Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr Röser über die Beschwerde des mj M. H., vertreten durch seine Mutter P.K., D., wegen behaupteter Rechtswidrigkeit einer Einvernahme durch Polizeibeamte der Stadtpolizei D. am 24.6.2008 zu Recht erkannt:
Gemäß § 67c Abs 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) wird die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen.
Gemäß § 79a AVG wird der der belangten Behörde (dem Bund) gebührende Kostenersatz mit 547,10 Euro bestimmt. Der Beschwerdeführer ist verpflichtet, den angeführten Betrag der belangten Behörde (dem Bund) binnen zwei Wochen bei sonstigem Zwang zu bezahlen. Der Kostenersatzantrag des Beschwerdeführers und der Kostenersatzantrag der belangten Behörde, soweit er über den zugesprochenen Betrag hinausgeht, werden abgewiesen.
1. In der Beschwerde vom 5.8.2008 wird vorgebracht, der mj Beschwerdeführer besuche die Hauptschule in D. ?Baumgarten?. Am Vormittag des 24.6.2008 hätten zwei Polizeibeamte der Stadtpolizei D. den Beschwerdeführer aus der Klasse entfernt und anschließend eine Befragung vorgenommen. Ein Polizeibeamter sei mit dem Beschwerdeführer alleine zu einem Raum der Schule gegangen, in welchem sich ein anderer Polizeibeamter sowie der Direktor der Schule befunden hätten. Auf dem Weg dorthin sei der Beschwerdeführer damit konfrontiert worden, dass er am 16.6.2008 wahrscheinlich eine Spielraumtür aufgebrochen und in weiterer Folge den Raum mit Farbe beschmiert habe. Der Polizeibeamte habe weiters die Schuhe des Beschwerdeführers kontrolliert sowie ihm damit gedroht, dass er ins Gefängnis komme, wenn er so weitermache. Der Beschwerdeführer habe daraufhin angegeben, dass er die Wände im erwähnten Spielraum tatsächlich beschmiert habe. Es sei jedoch nicht richtig, dass er die Türe aufgebrochen habe. Die Befragung sei dann im vorerwähnten Raum in lediglich teilweiser Anwesenheit des Direktors durchgeführt worden. Weiters sei der Beschwerdeführer nicht darauf hingewiesen worden, dass er eine Vertrauensperson zur Befragung hinzuziehen könne. Der Beschwerdeführer habe sich durch die Vorgehensweise der Polizeibeamten unter Druck gesetzt und in seiner Freiheit eingeschränkt gefühlt. Nachdem der Beschwerdeführer zu seinen Eltern nach Hause gekommen sei, habe er sich vor Aufregung sogar übergeben müssen.
Nach Artikel 8 StGG sei die Freiheit der Person gewährleistet. Diese Verfassungsnorm und das Grundrecht zum Schutz der persönlichen Freiheit schützten wohl nicht vor jeglicher Beschränkung der Bewegungsfreiheit schlechthin, sondern nur vor willkürlicher Verhaftung, rechtswidriger Inverwahrnahme sowie rechtswidriger Internierung und Konfinierung. Freiheitsbeschränkungen dürften an Minderjährigen nur dann vorgenommen werden, wenn diese Maßnahmen geeignet seien, das Erziehungsziel umzusetzen und einer drohenden Gefahr für den Minderjährigen zu begegnen, sie weiters erforderlich seien, da kein weniger eingreifendes Mittel zur Verfügung stehe, und der Freiheitsentzug im angemessenen Verhältnis zum verfolgten Erziehungsziel stehe. Eine Freiheitsbeschränkung im Verständnis des PersFrG liege immer dann vor, wenn es einer Person unmöglich gemacht werde, ihren Aufenthalt nach ihrem freien Willen zu verändern. Eine Freiheitsbeschränkung liege dann nicht vor, wenn der einsichts- und urteilsfähige Minderjährige der Unterbringung der Ortsveränderung zugestimmt habe, was dieser im gegenständlichen Fall jedoch nicht getan habe. Das SPG lasse einen Eingriff in Rechte von Menschen nur zu, soweit dieser verhältnismäßig sei. § 45 SPG ermächtige die öffentlichen Organe des Sicherheitsdienstes Unmündige zum Zwecke der sofortigen Feststellung des Sachverhaltes festzunehmen, wenn sie einer mit beträchtlicher Strafe bedrohten Handlung verdächtig seien und auf frischer Tat betreten würden oder der Verdacht sonst im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tat entstehe. Die von den Polizeibeamten gewählte Vorgehensweise diene nicht dem Zweck der sofortigen Feststellung des Sachverhaltes, da der gegenständliche Vorfall schon über eine Woche zurückgelegen sei. Weiters sei das Vorgehen der Polizeibeamten keineswegs verhältnismäßig gewesen. Die Polizeibeamten hätten dem Beschwerdeführer zudem die Möglichkeit einräumen müssen, eine Vertrauensperson bzw einen Elternteil zur Befragung beizuziehen. Die Befragung zu gegenständlichem Vorwurf hätte ohne Weiteres auf einer Polizeidienststelle stattfinden können, dies unter gleichzeitiger Information der Eltern bzw der Obsorgeberechtigten.
Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz werde durch einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt verletzt, wenn die Behörde Willkür übe. Willkür liege nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH ua dann vor, wenn die Behörde eine dem Gesetzeswortlaut entgegenlaufende Vorgangsweise wähle oder leichtfertig vom Inhalt der Akten abgehe. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreife, liege ua in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt. Die beiden Polizeibeamten seien in gegenständlicher Angelegenheit willkürlich vorgegangen. Die Vorgehensweise der Polizeibeamten stelle einen völlig unnotwendigen, ungerechtfertigten, unqualifizierten rechtswidrigen Eingriff dar und verletze insofern das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz des Beschwerdeführers.
2. Der Bürgermeister der Stadt D. als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat in gegenständlicher Angelegenheit eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Folgender Sachverhalt steht fest:
Am 16.6.2008 kam es zu einer Sachbeschädigung in einem Mehrfamilienwohnhaus. Auf Grund einer Mitteilung eines Bewohners dieses Hauses hatte der Polizeibeamte P von der Städtischen Sicherheitswache D. den konkreten Verdacht, dass der Beschwerdeführer und eine weitere Person diese Sachbeschädigung begangen hätten. Er begab sich in der Folge zusammen mit einem Kollegen in die Hauptschule, die der Beschwerdeführer besuchte. Der Polizeibeamte wollte dort Erkundigungen bzw eine Befragung des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der vorerwähnten Sachbeschädigung vornehmen. Er setzte sich mit dem Direktor der Schule in Verbindung und befragte in der Folge den Beschwerdeführer zur Sachbeschädigung; außerdem begab er sich mit dem Beschwerdeführer in die Garderobe der Schule, wo er sich vom Beschwerdeführer dessen Schuhe zeigen ließ. Am Ende dieser Erkundigung, die insgesamt ca 15 Minuten dauerte, erklärte er dem Beschwerdeführer, dass dieser zusammen mit seiner Mutter zu einer weiteren Befragung auf den Polizeiposten vorgeladen werden würden.
Dieser Sachverhalt ist im Wesentlichen unstrittig.
4. Gemäß § 67a Abs 1 Z 2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.
Nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts stellt die Maßnahmenbeschwerde einen bloß subsidiären Rechtsbehelf dar, der nur insoweit zum Tragen kommt, als Rechtsschutz nicht durch sonstige Rechtsmittel erlangt werden kann. Was in einem anderen Rechtsschutzverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nach dieser Rechtsprechung nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein.
5. Mit dem Inkrafttreten des Strafprozessreform-Gesetzes BGBl I 2004/19 idF des Strafprozessreformbegleit-Gesetzes BGBl I 2007/93 am 1.1.2008 haben die Zuständigkeiten der unabhängigen Verwaltungssenate eine wesentliche Einschränkung erfahren. Der § 106 Abs 1 der Strafprozessordnung (StPO) sieht nunmehr die Möglichkeit eines Einspruches wegen Rechtsverletzung vor, wenn eine Person behauptet, durch einen der Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei zurechenbaren Akt unmittelbar in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil 1. ihr die Ausübung eines Rechtes nach diesem Gesetz verweigert wurde oder 2. eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde.
Diese Möglichkeit eines Einspruches wegen Rechtsverletzung wurde geschaffen, um den bisher bestehenden Rechtszug zu den unabhängigen Verwaltungssenaten gegen die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch Exekutivorgane im Dienste der Strafjustiz ohne richterliche Ermächtigung zu beseitigen. Es ist nunmehr vorgesehen, dass über Fragen der Rechtmäßigkeit von Eingriffen in subjektive Rechte im Zuge der Ausübung von Befugnissen der StPO zukünftig einheitlich Justizorgane entscheiden sollen.
Dabei kann mit einem Einspruch nach § 106 Abs 1 StPO nicht nur die Anordnung einer strafprozessionalen Befugnisausübung als solche (einschließlich der Verletzung von Formvorschriften), sondern auch die Art und Weise ihrer Durchführung und zwangsweisen Durchsetzung einschließlich der Verletzung der prozessualen Begleitrechte (zB Beiziehung von Vertrauenspersonen) bekämpft werden.
Dies bedeutet, dass Zwangsakte von Sicherheitsbehörden im Dienste der Strafjustiz, gegen die ein Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 StPO offen steht, nicht mehr mittels Maßnahmenbeschwerde bekämpft werden können.
Andererseits gilt aber auch, dass insoweit die im Artikel 129a Abs 1 Z 2 B-VG eingeräumte Kognitionsbefugnis der Unabhängigen Verwaltungssenate unberührt bleibt, als gegen Zwangsakte ein Einspruch wegen Rechtsverletzung nicht erhoben werden kann.
So hat das über den Einspruch gemäß § 106 StPO entscheidungsbefugte Gericht nicht zu klären, ob gesetzlich normierte Bedingungen, Förmlichkeiten und subjektive Rechte anderer Rechtsvorschriften als der StPO verletzt wurden. Dies gilt insbesondere für die Einhaltung der sicherheitspolizeilichen Befugnisnormen, über die das Gericht im Rahmen des § 107 StPO nicht abzusprechen hat. Ein ausschließlich auf Befugnisse nach dem SPG gestütztes Vorgehen der Kriminalpolizei kann daher keinen Gegenstand eines Einspruches wegen Rechtsverletzung bilden. Diesbezüglich bleibt die Kognitionsbefugnis der unabhängigen Verwaltungssenate aufrecht.
Die Abgrenzung zwischen dem Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 Abs 1 StVO einerseits und den Beschwerden gemäß § 88 SPG andererseits erfolgt nach der Rechtsgrundlage, auf Grund derer die Sicherheitsorgane eingeschritten sind. Für die Abgrenzung ist von Bedeutung, dass das Strafprozessrecht als das Recht der Aufklärung und Aburteilung von Straftaten und das Sicherheitspolizeirecht als das Recht der Verhinderung künftiger Taten und der Abwehr drohender Schäden verstanden wird. In diesem Sinne sieht § 22 Abs 3 SPG vor, dass die Sicherheitsbehörden nach einem gefährlichen Angriff ? unbeschadet ihrer Aufgaben nach der StPO ? die maßgeblichen Umstände einschließlich der Identität des dafür Verantwortlichen zu klären haben, soweit dies zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich ist. Sobald aber ein bestimmter Mensch der strafbaren Handlung verdächtig ist, gelten ausschließlich die Bestimmungen der StPO.
6. Im gegenständlichen Fall schritten die Polizeibeamten auf Grund des § 152 StPO ein. Sie hatten auf Grund eines Hinweises den Verdacht, dass konkret der Beschwerdeführer und eine weitere Person eine Sachbeschädigung iS des § 125 StGB begangen hätten, und wollten diesbezügliche Erkundigungen vornehmen. Die gegenständliche Amtshandlung diente somit der Aufklärung einer Straftat. Ein Ausnahmefall nach § 21 Abs 2 SPG lag nicht vor, weil es nicht darum ging, einem gefährlichen Angriff unverzüglich ein Ende zu setzen. An dieser Stelle wird lediglich daran erinnert, dass die gegenständliche Sachbeschädigung zum Zeitpunkt der Amtshandlung bereits eine Woche zurücklag.
Weiters haben die in der Beschwerde geltend gemachten Rechte des Beschwerdeführers samt subjektivem Anspruch auch eine Grundlage in der StPO. Es wird in diesem Zusammenhang auf folgende Bestimmungen der StPO hingewiesen: auf den § 5 über die Gesetz- und Verhältnismäßigkeit bei der Ausübung von Befugnissen und bei der Aufnahme von Beweisen, auf den § 49 Z 1 über das Recht des Beschuldigten auf Rechtsbelehrung, auf den § 160 Abs 3 über die Verpflichtung zur Beiziehung einer Vertrauensperson bei der Vernehmung von Personen, die das 14. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben, sowie auf § 153 Abs 2 über das grundsätzliche Erfordernis einer schriftlichen Vorladung einer zu vernehmenden Person.
Zusammenfassend ist daher die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde unzulässig, weil eine Amtshandlung im Dienste der Strafjustiz vorliegt, gegen die ein Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 Abs 1 StPO offen steht.
7. Gemäß § 79a Abs 1 AVG hat die im Verfahren nach § 67c AVG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Die Höhe des Aufwandersatzes richtet sich dabei nach der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003.
Im gegenständlichen Fall ist die belangte Behörde obsiegende Partei (vgl § 79a Abs 3 AVG). Der angefochtene Verwaltungsakt ist dem Bürgermeister der Stadt D. als belangter Behörde zuzurechnen. Der Verwaltungsakt wurde im Vollzugsbereich des Bundes gesetzt, sodass der Kostenersatz dem Bund zu entrichten ist.