Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Christian Hengl über die Berufung des J. d. l.C. H., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. E. J., I. gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 21.7.2008, Zahl 703-4-450-2008-FSE, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm § 35 Abs 1 Führerscheingesetz (FSG) wird der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
Mit Mandatsbescheid der Erstbehörde vom 2.7.2008, Zahl 703-4-450-2008-FSE, wurde dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für die Klasse B für einen Zeitraum von zwölf Monaten, gerechnet ab Zustellung dieses Bescheides, entzogen. Weiters wurde ausgesprochen, dass Haftzeiten in die Entzugsdauer nicht eingerechnet werden und wurde ein Lenkverbot im Bezug auf das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen, für die Dauer des Entzuges der Lenkberechtigung ausgesprochen.
Auch wurde das Recht aberkannt, von einer allfällig erteilten ausländischen Lenkberechtigung, die nicht von einem EWR-Staat ausgestellt wurde, auf die Dauer des Entzuges der Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen.
Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Berufungswerber mit nicht rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck von 14.4.2008 gemäß §§ 287 Abs 1, 83 Abs 1 und 84 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt worden sei.
Aufgrund der Tatsache, dass dies bereits die vierte einschlägige Verurteilung sei, erscheine die Entzugsdauer als angebracht, um die Verkehrszuverlässigkeit des Berufungswerbers wiederherzustellen.
Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Vorstellung erhoben und darin im Wesentlichen vorgebracht, dass die zugrunde gelegte Entscheidung des Landesgerichtes Innsbruck zu XY nicht rechtskräftig sei. Gemäß § 7 Abs 1 FSG handelt es sich um keine erwiesene bestimmte Tatsache.
Zudem rechtfertige eine einmalige Verurteilung nach § 287 StGB keinesfalls die Annahme der mangelnden Verkehrszuverlässigkeit. Schließlich sei dem Berufungswerber mit Bescheid der belangten Behörde vom 4.4.2006 bereits einmal die Lenkberechtigung entzogen worden und seien zum Zeitpunkt dieses Führerscheinentzugsverfahrens zwei gerichtliche Verurteilungen des Vorstellungswerbers bereits bekannt gewesen, sodass diese gerichtlichen Verurteilungen im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens nicht nochmals Berücksichtigung hätten finden dürfen.
Abschließend wurde in diesem Rechtsmittel der Antrag gestellt, den bekämpften Bescheid in Stattgebung der Vorstellung ersatzlos zu beheben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung keine Folge gegeben. Dagegen wurde wiederum Berufung erhoben und das bereits vorstellungsgegenständliche Vorbringen aufrechterhalten.
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hierüber wie folgt erwogen:
Im gegenständlichen Fall sind folgende gesetzliche Bestimmungen maßgeblich:
Führerscheingesetz
?§ 3
(1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
1.
das für die angestrebte Klasse erforderliche Mindestalter erreicht haben (§ 6),
2.
verkehrszuverlässig sind (§ 7),
3.
gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),
4.
fachlich zum Lenken eines Kraftfahrzeuges befähigt sind (§§ 10 und 11) und
5.
den Nachweis erbracht haben, in lebensrettenden Sofortmaßnahmen bei einem Verkehrsunfall oder, für die Lenkberechtigung für die Klasse D, in Erster Hilfe unterwiesen worden zu sein.
§ 7
(1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs 3) und ihrer Wertung (Abs 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1.
die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
2.
sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
7. wiederholt in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand eine strafbare Handlung begangen hat (§ 287 StGB und § 83 SPG), unbeschadet der Z 1;
9. eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat;
§ 24
(1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1.
die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2.
die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs 5 ein neuer Führerschein auszustellen.
§ 25
(1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.?
Zunächst ist dem Vorbringen des Rechtsvertreters, wonach lediglich rechtskräftige Verurteilungen zu einer Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit führen können, zu entgegnen, dass bestimmte Tatsachen im Sinn des § 7 Abs 3 Z 7 bis 11 strafbare Handlungen, nicht aber die Verurteilung wegen dieser Straftaten sind. Es kommt also darauf an, wann der Beschuldigte die strafbaren Handlungen begangen hat, nicht aber, wann er ihretwegen verurteilt oder wann die Verurteilung rechtskräftig wurde (vgl etwa VwGH 23.10.2001, 2001/11/0185). Auch würde es den Charakter eines Führerscheinentzuges als Schutzmaßnahme im engen zeitlichen Konnex mit einer Übertretungshandlung gänzlich konterkarieren, wenn man auf die Rechtskraft einer allfälligen Verurteilung abstellen würde.
Der Berufung kommt aber dennoch Berechtigung zu:
Aktenkundig ist, dass der Berufungswerber aufgrund des nicht rechtskräftigen Urteils des Landesgerichtes vom 14. 4.2008, Zahl XY, mit der gegenständlichen Schutzmaßnahme belegt wurde.
Da es sich bei dieser Tat um eine strafbare Handlung in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand handelt, kommt als gesetzliche Grundlage ausschließlich § 7 Abs 3 Z 7 FSG in Betracht, wonach als bestimmte Tatsache im Sinn des Absatz 1 insbesondere zu gelten hat, wenn jemand wiederholt in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand eine strafbare Handlung begangen hat.
Aktenkundig ist jedoch ebenso, dass bislang keine einschlägige Vorstrafe gemäß § 287 StGB aufscheint, sodass evidentermaßen kein Fall des § 7 Abs 3 Z 7 FSG vorliegt. Als verfehlt erweist sich die Vorgangsweise der Erstbehörde, die jüngste Verurteilung vom 14.4.2008 (schwere Körperverletzung im Zustand voller Berauschung) unter § 7 Abs 3 Z 9 FSG zu subsumieren, zumal § 7 Abs 3 Z 7 FSG die speziellere Norm ist.
Zu Recht verweist die Erstbehörde auf drei einschlägige Vorstrafen gemäß §§ 83 und 84 StGB; hiezu ist jedoch anzuführen, dass die letzte Verurteilung vom 3.8.2007 herrührt, sodass fußend auf diesem Delikt eine Entziehung der Lenkberechtigung in der von der Erstbehörde verfügten Höhe (selbst unter Außerachtlassung in der Zwischenzeit allenfalls angetretener Haftzeiten) einer prognostizierten Verkehrsunzuverlässigkeit seit Tatbegehung von mehr als zwei Jahren gleichkäme, was keinesfalls mehr als angemessen angesehen werden kann.
Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.
HINWEIS:
Für die Vergebührung des Berufungsantrages (samt Beilagen) sind Euro 13,20 bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck zu entrichten. Dieser Betrag ist binnen zwei Wochen nach Erhalt des Zahlscheines einzuzahlen.