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L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Niederösterreich;Norm
ABGB §140 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/08/0347Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerden 1.) des F und
2.) der M, beide in M und vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in 3910 Zwettl, Landstraße 52, gegen die Bescheide der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. Februar 1996, (in beiden Fällen) Zl. VII/1-F-32.441/19-95, betreffend Kostenersatz nach dem Niederösterreichischen Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 25.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen (zu Zl. 96/08/0346) erstangefochtenen Bescheid verpflichtete die belangte Behörde den Beschwerdeführer unter Berufung auf §§ 15 und 42 des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes (NÖ SHG), auf Grund seiner Unterhaltspflicht zu den Kosten der Sozialhilfe für seinen am 11. Jänner 1989 geborenen Sohn ab 4. September 1995 einen monatlichen Kostenersatz von S 3.300,-- zu leisten.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen (zu Zl. 96/08/0347) zweitangefochtenen Bescheid verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Unterhaltspflicht zu den Kosten der Sozialhilfe für ihren Sohn ab 4. September 1995 einen Kostenersatz von monatlich S 700,-- zu leisten.
Nach den - in den wesentlichen Punkten gleich lautenden - Begründungen habe die Niederösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 6. September 1995 dem behinderten Sohn der Beschwerdeführer gemäß § 18 NÖ SHG Hilfe in Form der Übernahme der Kosten für den Aufenthalt im Bundesblindenerziehungsinstitut in Wien gewährt. Nach § 42 Abs. 1 NÖ SHG hätten Personen, die gesetzlich oder vertraglich zum Unterhalt des Empfängers zur Sozialhilfe verpflichtet seien, im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht einen Kostenersatz zu leisten. Im Beschwerdefall sei daher das Einkommen der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung ihrer weiteren Unterhaltspflichten maßgeblich. Nach der vorgelegten Gehaltsbestätigung habe der Beschwerdeführer im Zeitraum 1. März 1995 bis 31. August 1995 ein Einkommen von insgesamt S 122.050,98 netto bezogen. Daraus ergebe sich ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von S 22.341,-- (richtig: 20.341,--). Zusammen mit der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages für seinen Sohn ergebe sich somit ein monatliches Einkommen von S 23.340,--. An absetzbaren Sonderbelastungen könnten Aufwendungen für den notwendigen Wohnbedarf für fünf Personen in der Höhe von insgesamt S 3.722,-- monatlich berücksichtigt werden. Somit betrage der vom Einkommen des Beschwerdeführers zum Kostenersatz heranzuziehende Einkommensteil S 19.619,--.
Die Beschwerdeführerin beziehe derzeit Arbeitslosengeld in der Höhe von S 223,10 täglich. Ihr monatlich zur Verfügung stehendes Einkommen betrage daher S 6.786,--. Ein Drittel davon würde bei der Bestimmung des Kostenbeitrages als Werbeaufwendungen berücksichtigt. Die Aufwendungen für einen notwendigen Wohnbedarf seien bereits beim Beschwerdeführer berücksichtigt worden. Der somit vom Gehalt der Beschwerdeführerin heranzuziehende Einkommensanteil betrage S 4.155,-- monatlich.
Das Gesamteinkommen der beiden Beschwerdeführer betrage monatlich S 23.774,--. Unter Berücksichtigung von vier Sorgepflichten sei ein Kostenersatz von 17 % des zur Verfügung stehenden Einkommens zu leisten. 17 % von S 19.619,-- würden beim Beschwerdeführer einen Betrag in der Höhe von S 3.335,-- ergeben. Dieser Betrag sei auf S 3.300,-- monatlich gerundet worden. Bei der Beschwerdeführerin würden 17 % von S 4.155,-- einen Betrag in der Höhe von S 706,-- ergeben. Dieser Betrag sei auf monatlich S 700,-- gerundet worden.
Die Kostenbeiträge seien nur für die Tage der tatsächlichen Anwesenheit des Sohnes der Beschwerdeführer im Bundesblindenerziehungsinstitut zu leisten. Die notwendigen Fahrtkosten würden auf Antrag ersetzt. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richten sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in denen die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden und darüber erwogen:
Dem behinderten Sohn der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 6. September 1995 der Aufenthalt im Bundesblindenerziehungsinstitut in Wien gemäß § 18 NÖ SHG bewilligt. Die Kosten dieser Maßnahme wurden mit S 800,-- täglich bestimmt. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass die gesetzlich unterhaltspflichtigen Angehörigen dem Land zu den Kosten dieser Hilfe zur Erziehung und Schulbildung einen Kostenbeitrag zu leisten hätten.
Nach § 14 lit. c NÖ SHG (hier und in der Folge in der Fassung vor der Neuregelung vom 18. November 1999, LGBl. 9200-0 (2000/15)) umfasst die Hilfe für behinderte Menschen Hilfe zur Erziehung und Schulbildung; die näheren Bestimmungen enthält der § 18.
Im Fall des § 14 lit c NÖ SHG ist gemäß § 15 Abs. 4 das Ausmaß der Hilfe durch Berücksichtigung eines zumutbaren Einsatzes der eigenen Mittel des behinderten Menschen und seiner Angehörigen im Rahmen ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht zu bestimmen.
Gemäß § 42 Abs. 1 NÖ SHG haben Personen, die gesetzlich oder vertraglich zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Kostenersatz zu leisten.
Die Beschwerdeführer bringen unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit vor, die Berechnung des monatlichen Kostenersatzbetrages sei von der belangten Behörde unrichtig vorgenommen worden.
Schon diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.
Als zutreffend erweist sich zunächst die Auffassung der Beschwerdeführer, dass die Unterhaltsbemessung ein zweistufiger Vorgang ist. Maßgebliche Bestimmungsgröße ist einerseits die Leistungsfähigkeit der Eltern und andererseits der Bedarf des Kindes (vgl. zum Folgenden Stabentheiner in Rummel, ABGB3, zu § 140 Rz 1ff; sowie Schwimann, ABGB2 I, § 140 Rz 1 ff).
Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, dass sein monatliches Nettodurchschnittseinkommen S 20.341,-- (und nicht wie in der Begründung des angefochtenen Bescheides angegeben S 22.341,-
-) beträgt. Die belangte Behörde hat dazu nach § 1 Abs. 1 lit. f der Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung über die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen bei Gewährung von Sozialhilfen (Anrechnungsverordnung) die Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe hinzugerechnet. Diese Beträge sind nach der zitierten Bestimmung zum Einkommen des Hilfe Suchenden und seiner unterhaltspflichtigen Angehörigen dann hinzuzurechnen, wenn die Beihilfen für den Hilfe Suchenden gewährt werden. Die belangte Behörde hat allerdings übersehen, dass eine Hinzurechnung zur Voraussetzung hat, dass der Lebensunterhalt des Behinderten, der über Unterkunft und Verpflegung hinaus auch andere Bedürfnisse, wie etwa Kleidung und andere Anliegen umfassen kann, durch die gewährte Hilfe "vollends gesichert" sein müsste (vgl. dazu das Erkenntnis vom 24. Juni 1997, Zl. 95/08/0128, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen wird).
Mit der Frage, ob der Unterhalt des behinderten Sohnes des Beschwerdeführers im Bundesblindenerziehungsinstitut im Sinne der Judikatur vollends gesichert ist - wogegen das Vorbringen der Beschwerdeführer spricht -, hat sich die belangte Behörde allerdings aufgrund ihrer verfehlten Ansicht, dass eine Hinzurechnung der genannten Beträge generell zu erfolgen hat, nicht auseinander gesetzt. Bereits damit belastete sie den den Beschwerdeführer betreffenden Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Hinsichtlich der die Beschwerdeführerin betreffende Kostenvorschreibung hat die belangte Behörde übersehen, dass der Elternteil, der in dem von ihm geführten Haushalt das Kind betreut, damit grundsätzlich seinen Unterhaltsanteil leistet (vgl. § 140 Abs. 2 ABGB; ferner Schwimann, aaO, Rz 14 f).
Dass die Beschwerdeführerin weder den Haushalt führt noch in diesem den behinderten Sohn betreut, ist nach Lage der Verwaltungsakten nicht ersichtlich. Dabei wird auch eine teilweise außerhäusliche Betreuung noch der elterlichen Betreuungsleistung zugerechnet, solange der haushaltsführende Elternteil in seinem Haushalt die üblichen Betreuungsleistungen wenigstens regelmäßig (zu den Restzeiten) erbringt. Liegt eine außerhäusliche Betreuung (zumindest auch) im Interesse des Kindes (etwa - wie im Beschwerdefall - wegen Pflegebedürftigkeit infolge Krankheit oder schwerer Behinderung), so wird aber entweder unter Bedachtnahme auf die verbleibenden Betreuungsleistungen des einen Elternteils (z. B. Sorge für Kleidung und Wäsche) ein billiger Ausgleich der Geldlasten aus dieser Unterbringung zwischen den Eltern vorzunehmen oder auch der andere Elternteil zur Gänze zur Tragung dieser Kosten (als Sonderbedarf) heranzuziehen sein (vgl. auch dazu Stabentheiner, aaO, Rz 9; ferner EF Slg. 61.873, 61.903 = SZ 63/81). Entsprechende Erwägungen wurden von der belangten Behörde nicht angestellt.
Der die Beschwerdeführerin betreffende Bescheid war daher gleichfalls gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Für das fortzusetzende Verfahren sei aus Gründen der Verfahrensökonomie auf Folgendes hingewiesen:
Zutreffend ist auch der Einwand des Beschwerdeführers, es sei unrichtig, seine Sorgepflicht mit 17 % des zur Verfügung stehenden Einkommens zu bemessen. Bei der Bemessung des Kindesunterhaltes nach Prozentsätzen standen dem im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides siebenjährigen behinderten Sohn des Beschwerdeführers 18 % des anrechenbaren Nettoeinkommens zu (vgl. Stabentheiner, aaO, Rz 5c; ferner Schwimann, ABGB2 I, § 140 Rz 21 ff). Da der Beschwerdeführer noch für zwei weitere minderjährige Kinder (geboren am 26. März 1990 und 7. Juni 1995) unterhaltspflichtig ist, die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides das 10. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, sind vom genannten Prozentsatz weitere 2 Prozentpunkte abzuziehen. Richtig ist auch, dass der Beschwerdeführer für seine (arbeitslose) Ehegattin unterhaltspflichtig ist. Für diese wäre allerdings nur dann ein Abzug von 3 Prozentpunkten - wie in der Beschwerde behauptet - gerechtfertigt, wenn die Beschwerdeführerin einkommenslos wäre. Auf Grund ihres Arbeitslosengeldbezuges erscheint bloß ein Abzug um einen Prozentpunkt gerechtfertigt, weshalb der Beschwerdeführer - letztlich - mit 15 % des zur Bemessung heranzuziehenden Nettoeinkommens zu belasten wäre.
Die belangte Behörde hat sich auch mit der Bestimmung des § 15 Abs. 6 NÖ SHG nicht ausreichend auseinander gesetzt. Von der Verpflichtung zum Kostenbeitrag ist danach ganz oder zum Teil abzusehen, wenn durch einen Kostenbeitrag die Inanspruchnahme der Hilfe aus sozialen Gründen erschwert oder der Erfolg der Hilfe gefährdet würde. Der bloße Hinweis in der Begründung des angefochtenen Bescheides, ein Absehen von der Kostenbeitragspflicht könne "wegen der damit herbeigeführten Ungleichbehandlung in ähnlich gelagerten Fällen nicht vorgenommen werden", entspricht nicht dem Gesetz.
Soweit die Beschwerdeführer rügen, die belangte Behörde hätte auf das dem behinderten Kind gewährte Pflegegeld als "Eigeneinkommen" Rücksicht nehmen müssen, ist ihnen zu erwidern, dass das Pflegegeld in erster Linie dazu dient, den durch die Pflegebedürftigkeit bedingten erhöhten Bedarf des Hilfe Suchenden abzudecken. Ein vom Hilfe Suchenden bezogenes Pflegegeld ist somit nicht schlechthin als Einkommen anzusehen (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 20. Oktober 1999, Zl. 97/08/0122).
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde vom Nettoeinkommen des Beschwerdeführers den Wohnbedarf der Familie in Abzug gebracht hat. Nach der Rechtsprechung ist der Wohnbedarf bei der Berechnung der Unterhaltspflicht allerdings nicht zu berücksichtigen (vgl. dazu Schwimann, aaO, Rz 58, unter Hinweis auf Judikatur).
Wien, am 21. November 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1996080346.X00Im RIS seit
03.04.2002