TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/14 98/03/0265

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Veröffentlicht am 14.11.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des Dkfm. H in Feldkirch, vertreten durch Dr. Michael Konzett, Rechtsanwalt in 6700 Bludenz, Kirchgasse 2-4, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 13. Juli 1998, Zl. 1720/1, betreffend Abschussplan für das Jagdjahr 1998/99, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in Ansehung der Festsetzung des Abschussplanes für Rot- und Rehwild wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 13. Juli 1998 wurde der Abschussplan für Schalenwild und Murmeltiere für das Jagdjahr 1998/99 für das Genossenschaftsjagdgebiet Biberwier - dessen Pächter und Jagdausübungsberechtigter der Beschwerdeführer ist - gemäß § 37 Abs. 8 lit. b des Tiroler Jagdgesetzes 1983, LGBl. Nr. 60, in der Fassung LGBl. Nr. 68/1993 - abweichend vom Antrag des Beschwerdeführers - festgesetzt, die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 2. Juni 1998, die nur gegen die Festsezung der Abschüsse hinsichtlich Rot- und Rehwild gereichtet war, wurde, unter Berichtigung des erstinstanzlichen Bescheides in einem Punkt hinsichtlich des Rehwildes, abgewiesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 37 des Tiroler Jagdgesetzes 1983, LGBl. Nr. 60, in der Fassung LGBl. Nr. 68/39 (JG), hat - soweit hier relevant - folgenden Wortlaut:

"§ 37

Abschlussplan

(1) Der Abschuss von Schalenwild - mit Ausnahme von Schwarzwild - von Auer- und Birkhahnen und von Murmeltieren darf nur im Rahmen eines Abschussplanes erfolgen. Dieser ist jeweils für ein Jagdjahr und für ein Jagdgebiet sowie für den Teil eines Jagdgebietes, der Gegenstand eines Jagdpachtvertrages nach § 18 Abs. 1 dritter Satz ist, zu erstellen.

(2) Der Abschussplan ist so zu erstellen, dass der für das betreffende Jagdgebiet oder für den betreffenden Teil eines Jagdgebietes mit Rücksicht auf dessen Größe und Lage, auf die natürlichen Äsungsverhältnisse, auf den natürlichen Altersaufbau, auf ein ausgewogenes zahlenmäßiges Verhältnis zwischen männlichem und weiblichem Wild und auf die Interessen der Landeskultur angemessene Wildstand erreicht und erhalten, aber nicht überschritten wird. Bei der Erstellung des Abschussplanes ist im Interesse einer großräumigen Jagdbewirtschaftung auf die Wildstandsverhältnisse der benachbarten Jagdgebiete Bedacht zu nehmen.

(3) Im Abschussplan für Schalenwild ist, mit Ausnahme des voraussichtlichen Zuwachses an Wild, jeweils nach Geschlecht und nach Altersklassen (Abs. 6) gegliedert, anzugeben:

a)

der ermittelte Wildstand ,

b)

die Anzahl der im Vorjahr getätigten Abschüsse und der im Vorjahr aufgetretenen Stücke von Fallwild,

c)

der voraussichtliche Zuwachs an Wild,

d)

die in Aussicht genommene Anzahl von Abschüssen.

(4) Im Abschussplan für Auer- und Birkhahnen sowie für Murmeltiere ist lediglich der im vorausgegangenen Jagdjahr ermittelte Bestand und die in Aussicht genommene Anzahl von Abschüssen anzugeben.

(5) Der Jagdausübungsberechtigte hat den Abschussplan für Auer- und Birkhahnen bis zum 1. April, für Schalenwild und für Murmeltiere bis zum 1. Mai jeden Jahres der Bezirksverwaltungsbehörde vorzulegen.

...

(7) Der Abschussplan bedarf der Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Erhaltung oder Herstellung des nach Abs. 2 angemessenen Wildstandes gewährleistet ist.

(8) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat den Abschussplan von Amts wegen festzusetzen,

a) wenn der Jagdausübungsberechtigte den Abschussplan nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt hat oder

b) wenn durch den vom Jagsausübungsberechtigten vorgelegte Abschussplan die Erhaltung oder Herstellung des nach Abs. 2 angemessenen Wildstandes nicht gewährleistet ist.

...

(11) Vor der Erlassung eines Bescheides nach Abs. 8, 9 oder 10 ist der Bezirksjagdbeirat zu hören.

..."

Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung insbesondere auf § 37 Abs. 8 lit. b JG und führte aus, die Festsetzung des Abschussplanes abweichend vom Antrag des Beschwerdeführers sei erforderlich gewesen, weil die "Abschussvorstellungen" des Beschwerdeführers im Hinblick auf eine am 20. April 1998 erfolgte Abschussplanbesprechung, an der der Beschwerdeführer und der Leiter der örtlich zuständigen Bezirksforstinspektion teilgenommen hätten, "im Hinblick auf die gegebene ... waldbauliche Situation nicht akzeptiert werden" könnten und deshalb der Abschuss "entsprechend" festzusetzen sei. Dieser Ansicht habe sich auch der zuständige Hegemeister angeschlossen, weil auch nach seiner Ansicht "wegen der bestehenden Wald-Wild-Situation die Abschussanträge des Jagdausübungsberechtigten als zu niedrig anzusehen" gewesen seien. Dem habe der Beschwerdeführer nur entgegengesetzt, dass er nicht mehr schießen könne als beantragt. Es treffe zwar zu, dass ihm das Ergebnis der Anhörung des Bezirksjagdbeirates nicht zur Kenntnis gebracht worden sei, dem komme aber keine Relevanz zu, weil der Bezirksjagdbeirat bei seiner Sitzung am 2. Juni 1998 der Jagdbehörde erster Instanz die Vorschreibung der bereits bei der Besprechung am 20. April 1998 festgesetzten Abschusszahlen empfohlen habe. Dies sei dem Beschwerdeführer bekannt gewesen. Darüber hinaus sei die Verletzung des Parteiengehörs durch die Möglichkeit, in der Berufung Stellung zu nehmen, saniert. Wie aus den Verfahrensunterlagen ersichtlich sei, habe die Behörde (gemeint die Behörde erster Instanz) ihre Entscheidung auf die Entwicklung der Wildstände und der Abschusszahlen bis in das Jahr 1991 zurück gestützt und dies dem Beschwerdeführer bei der Besprechung am 20. April 1998 zur Kenntnis gebracht. Der relevante Sachverhalt sei daher ausreichend ermittelt worden.

Strittig ist somit, inwieweit die belangte Behörde auf Grund eines umfassenden und ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens berechtigt war, abweichend vom Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 37 Abs. 8 lit. b JG den Abschussplan für das Jagdjahr 1998/1999 festzusetzen.

Insoweit der Beschwerdeführer eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Bescheides rügt, weil dieser keinen Bescheidadressaten enthalte, ist ihm entgegenzuhalten, dass im erstinstanzlichen Bescheid - der in seiner Gesamtheit zu sehen ist - der Beschwerdeführer als Jagdausübungsberechtigter bezeichnet ist und die Entscheidung der Erstbehörde auf der Grundlage des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages, wenn auch im Ergebnis abweichend von diesem, erfolgte. Es kann daher keine Rede davon sein, dass es beim erstinstanzlichen Bescheid an einem individuell bestimmten Adressaten als Träger der bescheidmäßig begründeten Rechte und Pflichten fehlt, abgesehen davon, dass der Bescheid dem Beschwerdeführer, wie aus seiner Berufung vom 16. Juni 1998 und auch aus dem beigeschlossenen Rückschein hervorgeht, am 3. Juni 1998 zugestellt und damit ihm gegenüber erlassen wurde.

Soweit der Beschwerdeführer jedoch die mangelnde Begründung des angefochtenen Bescheides rügt, ist die Beschwerde berechtigt.

Die einzelnen Kriterien, an Hand welcher der Abschussplan festzulegen ist, ergeben sich aus § 37 JG. Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird, zu begründen. In der Begründung sind gemäß § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dabei ist es unter Bedachtnahme auf das Rechtsschutzinteresse der Partei erforderlich, jede strittige Sach- und Rechtsfrage von Relevanz in der Begründung des Bescheides ausreichend zu beantworten. Die Behörde hat hiebei die Erwägungen darzustellen, aus denen sie zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist (vgl. hiezu die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, auf Seiten 461ff dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Dem wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht. Er bezieht sich im Wesentlichen auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, die er - in Entgegnung zum Vorbringen des Beschwerdeführers - für ausreichend hält. Die Erstbehörde führte in ihren Erwägungen zum Abweichen vom Antrag des Beschwerdeführers wörtlich folgendes aus:

"Begründung:

Zur amtswegigen Festsetzung der Abschüsse:

Gemäß § 37 Abs. 8 lit b, TJG 1983, hat die Bezirksverwaltungsbehörde den Abschussplan von Amts wegen festzusetzen, wenn durch den vom Jagsausübungsberechtigten vorgelegten Abschussplan die Herstellung eines angemessenen Wildstandes nicht gewährleistet ist.

Rotwild:

Der durchschnittliche Abgang in den letzten 4 Jahren liegt bei 57 Stück. In diesem Zeitraum ist auch eine Reduktion des Rotwildstandes erreicht worden. In landeskultureller Hinsicht bestehen nach wie vor beträchtliche Probleme durch Rotwild.

Daher wird eine Vorschreibung von 42 Stück als notwendig erachtet.

Gamswild:

Es bestehen nach wie vor Probleme mit Gamswild, daher wird eine Vorschreibung von 22 Stück als notwendig erachtet.

Rehwild:

Auf Grund der Verbissschadensituation ist eine weitere Reduktion notwendig. Die Abgänge in den letzten 3 Jahren liegen durchschnittlich bei 19 Stück, wenn auch nur ein Winterbestand von 14 Stück angegeben wird, muss angenommen werden, dass über das Jagdjahr ein höherer Rehbestand vorhanden sein muss. Die Behörde erachtet eine Vorschreibung von 18 Stück als richtig.

Zur notwendigen Festsetzung der Abschüsse wurde der Bezirksjagdbeirat gehört."

Darin wird somit, was das Rotwild anlangt, auf "Probleme" verwiesen, die nicht näher dargestellt werden; was das Rehwild anlangt, wird auf eine "Verbissschadensituation" hingewiesen, die gleichfalls nicht näher erläutert wird. Darüber hinausgehende Feststellungen hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid hiezu nicht getroffen. Ferner wird auf die Anhörung des Bezirksjagdbeirates verwiesen, ohne dass diese näher dargestellt wird. Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zusätzlich erläutert, dass der Bezirksjagdbeirat die dem Beschwerdeführer anlässlich der Besprechung vom 20. April 1998 bekannt gegebenen Abschusszahlen empfohlen habe, lässt sich daraus gleichfalls keine nachvollziehbare Begründung ableiten. Gleiches gilt auch für die Hinweise der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, dass dem Beschwerdeführer die Grundlagen der Entscheidung der Behörde anlässlich der Besprechung vom 20. April 1998 zur Kenntnis gebracht worden seien, zumal weder die Erstbehörde noch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid diese Grundlagen eingehend und vollständig in einer Weise zur Darstellung bringt, die es dem Verwaltungsgerichtshof ermöglichen würde, die Entscheidung der belangten Behörde im Grunde des § 37 Abs. 2 JG schlüssig nachvollziehen zu können.

Da die belangte Behörde somit Verfahrensvorschriften verletzt hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. November 2001

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998030265.X00

Im RIS seit

22.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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