Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Franz Triendl über die Berufung des Herrn J. V., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 15.12.2008, Zl 3.1-3034/08-A-9, betreffend den Auftrag zur Vorlage eines Sanierungskonzeptes nach § 79 Abs 3 GewO 1994 wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) wird der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
J. V. ist nach der Aktenlage Inhaber einer Betriebsanlage im Anwesen XY. In dieser Betriebsanlage wird jedenfalls auch das freie Wagnergewerbe ausgeübt. Für diese Betriebsanlage bestehen mehrere ältere gewerbebehördliche Genehmigungen (die im angefochtenen Bescheid angeführte Genehmigung vom 21.03.1961 ist jedoch dem übermittelten Aktenkonvolut nicht zu entnehmen).
Im Zuge eines am 11.12.2008 durchgeführten Lokalaugenscheines stellte die Behörde I. Instanz ?nach Durchsicht der vorgelegten Unterlagen? fest, dass ?die Betriebsanlage nicht dem planlich erfassten Genehmigungsbescheid bzw Änderungsbescheid vom 21.03.1961 entspricht. Es wurden teilweise Nutzungsänderungen der Räumlichkeiten vorgenommen, diverse Gerätschaften bzw. Maschinen mit entsprechender Absaugleitung zum Spänesilo im Kellergeschoß sowie teilweise Brandabschnittsbildungen ohne genaue Angabe über die Ausbildung dieser durchgeführt.? Weiters wurde festgestellt, dass im vorderen Teil der Betriebsanlage, in jenem der Mustergasse zugewandten Bereich, Motorsportartikel zum Verkauf angeboten werden. Im hinteren Bereich befinde sich die Wagnerei, in der Terrassen, Zäune und Grabkreuze angefertigt werden. Der Schwerpunkt liege im Handel mit Motorsportartikel.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde dem Anlageninhaber gemäß § 79 Abs 3 GewO 1994 ein Sanierungskonzept in 4facher Ausfertigung bis zum 30.03.2009 vorgeschrieben, das folgende Punkte zu beinhalten habe:
?1.
Grundrisspläne mit entsprechender Nutzung und Bemaßung der einzelnen Räumlichkeiten inklusive Positionierung der darin aufgestellten Geräte und Maschinen sowie Einzeichnung der Brandabschnitte.
2.
Darstellung des Spänesilos mit den entsprechenden Absaugleitungen, elektrischen Anlagenteilen und etwaigen Druckentlastungsöffnungen in Abhängigkeit der VEXAT
3.
Es ist für die Absaugvorgänge und den Spänesilo ein VEXAT-Dokument vorzulegen.
4.
Es ist eine Beschreibung der durchgeführten Arbeiten und Arbeitsabläufe beizulegen. Sollten die Tätigkeiten dermaßen ausgeführt werden, dass die derzeitige Absaugführung anderweitig gelöst wird und keine explosionsgefährdete Atmosphäre entsteht, kann der vorher gehende Punkt als gegenstandslos angesehen werden.
5.
Bekanntgabe über die gelagerten bzw vorhandenen Lacke, brennbaren Flüssigkeiten gemäß VbF sowie Druckgaspackungen
6.
Vorlage einer Bestätigung, dass die Feuerungsanlage der Feuerungsanlagenverordnung entspricht bzw dass die darin angeführten Emissionsgrenzwerte eingehalten werden (erstmalige Prüfung gemäß FAV)
7.
Beschreibung der Maschinen hinsichtlich der Anforderung der Maschinensicherheitsverordnung
8.
Kennzeichnung des Niveau-Unterschiedes im Verkaufsraum
9.
Nachweis über die Art der Verglasung der Eingangstüre?
Dagegen hat Herr J. V. rechtzeitig Berufung erhoben und darin vorgebracht wie folgt:
?Zu Punkt 1: Da ich nur mehr mit Holzgrabkreuze handeln werde und dafür schon jetzt gehobeltes Holz zukaufe und die Lackierung auswärts mache, brauche ich den Großteil der noch aufgestellten Geräte und Maschinen in Zukunft nicht mehr.
Zu Punkt 2, 3, 4 und 7: Auch der Spänesilo ist nicht mehr in Betrieb. Als Maschine ist A nur mehr die 16 Jahre alte Felder KSF37 Kreissäge mit entsprechender Sicherheitsschutzeinrichtung im Einsatz. Zu dieser Maschine kaufe ich noch ein entsprechendes mobiles Reinluftabsauggerät.
B Grindrite (Wintersteiger) Schiservice Nassschleifgerät ca. 10 Jahre alt.
Alle anderen Maschinen sind teilweise mehr als 100 Jahre alt! Und sind nur mehr als museale Anschauungsstücke zu unserem Schimuseum aufgestellt!
Aus diesem Grund wurde auch die Verbindungstür vom Geschäft in die Werkstatt 1988 im Zuge der Geschäftserweiterung in Absprache mit dem Haller Bauamt und dem damaligen Brandschutzbeauftragten als Holzdoppeltüre mit Glaseinsatz ausgeführt.
Zu Punkt 5: Nach Stilllegen des Lackierraumes im Zuge der letzten Feuerbeschau 1990 wurden sämtliche Lacke und alle brennbaren Flüssigkeiten entfernt.
Punkt 6, 8 und 9 werden erledigt.
Ich werde noch höchstens vier Jahre bis zur Pension arbeiten. Weiters werden wir eventuell schon vorher zumindest einen Teil der jetzigen Werkstatt (die nicht museal interessanten Maschinen werden dann abgebaut) zum Verkaufsraum gestalten.
Ich beantrage daher den Bescheid in den Punkten 1, 2, 3, 4, 5 und 7 aufzuheben bzw abzuändern.?
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erst- und zweitinstanzlichen Akt.
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat wie folgt erwogen:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994, BGBl 194 (WV) idF BGBl I 2008/68 (GewO 1994) lauten wie folgt:
§ 79.
(1) Ergibt sich nach Genehmigung der Anlage, dass die gemäß § 74 Abs 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, so hat die Behörde die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs 1) vorzuschreiben; die Auflagen haben gegebenenfalls auch die zur Erreichung dieses Schutzes erforderliche Beseitigung eingetretener Folgen von Auswirkungen der Anlage zu umfassen; die Behörde hat festzulegen, dass bestimmte Auflagen erst nach Ablauf einer angemessenen, höchstens drei Jahre, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen (zB bei Betriebsübernahmen) höchstens fünf Jahre, betragenden Frist eingehalten werden müssen, wenn der Inhaber der Betriebsanlage nachweist, dass ihm (zB wegen der mit der Übernahme des Betriebes verbundenen Kosten) die Einhaltung dieser Auflagen erst innerhalb dieser Frist wirtschaftlich zumutbar ist, und gegen die Fristeinräumung keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen bestehen. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.
(3) Könnte der hinreichende Schutz der gemäß § 74 Abs 2 wahrzunehmenden Interessen nach Abs 1 oder 2 nur durch die Vorschreibung solcher anderer oder zusätzlicher Auflagen erreicht werden, durch die die genehmigte Betriebsanlage in ihrem Wesen verändert würde, so hat die Behörde dem Inhaber der Anlage mit Bescheid aufzutragen, zur Erreichung des hinreichenden Interessenschutzes und der Begrenzung der Emissionen von Luftschadstoffen nach dem Stand der Technik innerhalb einer dem hiefür erforderlichen Zeitaufwand angemessenen Frist ein Sanierungskonzept für die Anlage zur Genehmigung vorzulegen; für dieses Sanierungskonzept ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Abs 1) maßgebend. Im Bescheid, mit dem die Sanierung genehmigt wird, hat die Behörde, erforderlichenfalls unter Vorschreibung bestimmter Auflagen, eine dem Zeitaufwand für die vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen entsprechende Frist zur Durchführung der Sanierung festzulegen. § 81 Abs 1 ist auf diese Sanierung nicht anzuwenden.
Die GewO 1994 sieht die Vorschreibung der Vorlage eines Sanierungskonzeptes in jenen Fällen vor, in denen die genehmigte Betriebsanlage solche Mängel aufweist, dass eine Vorschreibung von anderen oder zusätzlichen Auflagen zur Wahrung der Schutzinteressen nach § 74 Abs 2 GewO 1994 einer Änderungen des Wesens der Betriebsanlage gleich käme (vgl. dazu eingehend unter Bezugnahme auf die aktuelle Judikatur des VwGH Harald Stolzlechner in Stolzlechner/Wendl/Bergthaler (Hrsg), Die gewerbliche Betriebsanlage, 3. Auflage, 2008, RZ 351 sowie Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur Gewerbeordnung 1994, 2. Auflage (2003) § 79 RZ 25).
Keinesfalls dient das Instrumentarium des § 79 Abs 3 GewO 1994 dazu, konsenslose Änderungen einer Betriebsanlage zu ?sanieren?. Davon ist die Behörde I. Instanz aber offenkundig ausgegangen, beschreibt sie doch selbst, welche konsenslose Änderungen (im Vergleich zum genehmigten Bestand) sie beim Lokalaugenschein vorgefunden hat und schreibt dem Anlageninhaber ua vor, Grundrisspläne mit entsprechender Nutzung und Bemaßung der einzelnen Räumlichkeiten vorzulegen. Ein (hier nicht in Frage kommender) Auftrag zur Vorlage eines Sanierungskonzept hätte jedoch neben der einzuhaltenden Vorlagefrist jene Sanierungsziele zu enthalten, die mit Hilfe des vorzulegenden Sanierungskonzeptes erreicht werden müssen. Wie diese Ziele im Einzelnen erreicht werden, hat in der Folge der Anlageninhaber darzustellen.
Im gegenständlichen Fall liegt es auf der Hand, dass der Anlageninhaber konsenslos genehmigungspflichtige Änderungen durchgeführt hat. Es wird daher Aufgabe der Behörde sein, dafür Sorge zu tragen, dass in einem Verfahren nach § 81f GewO 1994 (allenfalls § 74 GewO 1994, falls die Behörde I. Instanz zum Ergebnis kommt, die nunmehr betriebene Betriebsanlage ist mit dem Wesen (?Wagnerei?) des genehmigten Bestand nicht mehr in Einklang zu bringen, dies vor allem vor dem Hintergrund des lt. Angaben der Erstinstanz dominierenden Handels mit Motorsportartikeln, siehe dazu den Internetauftritt unter www.xy) jener Zustand einer gewerbebehördlichen Prüfung unterzogen wird, der vom Anlageninhaber aktuell als Betriebsanlage genützt wird.
Dazu wird eine genaue Bestandsaufnahme jener Teile der Betriebsanlage erforderlich sein, die als genehmigt anzusehen sind. Der Antrag auf Genehmigung nach § 81 GewO 1994 wird sohin jene Anlagenteile zu beinhalten haben, die von der bestehenden Genehmigung nicht umfasst sind und gewerblich genützt werden sollen. Unabhängig davon wird die Behörde zu prüfen haben, ob im gegenständlichen Fall nicht etwa Maßnahmen nach § 360 GewO 1994 zu treffen sind.
Zusammenfassend steht sohin fest, dass die Behörde I. Instanz in der gegenständlichen Fallkonstellation rechtsirrig ein Verfahren nach § 79 Abs 3 GewO 1994 durchgeführt hat. Tatsächlich handelt es sich um diverse konsenslose Änderungen (bzw allenfalls um eine Änderung des Wesens) einer Betriebsanlage, die in einem Genehmigungsverfahren (§ 74 bzw 81 GewO 1994) abzuhandeln sind.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.