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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §140 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des MS in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 23. September 1998, Zl. 67/5-DOK/98, betreffend Abweisung eines Antrages auf Aufhebung der Bezugskürzung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahr 1967 geborene Beschwerdeführer, der als Gruppeninspektor bei der Bundespolizeidirektion Wien seinen Dienst versehen hatte, wurde mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 13. Jänner 1998 gemäß § 112 Abs. 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 - BDG 1979 wegen des Verdachtes von Dienstpflichtverletzungen vom Dienst suspendiert. Dies hatte gemäß § 112 Abs. 4 BDG 1979 die Kürzung seines Monatsbezuges - unter Ausschluss der Kinderzulage - auf zwei Drittel zur Folge.
Mit Antrag vom 19. Jänner 1998 begehrte der Beschwerdeführer gemäß § 112 Abs. 4 BDG 1979, diese Bezugskürzung aufzuheben, und begründete dies damit, dass andernfalls seine Existenz und jene seiner Familie gefährdet wäre. Er sei für seine im Haushalt tätige Ehefrau sowie seine beiden Kinder im Alter von zweieinhalb Jahren und sechs Monaten unterhaltspflichtig. Allein seine monatliche Belastung durch Kredite, welche er zum Hausbau habe aufnehmen müssen, würden sich auf S 14.525,-- und seine weiteren monatlichen Fixkosten auf S 3.952,-- belaufen. Als zwingende Folge seiner Suspendierung gehe er sämtlicher seiner Zulagen ohnehin verlustig, was eine wesentliche Einkommenseinbuße bedeute. Ein ungekürzter Monatsgehalt sei zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes für ihn selbst und seine Familienangehörigen unbedingt erforderlich.
Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen, mit der vorliegenden Beschwerde angefochtenen Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 23. September 1998 abgewiesen. Diese Entscheidung wurde - nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges (die belangte Behörde hatte eine Entscheidung der Disziplinarkommission als Behörde erster Instanz gemäß § 66 Abs. 2 AVG bereits aufgehoben und erließ den angefochtenen Bescheid für sie im zweiten Rechtsgang) - im Wesentlichen damit begründet, dass bei der Entscheidung nach § 112 Abs. 4 BDG 1979 darüber zu befinden sei, ob und inwieweit die durch die Suspendierung verkürzten Bezüge des Antragstellers dazu ausreichten, um den als Maßstab dienenden "notwendigen Lebensunterhalt" für den Beamten und seine Sorgeberechtigten abzudecken. Nach dieser Bestimmung sei nur auf jenes Einkommen und auf jene Verbindlichkeiten Rücksicht zu nehmen, die mit dem (notwendigen) Lebensunterhalt in Verbindung stünden.
Der Beschwerdeführer verfüge über ein Nettoeinkommen in der Höhe von S 13.020,--, dem Belastungen in der Höhe von S 18.346,58 (gemeint: pro Monat) gegenüberstünden. Der überwiegende Teil der Verbindlichkeiten entfalle - wie "der Zusammenstellung der Verbindlichkeiten (AS 675,677) zu entnehmen" sei - auf der Vermögensbildung dienende Kreditrückzahlungen.
Als Entscheidungsgrundlage zur Ermittlung des notwendigen Unterhaltes habe die Behörde erster Instanz die Ergänzungszulagenverordnung 1995 (BGBl. II Nr. 417/1997) herangezogen. Der Beschwerdeführer zitiere in seiner Berufung die Existenzminimum-Verordnung 1995 (in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 362/1997). Ein Analogieschluss zu diesen beiden Verordnungen sei nach Auffassung der belangten Behörde nur bedingt möglich, da diese auf andere Rechtsgebiete abstellten.
Die Ergänzungszulagenverordnung 1998 gehe in Anlehnung an die Ausgleichszulage nach dem ASVG von Bruttobeträgen aus. Nach § 1 Z. 1 der Ergänzungszulagenverordnung 1998 betrage der Mindestsatz für den Beamten S 7.992,-- und erhöhe sich für den verheirateten Beamten um S 3.411,-- und für jedes Kind, für das dem Beamten eine Kinderzulage gebühre, um S 851,--. Danach ergebe sich ein Bruttobetrag von monatlich S 13.105,--.
Die Existenzminimum-Verordnung 1998 stelle grundsätzlich auf das monatliche Nettoeinkommen ab. Der in der Berufung angegebene Betrag von S 17.508,-- entspreche, bezogen auf die Existenzminimum-Verordnung 1995, einem Nettomonatseinkommen von S 21.000,-- bis S 21.199,99. Bei "angenommen gleichen Nettoeinkommen" betrage der nicht der Exekution unterliegende Betrag nach der Existenzminimum-Verordnung 1998 S 17.572,-- . Das Analogieproblem zur Existenzminimum-Verordnung 1998 bestehe neben dem unterschiedlichen Rechtsgebiet auch darin, dass diese grundsätzlich auf den jeweiligen Nettogehalt abstelle, wobei bei höheren Nettogehältern höhere exekutionsfreie Beträge verblieben. Die Motivation hiefür sei gewesen, dem Verpflichteten einen Anreiz für Mehreinkünfte zu geben. Lege man das Existenzminimum nach § 291a Abs. 1 EO ohne Steigerungsbetrag und somit gehaltsunabhängig zu Grunde, so würde dies S 7.990,-- monatlich betragen und sich für jede Person, für die der Verpflichtete unterhaltspflichtig sei, um S 1.480,-- erhöhen. Diese Beträge seien im Gegensatz zur Ergänzungszulagenverordnung Nettobeträge. Insgesamt würde somit nach § 291a Abs. 1 EO ohne Steigerungsbetrag das absolute Existenzminimum bei drei Unterhaltsverpflichtungen monatlich netto S 12.390,-- betragen.
Das ausgewiesene Nettoeinkommen des Antragstellers liege mit S 13.020,-- im Bereich der Beträge, die nach den zitierten Verordnungen als Existenzminimum zu gelten hätten und für den notwendigen Unterhalt nach § 112 Abs. 4 BDG 1979 als Richtwert herangezogen werden könnten. Soweit ein Teil der sich aus der Schuldenaufstellung ergebenden Verbindlichkeiten der Befriedigung des notwendigen Wohnbedürfnisses des Antragstellers und seiner Familie diene, sei festzuhalten, dass ein dafür erforderlicher Anteil in den genannten Mindestsätzen enthalten sei. Darüber hinausgehende Aufwendungen seien der Vermögensbildung dienende Ausgaben und daher nicht dem notwendigen Lebensunterhalt zuzurechnen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde die Höhe der Kreditmittel und deren Verwendung nicht festgestellt habe, hinsichtlich des Verwendungszwecks der Kreditmittel sei auch kein Parteiengehör eingeräumt worden. Die Belastungen des Beschwerdeführers seien im angefochtenen Bescheid nicht aufgeschlüsselt dargestellt. Der Bescheidbegründung sei nicht zu entnehmen, ob der angenommene Gesamtbetrag an Belastungen nach Ansicht der belangten Behörde auch zur Gänze aus der Vermögensbildung dienenden Kreditrückzahlung bestehe. Die Anführung der Zahl "AS 675, 677" im angefochtenen Bescheid sei nicht verständlich.
Bei einer Entscheidung über die Aufhebung der Bezugskürzung gemäß § 112 Abs. 4 BDG 1979 sei weder eine analoge Anwendung noch eine Orientierung an der Ergänzungszulagenverordnung 1995 oder der Existenzminimum-Verordnung 1995 oder 1998 zulässig. Die in diesen Bestimmungen enthaltenen Ansätze seien nämlich dem Begriff des notdürftigen Unterhaltes im Sinne des § 73 EheG zuzuordnen, was eine deutliche Unterschreitung der Norm oder eines Durchschnittsmaßes anzeige.
Mit der Formulierung "notwendiger Unterhalt" in § 112 Abs. 4 BDG 1979 habe der Gesetzgeber auf einen individuellen Maßstab abgestellt, also auf das, was nach den Lebensumständen des betreffenden Beamten selbst als notwendig für den Lebensunterhalt zu gelten habe. Voll und ganz sei dabei aber die Aufnahme von Krediten, speziell bei jüngeren Menschen zum Zwecke der Beschaffung von Wohnung, Einrichtung und Haushalt zu berücksichtigen. Undenkbar sei es, dass der Gesetzgeber im Rahmen einer durch Provisorialität gekennzeichneten Maßnahme wie einer Suspendierung vorausgesetzt habe, der Beamte müsse etwa eine Eigentumswohnung verkaufen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 112 Abs. 4 BDG 1979 hat folgenden Wortlaut:
"(4) Jede durch Beschluss der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) verfügte Suspendierung hat die Kürzung des Monatsbezuges des Beamten - unter Ausschluss der Haushaltszulage - auf zwei Drittel für die Dauer der Suspendierung zur Folge. Die Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) kann auf Antrag des Beamten oder von Amts wegen die Kürzung vermindern oder aufheben, wenn und soweit dies zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des Beamten und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist, unbedingt erforderlich ist."
Die belangte Behörde hat zur Beurteilung der Frage, ob die Verminderung der gemäß § 112 Abs. 4 erster Satz BDG 1979 eingetretenen Bezugskürzung nach dem zweiten Satz dieser Gesetzesstelle zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des Beamten und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist, unbedingt erforderlich ist, auf die in der Existenzminimum-Verordnung 1998 angeführten Beträge abgestellt und dies damit begründet, dass in § 112 Abs. 4 BDG 1979 von einem "notwendigen Lebensunterhalt", der "unbedingt erforderlich ist", die Rede sei. Der unpfändbare Betrag bei einer Unterhaltspflicht für drei Personen betrage nach der genannten Verordnung S 12.390,-- , das Einkommen von S 13.020,-- liege in diesem Bereich.
Der Verwaltungsgerichtshof kann diese Berechnungsmethode angesichts des Wortlautes der anzuwendenden Gesetzesstelle nicht für rechtswidrig finden.
Der Beschwerdeführer meint, seine Verpflichtungen, Kredite zurückzuzahlen, seien zu Unrecht bei der Bemessung des notwendigen Unterhaltes nicht berücksichtigt worden. Seine Ausgaben für Wohnung, Haushalt und sonstige Lebensbedürfnisse - einschließlich insbesondere von Rückzahlungsraten eines Darlehens für die Anschaffung einer Eigentumswohnung - hätten zur Gänze berücksichtigt werden müssen. Damit legt der Beschwerdeführer jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dar. Er hat zum einen im gesamten Verwaltungsverfahren nicht aufgezeigt, inwiefern sein notwendiger Unterhalt und der seiner Familienangehörigen bei Beibehaltung der ex lege eingetretenen Kürzung seines Monatsbezuges während der Suspendierung gefährdet wäre. Zum anderen ist - unter dem Gesichtspunkt, dass selbst die Befriedigung des höheren angemessenen Unterhalts (und noch viel mehr die des geringeren notwendigen Unterhalts) die Heranziehung des Vermögens notwendig macht - für die Bestreitung des notwendigen Unterhaltes im Sinne des § 112 Abs. 4 BDG 1979 auch das Vermögen heranzuziehen und zu verwerten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1999, Zl. 97/09/0118, mwN, und zur Heranziehung der Existenzminimum-Verordnung 1995 als Maßstab das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1998, Zl. 95/09/0186).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. November 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998090323.X00Im RIS seit
12.02.2002