TE Vfgh Beschluss 1998/12/16 KI-26/97

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Veröffentlicht am 16.12.1998
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art138 Abs1 lita

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrags auf Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes zwischen Gericht und Verwaltungsbehörde mangels Identität der Sache

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Einschreiterin beantragte als klagende Partei gegen die Gemeinde Wenns als beklagte Partei beim Bezirksgericht Imst folgenden Endbeschluß:

"1) Die beklagte Partei hat die klagende Partei dadurch, daß sie durch ihr Organ, den Bürgermeister J(.) G(.), die Öffnung der Grabstätte, im östlichen Friedhofsteil in der vierten Reihe östlich der Pfarrkirche Wenns, als achtes Grab südlich des nördlichen Friedhofeinganges gelegen, wie sich dies aus der beiliegenden Skizze, rot eingezeichnet, ergibt, in welcher unter anderem A(.) H(.) begraben ist, anordnete und dort aufgrund dieser Anordnung das Grab geöffnet, der Grabstein samt drei Grabeinfassungssteinen sowie die Bepflanzung samt Blumenerde entfernt und der Leichnam der G(.) H(.) begraben wurde, im ruhigen Besitz gestört.

2) Die beklagte Partei ist schuldig, den ursprünglichen Zustand durch Exhumierung des Leichnams der G(.) H(.), Verschließen des Grabes, Wiederanbringung des Grabsteines samt den drei Grabeinfassungssteinen und Wiederbepflanzung mit drei Erika in Blumenerde wiederherzustellen.

3) Die beklagte Partei ist weiters schuldig, sich jeder weiteren derartigen Störung bei Exekution zu enthalten.

4) Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu Handen des Klagsvertreters zu ersetzen."

   In der Klagserzählung wird ausgeführt, auf "Anordnung des

Bürgermeisters ..., welcher laut Friedhofsordnung der Gemeinde

Wenns Friedhofsbehörde erster Instanz ist, wurde ... diese

Grabstätte geöffnet, ... und die verstorbene ... in diesem Grab

beerdigt, obwohl keine Zustimmung der Benutzungsberechtigten vorgelegen ist".

Mit Endbeschluß vom 11. Februar 1997, 7 C1820/96 v-7, wurde dieses Klagebegehren vom Bezirksgericht Imst "abgewiesen" und damit begründet, daß "nach Ansicht des Erstgerichtes das entscheidende Gericht zur Beurteilung dieser Sache nicht zuständig (sei), sondern die Entscheidung der Verwaltungsbehörde (obliege)".

Aus Anlaß des Rekurses wurde der angefochtene Endbeschluß sowie das vorangegangene Verfahren vom Landesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 4. April 1997, 2 R 167/97s, als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, daß die Anordnung des Bürgermeisters in Ausübung der der Gemeinde in Angelegenheiten des Leichen- und Bestattungswesens zustehenden Hoheitsverwaltung erfolgt und der Rechtsweg daher nicht zulässig sei.

2. Mit Schreiben vom 5. Dezember 1996 beantragte die Einschreiterin beim Bürgermeister der Gemeinde Wenns die Erlassung eines Bescheides, "auf Grund dessen die verstorbene G. H. der besagten Grabstätte zugewiesen wird bzw. auf Grund dessen der Leichnam der G. H. in dieser Grabstätte beerdigt wurde".

Der Devolutionsantrag der Einschreiterin wurde mit Schreiben vom 13. November 1997 vom Gemeindevorstand der Gemeinde Wenns zurückgewiesen, "da in gegenständlicher Sache kein wie immer gearteter Bescheid zu erlassen ist und der Bürgermeister nicht im Rahmen der Hoheitsverwaltung entschieden hat".

3. Im nunmehr vorliegenden auf Art138 Abs1 lita B-VG und §46 Abs1 VerfGG 1953 gestützten Antrag vertritt die Einschreiterin - nach Schilderung des obigen Sachverhaltes - die Meinung, es hätten in dieser Angelegenheit sowohl das Gericht als auch die Verwaltungsbehörde ihre Zuständigkeit verneint. Es liege daher ein negativer Kompetenzkonflikt vor, da die maßgeblichen Begehren zumindest teilweise identisch seien und mangels Bescheiderlassung ein solcher nicht bekämpft werden könne.

Die Einschreiterin stellt demnach an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auf kostenpflichtige Entscheidung dieses Kompetenzkonfliktes mit dem weiteren Begehren, die dem Erkenntnis entgegenstehenden behördlichen (oder gerichtlichen) Akte aufzuheben.

4. Das Landesgericht Innsbruck legte die bezughabenden Akten vor und führte in seiner Stellungnahme zusammenfassend aus, daß für das von der Einschreiterin erhobene Begehren der ordentliche Rechtsweg nicht gegeben sei.

Die Gemeinde Wenns legte die bezughabenden Akten ebenfalls vor, nahm jedoch davon Abstand, eine Äußerung zu erstatten.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Antrag auf Entscheidung des behaupteten negativen Kompetenzkonfliktes erwogen:

1. Gemäß Art138 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte "zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden". Ein verneinender Kompetenzkonflikt liegt nur dann vor, wenn zwei Behörden in derselben Sache angerufen wurden, beide Behörden die Entscheidung der Sache abgelehnt haben, aber eine zu Unrecht (vgl. VfSlg. 4554/1963, 11862/1988, 13069/1992). Dies kommt auch in der Bestimmung des §51 VerfGG dadurch zum Ausdruck, daß das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes über die Kompetenzfrage die Aufhebung der diesem Erkenntnis entgegenstehenden behördlichen Akte auszusprechen hat.

Voraussetzung eines negativen Kompetenzkonfliktes ist somit die Identität des Entscheidungsgegenstandes. Eine solche liegt hier jedoch nicht vor:

2. Im gerichtlichen Verfahren beantragte die Einschreiterin im Wege einer Besitzstörungsklage die Überprüfung der "Rechtmäßigkeit der vom Bürgermeister als Friedhofsbehörde erster Instanz gesetzten Maßnahme". Das Landesgericht Innsbruck hat daher auf Grund dieses Vorbringens folgerichtig die Sachentscheidung verweigert, weil es annahm, daß die Anordnung des Bürgermeisters im Rahmen der Hoheitsverwaltung erging und der Rechtsweg daher unzulässig sei.

Bei der Verwaltungsbehörde beantragte die Einschreiterin jedoch nicht die Überprüfung der "Rechtmäßigkeit der vom Bürgermeister als Friedhofsbehörde erster Instanz gesetzten Maßnahme", sondern begehrte die Erlassung eines Feststellungsbescheides über die getroffene Maßnahme, wofür - auch unter Bedachtnahme auf das Gemeindesanitätsdienstgesetz, LGBl. Nr. 33/1952 idF LGBl. Nr. 26/1997, - die Gemeindebehörde nicht zuständig ist. (Bei der Annahme hoheitlicher Tätigkeit des Bürgermeisters hätte die Einschreiterin - sozusagen als Gegenstück zur Besitzstörungsklage - eine Beschwerde gemäß Art129a Abs1 Z2 B-VG an den Unabhängigen Verwaltungssenat erheben müssen.)

3. Die für das Vorliegen eines Zuständigkeitsstreites geforderte Sachidentität ist daher nicht gegeben, weshalb der Kompetenzfeststellungsantrag zurückzuweisen war.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Kompetenzkonflikt, Leichen- und Bestattungswesen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:KI26.1997

Dokumentnummer

JFT_10018784_97K0I026_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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