TE UVS Burgenland 2008/09/16 003/14/08085

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.09.2008
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied Dr. Schwarz über die Berufung des Herrn ***, geboren am ***, wohnhaft in ***, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt ***, vom 21.05.2008 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 06.05.2008, Zl. 300-3073-2006, wegen Bestrafung nach dem Kraftfahrgesetz 1967 (KFG), zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.

Text

Der Schuldspruch des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg (im Folgenden BH) vom 06.05.2008, Zl. 300-3073-2006, lautet:

 

Sie haben den Sattelzugfahrzeug/-anhänger mit dem Kennzeichen *** als Lenker in Betrieb genommen und sich nicht davon überzeugt, dass die Ladung dieses Kfz den Vorschriften entspricht, obwohl Ihnen dies zumutbar war. Bei einer Verkehrskontrolle wurde von der Polizei festgestellt, dass die Ladung auf dem Sattelanhänger nicht so verwahrt und durch geeignete Mittel gesichert war, dass sie den im normalen Fahrbetrieb des Kfz auftretenden Kräften standhalten hätte können, zumal die Ladung (Fliesen und Steinzeug auf Paletten, teilweise gestapelt) auf dem Sattelanhänger gegen eine Verrutschen nicht gesichert war. Durch die mangelhafte Sicherung hätte sich das Ladegut bereits im normalen Fahrbetrieb (z. B. Beschleunigung, Ausweichmanöver, Notbremsung) verschieben können und eine Instabilität des Sattelanhängers hervorrufen können. Daher war der sichere Betrieb des Fahrzeuges beeinträchtigt.

Tatort: S 31, Str.km. 59,600 im Gemeindegebiet von Sieggraben in Fahrtrichtung Oberpullendorf (Ort der Feststellung)

Tatzeit: 07.08.2006, 10.00 Uhr (Zeitpunkt der Feststellung)

 

Dadurch haben Sie folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 102 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 1 lit. e Kraftfahrgesetz 1967 BGBl. Nr. 267/1967 in der Fassung BGBl. I Nr. 99/2006

 

Gemäß § 134 Abs. 1 KFG wurde eine Geldstrafe von 60 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Stunden) verhängt. In der dagegen erhobenen Berufung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Behörde erster Instanz selbst ausführte, dass keine Gefährdung der Verkehrssicherheit gegeben sei. Die Ladung, so die Behörde erster Instanz, sei nicht ausreichend gegen ein Rutschen gesichert gewesen; weitere Ausführungen hiezu seien aber nicht getroffen worden. Unstrittig stehe entsprechend den Ausführungen des beigezogenen Sachverständigen Ing. *** fest, dass eine Gefährdung nicht gegeben sei. Ebenso habe der Sachverständige ausgeführt, dass die zwei kleinen übereinander gestapelten Paletten vernachlässigt werden könnten, womit auch feststehe, dass nur eine geringfügige Veränderung der Ladung möglich gewesen wäre.

 

Hierüber wurde erwogen:

 

§ 1 Abs. 2 VStG lautet:

Die Strafe richtet sich nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.

 

Zeigt die spätere Gesetzgebung, dass das Unwerturteil über das zur Zeit der Begehung strafbare Verhalten nachträglich milder oder ganz weggefallen ist, dann ist das günstigere Recht anzuwenden. War das Verhalten, das zur Tatzeit strafbar war, im Zeitpunkt der Fällung des Bescheides erster Instanz überhaupt nicht mehr strafbar, so ist ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen Regelung für diesen Fall nicht mehr zu bestrafen (vgl. VwGH 17.12.2004, 2004/03/0021).

 

Mit BGBl. I Nr. 57/2007 (28. KFG-Novelle) wurde u. A. der zweite Satz des § 101 Abs. 1 lit. e KFG um den Zusatz: ?dies gilt jedoch nicht, wenn die Ladegüter den Laderaum nicht verlassen können und der sichere Betrieb des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt und niemand gefährdet wird ergänzt. Diese Novelle ist mit 01.08.2007 in Kraft getreten. Zur Strafbarkeit einer Übertretung nach § 101 Abs. 1 lit. e zweiter Satz KFG müssen somit zusätzliche Voraussetzungen geprüft werden. In den erläuternden Bemerkungen zur 28. KFG-Novelle ist hiezu ausgeführt:

Die derzeitige Formulierung im zweiten Satz, wonach die einzelnen Teile der Ladung ihre Lage nur geringfügig verändern können dürfen, führt in der Praxis zu massiven Problemen. So müssten z. B auch einzelne Pakete in einem Zustellfahrzeug der Post bzw. von Paketdiensten gesichert werden ? und das bei jeder Teilfahrt zwischen den einzelnen Zustellungen. Daher soll die Ladungssicherung wieder eingeschränkt werden auf den sicheren Betrieb des Fahrzeuges sowie keine Gefährdung von irgendjemanden, also Lenker, Fahrpersonal, andere Verkehrsteilnehmer, Passanten usw..

 

Der Gesetzgeber hat das strafrechtliche Unwerturteil über die Nichtbefolgung der in § 101 Abs. 1 lit. e zweiter Satz KFG normierten Ladungssicherung verändert, da die Vorschrift nunmehr nicht gilt, wenn weder die Betriebs- bzw. Verkehrssicherheit beeinträchtigt ist noch die Gefahr des Ladungsverlustes besteht. Die Regelung hat sich im Hinblick auf den bei der Ladungssicherheit zu beachtenden Sorgfaltsmaßstab maßgeblich geändert und es läge bei Vorliegen der im Zusatz angeführten Kriterien kein strafbares Verhalten vor. Das zum Zeitpunkt der Fällung des Bescheides erster Instanz geltende Recht ist daher für den Täter günstiger als das zur Tatzeit geltende Recht, sodass § 101 Abs. 1 lit. e KFG in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2007 anzuwenden ist.

§ 101 Abs. 1 lit. e KFG in der Fassung BGBl. I Nr. 57/ 2007 normiert:

Die Beladung von Kraftfahrzeugen und Anhängern ist unbeschadet der Bestimmungen der Abs. 2 und 5 nur zulässig, wenn die Ladung und auch einzelne Teile dieser, auf dem Fahrzeug so verwahrt oder durch geeignete Mittel gesichert sind, dass sie den im normalen Fahrbetrieb auftretenden Kräften standhalten und der sichere Betrieb des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt und niemand gefährdet wird. Die einzelnen Teile einer Ladung müssen so verstaut und durch geeignete Mittel so gesichert werden, dass sie ihre Lage zueinander sowie zu den Wänden des Fahrzeuges nur geringfügig verändern können; dies gilt jedoch nicht, wenn die Ladegüter den Laderaum nicht verlassen können und der sichere Betrieb des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt und niemand gefährdet wird. Die Ladung oder einzelne Teile sind erforderlichenfalls z. B. durch Zurrgurte, Klemmbalken, Transportschutzkissen, rutschhemmende Unterlagen oder Kombinationen geeigneter Ladungssicherungsmittel zu sichern. Eine ausreichende Ladungssicherung liegt auch vor, wenn die gesamte Ladefläche in jeder Lage mit Ladegütern vollständig ausgefüllt ist, sofern ausreichend feste Abgrenzungen des Laderaumes ein Herabfallen des Ladegutes oder Durchdringen der Laderaumbegrenzung verhindern. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie kann durch Verordnung nähere Bestimmungen festsetzen, in welchen Fällen eine Ladung mangelhaft gesichert ist. Dabei können auch verschiedene Mängel in der Ladungssicherung zu Mängelgruppen zusammengefasst sowie ein Formblatt für die Befundaufnahme bei Kontrollen festgesetzt werden.

 

Im Tatvorwurf des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wurden das Tatbild des § 101 Abs. 1 lit. e erster Satz KFG und Tatbildelemente nach dem zweiten Satz leg. cit. vorgehalten.

 

Eine Voraussetzung nach § 101 Abs. 1 lit. e erster Satz KFG ist, dass durch die Ladung bzw. einzelner Teile davon die Betriebs- bzw. Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird. Aus der von der BH ersuchten gutachterlichen Stellungnahme des Amtssachverständigen Ing. *** ergibt sich, dass die auf der Ladefläche aufgestellten Paletten zur Hecktüre einen Freiraum aufwiesen. Im Gutachten wird weiters ausgeführt, dass vom Beschuldigten keine Reibbeiwerte zwischen Ladung und Ladungaufstandsfläche vorgelegt worden seien und somit für die Beurteilung nur die Richtwerte gemäß ÖNORM EN 12195-1 herangezogen werden könnten. Der vorhandene dynamische Reibwert von ca. 0,35 ist gemäß der gutachterlichen Stellungnahme in diesem Fall geringer als der erforderliche von 0,5, wodurch gemäß ÖNORM EN 12195-1 keine ausreichende Ladungssicherheit nach hinten gegeben sei, doch könne  von einer Gefährdung der Verkehrssicherheit in diesem Fall nicht gesprochen werden. Die zwei kleinen übereinander gestapelten Paletten könnten gemäß dem Gutachten aufgrund des geringen Gewichtes und der Ladungssicherungsplane mit Spanngurten in diesem Fall vernachlässigt werden. In der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ist unter ad.8.: ausgeführt, dass der vorhandene Reibbeiwert geringer als in der ÖNORM EN 12195-1 vorgesehen gewesen sei, doch keine Gefährdung der Verkehrssicherheit gegeben sei. Eine Beeinträchtigung der Betriebs- bzw. Verkehrssicherheit ist allerdings Voraussetzung für die Strafbarkeit der Tat; dass keine ausreichende Ladungssicherung gemäß der ÖNORM EN 12195-1 vorgelegen sei, reicht allein nicht aus.

 

Tatbildvoraussetzung nach § 101 Abs. 1 lit. e zweiter Satz KFG wäre neben dem Vorliegen einer Beeinträchtigung der Betriebs- bzw. Verkehrssicherheit, dass die Ladegüter den Laderaum verlassen hätten können. Eine solche Gefahr, Ladung dadurch, dass die auf der Ladefläche aufgestellten Paletten zur Hecktüre einen Freiraum aufwiesen, zu verlieren, konnte nicht festgestellt werden.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Beeinträchtigung der Betriebs- und Verkehrssicherheit durch Ladung, Tatbildvoraussetzung, Ladegut
Zuletzt aktualisiert am
10.10.2008
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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