TE UVS Tirol 2008/09/09 2008/14/0287-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2008
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Klaus Dollenz über die Berufung des Herrn O. H. vertreten durch F., H. und P., Rechtsanwälte GmbH, S., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 27.12.2007, Geschäftszahl VK-24267-2007, wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm §§ 24 und 51e VStG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber Nachstehendes zur Last gelegt:

 

?Tatzeit: 25.07.2007 um 15.07 Uhr

Tatort: Gemeinde Gries, auf der A 13, bei km 34.200, geeichte Brückenwaage, LKW-Einreise

Fahrzeug: Sattelzugfahrzeug, XY; Anhänger, XY

Sie haben als Zulassungsbesitzer des angeführten KFZ nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand bzw die Ladung des genannten KFZ den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht. Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von H. K. W. gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass beim betroffenen Fahrzeug die Summe der Gesamtgewichte gemäß § 4 Abs 7a KFG für Kraftwagen mit Anhänger von 40 Tonnen um 900 kg überschritten wurde.

 

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 103 Abs 1 Z 1 KFG iVm § 4 Abs 7a KFG

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über ihn folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Euro 110,00;

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von Gemäß § 134, Abs 1 KFG

 

?Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

Euro 11,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 Prozent der Strafe?

 

Das Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zu Handen seiner Vertreter am 07.01.2008 zugestellt.

 

Innerhalb offener Frist wurde folgende Berufung erhoben:

 

?Der genannte Bescheid wird seinem gesamten Inhalt nach angefochten und wird seine Abänderung dahingehend beantrag, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschuldigten eingestellt wird.

 

Zur Begründung wird vorgebracht wie folgt:

 

Im angefochtenen Bescheid wird dem Beschuldigten zum Vorwurf gemach, er habe ?als Zulassungsbesitzer des angeführten KFZ nicht dafür Sorge getragen, das der Zustand bzw die Ladung des genannten KFZ den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht. Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von H. K. W. gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass beim betroffenen Fahrzeug die Summe der Gesamtgewichte gemäß § 4 Abs 7a KFG für Kraftwagen mit Anhänger von 40 Tonnen um 900 kg überschritten wurde.?

 

Tatzeit: 25.07.2007 um 15.07.Uhr

Tatort: Gemeinde Gries, auf der A 13, bei km 34.200, geeichte Brückenwaage, LKW-Einreise

Fahrzeug: Sattelzugfahrzeug, XY; Anhänger, XY

 

Der Beschuldigte habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

 

§ 103 Abs 1 Z 1 KFG iVm § 4 Abs 7a KFG

 

Zur Begründung ihrer Entscheidung führt die Behörde erster Instanz lediglich aus, dass der im Spruch angeführte Sachverhalt aufgrund des Anzeigeinhaltes sowie des durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen feststehe. Im gegenständlichen Fall habe für die Behörde kein Grund bestanden, an den Angaben des Anzeigers zu zweifeln. Es müsse einem geschulten Organ der Straßenaufsicht zugebilligt werden, derartige Übertretungen richtig festzustellen.

 

Diese Begründung hält einer näheren Überprüfung nicht stand. Der angefochtene Bescheid ist sowohl verfahrensrechtlich als auch materiellrechtlich verfehlt.

 

1. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist folgendes festzuhalten:

 

1.1. Gemäß § 24 VStG 1991 gelten auch im Verwaltungsstrafverfahren die Vorschriften des AVG, sofern sie durch den letzten Satz des § 24 VStG nicht ausdrücklich ausgenommen sind.

Gemäß § 58 Abs 2 AVG sind Bescheide dann zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei (hier also des Beschuldigten) nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wurde. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (VwSlgNF8619 A), die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen (VwSlgNF 2372 A; VwSlgNF 606 A, 2411 A; VwGH 17.6.1993, Zl 92/06/0228) und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach gesicherter Judikatur (VwSlgNF 1977 A; VfSlg 7017) unherrschender Lehre (vgl Männlicher/quell, Das Verwaltungsverfahren I, 8. Auflage, (1975), 318; Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 6. Auflage (1998) Rz 418 ff) ist die Pflicht zur Begründung eines der wichtigsten Erfordernisse eine rechtsstaatlichen Verfahrens. Jede strittige Sach- und Rechtsfrage von Relevanz soll in der Begründung eine Bescheides ausreichen beantwortet sein. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörden und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen (vgl VwSlgNF 7909 A; VwGH 19.5.1994, Zl 90/07/0121) eine Begründung, die sich auf die Wiedergabe eines gesetzlichen Tatbestandes beschränkt, aber die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht im einzelnen darlegt und der daher sich nicht entnehmen lässt, aufgrund welcher Sachverhaltsannahmen die Behörde zu ihrer Erkenntnis gelangt ist, ist unzulänglich.

 

Schon diese Ausführungen zeigen, dass der angefochtene Bescheid den verfahrensrechtlichen Mindesterfordernissen nicht gerecht wird. Es ist dem angefochtenen Bescheid nämlich nicht zu entnehmen, ob und inwieweit Herr K. W. H. über die ihn treffenden kraftfahrrechtliche Verpflichtungen informiert wurde und inwieweit er angewiesen war, diese in jedem Fall einzuhalten. Weiters fehlt jede Feststellung, warum es zu der angeblichen Gewichtsüberschreitung gekommen ist, ob den Ladepapieren eine solche Überscheitung zu entnehme war und wo schließlich die Beladung erfolgte. Hätte die Behörde entsprechende Feststellungen getroffen, so hätte sie ohne weiteres erkennen können, dass die vermeintliche Verwaltungsübertretung nicht gegeben bzw dem Beschuldigten nicht vorwerfbar ist.

 

1.2. Gemäß § 40 Abs 1 VStG ist dem Beschuldigten ausreichen Gelegenheit zu geben, sich zu rechtfertigen. Diese Verpflichtung der Behörde ergänzt den Grundsatz des Parteiengehörs gemäß den §§ 37 und 45 Ans 3 AVG (die beide gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden sind). Die Wahrung des Parteiengehörs ist eine kardinale Voraussetzung eines gesetzmäßigen Verwaltungsverfahrens. Sie ist von Amts wegen zu beachten und gehört zu den fundamentalen Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit der Hoheitsverwaltung (VwGH 26.1.1967, 47/66; VfGH 25.6.1949, Slg 1804).

 

Daneben gilt auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz der materiellen Wahrheit, wonach die Behörde den wahren Sachverhalt festzustellen hat, der für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebend ist. Im Gegensatz dazu hat die Behörde erster Instanz gar nicht versucht, die Meldungsleger selbst, den Lenker K. W. H. der den Beschuldigten einzuvernehmen, sondern hat sich lediglich mit einer schriftlichen Stellungnahme der Autobahnpolizeiinspektion Schönberg im Stubaital zufriednen gegeben. Die Behörde erster Instanz hat faktisch keinerlei Ermittlungstätigkeiten entwickelt. Damit sind aber wesentliche Erfordernisse eines rechtsstaatlichen Verfahrens nicht erfüllt.

 

1.3. Die mangelnde Objektivität und Oberflächlichkeit der Behörde zeigt sich aber auch bei der Strafbemessung:

 

Die Behörde erster Instanz begründet ihre Strafbemessung damit, dass der Unrechtsgehalt der begangenen Übertretung als nicht unerheblich zu bezeichnen sei. Als Verschuldensgrad komme Fahrlässigkeit in Betracht. Erschwerend sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Beschuldigte bereits strafvorgemerkt aufscheine. Die Strafhöhe sei dem Unrechtsgehalt der Tat angepasst.

 

Dabei handelte es sich um inhaltsleere Floskeln, die dem Kriterium einer rechtsstaatlichen Begründung nicht genüge tun können.

2. Der angefochtene Bescheid ist in den wesentlichen Punkten as den verfahrensrechtlichen Mindesterfordernissen nicht entsprechend, verfehlt und mangelhaft anzusehen. Ein ausführliches meritorisches Eingehen auf die materiellrechtliche Beurteilung ist daher noch gar nicht notwendig.

 

Es wäre nämlich die Aufgabe der Behörde erster Instanz gewesen, den zu Grunde liegenden Sachverhalt nach einem mängelfreien Verfahren festzustellen, die Gründe für die Beweiswürdigung übersichtlich darzulegen, und danach den festgestellten Sachverhalt einer eingehenden und richtigen rechtlichen Beurteilung zu unterziehen. Dies hat alles die Behörde erster Instanz unterlassen. Lediglich kursorisch sei auf folgende Punkte hingewiesen:

 

2.1. Wir bereits ausgeführt, ist dem Bescheid nicht zu entnehmen, ob und inwieweit der Beschuldigte mit dem Fahrer K. W. H. die einzuhaltenden Vorschriften, insbesondere auch die Beladevorschriften erörtert hatte. Weiters ist ihm nicht zu entnehmen, welche Weisungen der Beschuldigte Herrn H. erteilt hatte.

 

Der Beschuldigte bringt in diesem Zusammenhang vor, dass er Herrn K. W. H. wie auch seine übrigen Mitarbeiter über die sie treffenden kraftfahrrechtlichen Verpflichtungen sehr ausführlich informiert hat und überprüft auch teilweise persönlich, teilweise durch seine Miterbeiter die Einhaltung der Verpflichtungen. Überdies war die angebliche Gewichtsüberschreitung anhand der Ladepapiere nicht erkennbar.

 

Zum Beweis hiefür wird ausdrücklich die Einvernahme des Zeugen K. W. H., pA Firma O. H., R. sowie Beschuldigten selbst, welche einvernahmen im Rechtshilfeweg erfolgen mögen, beantragt.

 

1.2. Der Beschuldigte bringt in diesem Zusammenhang nochmals ausdrücklich vor, dass er aufgrund der ihm vorliegenden Informationen davon ausging und ausgehen konnte, dass Herr K. W. H. beim gegenständlichen Transport das zulässige Gesamtgewicht nicht überschreiten würde. Allerdings erfolgte die Beladung des gegenständlichen Fahrzeuges nicht am Firmensitz. Herr H. hatte allerdings die Weisung, bei der Beladung anwesend zu sein und genauestens darauf zu achten, dass das zulässige Gesamtgewicht nie überschritten werden würde. Diesbezüglich war er auch von Seiten des Beschuldigten über die einzuhaltenden Vorschriften genauestens informiert. Warum es sohin zu einer Überschreitung des höchstzulässigen Gesamtgewichtes gekommen ist, ist dem Beschuldigte nicht nachvollziehbar. Er kann sich dies nur durch einen Fehler bei der Abwaage oder durch ein Missverständnis von Herrn H. erklären.

 

Wenn und soweit die dem Beschuldigten zur Last gelegt Verwaltungsübertretung daher tatsächlich tatbildmäßig gegeben sein sollte, was der Beschuldigte weiterhin bestreitet, so ist ihm diese daher jedenfalls nicht subjektiv vorwerfbar.

 

Zum Beweis hiefür wird auf die bereits gestellten Beweisanträge verwiesen

2.3.

Die Behörde erster Instanz hat sich auch nicht , wie bereits erwähnt , mit dem genauen Zeitpunkt oder dem genauen Deliktsort auseinandergesetzt. Herr K. W. H. kam aus Deutschland und hat das gegenständliche Kraftfahrzeug jedenfalls dort in Betrieb genommen. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschuldigte sohin im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland , wenn überhaupt , allfällige Kontrollpflichten verletzte. Eine inländische Strafverfolgung ist sohin unzulässig.

 

Beweise: wie bisher

 

3. Der Beschuldigte stellt aus all diesen Gründen den Antrag auf Abänderung des angefochtenen Bescheides nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung dahingehend, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschuldigten eingestellt wird.?

 

Die Berufung ist im Ergebnis berechtigt.

 

Aus dem vorgelegten Akt ergibt sich, dass Zulassungsbesitzer des Sattelzugfahrzeuges und des Anhängers  mit den Kennzeichen XY sowie XY die Firma M. T. und B. D. GmbH mit Sitz in R., ist.

 

Aus dem Akt lässt sich somit entnehmen, dass Herr O. H. offensichtlich das Sattelkraftfahrzeug von der M. T. und B. D. GmbH gemietet hat.

 

Nach § 103 Abs 1 Z 3 KFG hat der Mieter, bei der Vermietung eines Fahrzeuges ohne Beistellen eines Lenkers, die in § 103 Abs 1 Z 1 KFG hinsichtlich des Zustandes der Ladung und der zu erfüllenden Auflagen, Z 2 und 3, Abs 2, 3, 4, 5 und 6 und § 104 Abs 3 KFG angeführten Pflichten anstelle des Zulassungsbesitzers zu erfüllen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 24.02.1993, Zl 92/03/0228, ausgeführt, dass es ein wesentliches Tatbestandsmerkmal bei der Erfüllung der dem Mieter gemäß § 103 Abs 1 Z 3 KFG im Zusammenhalt mit § 103 Abs 2 KFG zukommenden Pflichten im Sinn des § 44 Abs 1 Z 1 und 2 VStG ist, dass der Täter als Mieter gehandelt hat.

 

Ein Schuldvorwurf in der Form, dass der Berufungswerber als Mieter im Sinn des § 103 Abs 1 Z 3 KFG seine Pflichten nicht erfüllt hat, wurde innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist dem Berufungswerber nicht vorgeworfen.

 

Es ist unrichtig, dass der Berufungswerber Zulassungsbesitzer ist. Der von der Erstbehörde erhobene Schuldvorwurf ist nicht richtig.

 

Eine Verfolgungshandlung muss, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt,

a)

von einer Behörde ausgehen,

b)

gegen eine individuell bestimmte Person als Beschuldigten gerichtet sein, innerhalb der Verjährungsfrist nach außen in Erscheinung treten und wegen eines bestimmten strafbaren Sachverhalts erfolgen. Dies erfordert, dass sie sich auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltes zu beziehen hat. Die Tat ist ausreichend zu konkretisieren.

 

Unterlaufen bei der ersten Verfolgungshandlung Fehler, ist eine Sanierung nur dann möglich, wenn dem Beschuldigten noch innerhalb der Verjährungsfrist der Sachverhalt konkret vorgehalten wird.

 

Dies ist nicht möglich.

 

Im Hinblick darauf ist die erhobene Berufung im Ergebnis berechtigt und war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Der, Verwaltungsgerichtshof, hat, in, seinem, Erkenntnis, vom, 24.02.1993, ausgeführt, dass, es, ein, wesentliches, Tatbestandsmerkmal, bei, Erfüllung, der, dem, Mieter, gemäß, § 103, Abs 1, Z 3, KFG, in, Zusammenhang, mit, § 103, Abs 2, KFG, zukommenden, Verpflichtungen, im, Sinne, des, § 44, Abs 1, Z 1 und 2, VStG, ist, dass, der, Täter, als, Mieter, gehandelt, hat, und, eingestellt
Zuletzt aktualisiert am
19.11.2008
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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