TE Vwgh Erkenntnis 2001/11/21 97/08/0391

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Veröffentlicht am 21.11.2001
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs3 litd;
AlVG 1977 §12 Abs6 litd idF 1989/364;
AlVG 1977 §24 Abs1;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/08/0440

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerden des R in O, vertreten durch Dr. Friedrich Bardel und Dr. Gabriella Guzely, Rechtsanwälte in 9400 Wolfsberg, Hoher Platz 17, gegen die auf Grund von Beschlüssen des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 8. April 1997, Zlen. LGS600/LA2/1218/1997-Mag.Ed/S, betreffend 1. Einstellung von Arbeitslosengeld (hg. Zl. 391) und 2. Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld (hg. Zl. 440), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der seit dem Jahre 1994 mit Unterbrechungen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezog, war seit 1985 Obmann eines "Reisevereins B". Gegenstand der Vereinstätigkeit war nach den Statuten in der Fassung vom 30. März 1994 die "Organisation und Durchführung von Reisen ausschließlich für Mitglieder, sowie auf Grund deren Anregung und Vorschlägen im Sinne der Freizeitgestaltung auf Basis einer konzessionsmäßigen Ausübung eines Reisebüros."

Mit einer anonymen Anzeige vom 9. Oktober 1996 konfrontiert, wonach der Arbeitslosengeld beziehende Beschwerdeführer "nebenbei schwarz als Busfahrer tätig" sei bzw. "den ganzen Tag in der Firma seiner Gattin (Busunternehmen H.-P.)" arbeite, gab der Beschwerdeführer an, er führe als Obmann des Reisevereins kostenlos Fahrten mit einem Bus durch, der von der H.-P. GesmbH zur Verfügung gestellt werde. Der Kassier des Reisevereins deponierte mit Schreiben vom 15. Oktober 1996, dass der Beschwerdeführer "für seine Tätigkeit einschließlich der Lenkertätigkeit bei Vereinsfahrten keinerlei Entgelt oder sonstige Vergütungen erhalten hat."

Aus dem im Akt erliegenden Auszug aus dem Firmenbuch und dem Gesellschaftsvertrag vom 1. März 1995 ergibt sich als "Unternehmensgegenstand" der H.-P. GesmbH die Ausübung des Mietwagengewerbes. Die Gattin des Beschwerdeführers, Monika P., übernahm vom Stammkapital dieser Gesellschaft von S 1,000.000,-- eine Stammeinlage von S 600.000,--, der Reiseverein, dessen Obmann der Beschwerdeführer ist, S 300.000,--. Weitere Gesellschafter sind Karl und Inge H. mit einer Stammeinlage von je S 50.000,--.

Ebenfalls am 1. März 1995 fassten die Gesellschafter folgenden Umlaufbeschluss:

"1.) Frau Monika P. ist handelsrechtliche Geschäftsführerin der H.-P. GmbH mit dem Sitz in O. Der monatliche Geschäftsführerbezug für ihre Tätigkeit wird mit S 12.000,-- festgelegt. Die Bezüge beginnen mit dem auf die Eintragung folgenden Monats zu laufen. Der Bezug gelangt jährlich zwölfmal zur Auszahlung.

Darüber hinaus übernimmt die Gesellschaft die an die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft zu entrichtenden Beiträge.

2.) Herr Karl H. ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der H.-P. GmbH. Er hat der Gesellschaft seine Gewerbeberechtigung für einen Bus zur Verfügung gestellt. Dafür wird die Auszahlung einer monatlichen Vergütung von S 1.000,-- beschlossen. Die Vergütung ist ab dem auf die Eintragung der GmbH folgenden Monats zu zahlen.

Darüber hinaus übernimmt die Gesellschaft die an die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft zu entrichtenden Beiträge.

3.) Frau H. übernimmt im Werkvertrag die Buchhaltungsarbeiten für die H.-P. GmbH. Sie erhält dafür eine monatliche Vergütung von

S 1.000,-- zuzüglich 20 % Umsatzsteuer ab 1. April 1995."

Mit dem Bescheid vom 2. Jänner 1997 stellte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice B das Arbeitslosengeld des Beschwerdeführers ab dem 1. März 1995 ein, weil der Beschwerdeführer für die H.-P. GesmbH als Busfahrer tätig sei. Gemäß § 12 Abs. 6 lit. d AlVG gelte nicht als arbeitslos, wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten tätig sei, sofern das Entgelt aus dieser Tätigkeit, würde sie von einem Dienstnehmer ausgeübt, die Geringfügigkeitsgrenze übersteigen würde.

Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tag widerrief die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice B den Bezug des Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 1. März 1995 bis 30. September 1996 und forderte den zu Unrecht bezogenen Betrag von S 239.631,-- zurück, weil der Beschwerdeführer für die H.- P. GesmbH Busfahrten durchgeführt habe.

Der Beschwerdeführer erhob jeweils Berufung. Er brachte vor, bei seinen gelegentlichen Fahrten mit dem Bus der H.-P. GesmbH sei der Bus von der Gesellschaft entweder an den Reiseverein oder an andere vermietet worden. Der Beschwerdeführer habe den gemieteten Bus jeweils gelenkt, ohne dafür jemals ein Entgelt erhalten zu haben. Der Beschwerdeführer könne auch nicht i.S. des § 12 Abs. 3 lit. d AlVG im Betrieb seiner Ehefrau tätig gewesen sein, weil diese nur Gesellschafterin der H.-P. GesmbH gewesen sei.

Mit den angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde diesen Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und stellte u. a. jeweils folgenden Sachverhalt fest:

"Es wurden eine Reihe von insgesamt 58 Fahraufträgen, beginnend mit 7.1.1996 bis 2.10.1996 vorgelegt, die laut Ihren Angaben alle von Ihnen durchgeführt wurden. Laut diesen Fahraufträgen führten Sie nicht nur Busfahrten für den 'Reiseverein B', sondern auch für andere Auftraggeber der 'H.- P. GesmbH.' durch. Aus einem Firmenbuchauszug vom 23.10.1996 ist ersichtlich, dass laut Gesellschaftsvertrag vom 1.3.1995 mit einem Nachtrag vom 2.6.1995 handelsrechtliche Geschäftsführer der 'H.- P. GesmbH' Karl H. und Monika P. sind. Gesellschafter mit einer Stammeinlage von je S 50.000,-- sind Frau Ingrid H. und Herr Karl H., der Reiseverein B mit einer Stammeinlage von S 300.000,-- und Frau Monika P. mit einer Stammeinlage von S 600.000,--. Bei der Errichtung des Gesellschaftsvertrages waren außer Herrn Karl H., Frau Ingrid H. und Frau Monika P. auch Sie als Obmann des Reisevereins B zugegen.

Am 2.12.1996 gaben Sie niederschriftlich bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice B an, über die Fahrten im Jahr 1995 keine Nachweise vorgelegen zu können, da die Fahraufträge für dieses Jahr nicht mehr existieren und nicht mehr zu wissen, zu welchen Zeiten Sie für die H. P. GesmbH. Busfahrten übernommen haben."

Die belangte Behörde führte aus, die H.-P. GesmbH sei durch Registrierung im Firmenbuch am 15. Juni 1995 gegründet worden und habe als Vorgesellschaft seit Abschluss des Gesellschaftsvertrages ab dem 1. März 1995 existiert. Die Ehefrau des Beschwerdeführers übe als einzige geschäftsführende Gesellschafterin maßgeblichen Einfluss auf die Führung der Gesellschaft aus. Es sei nicht notwendig, dass zwischen dem Beschwerdeführer und der Gesellschaft ein Vertragsverhältnis bestehe. Der Begriff des Betriebes im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. d AlVG sei extensiv auszulegen und erfasse auch Gesellschaften, bei denen der Ehegatte einen maßgeblichen Einfluss auf die Gestion der Gesellschaft ausübe.

Aus den vorgelegten (im Zeitraum vom 7. Jänner bis 2. Oktober 1996 liegenden) 58 Fahraufträgen sei abzuleiten, dass der Beschwerdeführer seit dem 1. März 1995 mindestens zwei Mal pro Woche als Buschauffeur fungiert habe. Die Reisedauer habe in der Regel einen Tag, manchmal aber auch fünf bis sieben Tage betragen. Der Anspruchslohn eines vergleichbaren Dienstnehmers hätte bei einem kollektivvertraglichen Mindestlohn von S 91,05 zwischen S 5.500,-- und S 6.000,-- pro Monat betragen und läge damit über der Geringfügigkeitsgrenze von S 3.452,-- brutto monatlich im Jahr 1995 und S 3.600,-- brutto monatlich im Jahr 1996.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat. Gemäß § 12 Abs. 3 lit. a leg. cit. gilt insbesondere nicht als arbeitslos im Sinne des Abs. 1, wer in einem Dienstverhältnis steht oder (lit. d) wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder der Kinder tätig ist. Gemäß § 12 Abs. 6 lit. a AlVG gilt jedoch als arbeitslos, wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erhält, das die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c AlVG angeführten Beträge nicht übersteigt. Gemäß § 12 Abs. 6 lit. d AlVG in der hier zeitraumbezogen (vgl. das Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, Zl. 97/08/0565) anzuwendenden Fassung der AlVG-Novelle 1989, BGBl. Nr. 364/1989, gilt ebenfalls als arbeitslos, wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist, sofern das Entgelt aus dieser Tätigkeit, würde sie von einem Dienstnehmer ausgeübt, die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigen würde.

Da die Verneinung der Arbeitslosigkeit im Sinn des § 12 Abs. 3 lit. d AlVG eine darüber hinausgehende Prüfung auch nach § 12 Abs. 3 lit. a AlVG entbehrlich machen würde, traf die belangte Behörde keine Feststellungen über ein zwischen der H.- P. GesmbH und dem Beschwerdeführer allenfalls anzunehmendes Dienstverhältnis (etwa unter Berücksichtigung des wahren wirtschaftlichen Gehaltes eines Sachverhaltes und dessen Beurteilung bei angemessener rechtlicher Gestaltung i.S. des § 539a ASVG).

Mit den Tätigkeiten nach § 12 Abs. 3 lit. d AlVG sind solche gemeint, die ihrem Typus nach letztlich Erwerbszwecken dienen (vgl. das Erkenntnis vom 30. September 1994, Slg. Nr. 14130/A). Die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Chauffeur eines Autobusses erfüllt diese Voraussetzung. Die belangte Behörde scheint auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer unentgeltlich tätig geworden ist. Strittig ist nur, ob - wie die belangte Behörde annimmt - ein Betrieb einer GesmbH, an der ein Ehepartner als geschäftsführender Gesellschafter maßgeblich beteiligt ist, als Betrieb des Ehepartners im eben genannten Sinn gelten könne. Der Beschwerdeführer hat dies bereits in der Berufung unter Hinweis auf das zwischen den Gesellschaftern und deren GesmbH bestehende "Trennungsprinzip" bestritten. Dieser Einwand führt die Beschwerde zum Erfolg, weil der Betrieb einer GesmbH auch dann nicht als Betrieb eines Ehegatten oder Kindes anzusehen ist, wenn solche Personen Gesellschafter der GesmbH sind und daher der Fremdvergleich i.S. des oben zitierten § 12 Abs. 6 lit. d AlVG nicht dem Gesetz entspricht (vgl. dazu das Erkenntnis vom 21. September 1993, Zlen. 91/08/0145, 0146 und die daran anschließende Judikatur).

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben. Für das fortzusetzende Verfahren ist anzumerken, dass bei einem angenommenen Wegfall der Leistungsvoraussetzungen die Einstellung auszusprechen und der zusätzliche Ausspruch des Widerrufs in einem eigenen Bescheid verfehlt wäre (vgl. zum Verhältnis von Einstellung zum Widerruf etwa das Erkenntnis vom 15. November 2000, Zl. 96/08/0115).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. November 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1997080391.X00

Im RIS seit

21.03.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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