Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alexander Hohenhorst über die Berufung von Herrn D. S, , XY-Straße 7, F., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. A. E., XY-Straße 6/III, I., vom 12.08.2008 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 23.07.2008, Zl VK-9534-2008, betreffend Übertretung des Immissionsschutzgesetzes-Luft, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 20 Prozent der verhängten Strafe, das sind Euro 28,00, zu bezahlen.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde Herrn S. zur Last gelegt, er habe am 28.03.2008 um 08.48 Uhr in Kematen in Tirol auf der A 12 bei km 87.443 in Richtung Innsbruck als Lenker des PKWs mit dem Kennzeichen XY die gemäß § 4 Abs 1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol, LGBl Nr 72/2007, im Sanierungsgebiet auf der A 12 Inntalautobahn erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 34 km/h überschritten, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu seinen Gunsten abgezogen wurde. Er habe damit gegen § 30 Abs 1 Z 4 IG-L in Verbindung mit der zitierten Verordnung verstoßen, weshalb gemäß § 30 Abs 1 Z 4 IG-L über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 140,00 (im Uneinbringlichkeitsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Seine Beitragspflicht zu den Kosten des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahrens wurde mit Euro 14,00 bestimmt.
Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Berufung, in der Herr S. durch seinen Rechtsvertreter im Wesentlichen vorbringt, dass bestritten werde, dass auf den Überkopfweisern überhaupt eine entsprechende Geschwindigkeitsbeschränkung sichtbar war. Des Weiteren werde bestritten, dass die Grenzwerte der Luft, die eine entsprechende Reduktion der Geschwindigkeit laut Verordnung notwendig machen würde, überhaupt überschritten wurden und im besonderen im Bereich Kematen. Die für diesen Bereich gültige Messstelle befinde sich im Unterland, mindestens 40 km von Kematen entfernt. Es gehe nicht an, eine Geschwindigkeitsbeschränkung im Bereich ab Innsbruck Richtung Westen zu verordnen, wenn in diesem Bereich nicht einmal eine Messstelle vorhanden ist, die die entsprechenden Luftwerte kontrolliert. Im Oberland herrschten grundsätzlich andere Luftverhältnisse als im Unterland; wenn aus Kostenersparnisgründen auf eine Messstelle im Oberland verzichtet worden sei, könnten nicht einfach die Messwerte des Unterlandes für Verkehrsbeschränkungen im Oberland herangezogen werden. Es sollte hinlänglich bekannt sein, dass der Transitverkehr ab Innsbruck Richtung Brenner rollt und daher die Luft im Oberland eine wesentlich bessere Qualität aufweise als im Bereich Kufstein bis Innsbruck, wo sich ein Großteil des Transitverkehrs abspielt. Es werde sowohl eine Überschreitung der Grenzwerte im Unterland und erst recht auch im Oberland bestritten. Es werde somit Bescheidbehebung und Verfahrenseinstellung beantragt.
Beweis aufgenommen wurde in der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 07.11.2008 durch die Erörterung der Schaltdaten der ASFINAG sowie die Daten der Luftmessstelle Vomp für Tatort und Tatzeit sowie durch die Verlesung der Akten der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck und des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol.
Die Berufungsbehörde hat hiezu wie folgt erwogen:
Aus dem Bericht der ASFINAG vom 17.10.2008 ist zu ersehen, dass am 28.03.2008 um 08.48 Uhr bzw im unmittelbar davor liegenden Zeitraum das vom Berufungswerber vor der Messung passierte Portal der Verkehrsbeeinflussungsanlage auf der Richtungsfahrbahn Kufstein im Gemeindegebiet von Unterperfuss bei km 88,806 eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h mit dem Zusatz ?IG-L? angezeigt hat. Der Grund dafür lag darin, dass in der für dieses Gebiet maßgeblichen Luftmessstelle Vomp der Schwellenwert von 39 ug/m3 NO2 überschritten wurde. Gemäß § 4 Abs 1 der Verordnung LGBl Nr 72/2007 wird in so einem Fall für das betroffene Gebiet die zulässige Höchstgeschwindigkeit mit 100 km/h festgesetzt.
Aufgrund der vorgelegenen Parameter war zur Tatzeit am Tatort die Geschwindigkeit auf 100 km/h zu begrenzen und wurde dies durch die entsprechende Schaltung der Verkehrsbeeinflussungsanlage rechtmäßig kundgemacht. Wenn der Beschuldigte, wie der Polizei gegenüber auch angegeben, diese Anzeige übersehen hat, muss er sich diesen Umstand als Fahrlässigkeit anrechnen lassen.
Der Schutzzweck der übertretenen Verordnung liegt nicht in der Hebung der Verkehrssicherheit, sondern deren Ziel besteht in einer Verbesserung der Luftqualität. Es ist eine notorische Tatsache, dass PKWs bei Tempo 130 einen höheren Treibstoffverbrauch und damit Schadstoffausstoß aufweisen, als bei Tempo 100.
Ein Kraftfahrzeuglenker muss ein Fahrzeug mit einem solchen Maß an Konzentration steuern, dass er Vorschriftszeichen wahrnehmen und sein Fahrverhalten daran anpassen kann. Insofern ist dem Rechtsmittelwerber ein Verschulden anzulasten. Der Unrechtsgehalt einer derartigen Übertretung ist nicht unerheblich, weil durch die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in diesem großen Ausmaß dem Ziel dieser Maßnahme, nämlich der Verringerung der durch den Menschen beeinflussten Immissionen, die zu einer Immissionsgrenzwertüberschreitung geführt haben, und somit in einer Verbesserung der Luftqualität liegt, zuwidergehandelt wurde.
In der in Geltung stehenden Verordnung 72/2007 sind in § 3 die Gebiete örtlich beschrieben samt maßgeblicher Luftmessstelle und Schwellenwert. Im Gegenstandsfall sind die von der Verordnung bestimmten Voraussetzungen für eine Festsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit mit 100 km/h am Tatort zur Tatzeit gegeben gewesen. Die Festsetzung und Kundmachung dieser Maßnahme erfolgte im Einklang mit der geltenden Rechtsordnung. Durch sein Zuwiderhandeln hatte der Beschuldigte die ihm im Spruch angelastete Verwaltungsübertretung begangen, weshalb die ausgesprochene Bestrafung zu Recht erfolgte.
Wenn der Berufungswerber vermeint, dass die Messstelle Vomp für den Bereich von Kematen keine repräsentativen Werte ermitteln könnte, so ist auf die erläuternden Bemerkungen der gegenständlichen Verordnung zu verweisen, wo zur westlichen Abgrenzung und des Sanierungsgebietes angeführt ist:
?Zur Abgrenzung des Sanierungsgebietes in westlicher Richtung wurde von Sachverständigen der Abt Waldschutz folgendes festgestellt:
Auf Grund des mittels Passivsammlermethode festgestellten Stickstoffdioxid- Mittelwertes von 64 ug/m3 bei Kematen ist davon auszugehen, dass die gemäß IG-Luft zulässige Summe aus Grenzwert und Toleranzmarge für Stickstoffdioxid von 40 ug/m3 entlang der Autobahn A12 jedenfalls als überschritten anzusehen ist. Wie weit diese Belastung weiter in Richtung Westen besteht, lässt sich nur mit weiteren kontinuierlichen Messungen an mehreren Standorten genauer charakterisieren. Die vorliegenden Ergebnisse lassen jedoch den Schluss zu, dass das Gebiet mit Immissionen über dem zulässigen Jahresmittelwert gem IG-Luft in der Nähe der Inntalautobahn A 12 (von Innsbruck aus gesehen) zumindest bis Zirl/West-Inzing reicht.
Die Abgrenzung ist weiters fachlich untermauert durch eine Ausbreitungsberechnung, die auch für die Statuserhebung herangezogen worden war: ?Immissionsklima und Ausbreitungsmodellierung im Unterinntal?, Teil I Endbericht vom 24.4.1999 im Auftrag der BEG zum UVP-Verfahren Unterinntaltrasse, Teil II Endbericht vom 15.5.2000 im Auftrag der BEG zum UVP-Verfahren Unterinntaltrasse, Dr. J. T. et al, Fa O. AG, Z. Schließlich wurde die Fa Ö. im Frühjahr 2007 nochmals mit einer Erhebung zu dieser Frage beauftragt. Im Kapitel Verkehr, Emissionen dieser Erhebung wird dazu folgendes ausgeführt: Für den Vergleich zwischen Ober- und Unterinntal werden die Verkehrsdaten der Zählstellen Vomp (Unterinntal) und Kematen (Oberinntal; zwischen Innsbruck und Zirl) heran gezogen. Bei Kematen fährt durchschnittlich nur knapp die Hälfte des schweren Güterverkehrs im Vergleich zu Vomp, insgesamt aber mehr Kraftfahrzeuge, weil die Anzahl der Pkw deutlich erhöht ist.
Im Kapitel ?Atmosphärische Ausbreitungsbedingungen für Luftschadstoffe? wird festgehalten, dass es sowohl im Unter- wie im Oberinntal ein kontinuierlich messendes Temperaturprofil gibt, das für jede Viertelstunde die Bestimmung von Inversionsschichten erlaubt. Die Profile liegen bei Schwaz (Unterinntal) und Haiming (Oberinntal) und sind etwa 80 km voneinander entfernt. Dennoch zeigen die beiden Profile eine außerordentlich hohe Übereinstimmung im Auftreten von Inversionen, dh in den atmosphärischen Ausbreitungsbedingungen. Insofern die beiden Profile nicht übereinstimmen, zeigt das Oberinntal noch etwas ungünstigere Ausbreitungsbedingungen als das Unterinntal, insbesondere mehr ganztägige Inversionen. Damit muss auch das Oberinntal als sensitives Gebiet bezüglich der Lufthygiene betrachtet werden.
Abschließend wurde im Gutachten als Fazit festgehalten: Die Ausdehnung lufthygienischer Maßnahmen vom Unterinntal bis in den Bereich von Innsbruck, Zirl erscheint nach der Sachlage der verkehrsbedingten Emissionen und der atmosphärischen Ausbreitungsbedingungen als angezeigt.?
Der gesetzliche Strafrahmen wurde von der Erstbehörde zu 6,42 Prozent ausgeschöpft. In Anbetracht dieser ganz erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung und dreier Strafvormerkungen aus dem Straßenverkehr ist die ausgesprochene Strafe jedenfalls schuld- und tatangemessen.