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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §19 Abs4;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2000/03/0293Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Bernegger, Dr. Handstanger und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des H in Krieglach, vertreten durch Dr. Johannes Sammer, Rechtsanwalt in 8680 Mürzzuschlag, Königsbrunngasse 11, gegen die Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag (beide) vom 2. Mai 2000, (beide mit) Zl. 15.1-1997/2970 u.w., betreffend Ladung und zwangsweise Vorführung in einer Angelegenheit betreffend Vollstreckung einer Strafe wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Ladungsbescheid vom 2. Mai 2000 wurde der Beschwerdeführer unter dem Gegenstand "Vollstreckung von Haftstrafen, Antritt der Ersatzarreststrafe, Hafttauglichkeit, amtsärztliche Untersuchung" für den "2. 5. 2000 unverzüglich" in ein näher angegebenes Zimmer der belangten Behörde persönlich geladen und es wurde im Falle der Nichtbefolgung die zwangsweise Vorführung angedroht. Mit dem gleichfalls angefochtenen Vorführungsbescheid vom selben Tag wurde die zwangsweise Vorführung verfügt, da der Beschwerdeführer dem angeführten Ladungsbescheid keine Folge geleistet habe. Beide Bescheide wurden vom Beschwerdeführer unbestritten am 3. Mai 2000 am Gendarmerieposten Mürzzuschlag übernommen. Nach der auf den angefochtenen Bescheiden aufscheinenden Geschäftszahl sind beide Bescheide im Zusammenhang mit der Strafverfügung vom 29. August 1997 ergangen, mit der der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach Art. III Abs. 5 KFG mit einer Geldstrafe von S 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Stunden) bestraft wurde.
Die Beschwerden sind nicht zulässig:
Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit nach Erschöpfung des Instanzenzuges Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in Rechten verletzt zu sein behauptet.
§ 19 Abs. 1, 3 und 4 AVG lauten:
"(1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. ...
(2) ...
(3) Wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.
(4) Gegen die Ladung oder die Vorführung ist kein Rechtsmittel zulässig."
Gemäß § 54b Abs. 2 VStG ist, soweit eine Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist, die dem ausstehenden Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe hat zu unterbleiben, soweit die ausstehende Geldstrafe erlegt wird. Darauf ist in der Aufforderung zum Strafantritt hinzuweisen. Gemäß § 54 Abs. 1 VStG darf eine Freiheitsstrafe an Geisteskranken oder körperlich schwer kranken Personen und an Jugendlichen unter 16 Jahren nicht vollzogen werden.
Gemäß § 53a VStG obliegen alle Anordnungen und Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Vollzug der Freiheitsstrafe bis zum Strafantritt der Behörde, die in erster Instanz entschieden hat oder der der Strafvollzug gemäß § 29a übertragen worden ist. Mit Strafantritt stehen diese Anordnungen und Entscheidungen, soweit nicht das Vollzugsgericht zuständig ist, der Verwaltungsbehörde zu, der gemäß § 53d der Strafvollzug obliegt (Strafvollzugsbehörde).
Der Verfassungsgerichtshof hat zu § 54c VStG, der einen einfachgesetzlichen Ausschluss von Rechtsmitteln - wie § 19 Abs. 4 AVG - vorsieht, im Lichte des Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG ausgesprochen (siehe das Erkenntnis vom 6. Oktober 1997, VfSlg. Nr. 14.957), dass damit lediglich der Ausschluss der administrativen Rechtsmittel gemeint sei, die zur Disposition des einfachen Gesetzgebers stünden, ohne dass dadurch der verfassungsrechtlich vorgesehene Rechtsschutz durch die unabhängigen Verwaltungssenate in Verwaltungsstrafsachen beseitigt werde. Unter "Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen, ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes" gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG ist nach diesem Erkenntnis nicht nur das Verfahren zur Schaffung eines Straferkenntnisses (geregelt im II. Teil des VStG), sondern auch das behördliche Verfahren zu dessen Vollstreckung (geregelt im III. Teil des VStG) zu subsumieren, weil auch und gerade die Vollstreckungsmaßnahme die Verwirklichung der für Verwaltungsübertretungen vorgesehenen Sanktion bedeutet und daher das darauf bezügliche Verfahren "wegen Verwaltungsübertretungen" geführt wird.
Die verfahrensgegenständlichen Bescheide erfolgten im Hinblick auf einen allfälligen Vollzug der in der angeführten Strafverfügung vorgesehenen Ersatzfreiheitsstrafe mangels Einbringlichkeit der verhängten Geldstrafe. Die amtsärztliche Untersuchung, zu der der Beschwerdeführer geladen worden war, sollte offensichtlich dessen Hafttauglichkeit klären. Es handelt sich somit im Sinne des § 53a VStG um Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Vollzug der Freiheitsstrafe (konkret der Ersatzfreiheitsstrafe). Die verfahrensgegenständlichen Bescheide ergingen daher in dem im III. Teil des VStG geregelten Vollstreckungsverfahren, sie sind demnach Bescheide im Zuge eines Verwaltungsstrafverfahrens in dem vom Verfassungsgerichtshof weiter verstandenen Sinn (vgl. in diesem Sinne auch Walter - Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, S. 1090f, Anm. 7).
Im Verwaltungsstrafverfahren ist gemäß § 24 VStG u.a. § 19 AVG anzuwenden. Der in § 19 Abs. 4 AVG angeordnete Rechtsmittelausschluss kann sich nach der dargestellten Rechtslage im Verwaltungsstrafverfahren aber nicht auf die Anrufung der unabhängigen Verwaltungssenate beziehen, dem stünde Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG entgegen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet die Anordnung in Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG "nach Erschöpfung des Instanzenzuges" "die restlose Ausschöpfung aller Anfechtungsmöglichkeiten des Administrativverfahrens" (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1990, Zl. 90/17/0104). Dazu gehört auch eine Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1995, Zl. 93/05/0066). In den vorliegenden Beschwerdeverfahren ist daher der Instanzenzug in dem dargelegten Sinne nicht erschöpft, gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG bestand vielmehr noch ein Rechtsmittelzug an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Steiermark (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 14. September 2001, Zl. 2000/02/0275).
Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG i.V.m.
§ 12 Abs. 3 VwGG wegen Nichterschöpfung des Instanzenzuges zurückzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 14. November 2001
Schlagworte
BerufungsverfahrenOffenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine VerwaltungsverfahrensgesetzeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000030292.X00Im RIS seit
15.03.2002Zuletzt aktualisiert am
11.08.2010