TE UVS Tirol 2008/09/16 2008/23/1660-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.09.2008
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch seinen stellvertretenden Vorsitzenden Mag. Albin Larcher über die Berufung des Herrn E. H. S., vertreten durch RA Dr. B. H., 6020 Innsbruck, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 17.03.2008 zur Zl KS-501-2008, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung, wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das gegenständliche Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.

Text

Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigen vorgeworfen wie folgt:

 

?Tatzeit: 08.01.2008 15.15 Uhr

Tatort: A 12, Inntalautobahn, km 0028.400, Gemeinde Radfeld, Fahrtrichtung Osten

Fahrzeuq: Sattelzugfahrzeug, XY (D); Anhänger, XY (D)

Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches zur Güterbeförderung im innergemeinschaftlichen Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3.5 t übersteigt, folgende Übertretungen begangen: Am 08.01.2008 wurde festgestellt, dass Sie die Schaublätter, die von Ihnen in den der laufenden Woche vorausgehenden 28 Tagen verwendet wurden, dem Kontrollorgan auf dessen Verlangen nicht vorgelegt haben. 16., 17., 18., 19., 20., 21., 22., 23., 24., 25., 26., 27., 28., 29., 30. 31. Dez. 2007 und 01.01.2008 (17 Tage).

 

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 134 Abs 1 KFG iVm Art 15 Abs 7 In a Abschnitt i EG-VO 3821/85

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über ihn folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Euro falls diese uneinbringlich ist, Freiheitsstrafe von Gemäß Ersatzfreiheitsstrafe von

350,00, 84 Stunden, § 134 Abs 1 KFG?

 

Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht Berufung erhoben. In dieser Berufung wird unter anderem vorgebracht, dass die vom Beschuldigten vorgelegte Bestätigung von der Behörde fälschlicherweise nicht gewertet worden sei und daher das gegenständliche Strafverfahren mit einem Mangel behaftet wäre.

 

A) Sachverhalt:

Aufgrund dieses Berufungsvorbringens fanden am 30.06.2008 sowie am 01.09.2008 zwei öffentliche mündliche Verhandlungen statt. Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 01.09.2008 wurde auch der anzeigeerstattende Polizeibeamte als Zeuge einvernommen und machte dieser dabei folgende Angaben:

 

?Wenn mir der Gegenstand der heutigen Verhandlung vorgehalten wird, so gebe ich an, dass ich mich daran nicht mehr im Detail erinnern kann, da es sich hier um eine Amtshandlung handelt, die wir jeden Tag öfters durchführen.

 

Ich kann meinen handschriftlichen Aufzeichnungen von damals entnehmen, dass der Beschuldigte damals eine ungültige Urlaubsbestätigung mit hatte. Diese Urlaubsbestätigung war in wesentlichen Teilen handschriftlich ausgefüllt. Bei den wesentlichen Teilen handelt es sich für mich um die einzelnen Urlaubstage. Ich habe daher diese Urlaubsbestätigung nicht gelten lassen.

 

Wenn ich gefragt werde, warum ich die Tage vom 16. bis zum 31. Dezember 2007, sowie den 1. und den 2. Jänner 2008 angezeigt habe, so gebe ich an, dass es sich hierbei um jene Tage handelt, für die ich keine Tachographenblätter vorgewiesen bekam und die in der teilweise handschriftlich geführten Urlaubsbestätigung enthalten waren.

 

Der Beschuldigte selbst hat damals zu mir gesagt, dass er nicht wisse, dass es hier eine neue Bestimmung gebe. Hierzu verweise ich auf meine Anzeige.?

 

Weiters wurde Beweis aufgenommen durch Einsicht in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt und Einholung des Erlasses des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie vom 07.11.2007 zur Zl GZ BMVIT-179.723/0006-II/ST4/2007.

 

Sachverhaltsfeststellung:

Der Beschuldigte lenkte am 08. Jänner 2008 ein Sattelzugfahrzeug mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 t auf der A 12 Inntalautobahn im Gemeindegebiet von Radfeld in Fahrtrichtung Osten. Im Zuge einer an der Kontrollstelle Radfeld durchgeführten Lenker- und Fahrzeugkontrolle wurde der Beschuldige auch aufgefordert die Schaublätter der laufenden Woche sowie der vorausgehenden 28 Tage vorzulegen. Der Beschuldigte führte jedoch nur für einen Teil dieser Tage Schaublätter mit und führte für die restlichen Tage eine handschriftliche Urlaubsbestätigung mit. Diese Urlaubsbestätigung entsprach nicht dem Muster im Sinne der Entscheidung der Kommission vom 12. April 2007.

 

In weiterer Folge wurde dieses Urlaubsbestätigung von der Bezirkshauptmannschaft Kufstein ebenso als nicht zulässig angesehen und für die sich aus dieser Urlaubsbestätigung ergebenden Tage ein Strafvorwurf wie er sich aus dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ergibt konstruiert.

 

Im Zuge des Berufungsverfahrens legte der Beschuldigte jedoch neuerlich eine Urlaubsbestätigung seiner Dienstgeberin, die er auch bei der Fahrt am 8.1.2008 mitgeführt hat, sowie einen Auszug aus den Arbeitszeitaufzeichnungen vor und bot die Einvernahme einer informierten Vertreterin der Firma K. M. OHG, Internationale Spedition und Logistik an.

 

Beweiswürdigung:

Unstrittig ist, dass der Beschuldigte sein Fahrzeug zum angegebenen Zeitpunkt am angegebenen Ort lenkte. Weiters ist auch unstrittig, dass der Beschuldigte nicht für alle geforderten Tage ein Schaublatt mitführte. Weiters ist unstrittig, dass er für die restlichen Tage eine Urlaubsbestätigung, die jedoch zum Teil handschriftlich ausgefüllt war, mitgeführt hat. Insbesondere gab der als Zeuge vernommene Beamte in seiner Aussage vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol an, dass die Anzeigenerstattung deshalb erfolgte, da die Urlaubsbestätigung nicht den Anforderungen der im Erlass des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie geforderten Form entsprochen habe.

 

B) Rechtliche Grundlagen:

Kraftfahrgesetz 1967 KFG, BGBl Nr 267/1967, idF BGBl I 6/2008

 

§ 134

(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr 561/2006, der Verordnung (EWG) Nr 3821/85 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl Nr 518/1975 in der Fassung BGBl Nr 203/1993, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei der Einbringung von Fahrzeugen in das Bundesgebiet sind solche Zuwiderhandlungen auch strafbar, wenn sie auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe Arrest bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können Geld- und Arreststrafen auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Arreststrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.

(1a) Übertretungen der Artikel 5 bis 9 und 10 Abs 4 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, der Verordnung (EWG) Nr 3821/85 sowie der Artikel 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl Nr 518/1975 in der Fassung BGBl Nr 203/1993, sind auch dann als Verwaltungsübertretung strafbar, wenn die Übertretung nicht im Inland, sondern auf einer Fahrtstrecke innerhalb des Geltungsbereiches dieser Bestimmungen begangen worden ist (Art 2 Abs 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr 561/2006). Als Ort der Übertretung gilt in diesem Falle der Ort der Betretung im Inland, bei der die Übertretung festgestellt worden ist. Von einer Bestrafung ist jedoch abzusehen, wenn die Übertretung im Bundesgebiet nicht mehr andauert und der Lenker nachweist, dass er wegen dieses Deliktes bereits im Ausland bestraft worden ist.

Verordnung (EWG) Nr 3821/85 des Rates über das Kontrollgerät im Straßenverkehr vom 20. Dezember 1985 (ABl. EG, Nr. L 370, S. 8) zuletzt geändert durch Artikel 26 der Verordnung vom 15. März 2006 (ABl. EU, Nr. L 102, S. 1)

 

Art 15 (7)

a)

Lenkt der Fahrer ein Fahrzeug, das mit einem Kontrollgerät gemäß Anhang I ausgerüstet ist, so muss er den Kontrollbeamten auf Verlangen jederzeit Folgendes vorlegen können:

i)

die Schaublätter für die laufende Woche und die vom Fahrer in den vorausgehenden 15 Tagen verwendeten Schaublätter,

 ii) die Fahrerkarte, falls er Inhaber einer solchen Karte ist, und

iii) alle während der laufenden Woche und der vorausgehenden 15 Tage erstellten handschriftlichen Aufzeichnungen und Ausdrucke, die gemäß der vorliegenden Verordnung und der Verordnung (EG) Nr 561/2006 vorgeschrieben sind.

Nach dem 1. Januar 2008 umfassen die in den Ziffern i und iii genannten Zeiträume jedoch den laufenden Tag und die vorausgehenden 28 Tage.

b)

Lenkt der Fahrer ein Fahrzeug, das mit einem Kontrollgerät gemäß Anhang I B ausgerüstet ist, so muss er den Kontrollbeamten auf Verlangen jederzeit Folgendes vorlegen können:

i)

Die Fahrerkarte, falls er Inhaber einer solche Karte ist,

 ii) alle während der laufenden Woche und der vorausgehenden 15 Tag erstellten handschriftlichen Aufzeichnungen und Ausdrucke, die gemäß der vorliegenden Verordnung und der Verordnung (EG) Nr 561/2006 vorgeschrieben sind, und

iii) die Schaublätter für den Zeitraum gemäß dem vorigen Unterabsatz, falls er in dieser Zeit ein Fahrzeug gelenkt hat, das mit einem Kontrollgerät gemäß Anhang I ausgerüstet ist.

Nach dem 1. Januar 2008 umfasst der in Ziffer ii genannte Zeitraum jedoch den laufenden Tag und die vorausgehenden 28 Tage.

 c) Ein ermächtigter Kontrollbeamter kann die Einhaltung der Verordnung (EWG) Nr 561/2006 überprüfen, indem er die Schaublätter, die im Kontrollgerät oder auf der Fahrerkarte gespeicherten Daten (mittels Anzeige oder Ausdruck) oder anderenfalls jedes andere beweiskräftige Dokument, das die Nichteinhaltung einer Bestimmung wie etwa des Artikels 16 Absatze 2 und 3 belegt, analysiert.

 

Artikel 21

Diese Verordnung tritt am 29. September 1986 in Kraft. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

 

Richtlinie 2006/22/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 15. März 2006 über Mindestbedingungen für die Durchführung der Verordnungen (EWG) Nr 3820/85 und (EWG) Nr 3821/85 des Rates über Sozialvorschriften für Tätigkeiten im Kraftverkehr sowie zur Aufhebung der Richtlinie 88/599/EWG des Rates

 

Artikel 11

Bewährte Verfahren

(1) Die Kommission erstellt nach dem in Artikel 12 Absatz 2 genannten Verfahren Leitlinien für bewährte Verfahren bei der Durchführung. Diese Leitlinien werden in einem Zweijahresbericht der Kommission veröffentlicht.

(2) Die Mitgliedstaaten richten gemeinsame Ausbildungsprogramme über bewährte Verfahren ein, die mindestens einmal jährlich durchzuführen sind, und erleichtern den mindestens einmal jährlich vorzunehmenden Austausch von Personal zwischen den jeweiligen Stellen für die innergemeinschaftliche Verbindung.

(3) Die Kommission erstellt nach dem in Artikel 12 Absatz 2 genannten Verfahren ein elektronisches und druckfähiges Formblatt, das verwendet wird, wenn sich der Fahrer innerhalb des in Artikel 15 Absatz 7 Unterabsatz 1 erster Gedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 genannten Zeitraums im Krankheits- oder Erholungsurlaub befunden hat oder wenn der Fahrer innerhalb dieses Zeitraums ein anderes aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 ausgenommenes Fahrzeug gelenkt hat.

(4) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Kontrollbeamten für die Durchführung ihrer Aufgaben ordnungsgemäß geschult sind.

 

Artikel 12

Ausschussverfahren

(1) Die Kommission wird von dem durch Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr 3821/85 eingesetzten Ausschuss unterstützt.

(2) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gelten die Artikel 5 und 7 des Beschlusses 1999/468/EG unter Beachtung von dessen Artikel 8. Der Zeitraum nach Artikel 5 Absatz 6 des Beschlusses 1999/ 468/EG wird auf drei Monate festgesetzt.

(3) Der Ausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung.

 

Entscheidung der Kommission vom 12. April 2007 über ein Formblatt betreffend die Sozialvorschriften für Tätigkeiten im Kraftverkehr (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2007) 1470) (2007/230/EG)

 

Artikel 1

Das in Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 2006/22/EG genannte Formblatt ist im Anhang dieser Entscheidung festgelegt.

 

Artikel 2

Diese Entscheidung ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

 

C) Rechtliche Würdigung:

Im wesentlichen wurde dem Beschuldigten in vereinfachter Form vorgeworfen, dass er für den Nachweis von Urlaubszeiten als sonstige Aufzeichnung im Sinne des Art 15 Abs 7 lit a Abschnitt iii EG-VO 3821/85 nicht das Formblatt wie es der Entscheidung der Kommission vom 12.4.2007 entspricht verwendet hat. Diese Vorgehensweise übersieht allerdings wesentliche rechtliche Grundsätze. Zum Einen ist die Entscheidung der Kommission an die Mitgliedsstaaten gerichtet und zum Zweiten ist der diesem Formblatt zu Grunde liegende Rechtsakt eine Richtlinie des europäischen Parlamentes und des europäischen Rates.

 

Der Europäische Gerichtshof betont, dass nach Art 189 (jetzt Art 249 EGV) der verbindliche Charakter einer Richtlinie, auf dem die Möglichkeit beruht, sich vor einem nationalen Gericht auf die Richtlinie zu berufen, nur für ?jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird?, besteht. Daraus folgt, dass eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen kann und dass eine Richtlinienbestimmung daher als solche vor einem innerstaatlichen Gericht nicht gegenüber einer derartigen Person in Anspruch genommen werden kann. Eine innerstaatliche Behörde kann sich nicht zu Lasten eines Einzelnen auf eine Bestimmung einer Richtlinie berufen kann, deren erforderliche Umsetzung in innerstaatliches Recht noch nicht erfolgt ist (EuGH 08.10.1987, Rs 80/86, Kolpinghuis Nijmegen, Slg 1987, 3969).

 

In dem besonderen Kontext einer Situation, in der sich die Behörden eines Mitgliedstaats gegenüber einem Einzelnen im Rahmen von Strafverfahren auf eine Richtlinie berufen, hat der Gerichtshof klargestellt, dass eine Richtlinie für sich allein und unabhängig von zu ihrer Durchführung erlassenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht die Wirkung haben kann, die strafrechtliche Verantwortlichkeit derjenigen, die gegen die Vorschriften dieser Richtlinie verstoßen, festzulegen oder zu verschärfen (EuGH 03.05.2005, Rs C-387/02 ua, Berlusconi, Slg 2005, I-3565).

 

Zusammengefasst bedeutet dies, dass die unmittelbare Wirkung einer RL nicht dazu führen darf, dass diese für sich allein und unabhängig von den zu ihrer Durchführung erlassenen nationalen Rechtsvorschriften direkte Belastungen für die Rechtsunterworfenen zur Folge hat (Verbot der umgekehrt vertikalen Direktwirkung). Insbesondere kann die Nichtbeachtung einer nicht umgesetzten Bestimmung einer Richtlinie die strafrechtliche Verantwortlichkeit derjenigen, die dagegen verstoßen, nicht unmittelbar begründen oder verschärfen. Wie dargelegt müssen im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung alle Träger der öffentlichen Gewalt einschließlich der Gerichte unter Nutzung des vollen Beurteilungsspielraums des nationalen Rechts grundsätzlich alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit einer Richtlinie zu gewährleisten.

 

Allerdings werden dieser Verpflichtung durch das Gemeinschaftsrecht selbst, insbesondere durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Rechtssicherheit und dem Rückwirkungsverbot, Grenzen gesetzt. Daher ist ? analog zum Verbot einer umgekehrten vertikalen Direktwirkung von Richtlinien ? insbesondere die Begründung oder Verschärfung einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Wege der Richtlinien-konformen Auslegung unzulässig.

 

Insofern beruht das Vorgehen der Bezirkshauptmannschaft Kufstein auf keiner anwendbaren gesetzlichen Grundlage. Dies läuft aber dem Grundsatz zuwider, dass eine Tat nur dann bestraft werden darf, wenn sie gesetzlich vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war, und strafgesetzliche Vorschriften das strafbare Verhalten unmissverständlich und klar erkennen lassen müssen, und demnach weder analog noch rückwirkend angewendet werden dürfen Unter Bedachtnahme auf Art 7 EMRK wird demnach die richtlinienkonforme Auslegung von Strafvorschriften auch durch das Rückwirkungs- und Analogieverbot sowie das Verbot einer exzessiven Interpretation begrenzt, eine richtlinienkonforme Auslegung von Strafvorschriften findet ihre Grenzen in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die Teile des Gemeinschaftsrechts sind, insbesondere in dem Grundsatz der Rechtssicherheit und im Rückwirkungsverbot (VwGH 29.04.2002, 2000/03/0066).

 

Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG hat der Unabhängige Verwaltungssenat von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und dessen Einstellung zu Verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm angelastete Tat nicht begangen hat oder Umstände vorliegen die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

Ausgehend vom festgestelltem Sachverhalt ergibt es sich daher, dass der Beschuldigte bei der damaligen Fahrt neben den Schaublättern, für jene Tage an denen er ein Kraftfahrzeug gelenkt hart, auch eine Urlaubsbestätigung für die restlichen Tage mitgeführt hat. Eine Verpflichtung des Beschuldigten zur Wahrung besonderer Formvorschriften hinsichtlich der Urlaubsbestätigung ist den derzeit geltenden gesetzlichen Bestimmungen jedoch nicht zu entnehmen.

Aus diesem Grund war der Berufung Folge zugeben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Strafverfahren einzustellen.

Schlagworte
Schaublätter, Fahrerkarte, Formblatt, Urlaubsbestätigung, Formvorschriften
Zuletzt aktualisiert am
24.09.2008
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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