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22/02 Zivilprozessordnung;Norm
AVG §47;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des EK in W, vertreten durch Dr. Hans Christian Nemetz, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Uchatiusgasse 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. November 2000, Zl. MA 15-II-K 42/99, betreffend Zurückweisung eines Einspruches in einer Sozialversicherungssache als verspätet (mitbeteiligte Partei:
Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erließ einen Bescheid vom 21. September 1998, mit welchem der Beschwerdeführer als Vertreter einer näher bezeichneten Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG verpflichtet wurde, rückständige Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren im Betrag von S 35.438,19 sA zu bezahlen. Dieser Bescheid wurde ausweislich der bei den Verwaltungsakten befindlichen Ablichtung des Rückscheines nach einem Zustellversuch vom 24. September 1998 mit Beginn der Abholfrist 25. September 1998 beim Postamt 1164 Wien postamtlich hinterlegt und eine Verständigung darüber in das Hausbrieffach an der Adresse des Beschwerdeführers eingelegt. Im Zuge von aufgrund dieses Bescheides eingeleiteten Exekutionsmaßnahmen erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 24. November 1998 (berichtigt mit Schreiben vom 22. Jänner 1999) Einspruch gegen den vorerwähnten Bescheid. Diesen Einspruch begründet der Beschwerdeführer damit, dass er "aufgrund einer nicht ordnungsgemäß erfolgten Zusendung bzw. Hinterlegung (keine Benachrichtigung im Postfach) (vom) Bescheid vom 21. September 1998 nicht in Kenntnis gesetzt wurde". Er habe den Bescheid erst bei einer persönlichen Vorsprache vom 24. November 1998 bei der Gebietskrankenkasse übernommen. Die Behauptung, er habe keine Benachrichtigung über einen Bescheid in seinem Postfach vorgefunden, wiederholte der Beschwerdeführer in seinem - den zunächst "gegen die ..Exekution" gerichteten Einspruch durch Nachholung der Bezeichnung des bekämpften Bescheides richtigstellenden - Schreiben vom 22. Jänner 1999.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse legte diesen Einspruch der belangten Behörde unter Anschluss der Akten mit einer Stellungnahme vor, in der sie den Standpunkt vertrat, die Hinterlegung sei rechtswirksam erfolgt und der Einspruch daher als verspätet zurückzuweisen.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 17. November 2000 wies die belangte Behörde den Einspruch des Beschwerdeführers als verspätet zurück. Sie ging davon aus, dass die Kenntnis des Beschwerdeführers von der Zustellung (bzw. von der Hinterlegungsanzeige) nicht Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges sei. Das Postamt 1170 Wien habe auf schriftliche Anfrage der Gebietskrankenkasse vom 2. Dezember 1998 mitgeteilt, dass laut Auskunft des Zustellers die Hinterlegung des Haftungsbescheides ordnungsgemäß erfolgt sei. Das Risiko für eine Beschädigung der Entfernung der Verständigung nach § 17 Abs. 2 Zustellgesetz treffe den Adressaten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
In dieser Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, die Behörde hätte seine Ehegattin befragen müssen, wer Schlüssel zum Postfach habe, ob andere Personen Zugang hätten und ob eine Verständigung bzw. eine Hinterlegungsanzeige im Postfach aufgelegen sei. Sollte eine derartige Hinterlegungsanzeige nicht auffindbar gewesen sein, so lasse dies direkte Rückschlüsse darauf zu, dass eine Hinterlegungsanzeige überhaupt nicht in das Postfach eingelegt worden sei.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 1 Zustellgesetz ist, wenn eine Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 leg. cit. regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, das Schriftstück im Fall der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen.
Gemäß § 17 Abs. 2 leg. cit. ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
Gemäß § 17 Abs. 3 leg. cit. ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 ZustellG wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.
Gemäß § 17 Abs. 4 ZustellG ist die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 oder die im § 21 Abs. 2 leg. cit. genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.
Wenn die Zustellung durch Hinterlegung ordnungsgemäß erfolgt ist, dann kommt es auf die Kenntnis des Beschwerdeführers von dieser Zustellung nicht an; die Unkenntnis kann - sofern sie nicht auf einem Verschulden beruht, welches den Grad minderen Versehens übersteigt - zur Grundlage eines Wiedereinsetzungsantrages gemacht werden (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 18. Oktober 1989, Zl. 89/02/0117 und das Erkenntnis vom 20. Jänner 1998, Zl. 97/08/0545). Einen solchen Antrag hat der Beschwerdeführer aber nicht gestellt.
Bei der danach anzustellenden Prüfung, ob der Zustellvorgang vom 24. September 1998 ordnungsgemäß war, ist zunächst davon auszugehen, dass der in den Verwaltungsakten enthaltene Rückschein betreffend die Zustellung des angefochtenen Bescheides durch Hinterlegung am 24. September 1998 (mit Beginn der Abholfrist 25. September 1998) den Vermerk aufweist, dass die Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt worden sei. Bei diesem Rückschein (Formular 4 zu § 22 Zustellgesetz) handelt es sich um eine öffentliche Urkunde, die nach § 47 AVG in Verbindung mit § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit für sich hat. Diese Vermutung ist zwar widerlegbar, wobei aber die Behauptung der Unrichtigkeit des Beurkundeten entsprechend zu begründen ist und Beweise dafür anzuführen sind, die geeignet sind, die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 1994, Zl. 93/09/0462 und vom 6. Mai 1997, Zl. 97/08/0022 uva).
Der Beschwerdeführer hat sich im Verwaltungsverfahren darauf beschränkt, das Vorliegen einer rechtswirksamen Zustellung mit der Begründung in Abrede zu stellen, er habe keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden. Mit einem solchen Vorbringen vermag er aber die Beurkundung über die erfolgte Hinterlegung eines Rückscheins in das Hausbrieffach - welche durch zusätzliche Ermittlungen der belangten Behörde beim Zustellpostamt erhärtet wurde - nicht zu widerlegen. Dies gilt auch für die vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vor der belangten Behörde aufgestellte Behauptung, dass zu der fraglichen Zeit eine "Urlaubsvertretung (Praktikant)" als Zustellorgan tätig gewesen sei (zu "Ferialaushilfskräften" vgl. das Erkenntnis vom 3. September 1997, Zl. 96/01/0479). Die belangte Behörde musste daher weder die Ehegattin des Beschwerdeführers befragen, noch hatte sie Veranlassung sonstige weitere Ermittlungen zu pflegen.
Ist aber aufgrund der - vom Beschwerdeführer nur mit untauglichen Argumenten in Zweifel gezogenen - Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde von einer ordnungsgemäßen Zustellung des Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse am 25. September 1998 auszugehen, dann hat die belangte Behörde den Einspruch des Beschwerdeführers vom 24. November 1998 (eingelangt bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse am 26. November 1998) zurecht als verspätet zurückgewiesen.
Die Beschwerde war daher gem. § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. November 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001080011.X00Im RIS seit
18.03.2002Zuletzt aktualisiert am
24.11.2015