Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Bayjones und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde der M in E, vertreten durch Riedl & Ringhofer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 25. Oktober 2000, Zl. 20202-L/3118031/0097- 2000, betreffend die Bemessung des Ruhegenusses, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die 1945 geborene Beschwerdeführerin steht als Hauptschuloberlehrerin in Ruhe in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Land Salzburg. Vor ihrer Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit mit Wirkung vom 31. August 1999 war sie an der Hauptschule-B in S in den Gegenständen technisches Werken, Mathematik sowie geometrisches Zeichnen und Turnen eingesetzt.
Ab 7. Jänner 1999 hatte sie sich im "Krankenstand" befunden.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. August 1999 wurde wie folgt entschieden:
"Sie werden mit 31.08.1999 in den Ruhestand versetzt. Ihre Aktivbezüge werden daher mit 31.08.1999 eingestellt. Der Bemessung des Ruhegenusses ist eine ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit von 36 Jahren und 4 Monaten zu Grunde zu legen. Über einen allfälligen Entfall der Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage kann erst nach Einlangen eines berufskundlichen Gutachtens entschieden werden. Es gebührt Ihnen ab 01.09.1999 eine Ruhegenuss von 29861,82 S monatlich brutto.
Ab 01.09.1999 sind Sie berechtigt den Amtstitel Hauptschuloberlehrerin in Ruhe
zu führen. Die Führung des auszeichnungsweise verliehenen Berufstitels Schulrätin wird hiedurch nicht berührt.
Rechtsgrundlagen: § 12 Abs. 1, § 55 und § 106 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz - LDG 1984, BGBl. Nr. 302, §§ 55 ff Gehaltsgesetz 1956 (GG), BGBl. Nr. 54, §§ 3 bis 7 und § 9 Abs. 1 Pensionsgesetz 1965 (PG), BGBl. Nr. 340, jeweils in der geltenden Fassung."
Die Begründung dieses Bescheides enthält nur einen Hinweis auf § 12 Abs. 1 LDG 1984 und folgende Aussage:
"Die Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit stützt sich auf das fachärztliche Gutachten vom 31.5.1999 (Univ.Prof.Dr.med.B.M). Auf Grund Ihrer Dienstunfähigkeit seit 7.4.1999 war wie im Spruch zu entscheiden."
Die weiteren Ausführungen in der Begründung dieses Bescheides betreffen die Berechnung des Ruhegenusses unter Berücksichtigung der Abschlagsregelung, wobei die belangte Behörde von einer ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit der Beschwerdeführerin von 36 Jahren, 4 Monaten und 2 Tagen ausgeht.
Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
Von der belangten Behörde wurde in weiterer Folge zur Abklärung der Frage der Erwerbsunfähigkeit der Beschwerdeführerin nach § 4 Abs. 4 Z. 3 des Pensionsgesetzes 1965 (PG 1965) mit Schreiben vom 24. August 1999 ein berufskundlicher Gutachter ersucht, ein Gutachten zu der Frage zu erstatten, welche Tätigkeiten die Beschwerdeführerin noch auf Grund ihres Krankheitsbildes ausüben könne.
Das daraufhin erstellte Gutachten vom 22. Dezember 1999 gelangt ausgehend von verschiedenen im Ruhestandsversetzungsverfahren eingeholten medizinischen Gutachten (internistisch, orthopädisch, neuro-psychiatrisch) zur Aussage, dass die Beschwerdeführerin im Wesentlichen noch im Stande sei, "einfache Tätigkeiten ohne Zeitdruck zu verrichten, wobei auch körperlich bis zu mittelschwere Arbeiten mit Gewichtsbelastungen von 8 bis 10 kg möglich sind". Daran knüpfte der Gutachter die berufskundliche Aussage, die Beschwerdeführerin wäre durchaus noch im Stande, als "Museumsaufseherin, Portierin, Eintrittskartenkassierin (Sportstätte, Freizeiteinrichtung etc.) oder als Bürohilfskraft" zu arbeiten.
In der von der Beschwerdeführerin dazu abgegebenen Stellungnahme vom 27. Jänner 2000 verwies diese auf ihre vielschichtigen gesundheitlichen Probleme und vertrat die Auffassung, dass diese massiven Einschränkungen und die zu erwartenden laufenden "Krankenstände" eine berufliche Tätigkeit jedweder Art verhindern würden.
Dazu gab der berufskundliche Gutachter mit 1. September 2000 eine Stellungnahme ab, in der er meinte, aus den ihm zur Verfügung gestellten ärztlichen Gutachten hätten sich nicht so gravierende gesundheitliche Einschränkungen bei der Beschwerdeführerin ergeben. Bei den von ihm angegebenen Verweisungstätigkeiten sei auf vielen Arbeitsplätzen lediglich ein durchschnittlicher Zeitdruck mit fallweisem Kundenkontakt, dieser aber ohne "intensive soziale Interaktion", gegeben. Die genannten Tätigkeiten erforderten keine Zwangshaltungen und seien zwischen Sitzen, Stehen und Gehen zu verrichten. Weiters habe es in den ärztlichen Gutachten keine Hinweise auf längere "Krankenstände" der Beschwerdeführerin gegeben.
Die Beschwerdeführerin brachte dagegen (- unter Vorlage von ärztlichen Gutachten -) mit 17. September 2000 wieder Einwendungen vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde wie folgt abgesprochen:
"1. Die mit Bescheid vom 9.8.1999, Zahl 2/02-3118031/75-2000, ausgesprochene Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage auf 69,00 % bleibt aufrecht.
2. Eine Hinzurechnung zur ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit erfolgt nicht.
Rechtsgrundlagen: § 12 Abs. 1, § 106 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz - LDG 1984, BGBl. Nr. 302, §§ 55 ff Gehaltsgesetz 1956 (GG), BGBl. Nr. 54, §§ 3 bis 7 und § 9 Abs. 1 Pensionsgesetz 1965 (PG), BGBl. Nr. 340, jeweils in der geltenden Fassung."
Die punktweise gegliederte Begründung des angefochtenen Bescheides enthält unter "1. Sachverhaltsdarstellung" - so wie der Spruchpunkt 1 - den Hinweis auf den "Bescheid vom 9. August 1999, Zl. 2/02-3118031/6575-2000," (wie den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens zu entnehmen ist, betrifft dieser Bescheid den - vor der Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin erfolgten - Abspruch über die Nebengebührenzulage zum Ruhegenuss; richtig wäre daher der Bescheid vom 12. August 1999 mit der Zahl 20202-L/3118031/0080-1999, zu zitieren gewesen) und das eingeholte berufskundliche Gutachten vom 22. Dezember 1999 aus dem zusammenfassend Folgendes hervorgehe (in der folgenden Zitierung wird an Stelle des Namens die Bezeichnung "Beschwerdeführerin" verwendet).
'"Bei der Beschwerdeführerin findet sich eine leichte, nicht OP-bedürftige Undichte der Aortenklappe sowie weiters eine minime Undichtigkeit der Mitralklappe. Die ergonomisch geprüfte Leistungsbreite liegt bei 117 % der Norm, Hinweise für eine KHK finden sich nicht. Somit besteht hinsichtlich der beruflichen Verwendung in allen 3 Fachbereichen keine krankheitsbedingte Einschränkung, ein Krankenstand ist aus dem internen Fachgebiet dzt. nicht ableitbar.'
Aus der orthopädischen Begutachtung vom 29.7.1999 (Dr. Kabas) ergibt sich eine leichte Einschränkung der Belastungsfähigkeit der Wirbelsäule und beider Kniegelenke.
Laut orthopädischem Leistungskalkül sind weiterhin zumutbar:
a) Leichte, mittelschwere Arbeiten; Grenzlast bezüglich Heben und Tragen ca. 8-10 kg.
b) Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen - ohne relevante weitere Einschränkungen.
c)
Arbeiten im Freien und in geschlossenen Räumen.
d)
Normaldienstzeit ist möglich, Unterbrechungen, die das übliche Ausmaß übersteigen, sind nicht zu begründen.
e) Vermieden werden sollten:
Tätigkeiten, die häufig erhöhte Anforderungen an die Kopfbeweglichkeit/Kopfdrehfreudigkeit stellen - langdauernde überdurchschnittliche Kniegelenksbelastungen - beispielsweise längerdauernde Hockstellung; Sprung- und Stoßbelastungen.'
'Wie bereits ausgeführt, steht aus neuropsychiatrischer Sicht im Vordergrund der Beschwerdesymptomatik eine depressive Verstimmung mittelgradiger Ausprägung. Ferner leidet die Beschwerdeführerin unter zahlreichen spondylogenen Beschwerden, welche vorwiegend in den Fachbereich der Orthopädie fallen. Aus neurologischer Sicht treten wiederkehrende Kopfschmerzen im Sinne von Migräneanfällen auf. Die Beschwerdeführerin leidet unter einer deutlich herabgesetzten Stressbewältigung, sodass sie sich beruflich nachvollziehbar überlastet fühlt. Mit dem Wegfall der beruflichen Belastung dürfte sich aber die gesamte Beschwerdesymptomatik bessern. In der Zusammenschau aller erhobenen Befunde und Informationsquellen ist die Beschwerdeführerin aus neuropsychiatrischer Sicht auf Dauer dienstunfähig."
Es folgen dann in der Begründung des angefochtenen Bescheides die nachstehend wiedergegebenen Ausführungen:
"2. Beweiswürdigung
2.1. Sie wurden mit Wirksamkeit vom 31.08.1999 gemäß § 12 Abs. 1 LDG 1984 aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt.
2.2. Sie können durchaus als Museumsaufseherin, Portierin, Eintrittskartenkassierin, Bürohilfskraft etc. herangezogen werden. Laut Gutachten würden sie für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Zeitdruck einsetzbar sein.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Die für den Entfall der Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage maßgebliche Bestimmung des Pensionsgesetzes lautet:
'§ 4 Abs. 4 Zif. 3: Eine Kürzung nach Abs. 3 findet nicht statt, wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig ist.'
3.2. Die für die Hinzurechnung von Jahren zur ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit maßgebliche gesetzliche Bestimmung des Pensionsgesetzes 1965 lautet:
'§ 9 Abs. 1: Ist der Beamte ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden, so hat ihm seine oberste Dienstbehörde aus Anlass der Versetzung in den Ruhestand für den Zeitraum, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage erforderlich ist, höchstens jedoch 10 Jahre, zu seiner ruhgenussfähigen Bundesdienstzeit zuzurechnen.'
Da Sie, wie aus dem berufskundlichen Gutachten hervorgeht, noch Tätigkeiten wie Bürohilfskraft, Eintrittskartenkassierin, Portierin, Musumsaufseherin etc. ausüben können, sind sie jedenfalls erwerbsfähig.
In Ihrem ruhgenussfähigen Monatsbezug tritt keine Änderung ein."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf gesetzmäßige Ruhgenussbemessung samt Zurechnung eines Zeitraumes zur ruhegenussfähigen Dienstzeit nach den Bestimmungen des Pensionsgesetzes 1965, insbesondere dessen §§ 4 und 9, durch unrichtige Anwendung dieses Gesetzes, insbesondere seines § 4 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 7 und seines § 9 Abs. 1 jeweils in der 1999 gültig gewesenen Fassung (vor Inkrafttreten der Novellierung laut Gesetz BGBl. I Nr. "94/2000" (richtig: 95/2000) - auch alle folgenden Bezugnahmen betreffen diese Gesetzesfassung), sowie durch unrichtige Anwendung der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, die Begründung des angefochtenen Bescheides entspreche nicht einmal ansatzweise den einschlägigen gesetzlichen Erfordernissen. Die belangte Behörde habe keinerlei eigenständige Feststellungen über ihren Gesundheitszustand getroffen. Die im Ruhestandsversetzungsverfahren eingeholten medizinischen Gutachten seien von ihr nicht einmal unmittelbar zitiert worden, sondern seien in der Bescheidbegründung nur insoweit aufgenommen, als sie im berufskundlichen Gutachten berücksichtigt worden seien. Dieses enthalte wiederum nur ganz kurze Wiedergaben eines Teiles der Ausführungen in den medizinischen Gutachten. Irgendeine Schlüssigkeitsüberprüfung der Gutachten in sich und untereinander sei völlig unterlassen worden. Insbesondere sei die bei der Beschwerdeführerin bestehende psychische Störung nicht berücksichtigt worden (wird näher ausgeführt). Auch mit der im Verfahren geltend gemachten Frage der "zu erwartenden Krankenstände" habe sich die belangte Behörde in keiner Weise auseinander gesetzt.
Als inhaltliche Rechtswidrigkeit macht die Beschwerdeführerin geltend, es könne dahingestellt bleiben, ob ihre Ruhestandsversetzung vom 12. August 1999 gesetzmäßig gewesen sei oder nicht, weil sie jedenfalls in Rechtskraft erwachsen sei und auch rechtswidrige Bescheide die ihrem Inhalt entsprechende Wirkung entfalteten. Jedenfalls sei damals nur eine provisorische Entscheidung getroffen worden. Mit dem angefochtenen Bescheid sei einerseits die Abschlagsregelung des § 4 Abs. 3 PG 1965 zur Anwendung gebracht und andererseits die Hinzurechnung eines Zeitraumes zur ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit nach § 9 Abs. 1 PG 1965 abgelehnt worden. Die Richtigkeit beider Entscheidungen hänge von der Frage ab, ob zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung bei der Beschwerdeführerin Erwerbsunfähigkeit gegeben gewesen sei oder nicht. Hiebei gebe es allerdings einen wesentlichen Unterschied und der gesamten Bescheidbegründung sei trotz des darin enthaltenen richtigen Wortlautes der Gesetzesbestimmungen nicht zu entnehmen, dass die belangte Behörde den Unterschied hinsichtlich der "Erwerbsunfähigkeit" im Hinblick auf § 4 Abs. 4 Z. 3 bzw. die Zurechnung nach § 9 Abs. 1 PG 1965 erkannt hätte. Sie führe lediglich diverse Verweisungsberufe an, ohne sich im geringsten dazu zu äußern, was sie über die Zumutbarkeitsfrage nach § 9 Abs. 1 PG 1965 erwogen habe. Tatsächlich wären alle genannten Verweisungsberufe im Sinn des § 9 Abs. 1 PG 1965 unzumutbar (wird näher ausgeführt).
Die Zumutbarkeitsfrage trete aber völlig in den Hintergrund, weil die Beschwerdeführerin in Wahrheit völlig erwerbsunfähig sei. Ein weiterer Fehler der materiell-rechtlichen Beurteilung liege darin, dass die belangte Behörde offensichtlich auch die Bedeutung der zu erwartenden "Krankenstände" als wesentlich für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit nicht erkannt habe. Es bestehe nämlich eine Alternative nur dahingehend, dass entweder das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht zur Kenntnis genommen worden bzw. bei der Bescheidverfassung schon vergessen gewesen oder dass die Erörterung in Kenntnis des Vorbringens und seiner rechtlichen Relevanz bewusst unterblieben sei, was nicht nur geradezu einen gezielten Affront gegenüber der Beschwerdeführerin darstellen würde, sondern auch einen offenen Gesetzesbruch hinsichtlich der Begründungspflicht darstelle. In Relation dazu sei es eine Annahme zu Gunsten der belangten Behörde, dass sie aus einem Irrtum über die rechtliche Relevanz die Erörterung unterlassen habe. Das bedeute aber eine weitere inhaltliche Rechtswidrigkeit, denn nach der einschlägigen Judikatur liege die Grenze der Erwerbsfähigkeit bei zu erwartenden 7 Wochen "Krankenstand" pro Jahr; diese Grenze sei tatsächlich von der Beschwerdeführerin mehrfach überschritten worden.
Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte daher sowohl die Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 angewendet werden müssen, wie auch eine Zurechnung eines Zeitraumes nach § 9 Abs. 1 PG 1965 vorzunehmen gewesen wäre.
Der im Beschwerdefall für die rechtliche Beurteilung maßgebliche Zeitpunkt ist der der Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin; sowohl die Frage der Erwerbsunfähigkeit nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 als auch nach § 9 Abs. 1 leg. cit. ist nach der damals geltenden Rechtslage zu beurteilen.
Nach § 106 Abs. 1 Z. 2 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes (LDG 1984), BGBl. Nr. 302/1984, gilt für das Besoldungs- und Pensionsrecht der Landeslehrer - soweit nicht anderes gesetzlich bestimmt wird - das Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340.
§ 4 PG 1965, in der Fassung BGBl. I Nr. 123/1998, - soweit dem für den Beschwerdefall Bedeutung zukommt - lautet:
"Ruhegenussermittlungsgrundlagen und Ruhegenussbemessungsgrundlage
§ 4. (1) Der Ruhegenuss wird auf der Grundlage des ruhegenussfähigen Monatsbezuges und der ruhgenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt.
(2) 80 vH des ruhegenussfähigen Monatsbezuges bilden die Ruhegenussbemessungsgrundlage.
(3) Für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monates liegt, in dem der Beamte sein 60. Lebensjahr vollendet haben wird, ist die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 % um 0,1667 Prozentpunkt zu kürzen. Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden.
(4) Eine Kürzung nach Abs. 3 findet nicht statt
1.
im Fall des im Dienststand eingetretenen Todes des Beamten,
2.
wenn die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen ist und dem Beamten aus diesem Grund eine Versehrtenrente aus einer gesetzlichen Unfallversicherung gebührt oder
3. wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig ist.
(5) Die Ruhegenussbemessungsgrundlage darf 62 % des ruhegenussfähigen Monatsbezuges nicht unterschreiten. ....
(7) Als dauernd erwerbsunfähig im Sinne des Abs. 4 Z 3 gilt ein Beamter nur dann, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außer Stande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen. ..."
§ 9 Abs. 1 PG 1965 in der Fassung der 8. Pensionsgesetz-Novelle BGBl. Nr. 426/1985 lautet:
"(1) Ist der Beamte ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden, so hat ihm seine oberste Dienstbehörde aus Anlass der Versetzung in den Ruhestand den Zeitraum, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage erforderlich ist, höchstens jedoch zehn Jahre, zu seiner ruhegenussfähigen Bundesdienstzeit zuzurechnen."
Der Abspruch des angefochtenen Bescheides ist teilbar. Unter Punkt 1. wird ausgesprochen, dass die Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 aufrecht bleibt und unter Punkt 2., dass im Beschwerdefall keine Hinzurechnung nach § 9 Abs. 1 PG 1965 erfolgt.
Beide Absprüche leiden von vornherein daran, dass die belangte Behörde - entgegen der sie nach § 59 Abs. 1 des nach § 1 Abs. 1 DVG anwendbaren AVG treffenden Verpflichtung - die jeweils angewendeten Gesetzesbestimmungen nicht angegeben hat. Die im Spruch des angefochtenen Bescheides gleichsam "summarisch" aufgezählten "Rechtsgrundlagen" stehen teilweise von vornherein mit den erfolgten Absprüchen in keinem relevanten rechtlichen Zusammenhang (§ 12 Abs. 1 LDG 1984 betrifft die (bereits rechtskräftig erfolgte) Ruhestandsversetzung, die §§ 55 ff GG regeln die Bezüge). Insbesondere ist aber die Zitierung der angewendeten gesetzlichen Bestimmung mit der Beifügung "jeweils in der geltenden Fassung" insbesondere dann nicht ausreichend, wenn die Rechtslage - wie vorliegendenfalls - mehrfach geändert worden ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2001, Zl. 98/12/0415, m. w.N.).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2000, Zl. 99/12/0245, mwH) ist die im Ruhestandsversetzungsverfahren in der Regel auf Grundlage ärztlicher Gutachten (siehe § 14 Abs. 4 BDG 1979; vgl. aber auch § 36 Abs. 1 PG) von der Aktivdienstbehörde zu beurteilende Rechtsfrage der Dienstfähigkeit mit der bei der Ruhegenussbemessung von der Pensionsbehörde zu beurteilenden Rechtsfrage der regelmäßigen Erwerbsfähigkeit nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG nicht ident. Der schon bisher im § 9 Abs. 1 PG verwendete Begriff der Erwerbsfähigkeit ist dabei der weitere und bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Fähigkeit ist nach der Rechtsprechung zwar abstrakt zu beurteilen (d.h., es ist nicht entscheidend, ob die in Frage kommenden Tätigkeiten gerade am Arbeitsmarkt verfügbar sind oder nicht, es muss sich aber um eine Beschäftigung handeln, die grundsätzlich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist); es kommt aber sehr wohl darauf an, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Einsatzfähigkeit für bestimmte Tätigkeiten (Berufsbilder) vorliegen. Hiebei ist weiters zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) noch gegeben ist (siehe die diesbezüglich vergleichbare Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 Abs. 1 PG 1965 bei Zach, Das Pensionsrecht, Band 3, insbesondere die Erkenntnisse vom 8. Juni 1994, Zl. 93/12/0150, vom 24. September 1997, Zl. 96/12/0214, oder vom 25. Februar 1998, Zl. 96/12/0340).
Die Erwerbsfähigkeit setzt jedenfalls eine im Arbeitsleben grundsätzlich notwendige gesundheitlich durchgehende Einsatzfähigkeit des Beamten voraus (siehe das hg. Erkenntnis vom 24. September 1997, Zl. 96/12/0353).
In dieser Hinsicht besteht zum Erwerbsunfähigkeitsbegriff iS des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG (anders als in Bezug auf die Zumutbarkeit eines Verweisungsberufes, der nur nach § 9 Abs. 1 PG zu prüfen ist) kein Unterschied.
Die Unterschiedlichkeit des Begriffsinhaltes "Dienstfähigkeit" im Sinne des § 14 Abs. 3 BDG 1979 und "Erwerbsfähigkeit" nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG schließt nicht aus, dass medizinische Gutachten, die im Ruhestandsversetzungsverfahren herangezogen wurden, auch im Ruhegenussbemessungsverfahren zu berücksichtigen und die dort festgestellten Leidenszustände (sofern sie medizinisch hinreichend fundiert sind) bei der Beurteilung der für die Ruhegenussbemessung maßgebenden Frage der Erwerbsunfähigkeit miteinzubeziehen sind (vgl. das zu § 9 Abs. 1 PG ergangene hg. Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 91/12/0025, das Aussagen zum Verhältnis zwischen Ruhestandsversetzungsverfahren und Zurechnungsverfahren enthält und in verfahrensrechtlicher Hinsicht wegen der Gemeinsamkeit der Erwerbsunfähigkeitsbegriffe im § 4 Abs. 4 Z. 3 PG und im § 9 Abs. 1 leg. cit. mit der vorliegenden Konstellation vergleichbar ist). Für die Beurteilung durch den ärztlichen Sachverständigen ist sowohl hinsichtlich der Dienstfähigkeit als auch der Erwerbsfähigkeit der Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung des Beamten maßgebend.
Bei der Beurteilung der Fähigkeit, einen regelmäßigen Erwerb nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG ausüben zu können, können aber auch medizinische Aspekte maßgebend sein, die für die Beurteilung der Dienstfähigkeit nach § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BDG 1979 nicht mehr (weil deren Erhebung beispielsweise für die Frage der Dienstunfähigkeit gar nicht notwendig war) entscheidend waren und für deren Geltendmachung der Beamte daher im Ruhestandsversetzungsverfahren (- im Gegensatz zum Verfahren nach § 9 Abs. 1 PG - vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2000, Zl. 99/12/0180) gar keine Veranlassung hatte (vgl. zu einer ähnlichen Problematik bezüglich der Frage der Kausalität eines Dienstunfalles im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 2 PG das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1999, Zl. 98/12/0391). Hiezu erscheint - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits zu einer wortidenten Landesrechtslage in seinem Erkenntnis vom 29. März 2000, Zl. 99/12/0152, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OGH und die diesbezüglichen Ausführungen von Teschner in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechtes, Punkt 2.4.2 mit weiteren Hinweisen, zum Ausdruck gebracht hat - auch die Auseinandersetzung mit der Frage der Eingliederungsmöglichkeit eines frühpensionierten Beamten am Arbeitsmarkt im Hinblick auf bei ihm aus medizinischen Gründen notwendigerweise zu erwartende leidensbedingte Krankenstände bzw. medizinisch-objektivierte Schmerzzustände sowie sonstige (gesundheitliche) Behinderungen angezeigt. Bei der Beurteilung des Begriffes der Erwerbsunfähigkeit handelt es sich um eine Rechtsfrage, die nicht der (ärztliche) Sachverständige zu beurteilen und festzustellen hat, sondern die zur Entscheidung berufene Behörde. Aufgabe des (ärztlichen) Sachverständigen ist es, der zur Entscheidung berufenen Behörde bei der Feststellung des Sachverhaltes die fachkundigen Grundlagen zu liefern, die eine Auseinandersetzung mit dem gesamten Leidenszustand im Hinblick auf die abstrakte Eingliederungsmöglichkeit in den Arbeitsprozess ermöglichen.
Zu Spruchpunkt 1.:
Entgegen der Angabe im Spruch des angefochtenen Bescheides wurde die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 12. August 1999, Zl. 20202-L/3118031/0080-1999, in den Ruhestand versetzt, die Entscheidung im Rahmen der Ruhegenussbemessung über die Frage eines allfälligen Entfalles der Kürzung aber weiteren Erhebungen vorbehalten. Abgesehen davon zeigt der angefochtene Bescheid eine Verkennung der eine Behörde im Dienstrechtsverfahren treffenden rechtlichen Verpflichtungen. Zutreffend weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass der angefochtene Bescheid keinerlei behördliche Feststellung ihres Gesundheitszustandes bzw. der bei ihr gegebenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen enthält. Die Wiedergabe der vom berufskundlichen Gutachter vorgenommenen auszugsweisen Zitierungen aus verschiedenen ärztlichen Gutachten genügt den rechtlichen Voraussetzungen nicht.
Die unter der Überschrift "Beweiswürdigung" in der Begründung des angefochtenen Bescheides enthaltenen Ausführungen haben inhaltlich mit der Überschrift nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes wirklich nichts zu tun. Sie betreffen vielmehr unter 2.1. ein Sachverhaltselement und unter 2.2. die - von der belangten Behörde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens - zu ziehenden Schlussfolgerungen.
Die belangte Behörde ist nach der Begründung des angefochtenen Bescheides offensichtlich von der unrichtigen Rechtsauffassung ausgegangen, dass für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit der Beschwerdeführerin, also ihrer ausreichenden Eingliederungsmöglichkeit in den Arbeitsprozess, die von der Beschwerdeführerin im Beschwerdefall im Verwaltungsverfahren bestrittene Aussage des berufskundlichen Gutachtens über Verweisungsberufe ausreichend ist. Dies ist aber unzutreffend.
Da die belangte Behörde ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung der sie treffenden Feststellungs- und Begründungspflicht nicht entsprochen hat, war der Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Zum Spruchpunkt 2.:
Die belangte Behörde geht nach der Begründung des angefochtenen Bescheides diesbezüglich von der unrichtigen Rechtsauffassung aus, dass die vom berufskundlichen Gutachter festgestellte Verweisungsmöglichkeit der Beschwerdeführerin auch die Hinzurechnung nach § 9 Abs. 1 PG 1965 ausschließen würde. Dies ist schon deshalb unzutreffend, weil nach § 9 Abs. 1 PG 1965 die Frage eines zumutbaren Erwerbes zu prüfen und dafür maßgebend ist.
Trotzdem erweist sich der unter Punkt 2 vorgenommene Abspruch inhaltlich aber als richtig. Dies deshalb, weil den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, insbesondere dem Ruhestandsversetzungsbescheid der Beschwerdeführerin vom 12. August 1999 zu entnehmen ist, dass die Beschwerdeführerin, für die die Übergangsbestimmung des § 62b Abs. 1 PG 1965 idF BGBl. Nr. 297/1995 gilt, ohnehin eine ruhgenussfähige Gesamtdienstzeit von mehr als 35 Jahren aufweist, sodass sie im Sinne des § 9 Abs. 1 PG 1965 die für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage - vor Anwendung der gesetzlich vorgesehenen Abschlagsregelung - erforderliche Zeit in vollem Umfang aufweist und eine Zurechnung deshalb nicht in Frage kommt.
Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen den Spruchpunkt 2. richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. November 2001
Schlagworte
Gutachten rechtliche Beurteilung Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche Beurteilung Sachverständiger Entfall der BeiziehungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000120300.X00Im RIS seit
05.03.2002