TE Vfgh Erkenntnis 1998/12/16 B1172/98

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Veröffentlicht am 16.12.1998
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Index

91 Post-und Fernmeldewesen
91/01 Fernmeldewesen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
TelekommunikationsG §33
TelekommunikationsG §110
AVG §18 Abs4
AVG §39 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Feststellung der marktbeherrschenden Stellung der Mobilkom Austria AG im Handy-Netz gemäß dem TelekommunikationsG in einem nicht den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen genügenden Verfahren; Bescheidqualität der mit Beglaubigung durch den Geschäftsführer der Telekom-Control GmbH versehenen Ausfertigung des Bescheides der Telekom-Control-Kommission

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde durch Spruchpunkt 2 und die Nennung der beschwerdeführenden Gesellschaft in Spruchpunkt 4 des angefochtenen Bescheides im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

Der Bescheid wird in diesem Umfang aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihrer Vertreter die mit 29.500 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der angefochtene Bescheid der Telekom-Control-Kommission stellt unter Berufung auf §33 Abs4 und §111 Z5 Telekommunikationsgesetz fest, daß folgende Unternehmen auf den genannten Märkten marktbeherrschend im Sinne des Telekommunikationsgesetzes sind:

"1. auf dem Markt für das Erbringen des öffentlichen Sprachtelefondienstes mittels eines festen Telekommunikationsnetzes:

Post & Telekom Austria AG;

2. auf dem Markt für das Erbringen des öffentlichen Sprachtelefondienstes mittels eines Mobilkommunikationsnetzes:

Mobilkom Austria AG;

3. auf dem Markt für das Erbringen des öffentlichen Mietleitungsdienstes mittels eines festen Telekommunikationsnetzes:

Post & Telekom Austria AG;

4. auf dem Markt für das Erbringen von Zusammenschaltleistungen:

Mobilkom Austria AG

Post & Telekom Austria AG."

1. Neben dem Bundesministerium für (Wissenschaft und) Verkehr als oberster Fernmeldebehörde und den ihm unterstehenden Fernmeldebüros sowie dem Zulassungsbüro hat das Telekommunikationsgesetz, Artikel I des Bundesgesetzes BGBl. I 100/1997 (TKG), zur Wahrung der Regulierungsaufgaben im Bereich der Telekommunikation die "Telekom-Control Österreichische Gesellschaft für Telekommunikationsregulierung mit beschränkter Haftung" (Telekom-Control GmbH) errichtet, deren Anteile dem Bund vorbehalten sind (§108 TKG). Diese Gesellschaft hat sämtliche vom Gesetz der Regulierungsbehörde übertragenen Aufgaben wahrzunehmen, sofern hiefür nicht die Telekom-Control-Kommission zuständig ist (§109 TKG). Die Telekom-Control-Kommission ist "bei der Telekom-Control GmbH angesiedelt", der auch die Geschäftsführung der Kommission obliegt und deren Personal im Rahmen dieser Tätigkeit nur den Weisungen des Vorsitzenden oder des in der Geschäftsordnung bezeichneten Mitgliedes gebunden sind (§110 TKG).

Die Telekom-Control-Kommission besteht aus drei von der Bundesregierung ernannten Mitgliedern, von denen eines dem Richterstand anzugehören hat, eines einschlägige technische und das andere juristische und ökonomische Kenntnisse haben soll. Ihre Funktionsdauer beträgt fünf Jahre; eine Wiederbestellung ist zulässig; für den Verhinderungsfall wird jedem Mitglied ein Ersatzmitglied bestellt (§112 Abs1 und 2); der Verlust der Mitgliedschaft ist nur bei nachträglichem Eintritt eines Ausschließungsgrundes oder unentschuldigtem Fernbleiben zu drei aufeinanderfolgenden Sitzungen über Feststellung der Kommission vorgesehen (§112 Abs4). Bei der Ausübung ihres Amtes sind die Mitglieder der Kommission an keine Weisungen gebunden (§114). Die Kommission wendet das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz an und entscheidet in (erster und) letzter Instanz; ihre Entscheidungen unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg (§115).

Aufgabe der Kommission (§111) ist neben Erteilung, Entziehung und Widerruf von Konzessionen sowie Zustimmung zu deren Übertragung und Änderungen (Z1), Genehmigung von Geschäftsbedingungen und Entgelten und dem Widerspruch gegen Geschäftsbedingungen (Z2), Ermittlung des aus dem Erbringen des Universaldienstes gegebenenfalls zu leistenden finanziellen Ausgleichs (Z3) und Feststellung des von den Konzessionsinhabern an den Universaldienstfonds zu leistenden Beitrages (Z4), sowie Festlegung der Bedingungen für die Zusammenschaltung im Streitfall (Z6) und Feststellung der Nichteinhaltung des Quersubventionsverbotes (Z7) auch

"5. Feststellung, welcher Anbieter gemäß §33 als marktbeherrschend einzustufen ist,".

Zu den im fünften Abschnitt des TKG ("Wettbewerbsregulierung") genannten Regulierungszielen (§32 Abs1) gehört es unter anderem,

"3. den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung abzustellen und Mißbräuchen vorzubeugen,".

Ein Anbieter mit marktbeherrschender Stellung muß ferner Wettbewerbern auf diesem Markt nach dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung angebotene oder bereitgestellte Leistungen unter vergleichbaren Umständen zu gleichen Bedingungen in derselben Qualität bereit halten ("Offener Netzzugang - ONP"; §34) und dafür Schnittstellen anbieten (§35), gegebenenfalls ein Mindestangebot an Mietleitungen öffentlich anbieten (§36), anderen Nutzern Netzzugang gewähren und eine Zusammenschaltung seines Netzes mit öffentlichen Netzen anderer Betreiber ermöglichen (§37). Marktbeherrschende Unternehmen, für deren Zusammenschaltungsentgelte der "Grundsatz der Kostenorientiertheit" gilt (§41 Abs3), sind verpflichtet, eine Liste bestimmter Standardzusammenschaltungsangebote für ihre Netze zu erstellen (§41 Abs4) und die Entgelte und Bedingungen dafür in die Geschäftsbedingungen aufzunehmen und zu veröffentlichen (§42); sie dürfen die Entgelte für ihre Telekommunikationsleistungen nicht aus den Bereichen mit besonderen oder ausschließlichen Rechten oder untereinander quersubventionieren und müssen deshalb die Transparenz der Zahlungs- und Leistungsströme zwischen den Geschäftsfeldern sicherstellen (§43), und sind verpflichtet, ein Kostenrechnungssystem (im Einklang mit den ONP-Richtlinien) zu betreiben, das die Zuordnung von Kosten und Kostenelementen auf alle Dienste und Dienstelemente vorsieht und eine nachträgliche Überprüfung erlaubt (§45). Die Geschäftsbedingungen von Anbietern mit marktbeherrschender Stellung im Sprachtelefondienst über ein festes Netz und ein Mobilnetz und von Mietleitungen sowie die Entgelte der Festnetz- und Mietleitungsbetreiber bedürfen der Genehmigung durch die Regulierungsbehörde (§18 Abs4 und 6), und marktbeherrschende Betriebe haben das Teilnehmerverzeichnis über Ersuchen auch an Herausgeber eines betreiberübergreifenden Teilnehmerverzeichnisses zu übermitteln (§96 Abs6 Z1).

   Für die Ermittlung der marktbeherrschenden Stellung trifft

§33 TKG folgende Regelung:

                 "Marktbeherrschende Unternehmer

   §33. (1) Ein Unternehmen ist marktbeherrschend im Sinne

dieses Gesetzes, wenn er als Anbieter oder Nachfrager von Telekommunikationsdienstleistungen am sachlich und räumlich relevanten Markt

1.

keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist oder

2.

auf Grund seiner Möglichkeit, Marktbedingungen zu beeinflussen, seines Umsatzes im Verhältnis zur Größe des Marktes, seiner Kontrolle über den Zugang zu Endbenutzern, seines Zuganges zu Finanzmitteln sowie seiner Erfahrung mit der Bereitstellung von Produkten und Diensten auf dem Markt

über eine im Verhältnis zu seinen Mitbewerbern überragende Marktstellung verfügt.

(2) Es wird vermutet, daß ein Unternehmer marktbeherrschend ist, wenn er am sachlich und räumlich relevanten Markt über einen Marktanteil von mehr als 25% verfügt. Die Regulierungsbehörde kann jedoch festlegen, daß ein Unternehmen mit weniger als 25% an dem betreffenden Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. Sie kann auch festlegen, daß ein Unternehmen mit einem Anteil von mehr als 25% an dem betreffenden Markt nicht über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. In beiden Fällen sind bei der Festlegung die Kriterien gemäß Abs1 zu berücksichtigen.

(3) Die Regulierungsbehörde veröffentlich einmal jährlich im Amtsblatt zur Wiener Zeitung, auf welchen sachlich und räumlich relevanten Märkten Anbieter über eine marktbeherrschende Stellung verfügen. Vor der Veröffentlichung nach Abs3 ist den betroffenen Unternehmern die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Die Veröffentlichung hat keine Rechtswirkungen.

(4) Die Regulierungsbehörde hat auf Antrag eines betroffenen Unternehmers durch Bescheid festzustellen, ob dieser marktbeherrschend im Sinne dieses Bundesgesetzes ist. Sie kann dies auch von Amts wegen tun."

2. Das im angefochtenen Bescheid gipfelnde Feststellungsverfahren wurde nach dem letzten Satz des vorstehend wiedergegebenen §33 Abs4 TKG von Amts wegen eingeleitet, um die in künftigen Verfahren auftretende Vorfrage verbindlich zu klären und eine Grundlage für die einschlägigen Mitteilungen an die Europäische Kommission (Art18 Abs2 der Richtlinie 97/33/EG) zu schaffen.

Dabei ging die Behörde davon aus, daß jedenfalls zwischen dem Markt für den öffentlichen Sprachtelefondienst im Festnetz, dem Markt für öffentlichen mobilen Sprachtelefondienst und dem Markt für das öffentliche Anbieten von Mietleitungen zu unterscheiden sei (wie etwa die Abs4 und 6 des §18 TKG tun) und auch der Markt für Zusammenschaltung untersucht werden müsse (§41 Abs3). Eine weitere Differenzierung der Telekommunikationsmärkte schien ihr "zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht notwendig", wenngleich künftig in Verfolgung der Regelungsziele des TKG weitere Märkte identifiziert werden könnten. Für die von der Mobilkom und von max.mobil angeregte Unterteilung des Marktes für Mobilfunk in analoge und digitale Dienste sah sie "aus Gründen der Substituierbarkeit der angebotenen Leistungen aus der Sicht der Nachfrage" keinen Grund.

In bezug auf die marktbeherrschende Stellung hält der angefochtene Bescheid dafür, daß es bei der Vermutung des §33 Abs2 Satz 1 TKG sein Bewenden habe, wenn die dort genannte Grenze erheblich über- oder unterschritten werde, und eine nähere Überprüfung anhand der in Abs1 genannten Kriterien nur in Betracht komme, wenn sich ein Marktanteil der 25%-Grenze nähere. Mangels näherer Bestimmung des Gesetzes (und der ihm zugrundeliegenden Richtlinie 97/33/EG) sei zur Berechnung des Marktanteiles zumindest für Festnetze und Mobilnetze analog der Regelung über die Berechnung des Marktanteiles für Zwecke der Beitragsleistung zum Universaldienstfonds das Verhältnis der Umsatzzahlen ausschlaggebend: die sonst noch in Betracht kommenden Kriterien (zB Kundenzahlen, Leitungskapazitäten oder Gesamtgesprächsminuten) könnten kein so umfassendes Bild über die tatsächlichen Marktverhältnisse geben. Das gelte auch für Mietleitungen. Der Markt für Zusammenschaltungen könne zwar auch nach der Leistungszeit (den Interconnect-Minuten) beurteilt werden, doch würde dies angesichts des Unterschiedes zwischen Fest- und Mobilnetz zu einer Verzerrung führen, während der Umsatz als Maßstab für den nötigen Ausgleich sorge. Die Regulierungsbehörde befinde sich damit auch im Einklang mit der EU-Kommission. Mangels Verfügbarkeit von Umsatzdaten aus 1998 müsse auf Zahlen für 1997 zurückgegriffen werden.

Da im Festnetzbereich die Post & Telekom Austria 1997 einzige Anbieterin gewesen sei, liege ungeachtet beginnenden Wettbewerbes ihr Anteil jedenfalls weit über 25%. Im Bereich der Mobilnetze habe das Verhältnis der beiden Anbieter Mobilkom und max.mobil im Jahresdurchschnitt über 90 zu unter 10, im letzten Quartal 1997 allerdings nur mehr über 80 zu unter 20 betragen. Entgegen dem ersten Anschein (§33 Abs1 Z2 TKG: "... im Verhältnis zu seinen Mitbewerbern überragende Marktstellung") könne, verstehe man den Begriff "überragende Marktstellung" im Sinne des Art4 Abs3 der Richtlinie 97/33/EG, darüber hinaus auch max.mobil bei Vorliegen der in wörtlicher Wiederholung der genannten Richtlinie im Gesetz (§33 Abs1 Z2) festgelegten Kriterien marktbeherrschend werden, sei dies aber bei näherer Prüfung unter diesem Blickwinkel gegenwärtig noch nicht. Beim Mietleitungsdienst sei die Post & Telekom Austria mit 95% jedenfalls marktbeherrschend und auf dem Markt für das Erbringen von Zusammenschaltungsleistungen habe sie 1997 einen Marktanteil von über 30%, die Mobilkom von über 60% und die max.mobil einen solchen von unter 10% gehalten. Inzwischen aufgetretene alternative Netzbetreiber würden Zusammenschaltungen bisher lediglich in Anspruch nehmen, nicht jedoch selbst anbieten. Neben Mobilkom sei (wegen Erfüllung der Kriterien der Z2 des Abs1) auch die Post & Telekom marktbeherrschend: Als marktbeherrschender Anbieter im Festnetz habe sie die Möglichkeit, auch die Marktbedingungen am Zusammenschaltungsmarkt zu beeinflussen, ihr Umsatz übertreffe jenen von max.mobil, sie verfüge als Festnetzbetreiberin über den besten Zugang zu den Endbenutzern; beide Mobilfunkbetreiber seien derzeit gezwungen, ihre Netze mit der Post & Telekom Austria zusammenzuschalten, um jene große Zahl an Endbenutzern zu erreichen, die nur über einen Zugang zum Festnetz verfügen.

3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Mobilkom Austria bezweifelt in ihren Ausführungen zur Zulässigkeit der Beschwerde die Wirksamkeit der Ausfertigung des Bescheides mit bloßem Beglaubigungsvermerk des Geschäftsführers der Telekom-Control GmbH und rügt in der Sache die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten durch die Feststellung ihrer beherrschenden Stellung auf dem Mobilfunkmarkt und auf dem Markt für die Erbringung von Zusammenschaltungsleistungen, sowie insgesamt auch die Verletzung des Art6 Abs1 EMRK und die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des §33 TKG, und begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides im Umfang der Spruchpunkte 2 und 4 (soweit er sich auf sie bezieht).

Die Annahme eines die analogen und digitalen Systeme übergreifenden Mobilfunkmarktes sei - im Lichte des allgemeinen Wettbewerbsrechts der Europäischen Union - im Ergebnis denkunmöglich und unsachlich, verletze also den Gleichheitssatz, das Eigentumsrecht und die Erwerbsfreiheit, die Entscheidung sei unter Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter zustandegekommen, weil die Frage der Abgrenzung des relevanten Marktes nicht dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt worden sei, aber auch willkürlich, weil ohne jede Ermittlungstätigkeit im entscheidenden Punkt. Auch die Annahme, beim Markt für die Erbringung von Zusammenschaltungsleistungen handle es sich um einen relevanten Markt im Sinne des §33 TKG, beruhe auf einer offensichtlich richtlinienwidrigen Auslegung des Gesetzes; Mobilfunkbetreiber seien nämlich von den einschlägigen Pflichten auf dem Zusammenschaltungsmarkt (mit Ausnahme der Grundsätze der Transparenz und Kostenorientierung der Zusammenschaltungsentgelte nach Art7 Abs2 der Richtlinie) gar nicht erfaßt. Auch insoweit verletze der angefochtene Bescheid die beschwerdeführende Gesellschaft im Gleichheitsrecht, im Eigentum und in der Erwerbsfreiheit, im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und wegen Willkür im Gleichheitssatz, als die Behörde nicht Umsatzzahlen aus 1998 ermittelt und auch die Umsätze aus bloßen Transitdiensten zugrundegelegt habe, obwohl hier ein realer Wettbewerb verschiedener Netze stattfinde. Da civil rights betroffen seien, habe die Behörde durch Mißachtung des Gebotes der Öffentlichkeit des Verfahrens und durch Setzung unzureichender Fristen für die Stellungnahme der Parteien Grundsätze eines fairen Verfahrens verletzt. Im §33 Abs1 und 2 TKG habe der Gesetzgeber schließlich nur die Richtlinie (Art4 RL 97/33/EG) abgeschrieben, der Behörde aber keine Kriterien an die Hand gegeben, wie sie die einzelnen Faktoren heranzuziehen habe; die gesetzliche Regelung sei sonach unbestimmt und verstoße gegen Art18 B-VG.

4. Die Gegenschrift der belangten Kommission weist darauf hin, daß der angefochtene Bescheid mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt und durch die Unterschrift des (nach §8 der Geschäftsordnung auch mit der Führung der laufenden Geschäfte betrauten) Vorsitzenden genehmigt wurde, weshalb nach §18 Abs4 Satz 4 AVG die Beglaubigung entbehrlich gewesen sei, die Ausfertigung den gesetzlichen Anforderungen aber auch deshalb genüge, weil die Telekom-Control GmbH aufgrund des §110 TKG die Aufgaben einer Geschäftsstelle oder Kanzlei der Kommission besorge (und nach §17 Abs2 Z4 der Geschäftsordnung mit der Ausfertigung der Entscheidungen der Kommission betraut sei) und ihr Geschäftsführer vom Vorsitzenden der Kommission zur Beglaubigung der Ausfertigung ermächtigt wurde.

Zum Vorwurf, in verfassungswidriger Weise einen Markt für öffentliche Mobilsprechtelefondienste angenommen zu haben, weist die belangte Kommission darauf hin, daß verschiedene Bestimmungen des TKG an bestimmte Märkte anknüpfen und sich schon daraus ergebe, daß der mobile Sprachtelefonmarkt einen Markt darstelle, der nicht weiter unterteilt werden müsse, wovon auch die Europäische Kommission mit dem ONP-Ausschuß ausgehe, und führt ins Treffen,

"daß die Begründung dafür, warum allenfalls zwischen analoger und digitaler Mobiltelefonie differenziert werden sollte, in den technologischen Möglichkeiten der letzteren liegen, die in Gestalt neuer Dienste und Produkte (z.B. Short Message Service, Call Line Identification, internationalem roaming, Wertkarten etc.) sukzessive am Markt eingeführt werden. Wenn trotz dieser Entwicklung, die in Richtung einer Klassifikation analoger und digitaler Mobiltelefonie als unterschiedliche Teilmärkte (in denen die Frage der Marktbeherrschung demnach getrennt zu beurteilen wäre) weist, eine Differenzierung seitens der Telekom-Control-Kommmission nicht erwogen wurde, so vor allem deshalb, weil es trotz (wachsender) Unterschiede in der Funktionalität, auch wesentliche Gemeinsamkeiten und Interdependenzen gibt. Wie stark diese sind, zeigt sich etwa darin, daß die angebotenen Dienste in ihrer Preisstruktur bzw. Paketierung (D-Geschäft entspricht A1-business; D-intensiv entspricht A1 Job; D-Freizeit entspricht A1-fun; D-Schnupper entspricht A1-Start; D-Zero entspricht B-free), in ihrer Preispolitik (z.B.: D zu D, A1 friends, jeweils zu besonders günstigen Tarifen) und auch in ihrem Marketing (Einführungszeitpunkte, 'D-Netz, Österreichs billigster Handy-Tarif') ähnlich, d.h. kompetitiv, sind. So ist etwa davon auszugehen, daß der besonders günstige D zu D Tarif (45 Groschen) darauf abzielt, den Substitutionsprozeß in Richtung digitaler Systeme zumindest abzuschwächen. Besondere Angebote für Verbindungen zwischen D und A1 Netz (D Company) sollen ihrerseits die Migration der Teilnehmer zwischen analogem und digitalem Netz für Mobilkom-Kunden erleichtern. Trotz des Monopols im analogen Mobiltelefonbereich durch die Mobilkom weisen diese wenigen Beispiele klar auf die starke Parallelität und Interdependenz (bei z.T. unterschiedlicher Funktionalität) der beiden Segmente hin, was klarer Ausdruck dafür ist, daß es sich hierbei um rivalisierende (substitutive) Marktsegmente handelt. Aus Sicht der Telekom-Control-Kommission war daher eine weitergehende Differenzierung zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht angebracht. Das von der beschwerdeführenden Gesellschaft (S 6 der Beschwerde) vorgetragene Argument, daß es keine Angebotssubstituierbarkeit zwischen analogen und digitalen Mobilfunkdiensten geben könne, ist daher in dieser pauschalen Form unzutreffend. In dem Maße, in dem neue Produkte und Dienste eingeführt werden, wird neu zu beurteilen sein, ob bei der Beurteilung der Marktbeherrschung zwischen analogem und digitalem Mobilfunkmarkt zu differenzieren ist.

Im übrigen wird auf das Verständnis der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben anderer Mitgliedstaaten hingewiesen. Auch etwa das in der Telekom-Liberalisierung am weitesten vorangeschrittene europäische Land, das Vereinigte Königreich, geht davon aus, daß der öffentliche mobile Sprachtelefondienst für die Zwecke der Feststellung der marktbeherrschenden Unternehmen gemäß Zusammenschaltungsrichtlinie als ein einheitlicher Markt anzusehen ist, der sowohl die analoge als auch die digitale mobile Sprachtelefonie umfaßt (ON 22/8 und 22/9). Insbesondere wird darauf hingewiesen, daß eine von der britischen Regulierungsbehörde OFTEL im Mai 1996 durchgeführte Untersuchung über den Mobilfunkmarkt, in deren Rahmen die Substituierbarkeit der mobilen und der digitalen Sprachtelefonie untersucht wurden, ergeben hat, daß analoge und digitale Sprachtelefonie substituierbar sind, und daher gemeinsam einen Markt bilden. Diese Ansicht vertrat die britische Regulierungsbehörde seither wiederholt (etwa im Dokument 'Fair Trading in the Mobile Telephony Market' vom April 1997; ON 22/9, heißt es: 'OFTEL's view therefore is that the prices of analogue and digital systems do constrain each other sufficiently for them to be regarded as part of the same market.').

Im Ergebnis gleichlautend hält auch Prof. Dr. Jörn Kruse, Universität Hohenheim, Diskussionbeiträge aus dem Institut für Volkswirtschaftslehre Nr. 159/1997, unter der Überschrift:

Marktabgrenzung, Analoge (C-Netz im 450 MHz-Bereich) und digitale (in der BRD als D- und E-Netze im 900 MHz bzw im 1800 MHz-Bereich bezeichnet) zellularer Mobilfunksysteme auf S. 8 fest: 'Des weiteren stellen sich die Fragen, (1) ob die D- und die E-Netze dem gleichen Markt zuzurechnen sind und (2) ob das C-Netz einen von diesen separaten, eigenen relevanten Markt bildet.' Nach einigen Ausführungen kommt Prof. Kruse auf S. 9 zu folgenden Schlüssen: 'Derartige Unterschiede stellen jedoch nicht die Tatsache in Frage, daß die D- und die E-Netze zum gleichen relevanten Markt gehören. Das analoge C-Netz bietet ebenfalls das gleiche Kernprodukt an wie die digitalen Netze. Es fehlen jedoch die internationalen Roaming-Möglichkeiten und einige Funktionen, die auf den nicht-digitalen Charakter zurückzuführen sind. Anfänglich (d.h. erste Jahre der D-Netze) hatte das C-Netz diesen gegenüber Flächendeckungs-Vorteile. Diese qualitativen Unterschiede reichen jedoch ebenfalls nicht aus, das C-Netz (analoges Netz im 450 MHz-Bereich, das sich im Vergleich zum in Österreich verwendeten analogen Netz wesentlich stärker vom digitalen Netz unterscheidet - Anmerkung der Telekom-Control-Kommission) einem eigenen Markt zuzuordnen.' Mit anderen Worten: Das analoge C-Netz gehört zum gleichen relevanten Markt wie die digitale D-Netze.

Der Hinweis der beschwerdeführenden Gesellschaft, daß auch ihr Konkurrent, die max.mobil Telekommunikation Service GmbH in der Stellungnahme vom 11.5.1998 (ON 64) angeregt hat, die Märkte des öffentlichen mobilen Sprachtelefondienstes in einen analogen und einen digitalen Markt zu unterteilen, ist in diesem Zusammenhang irreführend bzw. ergänzungsbedürftig: Die max.mobil Telekommunikation Service GmbH regt diese Unterteilung nicht etwa mit der Behauptung an, die analoge und die digitale mobile Sprachtelefonie seien keine substituierbaren Güter, weshalb verschiedene Märkte vorlägen. Hintergrund der Anregung der max.mobil Telekommunikation Service GmbH dürfte vielmehr gewesen sein, zu erreichen, daß die beschwerdeführende Gesellschaft in bezug auf analoge mobile Sprachtelefonie (D-Netz der Mobilkom) jedenfalls als marktbeherrschend gilt, da sie der einzige Anbieter Österreichs auf diesem Markt ist, und daß eine Quersubventionierung zwischen den Bereichen der analogen und der digitalen Sprachtelefonie (die auch die max.mobil Telekommunikation Service GmbH anbietet) unzulässig ist (ON 64 S 1).

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß die Telekom-Control-Kommission gesetzes- und gemeinschaftsrechtskonform zur Feststellung des marktbeherrschenden Unternehmers einen Markt für das Bereitstellen der öffentlich mobilen Sprachtelefonie angenommen hat."

Von einer Verletzung des Gleichheitssatzes könne in diesem Zusammenhang keine Rede sein (Hinweis auf VfSlg. 14886/1997). Vernünftige Zweifel über die Frage der Marktabgrenzung seien nicht geblieben. Aus der Anfrage an die Europäische Kommission und deren Antwortschreiben sei ein solcher nicht ableitbar. Da die rechtlichen Grundlagen und tatsächlichen Verhältnisse keine Unterscheidung nach analogen und digitalen Mobilfunkmärkten verlangten, seien hierüber auch keine (weiteren) Ermittlungen erforderlich gewesen. Im übrigen hätte sich aber selbst bei einer Trennung der Märkte für die beschwerdeführende Gesellschaft nichts geändert:

"Mobilkom hatte per 31.12.1997 250.300 analoge und 689.000 digitale Teilnehmer. Per 31.12.1997 gab es in Österreich nur mehr ein analoges Mobiltelefonsystem (das C-Netz NMT-450MHz wurde mit 31.12.1997 abgeschaltet). Mobilkom wäre also mit einem Marktanteil von 100% marktbeherrschendes Unternehmen am analogen Mobilfunkmarkt gewesen.

Die Gesamtzahl an Teilnehmern auf dem digitalen Markt betrug per 31.12.1997 - 914.000; hiervon entfielen 225.000 Teilnehmer auf die max.mobil Telekommunikation Service GmbH (24,6%) und 689.000 Teilnehmer auf die Mobilkom (75,4%). Selbst wenn also zwischen analogem und digitalem Mobiltelefonmarkt differenziert worden wäre, hätte die Mobilkom einen Marktanteil von 100 % im analogen bzw von über 75 % im digitalen Mobilfunkmarkt."

Nach neuerlicher Untermauerung der Maßgeblichkeit des Umsatzes für die Berechnung der ziffernmäßigen Höhe des Marktanteiles fährt die Gegenschrift fort:

"Soweit die beschwerdeführende Gesellschaft unter Hinweis auf die max.mobil Telekommunikation Service GmbH, die 'im Verhältnis zu den Umsatzzahlen überproportional großen Kundenstamm' habe, rügt, daß die Telekom-Control-Kommission es verabsäumt ... (habe), diese Umsatzzahlen mit einer Einschätzung des Verhältnisses der Kundenzahlen in Verbindung zu setzen, obwohl gerade der österreichische Mobilfunkmarkt dadurch gekennzeichnet ist, daß Umsatzzahlen und Kundenzahlen deutlich auseinanderklaffen, ist festzuhalten, daß die beschwerdeführende Gesellschaft mit dieser Argumentation einräumt, daß der Umsatz der max.mobil Telekommunikation Service GmbH je Teilnehmer unter jenem der Mobilkom liegt, d.h., daß bei Differenzierung zwischen analogem und digitalem Markt der umsatzbezogene Marktanteil der max.mobil Telekommunikation Service GmbH deutlich hinter den oben per 31.12.1997 festgestellten 24,6% Kundenanteil liegt. Unter Berücksichtigung der deutlich niedrigeren Umsätze je max.mobil Telekommunikation Service GmbH-Teilnehmer im Vergleich zu Teilnehmern der Mobilkom (und unter Zugrundlegung des durchschnittlichen Teilnehmermarktanteils der max.mobil Telekommunikation Service GmbH in Q4/1997 von ca. 22,9%) ergibt sich demnach folgendes Bild: Nur eine - sachlich nicht gerechtfertigte - Unterscheidung zwischen analogen und digitalen Systemen hätte im Verein mit einer - gleichfalls sachlich nicht gerechtfertigten - ausschließlich angewandten Bezugsgröße 'aktivierte Teilnehmer' allenfalls ein anderes Ergebnis in der Beurteilung der marktbeherrschenden Stellung am Mobiltelefonmarkt erbracht. In bezug auf die beschwerdeführende Gesellschaft hätte sich allerdings nichts geändert."

Der Bescheid unterwerfe die beschwerdeführende Gesellschaft auch nicht etwa (zu Unrecht) den Bestimmungen des TKG (über marktbeherrschende Unternehmen); diese Wirkung entfalteten allenfalls die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, der Bescheid spreche nur über die rechtserhebliche Tatsache der marktbeherrschenden Stellung ab. Deshalb gehe auch der Vorwurf einer über das gesetzlich gebotene hinausgehenden Verpflichtung im Bereich der Zusammenschaltungsleistungen ins Leere. Welche Auslegungsfrage in diesem Zusammenhang an den Europäischen Gerichtshof hätte herangetragen werden sollen, führe die Beschwerde nicht aus.

Auf den Vorwurf, Transitdienste hätten nicht in den für die Berechnung des Marktanteiles herangezogenen Umsatz einbezogen werden dürfen, erwidert die Gegenschrift:

"Die Zusammenschaltung von Telekommunikationsnetzen ist ein technisch komplexer Vorgang, der in der Regel auf der Basis detaillierter Zusammenschaltungsvereinbarungen vorgenommen wird (vgl. auch die Anlage gemäß §6 der Zusammenschaltungsverordnung, BGBl. II Nr. 14/1998, die die Mindestbestandteile von Zusammenschaltungsvereinbarungen festlegt). Im Kern geht es darum, daß durch die Zusammenschaltung 'Nutzern, die an verschiedenen Telekommunikationsnetzen angeschlossen sind, die mittelbare oder unmittelbare Kommunikation' ermöglicht wird (vgl. §3 Z16 TKG). Dabei wird in der Praxis zwischen terminierendem Verkehr (Anrufzustellung: ein Anruf wird in einem fremden Netz dem Endteilnehmer zugestellt), originierendem Verkehr (ein Anruf beginnt in einem fremden Netz) und Transit (Weiterleitung von Gesprächen in einem Netz ohne 'Abholung' bzw. 'Zustellung' von bzw. an einen Teilnehmer dieses Netzes) unterschieden.

§3 Z16 TKG definiert Zusammenschaltung als 'jenen Netzzugang, der die physische und logische Verbindung von Telekommunikationsnetzen herstellt, um Nutzern, die an verschiedenen Telekommunikationsnetzen angeschaltet sind, die mittelbare oder unmittelbare Kommunikation zu ermöglichen'. Die zur Interpretation heranzuziehende Zusammenschaltungsrichtlinie bezeichnet als 'Zusammenschaltung die physische und logische Verbindung von Telekommunikationsnetzen, die von derselben oder einer anderen Organisation genutzt werden, um Benutzern einer Organisation die Kommunikation mit derselben oder einer anderen Organisation zu ermöglichen oder den Zugang zu den von einer anderen Organisation angebotenen Dienst zu ermöglichen. Dienste können von den beteiligten Parteien erbracht werden oder von anderen Parteien, die Zugang zum Netz haben;' (Art2 Abs1 lita). Ziel dieser Richtlinie ist es, 'unabhängig von der verwendeten Technologie (...) allgemeine Rahmenbedingungen für die Zusammenschaltung mit öffentlichen Telekommunikationsnetzen und mit für die Öffentlichkeit zugänglichen Telekommunikationsdiensten 'sicherzustellen, um eine durchgehende Interoperabilität von Diensten für Benutzer in der Gemeinschaft bereitzustellen' (Erwägungsgrund 2 Zusammenschaltungsrichtlinie). Ziel der Richtlinie ist es weiters, 'neue Telekommunikationsdienste zu stimulieren und neue Formen der Zusammenschaltung (...) zu fördern' (Erwägungsgrund 6).

Aus diesen Erwägungen wird deutlich, daß die Richtlinie von einem weiten Verständnis des Begriffes der Zusammenschaltung ausgeht. Es ist erklärte Absicht des Richtliniengebers, die durchgehende Interoperabilität der Dienste sicherzustellen. Die Interoperabilität soll für alle den Benutzern zur Verfügung stehende Dienste gewährleistet sein, um Nutzern verschiedener Organisationen die Kommunikation untereinander auf Basis dieser Dienste zu ermöglichen. Ausdrücklich verpflichtet Art3 Abs2 Zusammenschaltungsrichtlinie die Mitgliedstaaten die angemessene, effiziente Zusammenschaltung der in Anhang 1 aufgeführten öffentlichen Telekommunikationsnetze sicherzustellen, soweit dies notwendig ist, um die Interoperabilität dieser Dienste für alle Benutzer in der Gemeinschaft zu gewährleisten.

Die Zusammenschaltungsrichtlinie gibt keinen Anhaltspunkt dafür, den Begriff Zusammenschaltung auf Leistungen zu beschränken, die die Anrufzustellung unmittelbar im verbundenen Netz umfassen. Es würde der erklärten Absicht des Richtliniengebers, die durchgehende Interoperabilität sicherzustellen, zuwiderlaufen, wenn die Zusammenschaltung nicht auch Transit umfassen würde, da dies etwa dazu führen würde, daß z. B. ein Gespräch aus einem lokalen Netz in Vorarlberg mit Ziel in einem lokalen Netz in Wien mangels einer Transitleistung nicht zugestellt werden könnte. Auch die Empfehlung der Europäischen Kommission vom 8. Jänner 1998 zur Zusammenschaltung in einem liberalisierten Telekommunikationsmarkt (Teil 1 - Zusammenschaltungsentgelte), ABl Nr L 73/42 vom 12.3.1998, (Beilage D) kann - entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Gesellschaft - nicht dahin verstanden werden. Vielmehr deutet bereits Punkt 1 der Empfehlung darauf hin, daß sie von einem weiten Verständnis des Begriffes Zusammenschaltung ausgeht, wenn sie erklärt, daß diese 'Empfehlung ... die Zusammenschaltung von Telekommunikationsnetzen und insbesondere (Hervorhebung nicht im Original) die Festsetzung der Entgelte für die Anrufzustellung in den Netzen von Betreibern, die gemäß Richtlinie 97/33/EG von der jeweiligen nationalen Regulierungsbehörde als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht gemeldet wurden', betrifft. Zwar beziehen sich die Entgelt-Bandbreiten für die Zusammenschaltungsentgelte auch nach Ansicht der Telekom-Control-Kommission nur auf Terminierungsleistungen, doch bedeutet dies nicht, daß der Begriff Zusammenschaltung an sich bereits in diesem einschränkenden Sinn zu verstehen ist. Dieses Ergebnis wird auch von einem Dokument vom 24.6.1998 des ONP-Ausschusses, ONPCOM 98-33, (eingesetzt nach Art9 Abs1 Richtlinie 90/387/EG) bestätigt, das ausdrücklich festhält, daß das Prinzip der Transparenz und der Kostenorientiertheit sowohl für Gesprächsterminierungen als auch für Gesprächsoriginierungen gilt (Punkt 1.3 des Dokumentes), auch wenn die Empfehlung nur auf die Gesprächsterminierung Bezug nimmt (Punkt 3.1 des Dokumentes).

Auch in dem vom ONP-Ausschuß herausgegebenen indikativen Standardzusammenschaltungsangebot (Indicative Reference Interconnection Offer, Version 2.2) vom 8. Mai 1998, ONPCOM 98-llbis, wird (unter anderem) Transit - 'transit switching (i.e. access to other interconnected networks, including access for international calls)' - als typischer Bestandteil von Zusammenschaltungsvereinbarungen angeführt (Beilage E).

Im übrigen darf darauf verwiesen werden, daß auch die Telekom Austria AG in ihrem Standardzusammenschaltungsangebot vom Juli 1997, Transitleistungen als Zusammenschaltleistungen angeboten hat."

Die getroffene Feststellung sei keine Entscheidung über ein civil right und unterliege daher nicht dem Öffentlichkeitsgebot des Art6 EMRK; selbst wenn dies aber der Fall wäre, würde der Vorbehalt Österreichs eine Verletzung ausschließen; zudem sei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt worden. Für ihre Stellungnahme zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme seien der beschwerdeführenden Gesellschaft 12 Tage eingeräumt worden und tatsächlich 15 Tage zur Verfügung gestanden; sie habe davon auch rechtzeitig Gebrauch gemacht; weitere Einwände seien auch später nicht erhoben worden.

Was die Bestimmtheit des §33 TKG betreffe, sei die Übernahme der Kriterien des Art4 Abs3 der Zusammenschaltungsrichtlinie ausreichend; die Einführung weiterer Kriterien wäre sogar richtlinienwidrig; über das Verhältnis der gesetzlichen Kriterien zueinander liege Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vor. Soweit nach einem Dokument des ONP-Ausschusses die nationalen Regulierungsbehörden, die ein Unternehmen trotz eines Marktanteils unter 25% als marktbeherrschend zu qualifizieren erwögen, im vorhinein bekanntgeben sollen, welche Kriterien sie dafür heranzögen, trügen dem die im AVG vorgesehenen (und gewahrten) Parteienrechte hinreichend Rechnung.

II. Die Beschwerde ist zulässig und im Ergebnis auch begründet.

1. Die Telekom-Control-Kommission ist bei der Telekom-Control GmbH als einem mit der Vollziehung öffentlicher Aufgaben beliehenen Unternehmen angesiedelt, und zwar derart, daß diesem Unternehmen nach Art einer Geschäftsstelle der Behörde bloß die Geschäftsführung der Kommission obliegt und ihr Personal dabei an die Weisungen des zuständigen Kommissionsmitgliedes gebunden ist. Unter diesen Umständen zweifelt der Verfassungsgerichtshof nicht daran, daß die mit der Beglaubigung durch den Geschäftsführer der Telekom-Control GmbH versehene Ausfertigung des in der Urschrift vom Vorsitzenden unterschriebenen Bescheides der Kommission jedenfalls ein wirksamer Bescheid ist.

Auch sonst sind die Prozeßvoraussetzungen gegeben.

2. Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Sachvorbringen der Beschwerde erübrigt sich nicht schon deshalb, weil der angefochtene Bescheid etwa mangels Abhaltung einer öffentlichen Verhandlung unter Verletzung des Art6 EMRK zustandegekommen wäre. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob schon die darin getroffenen Feststellungen sich derart auf civil rights der beschwerdeführenden Gesellschaft auswirken, daß die Gewährleistungen des Art6 EMRK erfüllt sein müssen, ob der österreichische Vorbehalt zu Art6 das Unterbleiben einer öffentlichen mündlichen Verhandlung deckt (zu beiden Fragen VfSlg. 14210/1995) und ob das anzuwendende Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz der Abhaltung einer (allenfalls von Art6 EMRK gebotenen) öffentlichen mündlichen Verhandlung entgegensteht. Ein Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung ist nämlich gar nicht gestellt worden (§39 Abs2 AVG), und darin ist ein schlüssiger Verzicht auf eine solche zu sehen.

3. Das in den angefochtenen Bescheid mündende Verfahren genügt aber aus anderen Gründen den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen nicht:

Wie den vorgelegten Akten zu entnehmen ist, wurde das Verfahren ohne vorausgegangenen Beschluß der Kommission durch die Telekom-Control GmbH eingeleitet, die auch die nachzufragenden Daten festlegte und die Beweisaufnahme durchführte; weder die Kommission als solche noch eines ihrer Mitglieder wurde dabei tätig. Über das Ergebnis der Beweisaufnahme erstattete die GmbH Bericht. Die Kommission wurde demnach erstmals am 20. April 1998 aufgrund dieses Berichtes tätig. Sie übernahm das bis dahin von der GmbH geführte Verfahren und beschloß die (schriftliche) Anhörung der Parteien zu den von der GmbH vorgelegten Ergebnissen der Beweisaufnahme.

Zur nächsten und letzten Sitzung der Kommission, die am 14. Mai 1998 stattfand, lagen ihr - wie die mündliche Verhandlung bestätigt hat - ein von der GmbH (und zwar ohne jede dokumentierte Kontaktnahme mit der Kommission oder einem ihrer Mitglieder) erstellter Entwurf des Bescheides sowie mehrere Entwürfe verfahrensleitender Verfügungen vor. Die Kommission befaßte sich - wie sich aus dem Protokoll der Sitzung ergibt - in der Zeit von 16.45 bis 17.00 Uhr mit diesen (weder von ihr noch von einem ihrer Mitglieder verfaßten oder veranlaßten) Entwürfen und beschloß (wörtlich) "einstimmig: den Bescheid gemäß §33 Abs4 in Verbindung mit §111 Z5 TKG laut dem, dem Protokoll als Beilage 4 angeschlossenen Entwurf".

Es bedarf keiner näheren Begründung, daß unter diesen Umständen von einem durch die Kommission geführten Feststellungsverfahren nicht die Rede sein kann. Die Kommission hat weder Ziel und Zweck der Feststellung erwogen, noch die an die Parteien gestellten Fragen formuliert, noch etwa eine Entscheidung über den für die mitzuteilenden Daten maßgeblichen Zeitpunkt gefällt, sondern sich im wesentlichen damit begnügt, einen auf den Ergebnissen des von der GmbH geführten Verfahrens von der GmbH verfaßten Entwurf ohne jede eigene Diskussion des Verfahrensgegenstandes, der ermittelten Daten und der im Verfahren auftretenden Fragen und insbesondere auch ohne Auseinandersetzung mit der Stellungnahme der Beteiligten zum Beschluß zu erheben.

Angesichts der Bedeutung der Aufgaben, für die das Gesetz die Telekom-Control-Kommission als eigene Kollegialbehörde eingerichtet hat, und in Anbetracht des Gewichtes der im Verfahren aufgetretenen Fragen ist solch eine bloße Übernahme der durch andere bestimmten Verfahrensschritte, Vorentscheidungen und Entscheidungsvorschläge ähnlich der Unterlassung jeglichen Ermittlungsverfahrens im entscheidenden Punkt (VfSlg. 7328/1974, 13883/1994) oder dem gehäuften Verkennen der Rechtslage (VfSlg. 5013/1965, 11436/1987) einem Akt der Willkür gleichzuhalten und als Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz zu werten.

Der Bescheid ist daher im angefochtenen Umfang aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag ist eine Eingabegebühr gemäß §17a VerfGG in Höhe von 2.500 S sowie Umsatzsteuer in Höhe von 4.500 S enthalten.

Schlagworte

Bescheidbegriff, Hoheitsverwaltung, Beleihung, Bescheid Unterschrift, Fernmelderecht, Verwaltungsverfahren, Ermittlungsverfahren, Rechtsstaatsprinzip, Verhandlung mündliche

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B1172.1998

Dokumentnummer

JFT_10018784_98B01172_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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