TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/13 2000/01/0098

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Veröffentlicht am 13.11.2001
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des D D in E, geboren am 6. Dezember 1968, vertreten durch Dr. Gernot Kerschhackel, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Wienerstraße 44/11, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 9. Dezember 1999, Zl. 206.416/1-IV/11/99, betreffend § 7 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Albanien, beantragte am 17. September 1996 die Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12. November 1996 abgewiesen, mit Bescheid vom 10. Jänner 1997 gab der Bundesminister für Inneres der dagegen erhobenen Berufung keine Folge.

Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG trat das Asylverfahren des Beschwerdeführers mit 1. Jänner 1998 in das Stadium vor Erlassung des Berufungsbescheides zurück (vgl. den hg. Beschluss vom 16. Juni 1999, Zl. 97/01/0795). Auch der nunmehr zur Entscheidung zuständige unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) wies in der Folge die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Dezember 1999 - gemäß § 7 AsylG - ab. Dabei ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer habe ab 1990 den Beruf eines Polizeiinspektors ausgeübt; am 4. August 1996 sei er auf Grund der Information, dass an diesem Tag ein Kraftfahrzeug nach Shumri kommen würde und die Fahrer Cannabis einkaufen würden, von der Polizeidirektion zur Leitung einer Razzia gegen illegalen Waffenbesitz und Drogenschmuggler eingesetzt worden; man habe eine Straßensperre errichtet und zwei Personen festgenommen; entgegen der üblichen Praxis habe nicht der die Festnahme durchführende Beschwerdeführer, sondern jemand anderer die Einvernahmen durchgeführt, dem Beschwerdeführer sei dies verboten worden; die beiden Festgenommenen seien im Fernsehen gezeigt worden, der Fall sei auch in den Medien behandelt worden; am 11. August 1996 seien die beiden Festgenommenen unter Hausarrest gestellt worden; damit sei der Beschwerdeführer nicht einverstanden gewesen, weshalb er in einem Bericht an das Justizministerium dagegen protestiert habe; am 14. August 1996 habe er vom Justizministerium die Mitteilung erhalten, dass das Bezirkskommissariat in Kukes zuständig sei; in der Folge habe der Beschwerdeführer immer wieder Drohbriefe erhalten, gegen Mitternacht des 20. August 1996 sei (schließlich) an seiner Haustür ein Sprengsatz explodiert; am nächsten Tag habe der Beschwerdeführer bei der Polizei Anzeige erstattet und dabei mit dem Kommandanten des Bezirkspolizeikommissariates gesprochen, er habe ihm die "ganze Sache" erzählt und Namen von Verdächtigen sowie die Namen dreier Freunde der beiden am 4. August 1996 Festgenommenen genannt; außerdem habe der Beschwerdeführer erklärt, dass er "diese Sache" beenden möchte, weil er schon seit längerem nach diesen beiden Verbrechern gefahndet hätte; der Kommandant habe geantwortet, dass der Sprengsatz eventuell von einer Person gelegt worden sei, die den Beschwerdeführer hasse; dieser sei in der Folge sehr aufgeregt gewesen und habe dem Kommandanten letztlich sogar vorgeworfen, dass er korrupt sei und vielleicht mit den Verbrechern zusammen arbeite; in der Folge sei dem Beschwerdeführer am 30. August 1996 gekündigt worden; am 15. Februar 1998 habe auf sein Elternhaus ein Bombenanschlag stattgefunden, wobei seine Eltern ums Leben gekommen seien; diesbezüglich sei ein gerichtliches Verfahren gegen die Personen, die den Bombenanschlag verübt hätten, eingeleitet worden; an der Festnahme der in diese Straftaten verwickelten Personen werde gearbeitet.

Bezüglich der allgemeinen Situation in Albanien stellte die belangte Behörde fest, dass eine unmittelbare staatliche Verfolgung bestimmter Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität oder politischen Überzeugung nicht stattfinde; von der nach den bürgerkriegsähnlichen Unruhen des Frühjahres 1997 und der anschließenden Wahlniederlage der Regierung Berisha an die Macht gekommenen sozialistischen Partei unter Premierminister Nano sei erwartet worden, dass sie die Sicherheitslage nach dem Zusammenbruch der staatlichen Ordnung wieder stabilisiere, Kriminalität und Korruption bekämpfe und Reformen im politischen Bereich und im Justizbereich durchführe; Versäumnisse beim Kampf gegen die Korruption und bei der Wiederherstellung der Sicherheitslage hätten der Regierung jedoch von allen politischen Lagern Kritik eingebracht; dem Vorgehen gegen organisierte Kriminalität und Gewaltkriminalität seien nur wenige Erfolge beschieden gewesen.

Die Feststellungen über das persönliche Schicksal des Beschwerdeführers gründete die belangte Behörde auf sein als glaubwürdig erachtetes Vorbringen, auf einen von ihm vorgelegten Zeitungsartikel und auf eine von ihm beigebrachte Bestätigung der Staatsanwaltschaft Tirana. Aus dieser Bestätigung ergebe sich, dass das Verfahren gegen die Verantwortlichen an den Bombenanschlägen nicht nur formell eröffnet worden sei, weil sie "von identifizierten Personen", von der "gerichtlichen Belangung dieser Personen" und davon spreche, dass "an der Festnahme der in diese Straftaten verwickelten Personen gearbeitet" werde. Auch der vorgelegte Zeitungsartikel deute auf Maßnahmen seitens der Polizei hin, woraus sich erschließen lasse, dass die albanischen Behörden sehr wohl an der Aufklärung der begangenen Straftaten arbeiteten, wenngleich nicht verkannt werde, dass sich diese im Hinblick auf die in Albanien herrschenden Verhältnisse (Korruption, Mafia) schwierig gestalte. Letztlich gestehe auch der Beschwerdeführer selbst zu, dass er nicht sagen könne, dass der ganze Staat für die Mafia sei.

Rechtlich führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der mit dem Korruptionsvorwurf an den Kommandanten des Bezirkspolizeikommissariates im Zusammenhang stehende Verlust des Arbeitsplatzes nicht als Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes gewertet werden könne. Im Übrigen lasse sich dem festgestellten Sachverhalt eine asylerhebliche Verfolgung aus einem der in der FlKonv aufgezählten Gründe nicht entnehmen. Zwar sei der Beschwerdeführer von Personen, gegen die er im Zuge seiner polizeilichen Tätigkeit wegen derer kriminellen Machenschaften aufgetreten sei, massiv bedroht worden, doch könnten Racheakte bzw. Versuche, die Aufdeckung von kriminellen Machenschaften zu verhindern, nicht als Verfolgung wegen politischer Gesinnung angesehen werden, weil Kriminalität und Folgehandlungen zu deren Vertuschung nicht der "Erhaltung der Ordnung des Gemeinwesens und des geordneten Zusammenlebens der menschlichen Individuen in der Gemeinschaft" dienlich seien und daher nicht dem Begriff des "Politischen" unterstellt werden könnten. Es komme auch nicht darauf an, ob der Staat in einem derartigen Fall in der Lage sei, Schutz zu bieten; dies ändere (nämlich) nichts daran, dass kein asylerhebliches Motiv vorliege. Hiezu wäre es erforderlich, dass seitens des Staates kriminelle Machenschaften bzw. die Nichtaufdeckung von kriminellen Machenschaften gewollt wäre, was aber auch im Falle Albaniens nicht gesagt werden könne. Insbesondere könne nicht angenommen werden, dass kriminelle Machenschaften seitens der Machthaber Albaniens als der Erhaltung der Ordnung des Gemeinwesens und des geordneten Zusammenlebens der menschlichen Individuen in der Gemeinschaft dienlich angesehen würden. Aus einem Bericht vom Februar 1999 über die allgemeine Lage in Albanien ergebe sich, dass seitens des Staates durchaus Versuche gesetzt würden, Korruption, organisierte Kriminalität und Gewaltkriminalität zurückzudrängen. Dass diesem Vorgehen nur wenig Erfolg beschieden sei, reiche ebenso wie die Unterwanderung von Behördenstrukturen durch die Mafia nicht aus, annehmen zu können, dass die Machthaber in Albanien grundsätzlich nicht gewillt wären, etwas gegen kriminelle Machenschaften sowie gegen Korruption zu unternehmen, bzw. dass die Machthaber nicht die Aufklärung von kriminellen Machenschaften herbeiführen wollten. Das folgere insbesondere auch aus der erwähnten Bestätigung der Staatsanwaltschaft Tirana, die der Beschwerdeführer über seinen Schwiegervater erhalten habe. Dass sich die Polizeibehörden gegenüber dem organisierten Verbrechen machtlos fühlten und die Festnahme der Täter nicht hätten erreichen können, wie in dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Zeitungsbericht festgehalten, vermöge nichts daran zu ändern, dass im gegenständlichen Fall kein asylrechtlich relevantes Motiv vorliege, zumal sich daraus nicht entnehmen lasse, dass seitens des albanischen Staates eine entsprechende Verfolgungsmotivation betreffend den Beschwerdeführer gegeben wäre. Aus kriminellen Machenschaften ergebe sich keine Verfolgung aus einem der in der FlKonv aufgezählten Gründe, und zwar auch dann, wenn Behördenstrukturen durch die Mafia unterwandert seien; dem Antrag auf Erstellung eines Gutachtens (nach dem Protokoll über die mündliche Verhandlung zu ergänzen: eines Sachverständigen betreffend die allgemeine Situation in Albanien, in concreto über die Unterwanderung der staatlichen Behörden und politischen Kräfte durch das organisierte Verbrechen sowie die sich dadurch ergebende faktische politische und gesellschaftliche Ordnung) sei somit nicht nachzukommen gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, dass eine nur auf kriminellen Motiven beruhende Verfolgung keinem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der FlKonv genannten Gründe zugeordnet werden kann (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 11. Dezember 1997, Zl. 96/20/0045, und vom 8. Juni 2000, Zlen. 99/20/0111 bis 0113). Es ist weiter nicht zu beanstanden, dass sie die gegen den Beschwerdeführer (anonym) ausgesprochenen Drohungen und die festgestellten Sprengstoffanschläge als Ausfluss (bloß) krimineller Machenschaften angesehen hat, zumal seitens des Beschwerdeführers selbst insoweit keine Verbindung zu einem Konventionsgrund hergestellt, sondern von der Angst "vor dieser fünfköpfigen Terroristengruppe" (so in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt) bzw. vor "dieser Bande, die mich bedroht" (so in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde) gesprochen worden ist. Dass die dem Beschwerdeführer drohenden Beeinträchtigungen, denen zweifelsohne asylrelevante Intensität zukäme, verbrecherischen Ursprungs sind (sei es, um ihn zum "Schweigen" zu bringen, sei es, um sich für seine polizeiliche Aufklärungsarbeit zu rächen), führt jedoch nicht zwingend zu dem Ergebnis, dass seinem Asylantrag kein Erfolg beschieden sein kann. In Ergänzung dazu kommt es vielmehr entscheidend auch darauf an, auf welche Ursachen allenfalls fehlender staatlicher Schutz - bestünde ein solcher, wäre der Asylantrag jedenfalls schon deshalb abzuweisen - zurückzuführen ist. Wäre der Heimatstaat des Beschwerdeführers aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründen nicht bereit, Schutz zu gewähren, käme der primär kriminell motivierten Verfolgung nämlich asylrelevanter Charakter zu. Das folgert daraus, dass das Asylrecht als Ausgleich für fehlenden staatlichen Schutz konzipiert ist, sodass bei der Beurteilung des Vorliegens eines Konventionsgrundes letztlich auch der Frage nach den Ursachen des Unterbleibens eines solchen Schutzes Bedeutung beigemessen werden muss. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof in dem schon erwähnten Erkenntnis vom 11. Dezember 1997 ausgesprochen, dass selbst im Fall der Annahme, staatliche Hilfe gegen eine "Mafiagruppe" wäre dem damaligen Beschwerdeführer nicht zuteil geworden, in den auf persönlichen bzw. kriminellen Motiven beruhenden Verfolgungshandlungen durch Dritte keine dem Staat mittelbar zurechenbare Verfolgung aus einem der in der FlKonv genannten Gründe erblickt werden könnte, wenn auch die Verweigerung des staatlichen Schutzes nicht auf einem dieser Gründe beruht (vgl. auch - betreffend den Fall der Verfolgung aus religiösen Gründen - das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1999, Zl. 98/20/0574).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer vorgebracht, eine Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung zu befürchten. In der Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde führt er dazu aus:

"Ich habe Mafiosi verhaftet, diese wurden von den Behörden freigelassen, ich habe meine Arbeit verloren. Gegenüber meiner Person wurde vom Polizeichef insofern Gewalt angewandt, als ich entlassen wurde und die Mafiosi nicht verfolgt wurden. Das alles, weil ich Interessen bestimmter Beamter angegriffen habe. Ich kann nicht sagen, dass der ganze Staat für die Mafia ist."

In Ergänzung dazu gab der Vertreter des Beschwerdeführers in der Berufungsverhandlung an, dass jener seine politische Gesinnung dadurch zum Ausdruck gebracht habe, dass er Mitglieder von Mafia-Organisationen verfolgt und seiner eigenen Behörde direkt Korruption und Komplizenschaft mit den Tätern vorgeworfen habe, obwohl er um die Unterwanderung der albanischen Behörden und der politischen Funktionäre durch das organisierte Verbrechen gewusst habe; da er sich damit gegen die faktische politische und gesellschaftliche Ordnung gewendet habe, sei ihm - sogar von der Behördenorganisation, der er selbst angehört habe - zumindest der staatliche Schutz versagt worden. Auf dieses Vorbringen kommt der Beschwerdeführer auch in der gegenständlichen Beschwerde zurück. Mit Recht führt er dabei ins Treffen, dass der Bekämpfung der Korruption und der Mafia in concreto eine politische Dimension anhaften kann. Zwar wird man im Allgemeinen nicht schon die Verbrechensbekämpfung oder - allgemeiner - eine ablehnende Einstellung gegenüber Kriminellen und deren Handlungen an sich als Ausdruck einer politischen Meinung ansehen können. Ausgehend von den im - für den vorliegenden Fall nicht einschlägigen - hg. Erkenntnis vom 16. September 1999, Zl. 99/01/0078, wiedergegebenen Verständnis des "Politischen" fehlt einer derartigen Einstellung in aller Regel der "Staatenbezug"; es lässt sich - im Sinn der im eben erwähnten Erkenntnis (nähere Nachweise dort) wiedergegebenen Definition Kälins - nicht sagen, dass es sich dabei um etwas handle, was "der Staat gegen sich, seine Ordnung, seinen Bestand, eventuell seine Legitimität gerichtet erachtet". Wären allerdings, wie hier vom Beschwerdeführer schon im Verwaltungsverfahren behauptet, die staatlichen Behörden vom "organisierten Verbrechen" unterwandert bzw. mit "der Mafia verflochten", so bekäme ein spezifisch dagegen gerichtetes Vorgehen insoweit eine politische Komponente, als es sich nicht mehr schlichtweg auf Kriminalitätsbekämpfung reduzieren ließe, sondern gleichzeitig die konkrete "staatliche Ordnung" (und zwar in ihrer Ausprägung als von Kriminellen beherrschte Gesellschaft) in Frage stellte. Damit wird (was der eingangs dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs widerspräche) nicht jeder zum Flüchtling, der in so strukturierten Staaten Verbrechen zum Opfer fällt oder in der Zukunft kriminelle Handlungen zu seinem Nachteil zu befürchten hat. Entscheidend ist, dass der Betreffende ein Verhalten gesetzt oder eine Äußerung abgegeben hat, welche(s) als Widerstand gegen die besagte "staatliche Ordnung" verstanden werden kann und der auch deshalb - und nicht etwa allein aus dem Grund, weil der Verübung von Verbrechen nichts "in den Weg gelegt" werden soll - mit dem Unterbleiben staatlichen Schutzes gegenüber Verfolgungshandlungen in asylrelevanter Intensität rechnen muss. Ein derartiges Verhalten hat der Beschwerdeführer hier jedoch auch nach den Feststellungen der belangten Behörde an den Tag gelegt:

Er protestierte gegen die seiner Ansicht nach "zu sanfte" Behandlung der von ihm festgenommenen Personen, sprach diesbezüglich beim Kommandanten des zuständigen Bezirkskommissariates vor und bezichtigte diesen schließlich der Korruption und der potenziellen Zusammenarbeit mit den Verbrechern. Unmittelbare Folge dieses Vorwurfs war die Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Polizeidienst am 30. August 1996. Träfen seine Behauptungen über die Unterwanderung der staatlichen Behörden durch das "organisierte Verbrechen" und über die fehlende Schutzbereitschaft zu, so könnte ihm daher unter Bedachtnahme auf die festgestellten Drohungen und Sprengstoffanschläge im Ergebnis begründete Furcht, aus Gründen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, nicht abgesprochen werden.

Nach dem Gesagten kommt es im vorliegenden Fall wesentlich darauf an, ob die albanischen Behörden tatsächlich so von "der Mafia" infiltriert sind, dass der Beschwerdeführer im Hinblick darauf keinen staatlichen Schutz vor der "fünfköpfigen Terroristengruppe" erlangen kann. Die dazu seitens der belangten Behörde getroffenen Feststellungen verneinen das zunächst, sie bringen im Gegenteil zum Ausdruck, dass staatliche Maßnahmen zur Ergreifung der Täter des (letzten) Sprengstoffanschlages, der den Eltern des Beschwerdeführers das Leben gekostet hatte, - und damit zum Schutz des Beschwerdeführers - in Angriff genommen worden seien. Diese Feststellungen werden freilich durch die weitere Sachverhaltsannahme relativiert, dass sich die Aufklärung der begangenen Straftaten "im Hinblick auf die in Albanien herrschenden Verhältnisse (Korruption, Mafia) schwierig gestaltet". Jedenfalls angesichts dessen hätte die belangte Behörde in ihre Überlegungen miteinbeziehen müssen, dass gemäß den in der mündlichen Verhandlung erstatteten Angaben des Beschwerdeführers der Bürgermeister von Kukes der Onkel des Anführers der ihn (den Beschwerdeführer) bedrohenden Bande sei und dass der seinerzeitige Polizeichef von Kukes nunmehr als Polizeichef von Shkodra agiere. Diese Umstände - ihr Zutreffen unterstellt - sprächen nämlich in der Tat für die Ansicht des Beschwerdeführers, die staatlicherseits ergriffenen Maßnahmen zur Aufklärung der Straftaten, die ungeachtet der "identifizierten Personen" offenkundig kein konkretes Ergebnis zeitigten, seien nur "zum Schein" gesetzt worden. Auch seine "Kündigung" kann im gegebenen Zusammenhang nicht außer Betracht gelassen werden. Im Hinblick auf diese Gesichtspunkte kann aber auch nicht gesagt werden, es könne die vom Beschwerdeführer beantragte Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen zum Beweis für die Unterwanderung der staatlichen Behörden und politischen Kräfte durch das "organisierte Verbrechen" - soweit, was der bekämpfte Bescheid nicht klar zu erkennen gibt, Derartiges nicht ohnehin angenommen wird - dahinstehen; eine entsprechende Unterwanderung würde nämlich, zumal in Verbindung mit den aufgezeigten persönlichen Verflechtungen, Rückschlüsse auf den tatsächlichen Charakter der eingeleiteten Strafverfolgungsmaßnahmen erlauben und in weiterer Folge (siehe oben) gegebenenfalls ein Unterbleiben staatlichen Schutzes als Ausfluss einer aus Gründen der politischen Gesinnung statthabenden Verfolgung des Beschwerdeführers erscheinen lassen.

Im Ergebnis rügt die Beschwerde daher mit Erfolg die Beweiswürdigung der belangten Behörde, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 13. November 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000010098.X00

Im RIS seit

07.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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