TE Vfgh Beschluss 1998/12/16 G205/98

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Veröffentlicht am 16.12.1998
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

Zurückweisung einer als Individualantrag auf Aufhebung von Bestimmungen der StPO betreffend Rechtsmittel gegen Urteile der Gerichtshöfe erster Instanz bzw gegen Urteile der Schöffen- und Geschworenengerichte gewerteten Eingabe mangels Legitimation infolge Zumutbarkeit des gerichtlichen Rechtsweges; Abweisung des Verfahrenshilfeantrags als offenbar aussichtslos

Spruch

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen. Im übrigen wird die Eingabe zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit einer nicht durch einen Rechtsanwalt eingebrachten Eingabe führt der Antragsteller "Beschwerde gegen die in der StPO geregelte(n) Ungleichstellung der Bürger der Republik Österreich" und begründet diese wie folgt:

"In der österreichischen Verfassung ist meines Wissens festgehalten, daß a l l e Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Nun regelt aber die Strafprozeßordnung, daß bei durch einen Einzelrichter eines Landesgerichtes abgehaltenen Strafverfahren Berufung und Nichtigkeit nur an das nächst höhere Gericht, das Oberlandesgericht, gerichtet werden können, während bei Schöffen- bzw. Geschworenenverfahren eine Nichtigkeitsbeschwerde als ordentliches Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gerichtet werden kann.

Als von dieser Regelung Betroffener fühle ich mich daher in der Ausschöpfung der rechtlichen Mittel eingeschränkt und finde, daß dadurch das Grundrecht auf Gleichbehandlung aller Bürger verletzt wird. Ein durch Schöffen- oder Geschworenengerichte Verurteilter hat das ordentliche Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde an den OGH, ein durch einen Einzelrichter eines Landesgerichtes Verurteilter jedoch - außer dem OLG - nur die Möglichkeit, bei der Generalprokuratur eine Beschwerde zur Wahrung des Gesetzes anzuregen, was jedoch keinesfalls ein ordentliches Rechtsmittel darstellt.

Wenn ich nun davon ausgehe, daß beim OGH höhere und daher auch wissendere Richter als beim OLG sitzen, so entgeht mit durch diese Regelung die Chance, meine Sache wirklich von den besten Juristen des Landes prüfen zu lassen. Ich fühle mich daher in meinem verfassungsmäßigen Recht der Gleichbehandlung aller Bürger eingeschränkt und ersuche Sie, meiner Beschwerde Folge zu geben. Falls ich für diese Beschwerde einen Rechtsbeistand zwingend benötige, stelle ich hiermit gleichzeitig den Antrag auf Verfahrenshilfe, da mir meine finanzielle Situation leider nicht erlaubt, einen Rechtsanwalt selbst zu bezahlen."

2. Der Verfassungsgerichtshof wertet diese Eingabe als Antrag gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG auf Aufhebung jener Bestimmungen der Strafprozeßordnung, die die Rechtsmittel gegen Urteile der Gerichtshöfe erster Instanz bzw. gegen Urteile der Schöffen- sowie Geschworenengerichte regeln.

3. Der Antrag ist nicht zulässig:

3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtssprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11684/1988, VfGH 27.9.1994 G215/94).

3.2. Ein solcher zumutbarer Umweg steht dem Antragsteller aber offen: Es ist nämlich nicht erkennbar, daß der Antragsteller durch Umstände belastet wäre, die er im Falle einer Verurteilung nicht im Rechtsmittelverfahren nach der Strafprozeßordnung an ein Gericht herantragen könnte, das zur Antragstellung gemäß Art140 B-VG an den Verfassungsgerichtshof berechtigt ist.

4. Damit erweist sich aber auch die vom Antragsteller angestrebte Rechtsverfolgung als offenbar aussichtslos, sodaß sein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß §63 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG 1953 abzuweisen war.

5. Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 lita und e sowie gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Strafrecht, Strafprozeßrecht, VfGH / Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G205.1998

Dokumentnummer

JFT_10018784_98G00205_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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