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50 GewerberechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung von Individualanträgen eines Arztes, eines Heilmasseurs und eines Instituts für physikalische Medizin auf Aufhebung der gewerberechtlichen Regelung der Befugnis gewerblicher Masseure zur Ausübung von Heilmassagen mangels rechtlicher Betroffenheit der AntragstellerSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. Mit auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützten Anträgen begehren ein Arzt, ein Heilmasseur und eine Gesellschaft, die ein Institut für physikalische Medizin betreibt, die Aufhebung des §165 GewO 1994 idF BGBl. I 63/1997. Der antragstellende Heilmasseur übt seinen Beruf aufgrund des BG über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste (MTF-SHD-G), BGBl. 102/1961, (vormals: KrankenpflegeG) aus.
Die angefochtene Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
"Massage
§165. Personen, die das gebundene Gewerbe der Massage (§124 Z12) in vollem Umfang ausüben, sind berechtigt, nach Anordnung eines Arztes Heilmassagen (§44 lith des Krankenpflegegesetzes) durchzuführen. Diese Tätigkeiten dürfen nur durch Fachkräfte ausgeführt werden. Welche Ausbildung ein gewerblicher Masseur oder seine Arbeitnehmer aufweisen müssen, um als Fachkraft Heilmassagen durchführen zu dürfen, wird durch eine Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten entsprechend den für die Heilmassage geltenden Anforderungen des Krankenpflegegesetzes geregelt."
(Das in dieser Bestimmung verwiesene Krankenpflegegesetz wurde durch ArtII des BG BGBl. I 108/1997 in "Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und des Sanitätshilfedienstes - MTF-SHD-G umbenannt.)
1. Die Antragsteller halten die vom Gesetzgeber vorgenommene unterschiedliche Regelung der Berufsausübung von gewerblichen Masseuren und Heilmasseuren, insbesondere im Hinblick darauf für sachlich nicht gerechtfertigt und daher verfassungswidrig, daß nur bei Heilmasseuren nach dem MTF-SHD-G gefordert sei, daß sie den Beruf unter ärztlicher Aufsicht ausüben. §165 GewO 1994 verstoße, da er es gewerblichen Masseuren ermögliche, Heilmassagen ohne ärztliche Aufsicht durchzuführen, gegen Art7
B-VG.
Ihre Antragslegitimation suchen sie wie folgt darzutun:
a) Der antragstellende Facharzt führt aus, daß er vielfach veranlaßt sei, Patienten zur Vornahme von Heilmassagen an Physiotherapeuten oder Institute für physikalische Medizin, in deren Rahmen Heilmasseure die Massage vornehmen, zu überweisen. Gemäß §165 GewO 1994 trete nunmehr in Form des gewerblichen Masseurs ein weiterer Anbieter für die Vornahme von Heilmassagen auf. Dieser könne diese Massagen ohne ärztliche Aufsicht vornehmen. Gemäß §22 Abs1 ÄrzteG 1984 (nunmehr: §49 Abs1 ÄrzteG 1998) sei der Antragsteller verpflichtet nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung das Wohl der Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren. Gemäß Abs3 dieser Bestimmung sei er ermächtigt, im Einzelfall ärztliche Tätigkeiten an Angehörige anderer Gesundheitsberufe zu übertragen, wobei er sich jedoch zu vergewissern habe, daß die betreffende Person die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt; er trage nach der gesetzlichen Bestimmung die Verantwortung für die Anordnung. Eine Verletzung des §22 Abs1 bis 6 ÄrzteG 1984 (§49 ÄrzteG 1998) stelle gemäß §108 Abs3 (§199 Abs3) leg.cit. eine mit Verwaltungsstrafe bedrohte strafbare Handlung dar. Da gewerbliche Masseure nicht die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, ohne ärztliche Aufsicht Heilmassagen vorzunehmen, würde eine Zuweisung eines Patienten an einen gewerblichen Masseur eine Verletzung des §22 Abs3 ÄrzteG 1984 (§49 Abs3 ÄrzteG 1998) mit all seinen Konsequenzen, sohin auch die Gefahr zivilrechtlicher und gerichtlich strafbarer Verfolgung nach sich ziehen. Würde er in seiner Zuweisung ausdrücklich klarstellen, daß diese nicht für einen gewerblichen Masseur gelte, würde er andererseits Gefahr laufen, von Vertretern der gewerblichen Masseure gemäß §1 UWG wegen sittenwidrigen Behinderungswettbewerbs in Anspruch genommen zu werden. Die bekämpfte Vorschrift entfalte daher eine für Ärzte unmittelbare Wirkung und es stehe dem Antragsteller auch kein anderer Weg zu ihrer Bekämpfung offen als der eines Individualantrages.
Die Möglichkeit der Vornahme von Heilmassagen durch gewerbliche Masseure greife deshalb in rechtlich geschützte Interessen des antragstellenden Facharztes, der im Rahmen seiner Ordination von Heilmasseuren Heilmassagen vornehmen läßt, ein, weil er als Arzt dem Werbeverbot des §27 ÄrzteG 1984 (§53 ÄrzteG 1998) und der Schweigepflicht gemäß §26 ÄrzteG 1984 (§54 ÄrzteG 1998) unterliege, während dem gewerblichen Masseur keine solchen Beschränkungen auferlegt seien.
b) Der antragstellende Heilmasseur erachtet sich durch §165 GewO 1994 deshalb in seinen rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt, weil er nur unter ärztlicher Aufsicht tätig sein dürfe, während der gewerbliche Masseur auch ohne einer solchen seinem Beruf nachgehen dürfe. §165 GewO 1994 sehe (auch) vor, daß als Dienstnehmer der gewerblichen Masseure auch entsprechende "Fachkräfte" Heilmassagen ausführen dürften, und zwar ebenfalls ohne ärztliche Aufsicht. Im Falle seiner Arbeitslosigkeit wäre ihm die Tätigkeit als eine derartige Fachkraft bei einem gewerblichen Masseur wohl iSd §9 Abs1 AlVG zumutbar, sodaß er gezwungen wäre seine bisher als Heilmasseur ausgeübte Tätigkeit ohne ärztliche Aufsicht durchzuführen. In diesem Fall hätte er, da er die Vornahme von Heilmassagen ohne ärztliche Aufsicht für nicht vertretbar halte, nur die Wahl seinen Arbeitslosengeldanspruch infolge Ablehnung der Tätigkeit zu verlieren oder Gefahr zu laufen, im Falle eines Schadens eines Patienten sowohl zivil- als auch strafrechtlich dafür haftbar gemacht zu werden. §165 GewO 1994 beziehe sich auch insofern unmittelbar auf ihn als Heilmasseur, als diese Bestimmung ausdrücklich auf §44 lith MTF-SHT-G ("Heilmasseure") und die Ausbildungsordnung für Heilmasseure verweist. Überdies habe das deutsche Bundesverfassungsgericht bei einer ähnlichen Rechtslage klargestellt, daß unter bestimmten Voraussetzungen selbst eine an Dritte ergehende Norm den Antragsteller selbst betreffen könne.
c) Das antragstellende Institut für Physikalische Medizin wiederum weist darauf hin, daß es gemäß §2 Abs1 Z7 KAG eine Krankenanstalt sei, die gemäß §3 KAG (gemeint offenkundig die dieser Bestimmung entsprechende Ausführungsbestimmung des Wr. KAG) nur aufgrund einer Bewilligung der Landesregierung betrieben werden dürfe, deren Erteilung unter anderem den Nachweis, daß ein geeigneter Arzt als verantwortlicher Leiter zur Verfügung steht, voraussetze. Um den Anforderungen des KAG gerecht zu werden, müsse das Institut für die entsprechende ärztliche Aufsicht (§8 Abs1 Z1 KAG) sorgen, deren Sicherstellung mit beträchtlichen Kosten verbunden sei. Diese beträchtlichen Kosten bräuchten - im Gegensatz dazu - gewerbliche Masseure nicht zu tragen, die dadurch einen sachlich nicht begründbaren unzulässigen Wettbewerbsvorteil erhielten. Auch sei es dem antragstellenden Institut im Hinblick auf §9 KAG verboten, etwa in gleicher Weise wie gewerbliche Masseure Werbung zu betreiben.
2. Die Bundesregierung hält die Anträge, soweit sie über den ersten und zweiten Satz des §165 GewO 1994 hinausgehen, schon deshalb für unzulässig, weil der letzte - eine Verordnungsermächtigung enthaltende - Satz keinen unmittelbaren Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsteller bewirken könne. Aber auch die Sätze 1 und 2 der angefochtenen Bestimmung berührten die Rechtsposition der Antragsteller nicht unmittelbar, weil sie sich bloß an die zur Ausübung des Gewerbes der Masseure befugten Personen wenden und - bloß - deren Rechtsposition gestalten. Damit könnten sich jedenfalls nur wirtschaftliche Auswirkungen auf die Position der Antragsteller ergeben.
Zum Vorbringen des Facharztes meint die Bundesregierung weiters, daß die Ansicht, eine Zuweisung von Patienten an einen anderen Berufsstand verstoße gegen nach dem ÄrzteG bestehende Fürsorge- und Sorgfaltspflichten, dürfte dort ihre Grenzen finden, wo die Berechtigung der betreffenden Berufsgruppe zur Durchführung der in Frage kommenden Tätigkeit durch einschlägige Rechtsvorschriften außer Streit gestellt ist. In diesem Zusammenhang sei auch auf die ausdrückliche Anordnung des §2 Abs6 ÄrzteG 1984 (§204 ÄrzteG 1998) hinzuweisen.
In der Sache selbst hält die Bundesregierung die Anträge für nicht begründet.
II. Die Anträge sind unzulässig.
1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985, 11730/1988). Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation im Normenprüfungsverfahren ist also, daß die angefochtene Norm nicht bloß faktische Wirkungen zeitigt, sondern die Rechtssphäre der betreffenden Person berührt, also in deren Rechtssphäre eingreift und diese im Falle ihrer Rechtswidrigkeit verletzt. Anfechtungsberechtigter ist also nur ein Rechtsträger, an oder gegen den sich die angefochtene Norm wendet (vgl. VfSlg. 11369/1987, 13869/1994, 14274/1995).
2. Mit ihrem Vorbringen vermögen die Antragsteller nicht darzutun, daß ihre Rechtsposition durch die angefochtene Gesetzesbestimmung unmittelbar betroffen wird. Die Antragsteller behaupten zwar, in ihren "rechtlich geschützten Interessen" beeinträchtigt zu sein, leiten aber ihre Betroffenheit bloß daraus ab, daß gewerbliche Masseure (bei Vorliegen entsprechender Qualifikation) nunmehr berechtigt sind, ohne ärztliche Aufsicht und uneingeschränkt durch ein Werbeverbot und die ärztliche Verschwiegenheitspflicht Heilmassagen auszuüben.
Die angefochtene Vorschrift richtet sich unmittelbar weder an die zur Ausübung des Arztberufes oder des Berufes eines Heilmasseurs iSd MTF-SHD-G befugten Personen noch an Betreiber einer Krankenanstalt, sondern erweitert den Gewerbeumfang der gewerblichen Masseure. Deren Rechtsposition, nicht aber die eines Arztes, Heilmasseurs nach dem MTF-SHD-G oder eines Krankenanstaltenbetreibers wird durch die in Rede stehende Bestimmung gestaltet, mag auch der Inhalt der Regelung der Berufsausübung des Gewerbes der Massage die von den Antragstellern ins Treffen geführten wirtschaftlichen Auswirkungen haben. Die Rechtsposition der Antragsteller wird nicht durch die angegriffene gewerberechtliche Regelung, sondern durch die ihre Tätigkeit regulierenden Vorschriften gestaltet.
Die Anträge waren daher mangels Legitimation zurückzuweisen.
3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Gewerberecht, MasseureEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:G491.1997Dokumentnummer
JFT_10018784_97G00491_00