Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch den Kammervorsitzenden Mag. Grauszer und die Mitglieder Mag.Bauer und Dr. Schwarz über die Berufung der Frau ***, geboren am ***, wohnhaft in ***, vom 30.04.2008 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 15.04.2008, Zl. 300-5945-2007, wegen Bestrafung nach dem Glücksspielgesetz (GSpG), zu Recht erkannt:
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.
I. Der Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Oberwart (im Folgenden BH) lautet:
Sie haben im Zeitraum 2.11.2007 bis 18.12.2007 täglich von 19.00 Uhr bis 03.00 Uhr des nächsten Tages im *** in ***, Glücksspiele, bei denen Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängig sind und deren Durchführung dem Bund vorbehalten ist, und zwar das Pokerspiel Texas Hold`em mit der Spielvariante Freez Au veranstaltet, wobei die Ausspielung so durchgeführt wurde, dass Sie die Möglichkeit zur Erlangung einer vermögensrechtlichen Gegenleistung für eine vermögensrechtliche Leistung in Aussicht gestellt, organisiert, veranstaltet und angeboten haben. Desweiteren haben sie dieses und weitere Glücksspiele, nämlich die Pokervarianten Ohama, Ohama Hi/Lo, Seven Card Stud, Seven Card Stud Hi/Lo und 5 Card Draw auf der Internetseite www.*** beworben, indem Sie zur Teilnahme an diesen Glücksspielen im angeführten Ort im Tatzeitraum eingeladen und aufgefordert haben.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 4, § 3 und § 52 Abs. 1 Z. 1 Glücksspielgesetz sowie § 9 Abs. 1 VStG
Gemäß § 52 Abs. 1 Einleitungssatz GSpG wurde eine Geldstrafe von 3.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe von 48Stunden) verhängt.
Dagegen wurde Berufung erhoben.
II. Hierüber wurde erwogen:
§ 52 Abs. 1 Z. 1 GlücksspielG:
(1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,
1. wer Glücksspiele entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes veranstaltet, diese bewirbt oder deren Bewerbung ermöglicht.
Wer ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird.
Art. 4 Abs. 1 des siebenten Zusatzprotokolles zur Europäischen Menschenrechts-konvention lautet (in seiner deutschen Übersetzung):
Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.
II. 1. Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 11.03.1998, G 262/97, ausführte, besteht die verfassungsrechtliche Grenze, die Art. 4 Abs. 1 des siebenten Zusatzprotokolles zur EMRK für eine Doppel- oder Mehrfachbestrafung zieht, darin, dass eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung dann unzulässig ist, wenn sie bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war. Dies ist der Fall, wenn der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodass ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Deliktes in jeder Beziehung mitumfasst. Strafverfolgungen bzw. Verurteilungen wegen mehrerer Delikte, die auf Straftatbeständen fußen, die einander wegen wechselseitiger Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion jedenfalls bei eintätigem Zusammentreffen ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn und weil dadurch ein und dieselbe strafbare Handlung strafrechtlich mehrfach geahndet wird.
Zum Verhältnis des § 52 Abs. 1 Glücksspielgesetz zu § 168 Abs. 1 StGB ist das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19.06.1998, Zl. G 275/96, zu beachten. Präjudiziell war in diesem Fall zwar eine Übertretung nach § 52 Abs. 1 Z. 5 erster Fall Glücksspielgesetz, jedoch sind die allgemeinen Ausführungen dieser Entscheidung auch auf Übertretungen nach § 52 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. anwendbar. Demnach sind zwar Fallkonstellationen, die unter die Strafdrohung des Glücksspielgesetzes, nicht aber unter jene des StGB fallen, denkbar. Dies allein schon deshalb, weil nach § 168 Abs. 1 StGB die Veranstaltung von Glücksspielen und die Förderung von zur Abhaltung von Glücksspielen veranstalteten Zusammenkünften von der Strafbarkeit ausgenommen sind, wenn bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird. Dennoch werde es freilich nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr die Regel sein, dass eine (an sich) unter die Strafdrohung des § 52 Abs. 1 Z. 5 erster Fall Glücksspielgesetz fallende Handlung in Tateinheit mit einer unter die Strafdrohung des § 168 Abs. 1 erster oder zweiter Fall StGB fallenden Handlung begangen wird. Weder aus dem Wortlaut des § 52 Glücksspielgesetz noch aus dem Wortlaut der übrigen Bestimmungen des Glücksspielgesetzes ergäbe sich, dass bei der Ahndung der Delikte gemäß § 52 Glücksspielgesetz die Annahme einer Scheinkonkurrenz nicht zulässig wäre.
Dieser Rechtsansicht hat sich auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22.03.1999, Zl. 98/17/0134, angeschlossen. Darin wird u.a. ausgeführt, dass auch das vom EGMR vorausgesetzte Gebot des Art. 4 des 7. ZPMRK, nämlich die Gefahr unterschiedlicher Beurteilungen einer einzigen Tat durch verschiedene Behörden zu vermeiden, für die vom Verfassungsgerichtshof gewählte Interpretation sprechen könnte.
Gebietet aber nach dem Vorgesagten eine verfassungskonforme Auslegung unter Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPMRK die Annahme einer unechten Idealkonkurrenz in der Erscheinungsform der stillschweigenden Subsidiarität der Bestimmungen des § 52 Abs. 1 Glücksspielgesetz gegenüber dem § 168 Abs. 1 StGB, so folgt daraus, dass eine Bestrafung nach der erstgenannten Norm dann zu unterbleiben hat, wenn sich der Täter nach der zweitgenannten Bestimmung strafbar gemacht hat. Diese Beurteilung der Subsidiarität ist von der Verwaltungsstrafbehörde vorzunehmen und zwar unabhängig davon, ob eine strafgerichtliche Verurteilung wegen eines Vergehens nach § 168 StGB erfolgt ist oder nicht.
Wird dem Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren vorsätzliche Begehung der Tat zur Last gelegt und wurde nicht iSd § 168 Abs. 1 StGB bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt, so hat der Beschuldigte tatbildlich iSd § 168 Abs. 1 erster Fall StGB gehandelt (VwGH 22.03.1999, 98/17/0134).
II.2. Die in der zweiten Alternative der negativen Tatbestandsmerkmale umschriebenen harmlosen Spiele sind dadurch gekennzeichnet, dass die Mitwirkenden durch ihre Spielbeteiligung im wesentlichen Unterhaltung und Zerstreuung suchen (bloß zum Zeitvertreib) sowie dadurch, dass die hiebei aufs Spiel gesetzten Vermögenswerte nur einen geringen Betrag ausmachen (OGH vom 28.06.1983, 11 Os 109/83). Das Korrektiv gegen eine zu weitgehende Einschränkung der gerichtlichen Strafbarkeit bildet nach dem Gesetz die weitere in bezug auf den gesamten Tatbestand negativ umschriebene Voraussetzung, dass bloß zum Zeitvertreib gespielt wird. Das jedem Spiel wesensimmanente Gewinnstreben der Teilnehmer muss sich zwar bei einem Spiel um Geld zwangsläufig (auch) auf einen Geldgewinn erstrecken, jedoch geht allein dadurch der bloße Unterhaltungscharakter des Spieles noch nicht verloren. Davon kann erst dann die Rede sein, wenn das Gewinnstreben als Motivation - zwar nicht unbedingt ausschließlich wirksam ist, aber doch - so weit in den Vordergrund tritt (z. B. bei einer außergewöhnlich günstigen, zu Serienspielen verleitenden Relation zwischen Einsatz und theoretisch erzielbarem Gewinn), dass es dem Spieler geradezu darauf ankommt, Geld zu gewinnen, wenn er also in gewinnsüchtiger Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB) spielt (vgl. 10 Os 25, 26/83).
Die Beantwortung der Frage, ob um geringe Beträge gespielt wird, ist grundsätzlich am Einzelspiel bzw. am einzelnen, jeweils über Gewinn oder Verlust entscheidenden Spielgang zu orientieren.
Die BH ging in ihren Feststellungen davon aus, dass im *** in *** im angegebenen Zeitraum Glücksspiele und zwar Pokerspiele in verschiedenen Varianten veranstaltet bzw. beworben wurden und die an den von der Berufungswerberin veranstalteten Pokerspielen teilnehmenden Spieler pro Spiel maximal 20 Euro einsetzen konnten.
Nach Ansicht von Bertel/Schwaighofer (vgl. Besonderer Teil I [2004], § 168, Rz 9), wird ? unter Heranziehung des Erkenntnisses des OGH vom 14.12.1982, 9 Os 137/82 ? um geringe Beträge dann gespielt wird, wenn keiner der Spieler bei dem einzelnen Spiel mehr als 20 Euro einsetzt. Die in Leukauf-Steiniger, Komm3 § 168 Rz 20, zusammengefasste herrschende Meinung geht allerdings davon aus, dass Einsätze bis maximal 100 Schilling als geringfügig gelten und es ist fraglich, ob aus der angeführten Judikatur des OGH, die eine Wertgrenze von 200 Schilling vorsah, eine Richtgrenze von nunmehr 20 Euro anzusetzen ist. 200 Schilling sind gemäß den Umrechnungskriterien etwa 14,50 Euro. Unabhängig davon, dass auf der im Akt ersichtlichen Internetseite *** vom 21.11.2007, Pokerspiele im gegenständlichen Lokal *** mit Buy-Ins bis zu einem 100 Euro No Limit Hold`em Freezeout beworben wurden, ist auch ein Einsatz von 20 Euro pro Pokerspiel gemäß der angeführten Judikatur und der hL nicht als geringer Betrag anzusehen.
Weiters liegt die kumulative Voraussetzung, dass bloß zum Zeitvertreib gespielt wurde, nicht vor. Zum Zeitvertreib wird nach Bertel/Schwaighofer, (BT I [2004], § 168, Rz 9) dann gespielt, wenn die Einsätze und Gewinne, welche die Spieler während der gesamten Veranstaltung machen, im Verhältnis zu ihrem Einkommen nicht ins Gewicht fallen. Foregger/Fabrizy (StGB7 [1999] 168, Rz 3) führen aus, dass dies etwa der Fall ist, wenn im Familienverband, in einem Freundeskreis oder auch in der Öffentlichkeit ein Hasardspiel durchgeführt wird, bei dem es um wenige Schilling geht. Nicht bloß zum Zeitvertreib werde dann gespielt, wenn es dem Spieler darauf ankomme, Geld zu gewinnen.
Im gegenständlichen Fall wurde gemäß dem ersten Satz des Tatvorhaltes das Pokerspiel Texas Hold`em mit der Spielvariante Freez Au veranstaltet. In dem von der BH in Auftrag gegebenen Erhebungsbericht der Polizeiinspektion *** vom 19.11.2007 ist angeführt, dass pro Spieler 6000 Turnierchips ausgegeben werden, was einem Gegenwert von 20 Euro entspricht. Der theoretische Höchstgewinn von 1.400 Euro werde an die ersten 5 Spieler verteilt. Herr ***, damaliger Lebensgefährte und Mitarbeiter der Berufungswerberin führte anlässlich seiner Einvernahme vor der Polizeiinspektion *** am 28.02.2008 aus, dass der Höchstgewinn einmal bei 2.000 Euro gelegen ist. Die Berufungswerberin gab vor der BH am 18.12.2007 an, dass ein Spiel etwa zwei Stunden dauerte und danach wiederum ein anderes Spiel beginne. Die Berufungswerberin hat als Veranstalterin im Lokal *** Glücksspiele nicht im privaten Kreis angeboten, sondern wurden Pokerspiele mit einer Gewinnaussicht von bis zu 2.000 Euro pro Spiel veranstaltet und öffentlich beworben, sodass keine Bagatellspiele vorliegen. Es kann gemäß der Aktenlage nicht davon gesprochen werden, dass Einsätze und Gewinne, die die Spieler während der gesamten Veranstaltung machen konnten, im Verhältnis zu ihrem Einkommen nicht ins Gewicht fielen.
Unabhängig davon, dass im Schuldspruch des bekämpften Straferkenntnisses zwei unterschiedliche Delikte, nämlich ein Veranstalten im ersten Satz des Vorhaltes und ein Bewerben im zweiten Satz umschrieben wurden, allerdings nur eine Strafe verhängt wurde und die Konkretisierung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat erfordert, dass diese im Spruch so eindeutig umschrieben ist, dass kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist, liegt der Strafausschließungsgrund, wonach nur um geringe Beträge und bloß zum Zeitvertreib gespielt wurde, nicht vor.
Aufgrund dieser Erwägungen ist davon auszugehen, dass das der Berufungswerberin zur Last gelegte Verhalten den Tatbestand des § 168 Abs. 1 StGB erfüllt und damit eine in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbare Handlung bildet. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gemäß § 190 Z. 1 StPO eingestellt, wobei der Grund aus dem Einstellungsvermerk vom 01.04.2008 nicht ersichtlich ist. Wird das gerichtliche Strafverfahren eingestellt, obliegt der Verwaltungsbehörde die Beurteilung, ob die Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Die Einstellung des strafgerichtlichen Verfahrens führt nicht dazu, dass die Beschuldigte deswegen nach dem Glücksspielgesetz zu bestrafen wäre. Das Straferkenntnis war daher aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.