wohl ein zu schwaches Indiz. Nach wie vor beharre er auf dem Standpunkt, dass die Blutabnahme auf Auftrag der Gendarmerie erfolgt sei.

 

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in

die vorliegende Beschwerde,

die Gegenschrift der belangten Behörde,

die Gegenäußerung des Beschwerdeführers sowie

dessen Mitteilung vom 20.11.2003 und

den Beweisantrag vom 14.01.2004,

die Verkehrsunfallanzeige des Gendarmeriepostens Landeck vom 09.11.2003, die Chronologische Einsatzübersicht vom 09.10.2003,

die Zeugen-Niederschrift der BH-Landeck über die Einvernahme des BI W. G.,

die Zeugen-Niederschrift der BH-Landeck über die Einvernahme des RI N. S., den Auszug der Patientenakte des Beschwerdeführers und den Akt 32 Ur 229/03 h des Landesgerichts Innsbruck.

 

Weiters wurden in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 21.01.2004 die Zeugen RI N. S. und BI W. G.

und in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 10.02.2004 die Zeugen

D. M.,

A. L.,

Dr. O. K. und Dr. J. S.

einvernommen.

 

Der Antrag auf Einvernahme des Zeugens W. K. wurde in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 10.02.2004 abgewiesen (Begründung siehe unten).

 

Nachstehender entscheidungsrelevanter Sachverhalt steht für den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol als erwiesen fest:

Am 30.09.2003 ereignete sich auf der B 316 Arlberg Ersatzstraße, Streckenabschnitt zwischen Flirsch und Landeck bei Km 7,2, um ca 21.50 Uhr ein Verkehrsunfall, in welchen der Beschwerdeführer ursächlich involviert war. Während der Unfallgegner noch an der Unfallstelle verstorben ist, wurde der Beschwerdeführer schwer verletzt nach der Bergung durch einen gemeinsamen Einsatz der Feuerwehren Flirsch, Strengen und Landeck vom Roten Kreuz, Bezirksleitstelle Landeck, in das St. V. Krankenhaus in Z. gebracht, welchem er um 23.25 Uhr übergeben wurde. Dieser Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus der Verkehrsunfallsanzeige des Gendarmeriepostens Landeck. Der genaue Zeitpunkt der Einlieferung des Beschwerdeführers in das Krankenhaus ergibt sich aus einem ha Telefonat mit dem Roten Kreuz.

 

Am Unfallort waren auch, verständigt von der Bezirksleitzentrale, zwei Beamte des Gendarmeriepostenkommandos Landeck, welche nach den notwendigen Erhebungen am Unfallort zu ihrer Dienststelle zurückkehrten. Während Revierinspektor N. S., beschäftigt mit der genauen Dokumentation der am Unfallort aufgenommenen Daten, in der Dienststelle verblieben ist, suchte Bezirksinspektor W. G. gegen 01.00 Uhr das St. V. Krankenhaus Z. zwecks weiterer Erhebungen auf, was sich einerseits aus der Chronologischen Einsatzübersicht, andererseits aus den Zeugen-Niederschriften der beiden Beamten sowie deren Einvernahme in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 21.01.2004 ergibt.

 

Im Krankenhaus St. V. in Z. war Dr. O. K. der behandelnde Arzt des Beschwerdeführers. Der weitere Verlauf der Behandlung verlief derart, dass der Beschwerdeführer zunächst im Schockraum erstversorgt wurde. Nach einer Computertomografie wurde er in den Operationssaal und anschließend in die Intensivstation gebracht. Wie aus der Aussage von Dr. K. hervorgeht, wurde dem Beschwerdeführer unmittelbar nach seiner Einlieferung im Krankenhaus Blut zu medizinischen Zwecken abgenommen. Dieses Blut wurde zur Gänze im Labor bestimmungsgemäß verarbeitet.

 

BI G. hat nach seinem Eintreffen im Krankenhaus in einem Gespräch mit Frau D. M., Krankenschwester in der Notfallaufnahme in jener Nacht und einem weiteren Pfleger in Erfahrung gebracht, dass beim Beschwerdeführer Symptome einer Alkoholisierung (Alkoholgeruch in der Ausatemluft) vorgelegen sind. Dies ergibt sich aus der Aussage des Gendarmeriebeamtens vor der erkennenden Behörde. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Beschwerdeführer bereits im OP.

 

Über den genauen Ablauf des Gesprächs mit dem Beamten gab Frau M. bei ihrer Einvernahme vor der erkennenden Behörde zu Protokoll: ?Ich kann heute nicht mehr angeben, ob dieser Gendarmeriebeamte damals mit den Ärzten direkt sprechen wollte oder nicht. Ich nehme aber an, dass er das mitbekommen hat, dass diese im OP waren. Der Gendarmeriebeamte hat mich dann ersucht, dass ich die Ärzte im OP fragen möge, ob sie dem Patienten Blut abnehmen könnten. Ich habe dies damals nicht als Aufforderung verstanden. Ich bin mir heute nicht mehr sicher, aber ich glaube, ich habe damals mit Dr. S. gesprochen. Nachdem ich ihm die Wünsche des Gendarmeriebeamten mitgeteilt hatte, sagte dieser zu mir, dass sie dies machen würden. Bei dem Gespräch zwischen dem Gendarmeriebeamten und mir hat dieser nicht nach Blutproben gefragt, die aus medizinischen Gründen abgenommen worden sind.?

 

Der Zeuge Dr. K. hat bei seiner Einvernahme den Ablauf wie folgt geschildert: ?Als ich im OP bei der Behandlung des Patienten war, kam ein Anruf von Schwester D. M. Ich konnte damals selbst nicht zum Telefon gehen und habe mir den Hörer auch nicht reichen lassen. Ich kann heute nicht mit Sicherheit angeben, ob dieses Gespräch von Dr. S. selbst oder einem OP-Gehilfen entgegen genommen wurde. Mir wurde jedoch in weiterer Folge mitgeteilt, dass die Gendarmerie eine Blutabnahme am Patienten wünsche und habe ich dies an Dr. S. delegiert, da ich zum damaligen Zeitpunkt gerade steril war. Die Blutabnahme selbst hat dann Dr. S. durchgeführt. Die Blutprobe wurde damals mit einem eigenen Set, das uns von der Gerichtsmedizin zur Verfügung gestellt wird, abgenommen. Für mich war der Zweck der Blutabnahme offensichtlich. Wenn die Gendarmerie anfragt, ob wir Blut abnehmen, dann nehme ich an, dass dies zu Beweismittelzwecken dient.?

 

Dr. S., Facharzt für Anästhesie im St. V. Krankenhaus, war ebenfalls an der Behandlung des Beschwerdeführers beteiligt. Befragt über den Ablauf hat dieser vor der erkennenden Behörde nachstehendes angegeben: ?Ich habe im Laufe jener Nacht dem Beschwerdeführer einmal Blut abgenommen. Es war dies im OP. Ich kann mich noch erinnern, dass in jener Nacht die Schwester D. M. von der Unfallambulanz herauf in den OP kam. Ich bin ihr damals zur Schleuse entgegen gegangen und hat sie mir bei dieser Gelegenheit auch ein Beweissicherungsset der Gerichtsmedizin mitgebracht. Bevor Schwester M. zu uns heraufkam, wurde sie bereits telefonisch avisiert. Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits in Kenntnis, dass die Gendarmerie bzw der Staatsanwalt eine Blutabnahme wünscht. Nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt Dr. K. habe ich dann die Blutprobe abgenommen. Ich habe dann die Blutprobe noch etikettiert und im Kühlschrank verstaut und damit war die Angelegenheit für mich erledigt. Ich habe damals die Blutprobe auf Ersuchen des behandelnden Arztes Dr. K. abgenommen. Mit einem Gendarmeriebeamten habe ich in der Nacht nicht gesprochen.?

 

Aufgrund dieser Aussagen gilt als erwiesen, das BI G. gegenüber der Krankenschwester D. M. lediglich den Wunsch geäußert hat, ob man dem Beschwerdeführer Blut abnehmen könne. Fr. D. M. hat diesen Wunsch an die behandlenden Ärzte herangetragen, worauf auf Anweisung des behandelnden Arztes Dr. K. dem Beschwerdeführer in bewusstlosem Zustand von Dr. S. Blut abgenommen wurde. Dass es sich um einen Wunsch und nicht um eine zwangsbewehrte Anordnung des Gendarmeriebeamten gehandelt hat, hat die Zeugin D. M. eindeutig zu Protokoll gegeben, auch hat der Zeuge Dr. K. eindeutig davon gesprochen, dass ihm mitgeteilt worden sei, dass die Gendarmerie den Wunsch geäußert habe, dass man dem Beschwerdeführer Blut abnehmen möge. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass im Patientenbericht von einer ?Anordnung der Gendarmerie? die Rede ist.

 

Zum genauen Zeitpunkt der Blutabnahme hat Dr. K. zu Protokoll gegeben: ?Dass die Blutabnahmezeit mit 01.25 Uhr richtig angegeben ist, davon gehe ich aus. Ich habe dies damals extra in meinem Bericht festgehalten.? Nach der Aussage von Dr. K. steht auch fest, dass dem Beschwerdeführer jedenfalls nicht um 00.00 Uhr Blut auf Anordnung der Gendarmerie abgenommen wurde. Der Beschwerdeführer hat diese Behauptung auf Grund der Angaben in einem Auszug seines Patientenaktes aufgestellt. Darin heißt es wörtlich auf Seite 2, letzter Satz: ?Auf Anordnung der Gendarmerie wird dem Pat um 00:00 und 1:25 Uhr Blut abgenommen, das Blut wird vom Staatsanwalt beschlagnahmt.? In seiner Aussage hat Dr. K. klargestellt, dass es sich dabei um einen Schreibfehler handle. Tatsächlich sei dem Beschwerdeführer um 01.25 Uhr Blut abgenommen worden, nicht jedoch um 00.00 Uhr. Daraufhin hat der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die Beschwerde dahingehend eingeschränkt, als dass lediglich die Blutabnahme um 01.25 Uhr verfahrensgegenständlich ist.

 

Schließlich war noch die Frage zu klären, wann das Landesgericht Innsbruck im vorliegenden Fall aktiv geworden ist. Auf Seite eins des Antrags- und Verfügungsbogens des Aktes 32 Ur 229/03 h ist in einem Aktenvermerk festgehalten, dass der diensthabende Untersuchungsrichter Dr. H., um 02.06 Uhr von RI N. S. angerufen und dabei von den Geschehnissen in Kenntnis gesetzt wurde. Unter anderem wurde über diesen Anruf festgehalten: ?K. T. sei beim gegenständlichen Unfall selbst lebensgefährlich verletzt worden, es sei noch nicht klar, ob er die Verletzung nach dem Verkehrsunfall selbst überleben werde. In der Klinik habe man allerdings bei K. T. Merkmale einer Alkoholisierung festgestellt. Seitens des Krankenhauses Z. wurde Blut des K. T. konserviert. Durch Auswertung dieser Blutprobe ließe sich die Alkoholisierung des T. feststellen. StA Mag. S. beantragt im Zuge von VE wg §§ 80, 81 Abs 1 Z 2 StGB gegen K. T. die gerichtliche Beschlagnahme der Blutproben. Ich schließe mich diesen Anträgen an.?

 

Damit steht auch fest, dass zum Zeitpunkt der gegenständliche Blutabnahme jedenfalls noch keine Anordnungen durch den Untersuchungsrichters vorgelegen sind.

 

In rechtlicher Hinsicht folgt:

Der Beschwerdeführer hat seine Beschwerde auf § 67c AVG und auf § 88 SPG gestützt. Daher wird zunächst in Anbetracht der Unterschiede dieser beiden Normen zu klären sein, nach welcher Rechtsgrundlage im vorliegenden Fall zu entscheiden war.

 

Gemäß § 67a Abs 1 Z 2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

 

Außerdem erkennen die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß § 88 Abs 1 SPG über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein. Gemäß Abs 2 leg cit erkennen sie auch über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.

 

Zur Frage, was unter der von § 88 SPG angesprochenen Sicherheitsverwaltung zu verstehen ist, definiert § 2 Abs 2 SPG, dass diese aus der Sicherheitspolizei, dem Pass- und dem Meldewesen, der Fremdenpolizei, der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm, dem Waffen-, Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen sowie aus dem Pressewesen und den Vereins- und Versammlungsangelegenheiten besteht. Die Sicherheitspolizei wiederum besteht gemäß § 3 SPG aus der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, ausgenommen die örtliche Sicherheitspolizei (Art 10 Abs 1 Z 7 B-VG), und aus der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht.

 

§ 24 StPO bestimmt, dass die Sicherheitsbehörden allen Verbrechen und Vergehen, sofern sie nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten untersucht werden, nachzuforschen und, wenn das unverzügliche Einschreiten des Untersuchungsrichters nicht erwirkt werden kann, die keinen Aufschub gestattenden vorbereitenden Anordnungen zu treffen haben, die zur Aufklärung der Sache dienen oder die Beseitigung der Spuren der strafbaren Handlung oder die Flucht des Täters verhüten können.

 

Im vorliegenden Fall handelt es sich damit um eine Maßnahme im Dienste der Strafjustiz, dies allerdings noch bevor ein richterlicher Befehl erteilt wurde. Daraus ergibt sich zum einen die Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde, da diese Maßnahme der Verwaltung zuzurechnen war (siehe dazu zB Walter-Mayr, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 6. Auflage, Rz 609 mwN).

 

Zum anderen steht damit aber auch fest, dass sich der Beschwerdeführer nicht auf § 88 Abs 2 SPG berufen kann, da die Handlung des Gendarmeriebeamtens nicht als ?Besorgung der Sicherheitsverwaltung? zu werten war (siehe dazu auch VwGH vom 15.11.2000, Zl 99/01/0427) und dass für die Behandlung der Beschwerde § 67a Abs 1 Z 2 AVG ausschlaggebend ist. An diesem Ergebnis würde sich auch nichts ändern, wenn man das Handeln des Gendarmeriebeamtens als in Vollziehung ?des KFG bzw der StVO? definieren würde, wie dies der Beschwerdeführer in der Beschwerde vom 10.11.2003 dargetan hat.

 

Wie bereits festgestellt wurde, hat der Gendarmeriebeamte gegenüber der Krankenschwester lediglich den Wunsch nach einer Blutabnahme geäußert, diese jedoch nicht angeordnet und keine Konsequenzen für den Fall angedroht, dass diesem Wunsch nicht entsprochen werde. Auch vom behandelnden Arzt wurde dieses Ansinnen als Wunsch verstanden. Auf die Aussage des W. K. als Zeuge konnte daher verzichtet werden, da sich der festgestellte Sachverhalt auf die übereinstimmenden Aussagen der Krankenschwester und des behandelnden Arztes stützt. Die Sache war somit bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10.02.2004 zur Entscheidung reif, weshalb der Antrag des Beschwerdeführers auf Einvernahme des Genannten als Zeuge in Hinblick auf § 39 Abs 3 AVG abgewiesen wurde.

 

Für die Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer durch einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinen Rechten verletzt wurde, war nicht alleine ausschlaggebend, ob die Blutabnahme rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt ist. Entscheidend war im vorliegenden Fall ausschließlich, ob die, allenfalls rechtswidrige, Blutabnahme auf einen Akt verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt des Gendarmeriebeamtens G. zurückzuführen war.

 

Für die Zulässigkeit einer Beschwerde im Sinne des Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG ist ausschlaggebend, dass sich das Imperium der Behörde und der angefochtene Akt sinnbildlich unmittelbar gegenüberstehen. Dazu hat auch der Verwaltungsgerichtshof unmissverständlich ausgesprochen, dass die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehlsgewalt und Zwangsgewalt dann vorliegt, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung eindeutig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Werden keine Zwangsmaßnahmen gesetzt oder angedroht oder müssen diese nicht zwangsläufig erwartet werden, so liegt keine vor dem UVS bekämpfbare faktische Amtshandlung vor (VwGH vom 15.11.2000, Zl 98/01/0452).

 

Der Beschwerdeführer hat die Bezirkshauptmannschaft Landeck belangt, weil Beamte des GPK Landeck in Vollziehung des KFG bzw der StVO tätig gewesen seien. Er hat also auf das Handeln der Gendarmerie und nicht auf jenes des Krankenhauses St. V. in Z. abgestellt, weshalb im vorliegenden Fall auch keine Feststellungen dahingehend zu treffen waren, ob der Beschwerdeführer durch den Eingriff der behandelnden Ärzte, sondern alleine ob er durch das Handeln des Gendarmeriebeamtens in seinen Rechten verletzt wurde.

 

Mit Erkenntnis vom 10.04.2008 hat der Verwaltungsgerichtshof zur Zl 2004/01/0502-5 in dieser Sache festgestellt, dass es sich bei der vom Polizeibeamten veranlassen Blutabnahme um einen hoheitlichen Akt handelte, der den Sicherheitsbehörden zuzurechnen ist. Aus diesem Grund war daher der vorliegenden Beschwerde Folge zu geben und spruchgemäß festzustellen, dass der Beschwerdeführer durch diesen Akt in seinen Grundrechten verletzt worden ist.

 

Der Kostenzuspruch stützt sich auf die im Spruch genannten Rechtsgrundlagen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Mit, Erkenntnis, vom, 10.04.2008, hat, der, Verwaltungsgerichtshof, zu, Zl 2004/01/0502-5, in, dieser, Sache, festgestellt, dass, es, sich, bei, der, vom, Polizeibeamten, veranlassten, Blutabnahme, um, einen, hoheitlichen, Akt, handelte, der, den, Sicherheitsbehörden, zuzurechnen, ist. Aus, diesem, Grund, war, der, vorliegenden, Beschwerde, Folge, zu, geben, und spruchgemäß, festzustellen, dass, der, Beschwerdeführer, durch, diesen, Akt, in, seinen, Grundrechten, verletzt, worden, ist
Zuletzt aktualisiert am
19.09.2008
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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