TE Vwgh Beschluss 2001/11/21 2001/08/0148

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Veröffentlicht am 21.11.2001
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2001/08/0149 2001/08/0167 2001/08/0168

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, in den Beschwerdesachen 1. des E und 2. der M, beide in O, vertreten durch Jirovec & Partner, Rechtsanwalts GmbH, 1010 Wien, Bauernmarkt 24, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Burgenland vom 10. Juli 2001, zu 1. Zl. 6-SO-N1597/9-2001, zu 2. 6-SO-N1598/8-2001, betreffend Haftung für Beitragsschuldigkeiten gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Burgenländische Gebietskrankenkasse in 7001 Eisenstadt, Esterhazyplatz 3), den Beschluss gefasst:

Spruch

1. Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist werden zurückgewiesen.

2. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Begründung

Die (nicht eingeschrieben aufgegebenen) Kuverts, in denen die zu hg. Zl. 2001/08/0148 und 0149 registrierten Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt sind, weisen jeweils über einem Freistempelaufdruck, der mit "27.8.01" datiert ist, eine postamtliche Stampiglie mit dem Aufgabedatum "29.8.01" auf. Auf Grund des Vorbringens in den beiden Beschwerden, die angefochtenen Bescheide seien am 16. Juli 2001 zugestellt worden, ergingen mit Berichterverfügungen vom 10. September 2001 an den Beschwerdevertreter Mängelbehebungsaufträge folgenden Wortlauts:

"1. Als Tag an dem der angefochtene Bescheid zugestellt wurde, wird der 16. Juli 2001 angegeben (§ 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG). Die - nicht bescheinigte - Postaufgabe erfolgte nach dem vorliegenden Kuvert (Aufgabestampiglie des Postamtes 1010 Wien) am 29. August 2001 und daher verspätet. Dem Beschwerdeführer (der Beschwerdeführerin) wird Gelegenheit gegeben, dazu innerhalb der gesetzten Frist Stellung zu nehmen.

2. Es ist eine weitere Ausfertigung der Beschwerde für den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen beizubringen (§§ 24 Abs. 1 und 29 VwGG)."

In Reaktion auf diese Berichterverfügungen wurde in beiden Beschwerdefällen Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist eingebracht und diese Anträge - unter Bescheinigung der ordnungsgemäßen Fristeintragung durch Vorlage einer Ablichtung des Fristenbuches - gleich lautend damit begründet, dass die Beschwerde am 27. August 2001 (dem letzten Tag der Frist) vom Beschwerdevertreter Dr. Jirovec unterfertigt und der "damals Dienst habenden Sekretärin" mit der Weisung übergeben worden sei, sie "fristgerecht zur Post zu geben". Die an diesem Tag "Dienst habende Abendsekretärin" habe sodann "die Kuvertierung und Frankierung der Beschwerde" vorgenommen und "zur Postaufgabe am 27. August 2001 gegeben". Man sei in der Folge "davon ausgegangen", dass die gegenständliche Beschwerde fristgerecht eingebracht worden sei und erst durch die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes sei evident geworden, dass "offensichtlich eine spätere Aufgabe erfolgt sei". Die in der Folge (also nach der Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes) angestellten Nachforschungen hätten ergeben, dass die beiden Kuverts irrtümlich unter dem Postaufgabebuch liegen geblieben seien. In der Folge "dürfte dann die Post des nächsten Tages zu diesen beiden frankierten Kuverts dazu gegeben worden sein" und erst so spät am Abend des 28. August 2001 zur Post gebracht worden sein, dass sie bereits kurz nach 0.00 Uhr den Stempel 29.8.2001 erhalten hätten. Die am 28. August "Dienst habende Sekretärin" habe aber keinen Anlass gehabt, vor 24.00 Uhr die Post abzugeben, da an diesem Tag keine Frist bestanden habe.

Bei der am 27. August 2001 Dienst habenden Sekretärin handle es sich um eine langjährige Kanzleisekretärin, die sowohl im Anwalts- als auch im Steuerberatungsbereich, insbesondere auch im Bereich der Fristen, immer eine zuverlässige Arbeit leiste. Es sei ausnahmsweise und erstmals zu einer derartigen Fehlleistung gekommen, die bisher weder vom unterfertigenden Beschwerdevertreter, noch einem anderen Juristen bei laufender Überwachung der Fristenverwaltung habe festgestellt werden können. Diese laufende Überprüfung erfolge in umfangreichen Stichproben sowohl bei den Fristeintragungen selbst mehrmals wöchentlich als auch bei der Kuvertierung und Absendung der Schriftstücke. Nach Ansicht der beschwerdeführenden Parteien stelle "der hervorgebrachte Sachverhalt daher ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis im Sinne des § 46 VwGG dar", wobei Kanzleiangestellte nicht als Erfüllungsgehilfen des Rechtsanwaltes gemäß § 1313a ABGB gelten würden. Als Fehler könne lediglich eine mangelhafte Überwachung oder fahrlässige Auswahl der jeweiligen Kanzleikraft angesehen werden. Da eine laufende Überwachung erfolgt sei und sich die Sekretärin "ohne Tadel verhalten" habe, könne der "verantwortliche Rechtsanwalt auch in diesem Fall von der fristgerechten Postaufgabe ausgehen".

Der Wiedereinsetzungsantrag ist mangels ausreichenden

Vorbringens zu seiner Rechtzeitigkeit unzulässig:

§ 46 Abs. 1 bis 3 VwGG lauten:

"(1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist auch dann zu bewilligen, wenn die Beschwerdefrist versäumt wurde, weil der anzufechtende Bescheid fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat.

(3) Der Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses, in den Fällen des Abs. 2 spätestens zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides zu stellen, der das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen."

Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptung des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird (vgl. z.B. den Rechtssatz des Erkenntnisses vom 30. Jänner 1984, Slg. Nr. 11.312/A). Wenn keine ausdrücklichen Angaben über die Rechtzeitigkeit des Antrages im Sinne der Bestimmung des § 46 Abs. 3 VwGG, die für einen dem Gesetz entsprechenden Wiedereinsetzungsantrag Voraussetzung sind, im Antragsvorbringen enthalten sind, ist dies ein Umstand, der für sich allein gesehen, zur Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages führen muss (vgl. den Beschluss vom 19. März 1996, Zl. 96/08/0044).

Als Hindernis iSd § 46 Abs. 3 VwGG ist jenes Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat. Besteht dieses Ereignis in einem Tatsachenirrtum über den Ablauf der Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde, so hört das Hindernis iSd § 46 Abs. 3 VwGG auf, sobald der Beschwerdeführer (Beschwerdevertreter) den Tatsachenirrtum als solchen erkennen konnte und musste, nicht aber erst in dem Zeitpunkt, in dem z.B. der Beschluss über die Zurückweisung der Beschwerde als verspätet (vgl. den Beschluss vom 14. März 2001, Zl. 2001/08/0031) bzw. hier die Berichterverfügung vom 10. September 2001 zugestellt worden ist. Gleiches hat zu gelten, wenn der Tatsachenirrtum nicht den Lauf der Frist, sondern die Rechtzeitigkeit der Postaufgabe betrifft:

Das zur Fristversäumung führende Hindernis bestand nach dem Vorbringen in den Wiedereinsetzungsanträgen darin, dass eine gewöhnlich verlässliche Kanzleikraft die betreffenden Kuverts (die nach dem Wiedereinsetzungsvorbringen unterfertigte Beschwerdeschriftsätze enthalten haben) versehentlich nicht zur Post gebracht hat, wobei diese Kuverts "irrtümlich unter dem Postaufgabebuch liegen geblieben" seien. Dieses Hindernis für die rechtzeitige Postaufgabe hat spätestens mit Ablauf dieses Tages geendet. Kenntnis von dieser Fristversäumung hätte spätestens zu jenem Zeitpunkt erlangt werden müssen, an welchem die Arbeit auf diesem Schreibtisch wieder aufgenommen wurde und damit die auf dem Schreibtisch (unter dem Postaufgabebuch) liegenden Kuverts (immerhin in der Größe A4) vom Vortag bemerkt werden mussten.

Es ist zwar nun denkbar, dass mit dem Ende des einen Hindernisses ein anderes unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis eingetreten ist, welches sich auf solche Weise nahtlos an das erstgenannte Hindernis anschloss, dass es dem Beschwerdevertreter auch weiterhin bis zur Zustellung der Berichterverfügung vom 10. September 2001 unmöglich war zu erkennen, dass zwei Kuverts mit fristgebundenen Schriftsätzen liegen geblieben und deshalb nicht fristgerecht zur Post gebracht worden sind.

Zu Art und Dauer dieses weiteren Hindernisses, aus welchem der Beschwerdevertreter von der Versäumung der Beschwerdefrist keine frühere Kenntnis erlangt hat, wird aber - abgesehen von den eingangs wiedergegebenen Mutmaßungen über den weiteren Ablauf der Ereignisse - nichts vorgebracht. Ein konkretes Vorbringen dazu wäre aber schon deshalb erforderlich gewesen, weil die beiden Sendungen, obwohl sie fristgebundene Schriftsätze beinhalteten, - ungewöhnlicherweise - nicht eingeschrieben zur Post gegeben worden sind, und im Wiedereinsetzungsantrag nicht einmal behauptet wird, dass dies weisungswidrig bzw. gegen die sonstige Übung im Kanzleibetrieb geschehen sei. Werden fristgebundene Postsendungen aber nicht eingeschrieben aufgegeben, so ist die Rechtzeitigkeit der erfolgten Postaufgabe für den Beschwerdevertreter naturgemäß nicht nachzuweisen. Auch ermangelt es dem Beschwerdevertreter wegen Fehlens einer Rückmeldung in Form des Aufgabescheins bzw einer entsprechenden Eintragung im Postaufgabebuch in einer ihm zurechenbaren Weise an jeglicher Kontrolle darüber, ob und wann eine fristgebundene Postsendung tatsächlich aufgegeben wurde. Es kann weder gesagt werden, dass diese Unkenntnis unvorhersehbar, geschweige denn, dass sie unabwendbar gewesen ist; sie ist daher ungeeignet, den Lauf der Frist des § 46 Abs. 3 VwGG hinaus zu schieben.

Liegt aber ein die Frist zur Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages nicht hinausschiebendes Hindernis an der Kenntnis der hier maßgeblichen Umstände offen zu Tage, so erweist sich ein Vorbringen in einem Wiedereinsetzungsantrag, welches nach Aufhören eines Hindernisses (weisungswidriges Verhalten der Kanzleiangestellten am letzten Tag der Beschwerdefrist) kein anderes, im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG relevantes Hindernis für eine frühere Kenntnis von der Fristversäumung behauptet, insgesamt als unzureichend, um die Einhaltung der Frist nach § 46 Abs. 3 VwGG und damit die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages darzutun.

Die Wiedereinsetzungsanträge waren daher zurückzuweisen.

Da die Beschwerden verspätet zur Post gegeben worden sind, waren auch sie gem. § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 21. November 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001080148.X00

Im RIS seit

03.04.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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