Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Felizitas Schiessendoppler-Luchner über die Berufung von Herrn M. D. BAH, vertreten durch den RA S. E. W. D., XY, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 7.6.2008, Zl Fr 1033946, mit welchem der Antrag des Berufungswerbers auf Wiederaufnahme des gegen ihn geführten Schubhaftverfahrens als unzulässig zurückgewiesen worden war, wie folgt:
Der Berufung wird gem. § 66 Abs 4 AVG als unbegründet abgewiesen.
Aus dem gegenständlichen Akteninhalt ergibt sich, dass über den Berufungswerber mit Bescheid der BPD Innsbruck vom 4.5.2005 zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt worden war. Vom 6.5.2005 bis zum 18.8.2007 befand sich der Berufungswerber anschließend an eine Strafhaft in Schubhaft. Mit Bescheid des UBAS vom 23.12.2007 wurde festgestellt, dass dem nunmehrigen Berufungswerber der erstinstanzliche Asylbescheid gar nie zugestellt worden und daher rechtlich nicht existent geworden sei.
Infolge der Zustellung dieses Ersatzbescheides des UBAS wurde seitens des nunmehrigen Berufungswerbers bei der BPD Innsbruck ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens eingebracht. Im Wesentlichen wurde dazu der o a Verfahrenshergang und darüber hinaus ausgeführt, dass er zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung Asylwerber gewesen und die Abschiebung daher nicht zulässig gewesen sei, sodass auch die Schubhaft nicht notwendig und daher rechtswidrig gewesen sei. Die Vorfrage der Rechtskraft des negativen Asylbescheides sei nachträglich von der hiefür zuständigen Behörde (UBAS) im wesentlichen Punkt der (nicht erfolgten) Zustellung des Asylbescheides anders entschieden worden, weshalb der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs 1 Z 3 AVG vorliege.
Gegenständlicher Wiederaufnahmeantrag wurde mit Bescheid der BPD Innsbruck vom 7.6.2008, Zl Fr 1033946, als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass gegen die Verhängung der Schubhaft nach wie vor das Rechtsmittel der Beschwerde gem. § 82 FPG offen stehe, sodass es dem Wiedereinsetzungsantrag an der grundsätzlichen Voraussetzung, dass ein ordentliches Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist, mangle.
Gegen diesen Zurückweisungsbescheid richtet sich die nunmehrige, rechtzeitig erhobene Berufung. Begründend wird ausgeführt, dass die Behörde den Wiederaufnahmeantrag zu Unrecht zurückgewiesen habe. Gem § 73 Abs 2 FrG (gemeint wohl: § 83 Abs 2 FPG) würden für Schubhaftbeschwerden mit hier unwesentlichen Änderungen die §§ 67c bis 67g sowie 79a AVG, demnach auch § 67 c Abs 1 AVG, wonach Beschwerden innerhalb von sechs Wochen ab Kenntnisnahme zu erheben seien, zur Anwendung kommen. Diese sechswöchige Frist sei wohl schon verstrichen, sodass der Wiederaufnahmeantrag inhaltlich zu erledigen sei.
Es werde daher beantragt, der UVS Tirol möge der Berufung stattgeben, die Wiederaufnahme bewilligen und die Schubhaft antragskonform für rechtswidrig erklären.
Mit Eingabe vom 26.6.2008 wurde seitens der BPD Innsbruck der gegenständliche Akt vorgelegt und zur gegenständlichen Berufung dahingehend Stellung genommen, dass für die Erhebung einer Schubhaftbeschwerde keine Befristung vorgesehen sei, sodass dieses ordentliche Rechtsmittel nach wie vor offen stehe, weshalb der Wiederaufnahmeantrag abzuweisen gewesen sei. Es werde daher der Antrag gestellt, die vorliegende Berufung als unbegründet abzuweisen. Darüber hinaus werde dennoch der Antrag gestellt, die Schubhaftbeschwerde abzuweisen und festzustellen, dass die Rechtmäßigkeit des bekämpften Schubhaftbescheides gegeben sei und daher weiters die seinerzeitige Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft rechtskonform gewesen sei. Weiters beantrage die Behörde, ihr Kostenersatz für den Vorlageaufwand, den Schriftsatzaufwand sowie einen allfälligen Verhandlungsaufwand zuzusprechen.
Der UVS hat hierüber wie folgt erwogen:
§ 69 AVG normiert die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens. In Absatz 1 ist festgehalten, dass dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben ist, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
1.
der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder
2.
neue Tatsachen oder Beweise hervorgekommen sind, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und alleine oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten oder
3.
der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hierfür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
Absatz 2: Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in I. Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn diese doch nach der Verkündung des mündlichen Bescheid und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
Aus den Erläuterungen ergibt sich, dass ein anhängiges Verfahren vor dem AsylGH die Wiederaufnahme nicht berührt.
Aus dem klaren und unmissverständlichen Gesetzeswortlaut und dem Gesetzeszweck, durch das Institut der Wiederaufnahme ein Korrektiv gegen, aus bestimmten in § 69 Abs 1 AVG näher ausgeführten Gründen, unrichtige rechtskräftige Bescheide einzurichten, ergibt sich, dass die Relevanz des behaupteten Wiederaufnahmetatbestandes immer am in der Sache selbst ergangenen rechtskräftigen Bescheid zu messen ist. (VwGH 20.10.1995, 94/19/1353).
Auch hat laut Rechtssprechung des VwGH das Wiederaufnahmeverfahren nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei in einem Ermittlungsverfahren oder die Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels (wie z B eine unterlassene Schubhaftbeschwerde) im Wege über die Wiederaufnahme eines Verfahrens zu sanieren.
Im gegenständlichen Fall wurde der Wiederaufnahmeantrag bei der BPD Innsbruck zur Wiederaufnahme des Schubhaftverfahrens gestellt.
Gem. § 81 Abs 2 FPG gilt der der Schubhaft zu Grunde liegenden Bescheid mit der formlosen Aufhebung der Schubhaft kraft Gesetz als widerrufen. Damit liegt die Voraussetzung für eine Wiederaufnahme iSd der o a gesetzlichen Bestimmungen und der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, nämlich ein durch Bescheid rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren nicht vor, sodass eine Wiederaufnahme im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt.
Seitens der BPD Innsbruck wurde der Wiederaufnahmeantrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass dem nunmehrigen Berufungswerber nach wie vor ein ordentliches Rechtsmittel gegen die verhängte Schubhaft zur Verfügung stehe.
Ohne auf die Judikaturdivergenz der neunziger Jahre zwischen dem VwGH und dem VfGH einzugehen, wird auf die einschlägige Rechtssprechung des VfGH hingewiesen, wonach Schubhaftbeschwerden auch noch innerhalb einer Frist von sechs Wochen ab Beendigung der Schubhaft erhoben werden können (VfGH, 30.3.1994, SlgNr 13698; VfGH, 8.6.1998, SlgNr 15140). Die Bestimmungen im FrG 1992, im FrG 1997 und FPG betreffend die Anwendung der §§ 67c bis 67g AVG sind gleich lautend:
Gem § 83 (1) FPG ist zur Entscheidung über die Beschwerde der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde.
Gem (2) entscheidet über die Beschwerde der Unabhängige Verwaltungssenat durch eines seiner Mitglieder. Im übrigen gelten die §§ 67c bis 67g sowie 79a AVG mit der Maßgabe ... usw..
Im § 67c AVG 1991 wird die sechswöchige Einbringungsfrist für Beschwerden wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt normiert, sodass diese auch im Schubhaftbeschwerdeverfahren rechtlich relevant ist. Diese Frist beginnt gemäß den o a VfGH-Erkenntnissen mit dem tatsächlichen Ende der Schubhaft.
Die Frist für die Erhebung einer Schubhaftbeschwerde hat ist nach dem Schubhaftende am Samstag, dem 18.8.2007, am Montag, dem 01.10.2007 abgelaufen. Im Beschwerdezeitraum hätten daher sämtliche, nunmehr im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens geltend gemachten Gründe vorgebracht werden können. Zumal keine neuen Tatsachen hinzugekommen sind, hätten bereits innerhalb der Beschwerdefrist sämtliche, o a Vorbringen geltend gemacht werden können. Über eine derartige Beschwerde hätte in weiterer Folge der UVS abzusprechen gehabt und wäre in diesem Verfahren die Vorfrage der ordnungsgemäßen Zustellung entweder vom UVS selbst zu entscheiden gewesen oder hätte dieser die Entscheidung des UBAS über die anhängige Berufung im Asylverfahren abwarten und das Verfahren gem. § 38 AVG aussetzen können. Hätte der UVS in diesem Fall infolge einer selbst getroffenen Vorfragenentscheidung eine andere Entscheidung getroffen als nachfolgend der UBAS, so hätte dieser Umstand möglicherweise im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens beim UVS geltend gemacht werden können.
Zumal es im vorliegenden Fall jedoch, wie bereits ausgeführt, an einem derartig rechtskräftig durch Bescheid erledigten Verfahren mangelt, da der Schubhaftbescheid mit Ende der Schubhaft ex lege als widerrufen gilt, ist im vorliegenden Verfahren eine Wiederaufnahme nicht möglich.
Es war daher der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens von der Erstbehörde als unzulässig zurückzuweisen und in weiterer Folge aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes und der aufgezeigten Erwägungen die dagegen eingebrachte Berufung spruchgemäß abzuweisen.