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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde
1. der H GesmbH und 2. des R, beide in A, beide vertreten durch Dr. Werner Kirchleitner, Rechtsanwalt in Neumarkt, Hauptplatz 31, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 27. April 2001, Zl. 31 3546/51-III/1 U/01-Ga, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit nach dem Abfallwirtschaftsgesetz (mitbeteiligte Partei: B GesmbH in A, vertreten durch Saxinger-Chalupsky-Weber & Partner, Rechtsanwälte in Linz, Europaplatz 7), zu Recht erkannt:
Spruch
Spruchabschnitt I/1 des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 4. November 1999 wurde der mitbeteiligten Partei die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung nach § 29 des Abfallwirtschaftsgesetzes für die Errichtung und den Betrieb einer Dörschelofenanlage, einer Wirbelschichtofenanlage, einer Batterierecyclinganlage samt Fäll- und Lösestation und einer chemisch-physikalischen Behandlungsanlage erteilt.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer, vertreten durch ihren auch vor dem Verwaltungsgerichtshof einschreitenden Rechtsvertreter, Berufung.
Die belangte Behörde teilte ihnen im Zuge des Verfahrens Folgendes mit:
"Der o.g. Bescheid wurde ihnen am 5. November 1999 nachweislich zugestellt (Übernahmebestätigung eines/r Arbeitnehmer/in), die Berufung jedoch erst am 29. November 1999, somit 10 Tage nach Ablauf der Berufungsfrist, aufgegeben, weshalb beabsichtigt ist, ihre Berufung als verspätet zurückzuweisen."
In ihrer Stellungnahme vom 11. April 2001 bestritten die Beschwerdeführer den von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt und führten aus, unter Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht sei der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren eingeschritten. Über Inhalt und Umfang der erteilten Vollmacht für das gesamte Verfahren habe für die Behörde kein Zweifel bestehen können, zumal auch ein näher bezeichnetes Schriftstück der Behörde dem Rechtsvertreter zugestellt worden sei. Die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides direkt an die Beschwerdeführer am 5. November 1999 sei anscheinend irrtümlich, zumindest rechtswidrig und in rechtsunwirksamer Weise erfolgt. Mit Schreiben der Behörde erster Instanz vom 12. November 1999, welches den Rechtsvertreter der Beschwerdeführer am 15. November 1999 zugestellt worden sei, seien dem Rechtsvertreter die Niederschrift und der erstinstanzliche Bescheid zugestellt worden. Zum Beweis werde das Schreiben der Behörde erster Instanz vom 12. November 1999, versehen mit dem Eingangsstempel vorgelegt. Weiters werde erforderlichenfalls die Einvernahme des Verhandlungsleiters der Behörde erster Instanz sowie der Kanzleileiterin des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer und des Amtsleiters des Postamtes N beantragt. Die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheid an die Beschwerdeführer statt an den Rechtsvertreter habe die Berufungsfrist nicht in Gang setzen können. Die vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführer erhobene Berufung aber sei rechtzeitig.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 27. April 2001 wies die belangte Behörde unter Spruchabschnitt I/1 die Berufung der Beschwerdeführer als verspätet zurück.
Unter Spruchabschnitt I/2 und 3 wurden Berufungen anderer Parteien des Verwaltungsverfahrens zurück- bzw. abgewiesen.
Unter Spruchabschnitt II wurde der Umfang der der mitbeteiligten Partei erteilten Genehmigung neu gefasst.
In der Begründung heißt es zur Zurückweisung der Berufung der Beschwerdeführer, mit Schreiben vom 29. November 1999, welches auch am selben Tag aufgegeben worden sei, hätten die Beschwerdeführer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhoben. Da der erstinstanzliche Bescheid nachweislich am 5. November 1999 an die Kanzlei des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer zugestellt worden sei (Übernahmebestätigung der Arbeitnehmerin Elisabeth Legath), sei mit Schreiben der belangten Behörde vom 12. März 2001 im Rahmen des Parteiengehörs mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, die Berufung als verspätet zurückzuweisen. Zu den daraufhin erfolgten Ausführungen der Beschwerdeführer sei festzuhalten, aus der Aktenlage gehe eindeutig hervor, dass der erstinstanzliche Bescheid der Kanzlei des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer am 5. November 1999 zugestellt worden sei. Die Zustellung vom 15. November 1999 beziehe sich nicht auf den dem Berufungsverfahren zu Grunde liegenden erstinstanzlichen Bescheid, sondern auf ein anderes in diesem Zusammenhang ergangenes Schriftstück.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.
Dieser lehnte mit Beschluss vom 20. Juni 2001, B 943/01-3, ihre Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bringen die Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde gehe von einer aktenwidrigen Sachverhaltsannahme aus. Aus dem Rückschein vom 5. November 1999 gehe eindeutig hervor, dass der erstinstanzliche Bescheid am 5. November 1999 direkt an die Parteien in A zugestellt und von einer Arbeitnehmerin der beschwerdeführenden Parteien, Frau L, mittels Firmenstempel und Unterschrift übernommen worden sei. Der Bescheid sei nicht der Rechtsanwaltskanzlei des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer in N zugestellt worden. Dass A in Kärnten ca. 100 km entfernt von N in der Steiermark liege, sei notorisch und bedürfe keines Beweises.
Die belangte Behörde nehme in einem weiteren wesentlichen Punkt den Sachverhalt aktenwidrig an, wenn sie sich darauf stütze, die Zustellung vom 15. November 1999 an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführer beziehe sich nicht auf den erstinstanzlichen Bescheid sondern auf ein anderes Schriftstück. Aus der Aktenlage gehe eindeutig hervor, dass der erstinstanzliche Bescheid mit Schreiben des Landeshauptmannes von Kärnten vom 12. November 1999 dem Parteienvertreter erst am 15. November 1999 zugestellt worden sei.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Die belangte Behörde gesteht in der Gegenschrift zu, dass ihre Sachverhaltsannahmen, auf die sie die Zurückweisung der Berufung der Beschwerdeführer gestützt hat, auf einem Irrtum basieren und dass die Berufung der Beschwerdeführer vom 29. November 1999 daher als rechtzeitig eingebracht anzusehen ist.
Die belangte Behörde meint aber, die Beschwerdeführer wären trotzdem durch die Zurückweisung ihrer Berufung nicht in subjektiven Rechten verletzt worden. Der Beschwerdeerklärung der Beschwerdeführer, durch die Zurückweisung in ihrem Recht auf Parteiengehör, insbesondere im Recht, im Ermittlungsverfahren gehört zu werden, verletzt worden zu sein, sei nämlich entgegen zu halten, dass den Beschwerdeführern sämtliche Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nachweislich unter Einräumung einer ausreichenden Stellungnahmefrist zur Kenntnis gebracht worden seien. Außerdem könne der Berufung der Beschwerdeführer - so können die Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift zusammen gefasst werden - kaum Aussicht auf Erfolg beschieden sein.
Die mitbeteiligte Partei ist der Auffassung, die Beschwerdeführer bekämpften sämtliche Punkte des angefochtenen Bescheides, wozu sie aber nicht legitimiert seien. Dies müsse die Zurück- bzw. Abweisung ihrer Beschwerde zur Folge haben. Weiters seien die Beschwerdeführer im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, wo sie mit der Verspätung ihrer Berufung konfrontiert worden seien, ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Dass der erstinstanzliche Bescheid am 5. November 1999 zunächst nur an die Beschwerdeführer selbst und nicht an ihren Rechtsvertreter zugestellt worden sei, besage nichts darüber, ob dieser Bescheid nicht doch - was wohl anzunehmen sei - dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführer zugekommen sei. Schließlich verletze die Zurückweisung ihrer Berufung die Beschwerdeführer auch deswegen in keinem Recht, weil ihre Berufung ohnedies mangels Vorliegens eines begründeten Berufungsantrages zurückgewiesen hätte werden müssen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeantrag stellt zwar nicht ausdrücklich auf Spruchabschnitt I/1 des angefochtenen Bescheides ab, doch wird aus den Beschwerdeausführungen deutlich, dass nur dieser Teil des angefochtenen Bescheides bekämpft wird.
Aus den von den Beschwerdeführern vorgelegten Unterlagen und aus dem Akt ergibt sich, dass der erstinstanzliche Bescheid am 5. November 1999 den Beschwerdeführern selbst, nicht aber ihrem ausgewiesenen Rechtsvertreter zugestellt wurde. Damit war diese Zustellung unwirksam. Bloße Vermutungen der mitbeteiligten Partei, darüber, dass dieser Bescheid wohl auch dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführer zugekommen sei, sind irrelevant.
Die Berufung wurde daher, wie die belangte Behörde zu Recht einräumt, rechtzeitig erhoben.
Durch die Zurückweisung der rechtzeitig erhobenen Berufung wurde den Beschwerdeführern zu Unrecht eine Entscheidung in der Sache selbst verweigert. Damit erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig. Dass Parteiengehör zu inhaltlichen Fragen gewährt wurde, ist dabei ebenso ohne Belang wie die Frage der Erfolgsaussichten der Beschwerde.
Der Hinweis der mitbeteiligten Partei auf einen angeblich fehlenden begründeten Berufungsantrag ist in zweierlei Hinsicht verfehlt.
Zum einen enthält die Berufung der Beschwerdeführer umfangreiche begründete Ausführungen und auch einen Berufungsantrag; zum anderen hätte selbst bei Fehlen eines begründeten Berufungsantrages die belangte Behörde nicht mit Zurückweisung vorgehen dürfen, sondern hätte auf Grund der durch die AVG-Novelle 1998 geänderten Rechtslage zunächst mit einem Verbesserungsauftrag vorzugehen gehabt.
Inwiefern die Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren eine gebotene Mitwirkung unterlassen haben sollen, bleibt unerfindlich.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich Spruchabschnitt I/1 des angefochtenen Bescheides als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. November 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001070089.X00Im RIS seit
11.03.2002