TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/20 98/09/0316

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Veröffentlicht am 20.11.2001
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §45 Abs2;
BDG 1979 §125a Abs3 idF 1998/I/123;
BDG 1979 §125a Abs3 Z5 idF 1998/I/123;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde 1. des HM und 2. des TL, beide in Wien und beide vertreten durch Dr. Herbert Grün, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorferstraße 5, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 8. September 1998, Zl. 52/6-DOK/98, betreffend Verhängung von Geldstrafen nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 14. April 1998 wurden die Beschwerdeführer, beide Revierinspektoren bei der Bundespolizeidirektion Wien, (ebenso wie ein weiterer, am vorliegenden Verfahren nicht beteiligter Sicherheitswachebeamter) für schuldig erkannt, in der Nacht vom 19. bis 20. Oktober 1995 privat und außer Dienst im Reisezug D 376 (Wien-Berlin) einen anderen Passagier in übelster Weise beschimpft, bedroht bzw. in ungebührlicher Weise störenden Lärm erregt zu haben. Die Beschwerdeführer hätten dadurch gegen § 43 Abs. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 - BDG 1979 verstoßen und Dienstpflichtverletzungen im Sinn des § 91 BDG 1979 begangen. Über sie wurde gemäß § 92 Abs. 1 Z. 3 i.V.m. § 126 Abs. 2 BDG 1979 jeweils die Disziplinarstrafe einer Geldstrafe in der Höhe von 75 % eines Monatsbezuges verhängt.

Dieser Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich der Disziplinaranzeige der Dienstbehörde vom 18. Jänner 1996 zufolge ein Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland in einem Brief vom 28. Oktober 1995 über einen Vorfall im Reisezug D 373 Wien-Berlin mit Planabfahrt Wien 20.25 Uhr und Planankunft Berlin 01.11 Uhr in der Nacht vom 19. bis 20. Oktober 1995 beschwert hätte. Demnach wäre bereits bei der Passkontrolle kurz nach der Abfahrt des Zuges allgemein zu hören gewesen, dass die Bundespolizei mitreise, ein Umstand, der sogar beruhigend gewirkt hätte. Doch wäre es im Laufe der Nacht ganz anders gekommen. Bei seinem Hinweis an die Benützer des benachbarten Abteils, dass ab 22.00 Uhr Nachtruhe einzuhalten wäre, wäre der Beschwerdeführer in übelster Weise beschimpft worden. Hellhörig wäre er geworden, da zwei bis drei Mal "Sieg-Heil-Rufe" zu vernehmen gewesen wären, die aber offensichtlich von anderen, weniger alkoholisierten Reiseteilnehmern der Gruppe unterdrückt worden wären. Der Anzeiger hätte in diesem Brief um eine Überprüfung dieses Verhaltens der Gruppe der Wiener Polizisten ersucht und abschließend darauf verwiesen, dass er vorläufig keinen seiner Freunde zu einer Reise nach Wien anregen würde, denn von Polizisten erwarte man Disziplin und Schutz, nicht aber Beschimpfung und Bedrohung.

Auf Grund von Erhebungen durch die Dienstbehörde sei festgestellt worden, dass damals 18 Sicherheitswachebeamte der Bundespolizeidirektion Wien eine private Reise zum SEK-Berlin unternommen hätten. Die Gruppe der Sicherheitswachebeamten, die im Liegewagen untergebracht gewesen sei, hätte eine größere Menge Alkohol konsumiert mit entsprechender Wirkung und Störung der Nachtruhe im Liegewagen. In der Folge seien die Beamten vom Kommandanten im Dezember 1995 persönlich zu den Vorwürfen einvernommen und schon damals von zahlreichen mitfahrenden Kollegen im Sinne der Vorwürfe belastet worden. Seitens eines der Zeugen sei bereits bei den behördlichen Ermittlungen darauf hingewiesen worden, dass er "Sieg-Heil-Rufe" aus einem Nebenabteil gehört habe. Diese ursprünglichen Beschuldigungen gegen den Zweitbeschwerdeführer seien in der Folge bei einer neuerlichen Niederschrift vom Zeugen als Irrtum zurückgenommen worden. Der Erstbeschwerdeführer und ein weiterer Sicherheitswachebeamter sei bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch den Kommandanten im Wesentlichen geständig gewesen, nicht aber der Zweitbeschwerdeführer, der bloß den Erstbeschwerdeführer und einen weiteren Reisegenossen belastet habe.

Die belangte Behörde habe in zwei Disziplinarverhandlungen ein ausführliches Beweisverfahren mit zahlreichen Zeugen durchgeführt.

Der Erstbeschwerdeführer habe in der Verhandlung ausgesagt, gegen Mitternacht am Gang des Zuges gemeinsam mit vier bis fünf Kollegen gestanden zu sein und dort geraucht und diskutiert zu haben. Er hätte ein paar Dosen Bier getrunken und sei sicherlich leicht alkoholisiert gewesen. Plötzlich wäre ein Mann im Schlafanzug lautstark schimpfend gekommen und der Erstbeschwerdeführer hätte geglaubt, dieser würde sich über andere Personen beschweren. Er wäre zunächst vorbeigegangen und dann schreiend wieder zurückgekommen und hätte gefragt, wer sein Vorgesetzter wäre, all dies aggressiv. Der Erstbeschwerdeführer hätte im ruhigen Ton den Grund dafür wissen wollen, auf Grund der Aggression des Mannes hätte er sich dann hinreißen lassen lautstark und sinngemäß zu sagen "es reicht mir, schleichens ihna, hauns ihna über die Häuser". In seiner Aussage gegenüber dem Kommandanten am 10. Dezember 1995 habe er angegeben, "ja, ich habe den Beschwerdeführer beschimpft und beleidigt, ... ich war ein wenig durch Alkohol beeinträchtigt ...". In der Verhandlung vor der Behörde erster Instanz habe er angegeben, dies tatsächlich nicht gesagt zu haben, er wäre damals unter einer subjektiven psychischen Spannung gestanden. Ein Zeuge habe vor der Behörde erster Instanz ausgeführt, der Erstbeschwerdeführer hätte sich zu den Äußerungen "schleich dich oder ich hau dich in die Goschn, geh in Arsch" hinreißen lassen, ein weiterer Zeuge habe von Ausdrücken berichtet wie "schleich dich, geh in Arsch, halt die Pappn sonst fliegst vom Zug auße". Weitere Zeugen hätten solche Aussagen bestätigt wie etwa "schleich dich du Trottel, sonst hau i di in die Goschn".

Der Zweitbeschwerdeführer habe bei der Verhandlung vor der Behörde erster Instanz angegeben, er wäre damals mit einem weiteren Kollegen im gleichen Abteil gesessen. Als er sich am Gang die Füße vertreten hätte, hätte er einen Mann im Schlafanzug an ihm wortlos vorbeigehen gesehen. Dieser wäre dann wieder zurückgekommen und er hätte den Erstbeschwerdeführer etwas forscher angesprochen. Er hätte ihn gefragt, wer er wäre bzw. wer der Leiter der Gruppe wäre. An die Antwort könne er sich nicht mehr erinnern, er wäre wieder in das Abteil zurückgegangen. Die Unterhaltung wäre normal verlaufen, er selbst hätte ein paar Dosen Bier konsumiert.

In seiner Aussage gegenüber dem Kommandanten am 12. März 1998 hätte der Zweitbeschwerdeführer ausgeführt, zwar alkoholisiert gewesen zu sein, sich aber an die Auseinandersetzung erinnern zu können. Der Erstbeschwerdeführer und ein weiterer Beschuldigter hätten im Zuge dieses Streites den anderen Fahrgast beleidigt.

Ein weiterer Reisegefährte der Beschwerdeführer habe bei seiner Einvernahme als Zeuge im Rahmen der Verhandlung vor der Behörde erster Instanz auf seine Aussage vor dem Kommandanten verwiesen, der Zweitbeschwerdeführer hätte zu jenen drei Sicherheitswachebeamten gehört, bei denen der Alkohol die stärkste Wirkung gezeitigt habe. Er hätte "Sieg-Heil-Rufe" gehört, die von einem weiteren Reisegefährten sowie dem Zweitbeschwerdeführer gekommen wären. Ob ihm bei der Zuordnung eines derartigen Ausrufes zum Zweitbeschwerdeführer ein Irrtum unterlaufen wäre oder ob er seine Stimme mit jener des weiteren Reisegefährten verwechselt hätte, habe der Zeuge nicht mehr ganz ausschließen können.

Ein als Zeuge einvernommener weiterer Reisegefährte habe bei seiner Aussage vor dem Kommandanten ausgeführt, dass die Beschimpfungen gegen den mitfahrenden Reisegast mit Sicherheit von drei mitreisenden Sicherheitswachebeamten erfolgt seien, darunter der Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführer. Wahrscheinlich wäre der übermäßige Alkoholgenuss auslösend für derartige unverständliche Reaktionen gewesen. In der Verhandlung vor der Behörde erster Instanz habe dieser Zeuge diese klaren Aussagen jedoch zurückgenommen und erklärt, er könnte heute und hier als Zeuge nicht mehr mit absoluter Sicherheit sagen, dass es sich um diese drei Personen gehandelt hätte, er wäre im Abteil gewesen, die Tür wäre nur teilweise geöffnet gewesen. Er könnte heute nicht mehr sagen, aus welchem Grund er damals bei der Einvernahme durch den Kommandanten dies nicht in der gleichen Form wie nunmehr in der Verhandlung vor der Behörde erster Instanz formuliert hätte.

Die Behörde erster Instanz erwog hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers, dass dieser übereinstimmend von mehreren Zeugen belastet werde, für die Behörde erster Instanz habe kein Anlass bestanden, Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussagen zu haben. Hinsichtlich der Strafbemessung sei gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 als erschwerend die Uneinsichtigkeit trotz Geständnisses beim Kommandanten, hinsichtlich der Art des Verhaltens die Tatsache, dass dieses gegenüber einem ausländischen Touristen gesetzt worden sei, der in Kenntnis des Berufes des Erstbeschwerdeführers und empört über das Verhalten in aller Öffentlichkeit gewesen sei sowie die "Verwendungsänderung" gewertet. Als mildernd wurde die gute Dienstbeschreibung sowie das Wohlverhalten des Erstbeschwerdeführers seit 1995 gewertet.

Hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers bejahte die Behörde erster Instanz die Schuldfrage deswegen, weil der erstangeführte Zeuge, der ihn belastet hätte, auf seine damalige niederschriftliche Aussage beim Kommandanten hingewiesen hätte und für die Behörde erster Instanz kein Zweifel bestehe, an diesen, den Zweitbeschwerdeführer belastenden Angaben zu zweifeln. Hinsichtlich des zweiten Zeugen, der den Zweitbeschwerdeführer belastet hätte, führte die Behörde erster Instanz aus, dass dieser seine eindeutigen Angaben gegenüber dem Kommandanten etwas relativiert hätte mit dem Hinweis darauf, er könnte sich heute nicht mehr mit absoluter Sicherheit an ein strafbares Verhalten des Zweitbeschwerdeführers erinnern. Auf Grund des langen Zeitablaufes von zweieinhalb Jahren seit dem Vorfall seien jedoch - so meinte die Behörde erster Instanz - derartige Erinnerungslücken durchaus verständlich. Beweiskraft könne daher nur jene Aussage haben, die relativ kurz nach dem Vorfall, nämlich gegenüber dem Kommandanten gemacht worden sei. Damals habe der Zeuge auch den Zweitbeschwerdeführer eindeutig belastet.

Hinsichtlich der Strafbemessung bezüglich des Zweitbeschwerdeführers führte die belangte Behörde aus, dass als erschwerend seine Uneinsichtigkeit sowie die Art seines Verhaltens - wie oben zum Erstbeschwerdeführer -, als mildernd seine gute Dienstbeschreibung, sein Wohlverhalten seit 1995 sowie "die Verwendungsänderung" anzusehen sei.

Hinsichtlich beider Beschwerdeführer drückte die Behörde erster Instanz ihre Auffassung aus, dass vor allem die Art des Deliktes zu verurteilen gewesen sei. Auch privat und außer Dienst hätten Polizeibeamte in der Öffentlichkeit in besonderer Weise Vorbildwirkung. Das Verhalten in der Öffentlichkeit werde in bestimmten Situationen besonders kritisch zu bewerten sein, ein Sicherheitswachebeamter habe sich daher auch als Privatperson tadellos zu verhalten. Stattdessen hätten die Beschwerdeführer Alkoholexzesse in einem Zug von Wien nach Berlin durchgeführt und einen ausländischen Touristen ordinärst beschimpft und bedroht. Dies habe sogar zu der Reaktion des beschwerdeführenden Reisegastes geführt, dass dieser seinen Freunden von einer Reise nach Wien abgeraten habe. Ihm sei der Beruf der Beschwerdeführer bekannt gewesen. Es sei somit damals ein Schaden nicht nur für die Dienstbehörde, sondern möglicherweise auch für die Tourismusbranche Österreichs entstanden.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung, die sie im Wesentlichen damit begründeten, dass sich die Begründung für ihre Verurteilung auf ihre Einvernahme vor dem Kommandanten am 10. Dezember 1995 stütze, bei welcher sie jedoch nicht über ihre Rechte als Beschuldigte belehrt, sondern vielmehr nur als Auskunftspersonen einvernommen worden seien - die Heranziehung der entsprechenden Niederschriften sei unzulässig.

Gegen einen weiteren Teilnehmer der Reise sei ein Disziplinarverfahren vor einem anderen Senat der Behörde erster Instanz durchgeführt worden. In der vor dieser Behörde durchgeführten Verhandlung hätten drei Zeugen anders lautende Aussagen getätigt. Die Behörde erster Instanz habe sich mit diesen Widersprüchen nicht befasst. Auch sei auf den spezifischen Kärntner Dialekt des Erstbeschwerdeführers nicht eingegangen worden, der von allen Zeugen gegebenenfalls hätte bestätigt werden müssen. Die Beschwerdeführer beantragten daher die Durchführung einer Berufungsverhandlung unter neuerlicher Ladung der Beschuldigten und von namentlich angeführten Zeugen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. September 1998 wurde den Berufungen der Beschwerdeführer keine Folge gegeben und das Disziplinarerkenntnis der Behörde erster Instanz bestätigt. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die niederschriftlichen Aussagen der Beschwerdeführer vor dem Kommandanten im Rahmen von Erhebungen im Rahmen des dienstbehördlichen Verfahrens getätigt worden seien und im Disziplinarverfahren die Parteistellung des Beschuldigten erst mit der Erstattung der Disziplinaranzeige vom Vorgesetzten an die Dienstbehörde beginne. Im gegenständlichen Verfahren sei die Disziplinaranzeige am 22. Jänner 1996 erstattet worden, den Beschwerdeführern seien bei den zitierten Einvernahmen im Dezember 1995 daher noch keine Parteienrechte zugekommen.

Wenn in der Berufung angeführt werde, dass es zwischen den Zeugenaussagen in der Hauptverhandlung vor dem erkennenden Senat der Behörde erster Instanz und der Hauptverhandlung vor einem anderen Senat der belangten Behörde in Linz wesentliche Unterschiede gegeben hätte, die durch die Behörde erster Instanz nicht erörtert worden wären, so sei dem entgegenzuhalten, dass für das gegenständliche Verfahren gegen die Beschwerdeführer nicht von Bedeutung sein könne, welche Aussagen Zeugen in der Hauptverhandlung in einem Verfahren gegen einen anderen Beamten vor einem anderen Senat getätigt hätten. Die Behörde erster Instanz habe die im gegenständlichen Verfahren gemachten niederschriftlichen Aussagen sowie die Aussagen in der mündlichen Verhandlung vor der Behörde erster Instanz umfassend gewürdigt und die Vorwürfe gegen die Beschwerdeführer schlüssig dargestellt.

Wenn in der Berufung ausgeführt werde, dass es die Behörde erster Instanz unterlassen habe zu begründen, warum ein Zeuge nicht bestätigen hätte können, den charakteristischen Kärntner Dialekt des Erstbeschwerdeführers erkannt zu haben, so sei dem entgegenzuhalten, dass dieser Zeuge in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers angegeben habe, "ich selbst habe hinsichtlich der Beschimpfungen nur den Kollegen M gehört".

Die belangte Behörde sei der Ansicht, dass die vor dem Vorgesetzten gemachten Niederschriften, die relativ knapp nach dem zu beurteilenden Vorfall gemacht worden seien, auch tatsächlich den vorgefallenen Geschehnissen entsprächen. Diesen Aussagen komme gegenüber jenen in der mündlichen Verhandlung vor der Behörde erster Instanz infolge der langen Zeitdauer zwischen dem Vorfall und der mündlichen Verhandlung und "auch angesichts der zulässigen Parteirechte" erhöhte Beweiskraft zu. Hinsichtlich des Antrages, eine weitere Berufungsverhandlung unter neuerlicher Ladung der Beschwerdeführer und der in der Berufung angeführten Zeugen durchzuführen, sei festzustellen, dass alle beantragten Zeugen sowie die Beschwerdeführer bereits ihre Aussagen getroffen hätten und das von der Behörde erster Instanz durchgeführte Ermittlungsverfahren für die Entscheidung der Angelegenheit ausreichend gewesen sei. Eine neuerliche Durchführung des Beweisverfahrens sei auf Grund der umfangreichen Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz nicht erforderlich. Eine mündliche Verhandlung vor der belangten Behörde hätte zu keinen anderen Beweisergebnissen geführt und es wäre lediglich zur Auferlegung von Verfahrenskosten gekommen.

Hinsichtlich der Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, dass vor allem die Art des Deliktes zu verurteilen gewesen sei, da Polizeibeamte in der Öffentlichkeit auch privat und außer Dienst besondere Vorbildwirkung hätten. Die von der Behörde erster Instanz verhängten Geldstrafen erschienen durchaus ausreichend und schuldangemessen, um die Beschwerdeführer in geeigneter Form auf ihr Fehlverhalten aufmerksam zu machen und sie in Hinkunft von weiteren gleichartigen Verfehlungen abzuhalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Beschwerdeführer halten den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde zu Unrecht von der Durchführung einer Berufungsverhandlung abgesehen habe. Gegenstand des Disziplinarverfahrens sowohl in Wien als auch in Linz sei die Reise von Sicherheitswachebeamten in Zivil nach Berlin gewesen. Nur dadurch, dass ein Sicherheitswachebeamter in der Zwischenzeit zur Bundespolizeidirektion Linz versetzt worden sei, sei ein Parallelverfahren abgehalten worden. Die Meinung der belangten Behörde, dass die Verfahren in Wien und in Linz miteinander in keiner Beziehung stünden, sei unzutreffend. Auch hätten die betreffenden Zeugen zu demselben Vorfall im Rahmen der Disziplinarverhandlung in Linz andere Aussagen getätigt wie anlässlich der Disziplinarverhandlung vor der Disziplinarkommission in Wien. Dies sei auch der Grund, weshalb im Rahmen des Berufungsantrages zur Erhellung dieser unterschiedlichen Aussagen der Antrag auf neuerliche Ladung der Zeugen gestellt worden sei. Es sei unzulässig, wenn die belangte Behörde die unterschiedlichen Zeugenaussagen mittels Beurteilung der Niederschriften geklärt habe, welche die Betreffenden bei ihrem Vorgesetzten getätigt hätten. Durch das Verhalten der belangten Behörde habe diese die Grundsätze der Offizialmaxime, der Unmittelbarkeit und des Parteiengehörs verletzt, weil unterschiedliche Zeugenaussagen von Amts wegen einer Prüfung zuzuführen seien.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 43 Abs. 2 BDG 1979, BGBl. Nr. 333, hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Gemäß § 91 BDG 1979 ist derjenige Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach dem 9. Abschnitt des BDG 1979 zur Verantwortung zu ziehen.

§ 125a Abs. 3 BDG 1979 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 123/1998 lautet:

"Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten und Absehen von der mündlichen Verhandlung

§ 125a. ...

...

     (3) Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der

Disziplinaroberkommission kann ungeachtet eines Parteienantrages

Abstand genommen werden, wenn

     1.        die Berufung zurückzuweisen ist,

     2.        die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen

ist,

     3.        ausschließlich über eine Berufung gegen die

Auferlegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist,

     4.        sich die Berufung ausschließlich gegen die

Strafbemessung richtet oder

     5.        der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung

mit der Berufung geklärt erscheint.

..."

Es ist Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 125a Abs. 3 Z. 5 BDG 1979, dass der Sachverhalt im Sinne dieser Bestimmung dann als aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt anzusehen ist, wenn dieser nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Berufung kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehen eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. November 2000, Zl. 2000/09/0079, und vom 16. Mai 2001, Zl. 99/09/0187, m.w.N.). Durch diese Bestimmung wird daher die Pflicht der Behörde, gemäß § 45 Abs. 2 AVG unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht, nicht berührt. Insbesondere lässt der Verweis auf den Inhalt der Berufung keinen Zweifel daran aufkommen, dass auch die Disziplinaroberkommission sich mit behaupteten Feststellungs- und Begründungsmängeln inhaltlich auseinander zu setzen hat und dort, wo die Schlüssigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung die Neubewertung der Beweise verlangt, eine Beweiswiederholung durchzuführen, die dem Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens gerecht wird.

Die belangte Behörde hat keine mündliche Verhandlung durchgeführt und keine Beweise im Berufungsverfahren aufgenommen, sondern sich auf das Vorliegen eines "geklärten" Sachverhaltes im Sinne des § 125a Abs. 3 Z. 5 BDG 1979 berufen.

Die von der belangten Behörde in nicht öffentlicher Sitzung nach der Aktenlage vorgenommene Erledigung der Berufung der Beschwerdeführer gegen das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch die belangte Behörde war nämlich zur Feststellung des Sachverhaltes deswegen nicht geboten, weil die Beschwerdeführer in ihrer Berufung zwar die neuerliche Einvernahme der bereits in der Verhandlung vor der Behörde erster Instanz einvernommenen Zeugen beantragt, jedoch nicht ausgeführt hatten, welche Aussagen dieser Zeugen in einer neuerlichen Verhandlung zu einem für sie anderen Ergebnis hätten führen können. Auch in der Beschwerde wird Derartiges nicht dargetan. Im Übrigen hatte die von den Beschwerdeführern angesprochene Verhandlung vor einem anderen Senat der Behörde erster Instanz zwar denselben Vorfall, aber die disziplinäre Verantwortlichkeit eines anderen Mitreisenden zum Gegenstand. Die Beschwerdeführer haben in ihrer Berufung daher im Sinne der angeführten Rechtsprechung keinen neuen, dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehenden oder darüber hinausgehenden Sachverhalt in konkreter Weise behauptet.

Auch die durch die belangte Behörde im Wesentlichen von der Behörde erster Instanz übernommene Beweiswürdigung vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die Beschwerdeführer können sich im Beschwerdefall auf keine Rechtsvorschrift berufen, angesichts derer die Verwertung der Aussagen von mitreisenden Kollegen und von ihnen selbst vor dem Kommandanten durch die belangte Behörde als unzulässig anzusehen wäre. Im Übrigen hat die belangte Behörde ihre Schuldsprüche im Wesentlichen gar nicht auf die eigenen Aussagen der Beschwerdeführer vor dem Kommandanten gegründet.

Auch die Überlegung, dass sich Zeugen in zeitlicher Nähe zu einem Vorfall besser an diesen erinnern können, kann als einleuchtend und schlüssig angesehen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, und die hg. Erkenntnisse vom 29. Oktober 1997, Zl. 96/09/0013, und vom 27. Juni 2001, Zl. 99/09/0210) obliegt dem Verwaltungsgerichtshof in Ansehung der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung nur insoweit eine nachprüfende Kontrolle, als die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind, also den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, nicht aber dahin, ob ein Akt der Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, dass eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht. In diesem Sinne zeigt die Beschwerde relevante, vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Mängel der Beweiswürdigung der belangten Behörde sohin nicht auf, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. November 2001

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Unmittelbarkeitsprinzip Gegenüberstellungsanspruch Fragerecht der Parteien VwRallg10/1/2freie BeweiswürdigungBeweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998090316.X00

Im RIS seit

05.03.2002

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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