TE UVS Tirol 2008/11/05 2008/25/3229-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.11.2008
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch das Einzelmitglied Dr. Alexander Hohenhorst über die Berufung des Herrn Dr. N. L., XY-Straße 13, W., vom 17.10.2008, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. B. W., XY-Weg 14, St J., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 30.09.2008, Zl 3-10076/AW/21-2008, gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit § 38 Abs 8 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) wie folgt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

Text

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol zur Entscheidung über die gegenständliche Berufung ergibt sich aus § 38 Abs 8 AWG 2002, wonach über Berufungen gegen Bescheide des Landeshauptmannes oder der Bezirksverwaltungsbehörde als zuständige Anlagenbehörde nach diesem Bundesgesetz der unabhängige Verwaltungssenat des Bundeslandes entscheidet. Über Berufungen gegen verfahrensrechtliche Bescheide entscheiden die  Verwaltungssenate gemäß durch Einzelmitglied (§ 67a Abs 1 AVG).

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Herrn Dr. N. L. auf Zustellung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 02.09.2008, Zl 3-10076/AW/13-2008, betreffend die abfallwirtschaftsrechtliche Bewilligung für eine Bodenaushubdeponie (Deponie ?V.?) auf den Gpn XY, XY, XY und XY alle KG A. abgewiesen.

 

Die gegenständliche Deponie dient laut Einreichunterlagen zum Antrag der M. Erdbau und Transport GmbH vom 02.07.2008 der Lagerung von ?Bodenaushub?, SN 31411, und soll ein geplantes Volumen von 30.000 m3 aufweisen. Die Behörde I. Instanz hat als Verfahrensart das ?vereinfachte Verfahren? nach § 50 AWG 2002 gewählt. Dazu bestimmt § 37 Abs 3 Abfallwirtschaftsgesetz 2002, BGBl I 102 idF BGBl I 2008/2 (AWG 2002), dass bestimmte Behandlungsanlagen nach dem sog. vereinfachten Verfahren gemäß § 50 AWG 2002 zu genehmigen sind. Zu diesen Behandlungsanlagen zählen nach Z 1 leg cit ua auch Deponien, in denen ausschließlich Bodenaushub- und Abraummaterial, welches durch Ausheben oder Abräumen von im Wesentlichen natürlich gewachsenen Boden oder Untergrund anfällt, abgelagert werden, sofern das Gesamtvolumen der Deponie unter 100 000m3 liegt.

 

§ 50 AWG 2002 lautet wie folgt:

?Vereinfachtes Verfahren

§ 50 (1) Im vereinfachten Verfahren sind die §§ 38, 39, 43 und 46 bis 49 nach Maßgabe der folgenden Absätze anzuwenden.

(2) Die Behörde hat einen Antrag für eine Genehmigung gemäß § 37 Abs 3 vier Wochen aufzulegen. Die Auflage ist in geeigneter Weise, wie Anschlag in der Standortgemeinde oder Veröffentlichung auf der Internetseite der Behörde, bekannt zu geben. Die Nachbarn können innerhalb der Auflagefrist Einsicht nehmen und sich zum geplanten Projekt äußern. Die Behörde hat bei der Genehmigung auf die eingelangten Äußerungen Bedacht zu nehmen.

(3) Ein Bescheid ist innerhalb von vier Monaten nach Einlangen des Antrags zu erlassen.

(4) Parteistellung im vereinfachten Verfahren hat der Antragsteller, derjenige, der zu einer Duldung verpflichtet werden soll, das Arbeitsinspektorat gemäß dem Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das Verkehrs-Arbeitsinspektorat gemäß dem Bundesgesetz über die Verkehrs-Arbeitsinspektion, das wasserwirtschaftliche Planungsorgan in Wahrnehmung seiner Aufgaben und der Umweltanwalt mit dem Recht, die Einhaltung von naturschutzrechtlichen Vorschriften und hinsichtlich der Verfahren gemäß § 37 Abs 3 Z 2 bis 4 die Wahrung der öffentlichen Interessen gemäß § 1 Abs 3 Z 1 bis 4 im Verfahren geltend zu machen und gegen den Bescheid Berufung zu erheben. Dem Umweltanwalt wird das Recht eingeräumt, Beschwerde gemäß Art 131 Abs 2 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.?

 

Die Behörde I. Instanz hat nun im angefochtenen Bescheid den Antrag des Herrn Dr. N. L. vom 02.09.2008 zusammenfassend mit der Begründung abgewiesen, dass im gegenständlichen Fall die Verfahrensvorschriften des § 50 AWG 2002 eingehalten worden seien und dem Berufungswerber in diesem Verfahren keine Parteistellung zukomme. Eine Zustellung des Genehmigungsbescheides scheide daher aus.

 

Der Berufungswerber ist Miteigentümer einer Wohnung im Anwesen XY-Weg 16. Er hat dort einen Nebenwohnsitz begründet. Er ist beruflich als Rechtsanwalt in Wien tätig. Selbst wenn er sich nur vorübergehend in dieser Eigentumswohnung aufhalten sollte, ist er aufgrund des räumlichen Naheverhältnisses zur gegenständlichen Deponie (Entfernung etwa 230m) jedenfalls als Nachbar im Sinne des § 2 Abs 6 Z 5 AWG 2002 anzusehen.

 

Das vereinfachte Verfahren nach § 50 AWG 2002 ist nun dem abgekürzten Verfahren nach § 359b GewO 1994 nachempfunden. Auch in diesem Verfahren bestehen bestimmte Kundmachungsvorschriften und wird den Nachbarn ?lediglich? die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme zum Projekt abzugeben. Eine Parteistellung der Nachbarn wird ausdrücklich ausgeschlossen. Dazu hat jedoch, und darauf wird in der vorliegenden Berufung zutreffend hingewiesen, der VfGH in seinem Erkenntnis vom 03.03.2001, G 87/00 (vgl auch VfGH 29.09.2001, G 98/01) ausgesprochen, dass den Nachbarn zumindest hinsichtlich der Frage, ob die Behörde zu Recht von der Anwendbarkeit des vereinfachten Verfahrens nach § 359b GewO 1994 ausgegangen ist, eine (beschränkte) Parteistellung zukommt. Der VfGH führt im zitierten Erkenntnis ua aus:

 

?Es ist verfassungsrechtlich bedenklich, den Nachbarn Parteistellung auch bei Beurteilung der Frage zu versagen, ob die Voraussetzungen für ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren überhaupt vorliegen, und diese Beurteilung allein der Behörde zu überlassen. Diese Bedenken, die sich letztlich gegen eine unsachliche Ungleichbehandlung gleicher Fälle richten (nämlich jener Nachbarn, die im Rahmen eines ordentlichen Genehmigungsverfahrens Parteistellung besitzen, einerseits und jener, die diese Parteistellung nur deswegen nicht besitzen, weil die Behörde zu Unrecht die Voraussetzungen eines vereinfachten Verfahrens angenommen oder behauptet hat, andererseits) sind im Verfahren nicht zerstreut worden.?

 

Aufbauend auf dieses Erkenntnis des VfGH hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass den Nachbarn im vereinfachten Betriebsanlagen-genehmigungsverfahren gemäß § 359b Abs 1 GewO 1994 lediglich in der Frage, ob überhaupt die Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens gegeben sind, eine insoweit eingeschränkte Parteistellung zukommt. Gleichzeit betont der VwGH, dass damit aber kein Anspruch auf die Berücksichtigung bestimmter (materieller) Interessen verbunden ist (vgl VwGH 21.11.2001, Zlen 2001/04/0198, 0199, 29.05.2002, 2002/04/0050). Um diese beschränkte Parteistellung schlussendlich auch wirksam durchsetzen zu können, ist der gemäß § 359b Abs 1 GewO 1994 ergehende Feststellungsbescheid den Nachbarn zuzustellen (vgl § 359 Abs 3 GewO 1994). Ausgenommen wären nur jene Nachbarn, bei denen aufgrund einer nach den Bestimmungen des §§ 40ff AVG durchgeführten mündlichen Verhandlung Präklusion (also Verlust der beschränkten Parteistellung) eingetreten ist (vgl dazu eingehend Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur Gewerbeordnung 1994 2 (2003) § 359b RZ 35, Wendl in Stolzlechner/Wendl/Bergthaler (Hrsg), Die gewerbliche Betriebsanlage 3 (2008) RZ 261). Eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung der Nachbarn nach den zitierten Bestimmungen wurde im gegenständlichen Fall nicht durchgeführt.

 

Für den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol bestehen nun aufgrund der konzeptionellen Übereinstimmung des Verfahrens nach § 50 AWG 2002 und § 359b GewO 1994 keine Zweifel, dass die oben dargestellten Grundsätze auch auf das vereinfachte Verfahren nach § 50 AWG 2002 Anwendung finden und wird daher auch der Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 02.09.2008, Zl 3-10076/AW/13-2008 dem Nachbarn Dr. N. L. zuzustellen zu sein. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Aufbauend, auf, dieses, Erkenntnis, des, VfGH, hat, der, Verwaltungsgerichtshof, in, ständiger, Judikatur, ausgesprochen, dass, den, Nachbarn, im, vereinfachten, Betriebsanlagengenehmigungsverfahren, gemäß, § 359b Abs 1 GewO 1994, lediglich, in, der, Frage, ob, überhaupt, die, Voraussetzungen, des, vereinfachten, Verfahrens, gegeben, sind, eine, insoweit, eingeschränkte, Parteistellung, zukommt. Gleichzeitig, bestimmt, der, Verwaltungsgerichtshof, dass, damit, aber, kein, Anspruch, auf, die, Berücksichtigung, bestimmter, materieller, Interessen, verbunden, ist. Für, den, Unabhängigen, Verwaltungssenat, in, Tirol, bestehen, nun, aufgrund, der, konzeptionellen, Übereinstimmung, des, Verfahrens, nach, § 50 AWG 2002, und, § 359b GewO, keine, Zweifel, dass, die, oben, dargestellten, Grundsätze, auch, auf, das, vereinfachte, Verfahren, nach, § 50, Anwendung, finden und, wird, daher, der, Genehmigungsbescheid, der, Bezirkshauptmannschaft, Kitzbühel, dem, Nachbarn, Dr. N. L., zuzustellen, sein
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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